Die Gewinner der 91. Verleihung der Academy Awards in Hollywood, Los Angeles:
Bester Film: Green Book - Eine besondere Freundschaft
Darsteller: Rami Malek, "Bohemian Rhapsody"
Darstellerin: Olivia Colman, "The Favourite"
Nebendarsteller: Mahershala Ali, "Green Book - Eine besondere Freundschaft"
Nebendarstellerin: Regina King, "Beale Street"
Regie: Alfonso Cuarón, "Roma"
Originaldrehbuch: Nick Vallelonga, Brian Hayes Currie und Peter Farrelly, "Green Book - Eine besondere Freundschaft"
Adaptiertes Drehbuch: Charlie Wachtel, David Rabinowitz, Kevin Willmott und Spike Lee, "BlacKkKlansman"
Animationsfilm: Spider-Man: A New Universe
Nicht-englischsprachiger Film: "Roma", Mexiko
Kamera: Alfonso Cuarón, "Roma"
Schnitt: John Ottman, "Bohemian Rhapsody"
Ausstattung: Hannah Beachler und Jay Hart, "Black Panther"
Kostüme: Ruth E. Carter, "Black Panther"
Makeup und Hairstyling: Greg Cannom, Kate Biscoe und Patricia Dehaney, "Vice - Der zweite Mann"
Musik: Ludwig Göransson, "Black Panther"
Filmsong: Lady Gaga, Mark Ronson, Anthony Rossomando, Andrew Wyatt, "A Star Is Born"
Ton: Paul Massey, Tim Cavagin und John Casali, "Bohemian Rhapsody"
Tonschnitt: John Warhurst und Nina Hartstone, "Bohemian Rhapsody"
Visuelle Effekte: Paul Lambert, Ian Hunter, Tristan Myles, J.D. Schwalm, "Aufbruch zum Mond"
Dokumentarfilm: Free Solo
Kurz-Dokumentarfilm: Stigma Monatsblutung
Animations-Kurzfilm: Bao
Kurzfilm: Skin
Die OSCARs verteilen sich damit in diesem Jahr wie folgt:
Roma: 3
Vice - Der zweite Mann: 1
Beale Street: 1
Kommentar und Fazit:
Es war eine Nacht ohne die ganz große Sensationen, aber dafür mit reichlich überraschenden Siegern, die sich zudem breit auf fast alle mehrfach nominierten Filme verteilten (keiner der acht "Best Picture"-Nominees ging leer aus!). Das sorgte für eine ungewöhnliche Dramaturgie, in der der Favorit für die Königskategorie ständig wechselte: Zuerst schnappte "Black Panther" dem favorisierten "The Favourite" zwei Kategorien (Kostüme und Ausstattung) weg, womit "The Favourite" bereits aus dem "Bester Film"-Rennen war. Dann verlor aber "Black Panther" zwei technische Kategorien gegen "Bohemian Rhapsody" (letztlich mit 4 Trophäen der zahlenmäßig erfolgreichste Film - kurios: die einzige nicht gewonnene Kategorie war "Bester Film"!), womit "Black Panther" ebenfalls aus dem "Bester Film"-Rennen war. Der Drehbuch-Gewinn brachte "Green Book" wieder ins Spiel, doch nach dem Regiepreis für Cuarón (sein dritter Goldjunge des Abends, die Auslandskategorie ging dabei erstaunlicherweise erstmals an Mexiko!) sprach wieder alles für "Roma". Aber am Ende ging die Königskategorie dann doch an "Green Book" - keine Sensation, wie gesagt, denn die Tragikomödie war neben "Roma" und "The Favourite" der aussichtsreichste Anwärter, jedoch gleichzeitig auch der am kontroversesten aufgenommene, weshalb ich nicht wirklich mit seinem Sieg gerechnet hatte. Ob es nun am Ende doch wieder die Netflix-Antipathie mancher Kinoschaffender war, die den Ausschlag gab, oder ob die klar sperrigeren "Roma" und "The Favourite" einfach nicht genügend Academy-Mitglieder überhaupt gesehen haben ... am Ende fiel die Entscheidung für "Green Book". Damit kann ich leben, der Drehbuch-Gewinner Spike Lee erklärtermaßen eher nicht - sein erster eigener OSCAR sollte ihm aber Trost sein.
Betrachtet man die einzelnen Kategorien, deren Gewinner übrigens so divers wie wohl noch nie ausfielen, gab es den überraschendsten Sieger bei den Hauptdarstellerinnen: So gut wie jeder hatte damit gerechnet, daß Glenn Close bei ihrer siebten Nominierung nun endlich ihren ersten OSCAR erhalten würde - zwar war die Konkurrenz stark, aber Close gewann fast alle Vorläufer-Preise in der Awards Season und war somit hohe Favoritin. Doch gerade, als ich in Gedanken dabei war, Sätze für diese Analyse zu formulieren, die meine Empörung darüber angemessen zum Ausdruck bringen würden, daß ausgerechnet der beste nominierte Film leer ausgehen würde, wurde sehr überraschend Olivia Colman für ihre Darstellung der britischen Königin Anne in "The Favourite" zur Gewinnerin erklärt. Eine verdiente Auszeichnung, keine Frage - allerdings hätte das auf alle fünf nominierten Schauspielerinnen zugetroffen! Auf diese Weise bekamen die Zuschauer jedenfalls die beste Dankesrede der Veranstaltung zu hören, denn Colman war offensichtlich ebenso wenig auf diesen Sieg vorbereitet wie die Zuschauer, improvisierte aber im Freudentaumel eine lebhaft vorgetragene, ebenso stilvolle wie amüsante Ansprache.
Das war eine höchst willkommene Abwechslung im sonstigen Einheitsbrei dieser Nacht, denn die nicht ganz freiwillige Entscheidung der Academy, auf einen Moderator zu verzichten, wirkte sich meines Erachtens negativ aus. Anstatt den fehlenden Gastgeber durch ein originelles oder wenigstens gut durchdachtes Konzept vergessen zu machen (manche erwarteten ja eine sehr "Avengers"-lastige Show, was durchaus möglich gewesen wäre, da der produzierende Sender ABC zum Disney-Konzern gehört und "Avengers: Endgame" bald in die Kinos kommt), wurde er einfach gestrichen und ansonsten alles beim Alten belassen. Showelemente gab es somit kaum, nur die Eröffnung durch Queen und den Vortrag von vier der fünf Song-Nominees (der noch einmal klar machte, daß "Shallow" ein sehr verdienter Sieger war). Dem Queen-Opening fiel sogar die traditionelle Eröffnungsnummer zum Opfer, die häufig bereits der Höhepunkt der Show war. Auch bei der Präsentation der Kategorien zeigten sich die Produzenten spartanisch: Wo in früheren Shows beispielsweise die Drehbuch-Nominees durch kurze Abschnitte aus dem jeweiligen Skript illustriert wurden, wurden diesmal einfach alle nominierten Personen und Filme vorgelesen, unterlegt mit der kurzen Einblendung der Person respektive eines Filmausschnitts. Selbst die "In memoriam"-Sequenz (mit Bruno Ganz) zeigte lediglich sekundenkurze, stumme Ausschnitt aus dem bekanntesten Film ausgewählter Verstorbener - das ermöglichte immerhin, besonders viele internationale Filmschaffende zu würdigen. Trotzdem: Das wirkte alles ziemlich lieb- und einfallslos. Und die meisten Dankesreden paßten dazu, denn bis auf Olivia Colman und vielleicht Spike Lee, Lady Gaga, Rami Malek und Jamie Ray Newman (die aus Serien wie "Eureka" und "The Punisher" bekannte Schauspielerin gewann als Produzentin des Kurzfilms "Skin" ihren ersten OSCAR) gab es da wenig Bemerkenswertes zu hören. Alles in allem also showtechnisch ein sehr ernüchternder Abend (der für das deutsche Publikum übrigens durch eine noch mißlungenere Übertragung von Pro 7 eingeleitet wurde, in der die traditionellen Roter Teppich-Interviews von Steven Gätjen beständig durch minutenlanges uninteressantes Gelaber eines Trios um Bill Kaulitz unterbrochen wurden), der dafür aber bis zuletzt uncharakteristisch spannend blieb und mit etlichen kleinen und großen Überraschungen für die sonstigen Mängel entschädigte. Und manche Zuschauer mögen den engeren Fokus auf die Filme selbst zulasten der Showelemente ja sogar begrüßen.
Abschließend ein Blick auf meine OSCAR-Tips: Mit 14 von 24 Siegern habe ich eines meiner schwächsten Ergebnisse abgeliefert (letztes Jahr waren es 19), was ob der vielen unerwarteten Gewinner kaum überrascht. Daß ich jedoch gerade in den Hauptkategorien so oft danebenlag (nur 5 von 11), wurmt mich schon etwas. Nunja, 2020 kann ich es ja wieder besser machen ...
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