Originaltitel:
Silver Linings Playbook
Regie und Drehbuch: David O. Russell, Musik: Danny Elfman
Darsteller: Bradley Cooper, Jennifer Lawrence, Robert
DeNiro, Jacki Weaver, Chris Tucker, Julia Stiles, John Ortiz, Anupam Kher, Dash
Mihok, Paul Herman, Brea Bee
Nachdem Pat Solitano (Bradley Cooper, "Hangover") auf gerichtliche
Anweisung acht Monate in einer psychiatrischen Anstalt verbracht hat, in der
seine jahrelang nicht diagnostizierte bipolare Störung behandelt wurde, holt
ihn seine Mutter (Jacki Weaver, "Fast verheiratet", "Animal Kingdom") gegen den Rat der Ärzte
ab. Pat zieht bei seinen Eltern ein und versucht, sich wieder an das
"normale Leben" zu gewöhnen; sein vorrangiges Ziel ist es jedoch,
seine Ehefrau Nikki (Brea Bee) zurückzugewinnen. Keine einfache Aufgabe, ließ
diese doch ein gerichtliches Annäherungsverbot gegen ihn verfügen. Daß Pats
Vater (Robert De Niro, "Der Sternwanderer"), der vor kurzem seine Arbeit verloren hat und sich nun
als illegaler Buchmacher über Wasser hält, selbst über einige Zwangsneurosen
verfügt, macht die Angelegenheit nicht einfacher. Überraschenden Halt findet Pat
schließlich bei der jungen Tiffany (Jennifer Lawrence, "Die Tribute von Panem"), der Schwägerin seines
besten Freundes Ronnie (John Ortiz), die nach dem Tod ihres Mannes unter
schweren Depressionen litt und ähnliche Medikamente einnahm wie nun Pat – welch
besseres Gesprächsthema könnte es geben? Da Tiffany auch Pats Gattin kennt,
bietet sie ihm an, dieser heimlich einen Brief von ihm zu überreichen, wenn er
als Gegenleistung mit Tiffany an einem Tanzwettbewerb kurz nach Weihnachten
teilnimmt – für Pat ein echter
Silberstreif am Horizont. Durch das regelmäßige Training kommen sich beide
näher, doch scheint Pat weiterhin nur an Nikki zu denken und bezeichnet seine
Beziehung zu Tiffany als rein platonisch ...
Kritik:
Der gebürtige New Yorker David Owen Russell gilt als nicht
ganz einfach im Umgang. Der Regisseur soll am Set sehr anstrengend und recht
aufbrausend sein, was unter anderem zu einer kleinen Schlägerei mit George
Clooney bei den Dreharbeiten zu "Three Kings" führte, im Jahr 2004
sorgte dann ein Youtube-Video für Furore, in dem er sich lautstark mit seiner "I Heart
Huckabees"-Darstellerin Lily Tomlin in die Wolle bekam. Dennoch erhält
Russell für seine Projekte immer wieder Zusagen der besten und beliebtesten
Schauspieler Hollywoods. Der Grund dürfte klar sein: David O. Russell ist ein
ausgezeichneter Drehbuch-Autor und Regisseur, dessen Filme selten enttäuschen.
Ob die Familienkomödie "Flirting with Disaster", die respektlose Golfkriegs-Farce
"Three Kings", die schräge Komödie "I Heart Huckabees" oder
der Sportlerdrama "The Fighter" – Russells Werke stehen für
intelligenten, schrägen Humor, intensive Figurenzeichnung und spannende
Stories. Die auf einem Roman von Matthew Quick basierende Tragikomödie "Silver Linings" reiht sich nahtlos in sein
Schaffen ein.
Zwei zentrale Themenbereiche prägen "Silver
Linings". Da ist zum einen die im Vordergrund stehende Beschäftigung mit
psychischen Erkrankungen, die Russell sehr empathisch und glaubwürdig angeht.
Zwar ist es natürlich etwas klischeehaft, daß zahlreiche Charaktere der
Handlung ein wenig durchgeknallt oder zumindest ziemlich schräg sind (Pats
Psychiater eingeschlossen), wodurch Pats und Tiffanys Probleme vielleicht sogar
ein wenig relativiert werden. Allerdings ist es Russell hoch anzurechnen, daß
er sich nicht etwa darauf beschränkt, die psychischen Probleme als bloßen Aufhänger
für eine Geschichte über sympathische Menschen zu nehmen, die eigentlich nicht
viel mehr als etwas schrullig sind. Nein, in "Silver Linings" mag
das auf die Nebenfiguren wie Pats sportverrückten Vater oder seinen in der Psychiatrie kennengelernten
Freund Danny (Chris Tucker, "Rush Hour") zutreffen, bei denen das dramaturgisch auch
wunderbar funktioniert. Aber bei Pat und Tiffany vermeidet Russell jede
Verharmlosung. Auch wenn sich Pats bipolare Störung meist relativ
harmlos offenbart, seine gelegentlichen psychotischen Ausbrüche sind wahrlich
furchteinflößend und lassen keinen Zweifel daran, daß der Mann Hilfe braucht.
Ähnlich sieht es bei Tiffany und ihrem auch aus Schuldgefühlen geborenen
selbstzerstörerischen Verhalten aus. Es besteht kein Zweifel: Trotz der
besorgten und liebevollen Familien, die sowohl Pat als auch Tiffany beistehen,
wären die beiden auf Dauer (um den deutschen Titel von Marilyn Monroes letztem
Film zu zitieren) nicht gesellschaftsfähig. Doch zusammen können sie es
schaffen, gemeinsam geht es ihnen besser, können sie sich wieder stärker in ihr
Umfeld integrieren – auch wenn die Integration vorerst brüchig bleibt. Da ich
selbst keine Erfahrungen mit psychischen Erkrankungen besitze, kann ich nicht
beurteilen, wie authentisch Russells Schilderung dieser Thematik ist;
zweifellos wirkt sie aber glaubwürdig und vor allem sehr mitfühlend, ohne zu
verharmlosen.
Doch wie bereits erwähnt, ist "Silver Linings"
nicht nur eine Tragikomödie über Menschen mit ernsthaften psychischen
Problemen, sondern auch eine der schönsten Liebesgeschichten der letzten Jahre.
[Für den restlichen Absatz gilt eine Spoiler-Warnung, da er zwangsläufig
(möglichst allgemein gehaltene) Informationen über den Handlungsverlauf
enthält]. Das liegt vor allem daran, daß Russell die aufkeimenden Gefühle
zwischen Pat und Tiffany so subtil und einfühlsam zeigt, daß man als Zuschauer
lange Zeit gar nicht richtig bemerkt, was sich zwischen den beiden entwickelt.
Womit es einem im Grunde genauso ergeht wie Pat, dessen ganzes Streben ja
erklärtermaßen der Rettung seiner Ehe gilt. Zwar ist es offensichtlich, daß
Tiffany sich ziemlich schnell in diesen so problembeladenen, aber notorisch optmistischen Mann verliebt, der als einziger gut nachempfinden kann, wie sie sich fühlt und der sie zumindest
manchmal besser behandelt, als sie das seit langer Zeit gewohnt ist; aber durch
Pats abblockende Haltung und auch durch den deutlichen Altersunterschied
zwischen den beiden sieht es lange nicht danach aus, als ob sich daraus
tatsächlich mehr entwickeln könnte als Freundschaft. Doch im fantastischen,
herzerwärmenden und irre komischen Finale während des Tanzwettbewerbs spielt
David O. Russell schließlich ausgelassen und triumphal auf der ganzen Bandbreite der Klaviatur der
Gefühle sowohl seiner Protagonisten als auch des Publikums.
Bradley Cooper und Jennifer Lawrence wurden für ihre Leistungen mit OSCAR-Nominierungen geehrt (Lawrence gewann sogar), die Nebendarsteller Robert De Niro und Jacki Weaver ebenfalls. Das ist
auch absolut angebracht, da Regisseur Russell sich trotz seiner wenig umgänglichen
Art am Set wieder einmal als Mann erweist, der seine Darsteller zu absoluten
Höchstleistungen treibt. Cooper und Lawrence liefern die wohl besten
Darbietungen ihrer bisherigen Karriere ab, sie interpretieren ihre psychologisch
durchaus schwierigen Rollen zwischen Hitzköpfigkeit und emotionaler Verletzbarkeit
absolut glaubwürdig. Auch De Niro, der sich in den letzten Jahren
beileibe nicht durch ein gutes Händchen bei der Filmauswahl ausgezeichnet hat,
ist hier so gut wie schon lange nicht mehr und wird durch ein glänzendes Ensemble
von Nebendarstellern wie Weaver, Chris Tucker, Julia Stiles (als Tiffanys
ältere Schwester Veronica) oder Dash Mihok (als Polizist, der Pat stets im Auge
behält) unterstützt. Abgerundet wird das Filmvergnügen durch eine passende Auswahl an Songs (u.a. von Bob Dylan, The
White Stripes und Led Zeppelin) und die für seine Verhältnisse ungewöhnlich
reduzierte, aber ausgesprochen gute Musik von Danny Elfman ("Sleepy Hollow", "Charlie und die Schokoladenfabrik").
Fazit: "Silver Linings" ist eine sehr
schöne Tragikomödie, die zwei Stunden Unterhaltung mit Tiefgang bietet und
zusätzlich mit tollen schauspielerischen Leistungen punktet.
Wertung: Knapp 9 Punkte.
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