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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Donnerstag, 20. September 2018

BLACKkKLANSMAN (2018)

Regie: Spike Lee, Drehbuch: Charlie Wachtel, David Rabinowitz, Kevin Willmott und Spike Lee, Musik: Terence Blanchard
Darsteller: John David Washington, Adam Driver, Jasper Pääkkönen, Ryan Eggold, Ken Garito, Laura Harrier, Michael Joseph Buscemi, Robert John Burke, Topher Grace, Ashlie Atkinson, Paul Walter Hauser, Frederick Weller, Corey Hawkins, Isiah Whitlock Jr., Brian Tarantina, Alec Baldwin, Nicholas Turturro, Harry Belafonte
 BlacKkKlansman (2018) on IMDb Rotten Tomatoes: 96% (8,3); weltweites Einspielergebnis: $93,4 Mio.
FSK: 12, Dauer: 136 Minuten.

Als Ron Stallworth (John David Washington, TV-Serie "Ballers") zu Beginn der 1970er Jahre der erste afroamerikanische Polizist in Colorado Springs im Mittleren Westen der USA wird, macht ihm Polizeichef Bridges (Robert John Burke, TV-Serie "Person of Interest") gleich klar, daß das kein einfacher Job für ihn werden wird – denn der Rassismus ist in der Polizei weit verbreitet. Davon läßt sich Ron nicht abhalten und dank seines Ehrgeizes und seines Tatendrangs darf er sich schon bald an Undercover-Missionen beteiligen. Eines Tages entdeckt Ron in der Zeitung eine Annonce der örtlichen Gruppierung des Ku-Klux-Klan; er ruft die dort angegebene Nummer kurzentschlossen an, wo ihm Ortsleiter Walter (Ryan Eggold, TV-Serie "The Blacklist") einen Beitritt zur Organisation schmackhaft machen will. Weil Rons Hautfarbe dem logischerweise entgegensteht, schickt er zu den persönlichen Treffen des Klans seinen jüdischen Kollegen Filip "Flip" Zimmermann (Adam Driver, "Silence"), während er selbst weiterhin die Telefonate führt – und bei denen freundet er sich durch Zufall sogar (vorgeblich) mit dem ein politisches Amt anstrebenden neuen Landesleiter des Klans an, David Duke (Topher Grace, "Interstellar"). Währenddessen muß sich Flip des Mißtrauens von Klanmitglied Felix (Jasper Pääkkönen, TV-Serie "Vikings") erwehren und gleichzeitig vagen Andeutungen über einen geplanten Anschlag in naher Zukunft nachgehen …

Kritik:
Es ist kurios: Zeit seiner Karriere wurde dem  über lange Zeit wichtigsten afroamerikanischen Hollywood-Regisseur Spike Lee ("Do the Right Thing", "Malcolm X") immer wieder einmal Rassismus gegenüber Weißen vorgeworfen – ausgerechnet bei seiner gefeierten Rassismus-Satire "BlacKkKlansman" sieht er sich nun vereinzelt Kritik von der anderen Seite ausgesetzt. Denn einige schwarze Künstler und Aktivisten (wie der "Sorry to Bother You"-Regisseur Boots Riley) stören sich daran, daß er Stallworth zu positiv zeichne, obwohl dessen reales Vorbild (auf dessen Autobiographie der Film basiert) nicht nur den Ku-Klux-Klan, sondern ebenfalls schwarze Bürgerrechtsbewegungen unterwanderte. Das wird von Spike Lee zwar keineswegs verschwiegen, es spielt aber in der Tat keine allzu große Rolle. Insofern ist die Kritik zwar ansatzweise nachzuvollziehen, doch letztlich erzählt Lee eben einfach nur eine Geschichte mit einer klaren, auf Parallelen zu aktuellen Geschehnissen der Ära Trump abzielenden Botschaft – dafür darf man in Hollywood natürlich etwas von der Realität abweichen. Dennoch ist es schon erstaunlich, wie versöhnlich "BlacKkKlansman" lange Zeit wirkt, wo Ron zwar immer wieder mit Rassismus konfrontiert wird und auch ungerechtfertigte Übergriffe der Polizei auf unbescholtene afroamerikanische Bürger vorkommen (bekanntlich und bedauerlicherweise im Jahr 2018 noch immer ein großes Thema); doch im Grunde werden Rons Probleme mit Rassismus innerhalb der Polizei auf eine einzige Person – den von Frederick Weller aus der TV-Serie "In Plain Sight" gekonnt hassenswert verkörperten Cop Landers – konzentriert. Vielleicht ist der als wütender junger Filmemacher bekanntgewordene Spike Lee mit 60 Jahren doch ein bißchen altersmilde geworden, jedenfalls kann man sich gut vorstellen, daß "BlacKkKlansman" vor 30 Jahren ganz anders ausgesehen hätte. Vielleicht glaubt Lee aber auch einfach nur, daß er der unglaublichen (mehr oder weniger) wahren Geschichte, die er erzählt, mit satirischen bis komödiantischen Mitteln am besten gerecht wird und auf diese Weise das größte Publikum erreicht, dem er seine wichtige Botschaft vermitteln kann. So oder so: "BlacKkKlansman" zeigt wieder einmal, daß man den Künstler Spike Lee selbst nach mehreren künstlerischen und/oder kommerziellen Mißerfolgen am Stück niemals abschreiben darf. Am Ende wurde er sogar mit dem Drehbuch-OSCAR belohnt, dazu gab es für "BlacKkKlansman" fünf weitere Nominierungen.

Wenn sich ein Filmemacher mit Personen oder Organisationen befaßt, die von den meisten Menschen klar als "böse" eingestuft werden, dann gibt es zumindest im Mainstreambereich (Exploitation-Filme also nicht mitgerechnet) drei vielversprechende Herangehensweisen: Man kann sich der Thematik möglichst realitätsnah und authentisch widmen ("Schindlers Liste"); man kann sich über die handelnden Personen lustig machen und ihnen so zumindest ein Stück weit den Schrecken nehmen ("Der große Diktator"); oder man kann alles noch übertreiben und überhöhen, damit noch der letzte Zuschauer mitbekommt, daß das Gezeigte alles andere als nachahmenswert ist (geschieht besonders gerne in Propagandafilmen). Spike Lee hat sich für eine Mischung aus den ersten beiden Varianten entschieden. Die Ortsgruppe von Colorado City ist ein ziemlich bunter Haufen: "BlacKkKlansman" präsentiert einzelne Ku-Klux-Klan-Mitglieder wie den ständig betrunkenen Ivanhoe (Paul Walter Hauser, "I, Tonya") als Witzfiguren wie bei Tarantinos "Django Unchained", andere aber auch als ernstzunehmende, sogar charismatische Persönlichkeiten. Letzteres trifft speziell auf Walter zu, die in der Realität wohl gefährlichste Art von Rassist: Freundlich, sogar sympathisch, höflich im Umgang mit anderen, intelligent und gebildet, in der Öffentlichkeit mit gemäßigter Sprache auftretend. Ein echt dufter Typ – wäre er nicht dummerweise der Meinung, daß Weiße grundsätzlich allen anderen überlegen sind und Rassentrennung unumgänglich ist. Felix und seine ebenso eifrig rassistische Ehefrau Connie (Ashlie Atkinson, "The Wolf of Wall Street") sind der Gegenentwurf: Klassische Rednecks, wie man sie sich so vorstellt, ungehobelt, ungebildet, aggressiv, schwerbewaffnet und voller Haß auf Schwarze sowie – was die Sache für Flip nicht angenehmer macht – besonders auf Juden. Und dann wäre da noch David Duke, bis heute der bekannteste und vermutlich auch immer noch einflußreichste Neonazi der USA, der sich Ende der 1980er Jahre sogar für die Republikaner ins Abgeordnetenhaus wählen ließ und 1992 in den Vorwahlen zur Präsidentschaft antrat. Bei der Darstellung Dukes gleitet Spike Lee am deutlichsten ins Satirische ab, vielleicht gerade weil es sich um eine reale Figur der Zeitgeschichte handelt (die im Wahlkampf 2016 übrigens kräftig für Donald Trump trommelte). Der frühere "Die wilden 70er"-Star Topher Grace legt den ehrgeizigen Emporkömmling auf den ersten Blick ähnlich wie den von Ryan Eggold gespielten Walter an: Duke ist in den Telefonaten mit Ron freundlich, zuvorkommend, beinahe kumpelhaft sogar. Der Unterschied ist, daß sich Lee über Duke immer wieder offen lustig macht, wenn er ihn etwa gegenüber Ron damit angeben läßt, daß er es sofort an dessen Sprache erkennen würde, würde er am Telefon mit einem Schwarzen sprechen (wobei das laut Stallworths Buch tatsächlich geschah) …

Daß Spike Lee so viele unterschiedliche Arten von Rassisten – die fraglos alle in der Realität vorkommen – in der Story von Ron Stallworth unterbringen will, ist einerseits nachvollziehbar und der Abwechslung dienlich, andererseits verhindert es aber, daß "BlacKkKlansman" wie aus einem Guß wirkt. Trotz einer Länge von mehr als zwei Stunden kann Lee nicht allen wichtigen Handlungssträngen gerecht werden, die Figuren machen kaum eine Entwicklung durch und die Geschichte zerfasert sich im Mittelteil ein wenig. Das mag daran liegen, daß die Gefahr eines mutmaßlich unmittelbar bevorstehenden Klan-Anschlags eine Drehbuch-Erfindung im Dienste der Dramaturgie ist, in Stallworths Autobiographie kommt so etwas nämlich nicht vor – und entsprechend halbherzig umgesetzt wirkt es, wenngleich sich das dramatische Finale dieses Storystrangs sehen lassen kann. Ich will gar nicht zu negativ klingen, denn die Ermittlungen von Ron, Flip und ihren Kollegen – zu denen noch der aufrechte Sergeant Trapp (Ken Garito, "Summer of Sam") und der ältere Jimmy (Michael Joseph Buscemi, "Interview") zählen – sind in ihrer Kombination aus Spannung und schwarzem Humor durchgehend unterhaltsam sowie gut geschrieben und gespielt. John David Washington hat sicher noch nicht die umwerfende Präsenz seines Vaters Denzel, aber das wäre bei seiner ersten großen Kinorolle wohl auch etwas zu viel verlangt. Er spielt seine Rolle jedenfalls einnehmend und schwungvoll und bildet mit dem von Adam Driver wie gewohnt sehr überzeugend verkörperten Flip ein funktionierendes Zentrum der Geschichte, in der seine Figur außerdem als einzige eine erkennbare Entwicklung durchläuft. Das ist auch seiner nicht ganz einfachen Beziehung zu der Studentin und Aktivistin Patrice (Laura Harrier, "Spider-Man: Homecoming") geschuldet, durch die Ron anders als seine Kollegen nicht nur im Polizeidienst zu sehen ist, sondern auch privat im Nachtclub oder in den leidenschaftlichen Diskussionen mit der radikaleren Patrice über die richtige Vorgehensweise im Kampf um Gleichberechtigung. Wiewohl Rons Privatleben dramaturgisch wenig ergiebig ist, sorgen diese Szenen immer wieder für Schwung, wozu die getragene, sehr stimmungsvolle Musik des häufig mit Lee zusammenarbeitenden Jazztrompeters Terence Blanchard ("Die 25. Stunde") beiträgt.

Bei allen Stärken des Films bleibt es ein Manko, daß "BlacKkKlansman" zu oft anekdotenhaft wirkt und deshalb selten jene emotionale Tiefe erreicht, die der Thematik definitiv angemessen wäre. Es gibt solche Szenen wohlgemerkt – zum Beispiel, wenn der 91-jährige Harry Belafonte, Musiklegende und seit Jahrzehnten engagierter Bürgerrechtler, in einer geschickt arrangierten Montage aufmerksam zuhörenden schwarzen Studenten in aller Ausführlichkeit die grauenvolle (und leider ebenfalls wahre) Geschichte eines Lynchmordes an dem geistig zurückgebliebenen afroamerikanischen Teenager Jesse Washington im Jahr 1916 erzählt, während gleichzeitig andernorts eine traditionelle Aufnahmezeremonie des Klans stattfindet. Der echte Schlag in die Magengrube des Zuschauers kommt aber erst ganz am Schluß, wenn Spike Lee nach einem überraschend versöhnlichen (und etwas geschönten) Ende von Rons Geschichte den gewagten und durchaus nicht von jedem Kritiker gewürdigten Sprung von einem brennenden Klan-Kreuz zu Archivaufnahmen der Geschehnisse von Charlottesville im August 2017 wagt, als Neo-Nazis offen demonstrierten und die junge Gegendemonstrantin Heather Heyer – der Spike Lees Film gewidmet ist – zum Opfer eines ebenso feigen und grausamen wie sinnlosen Mordes wurde. Subtil ist das natürlich nicht und unbedingt nötig wäre es auch nicht gewesen, um die vielen bedrückenden Parallelen von "BlacKkKlansman" zu aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen (nicht nur) in den USA des Jahres 2018 zu erkennen – aber es ist ein nachwirkender und passender Schlußpunkt für einen betont politischen Film, der aufrütteln will.

Fazit: "BlacKkKlansman" ist ein satirisches Rassismus-Drama, in dem sich Regisseur Spike Lee der ernsten Thematik ungewohnt spielerisch und humorvoll nähert, dabei aber gekonnt auf viele unschöne Parallelen zur Gegenwart hinweist, welche die Nachhaltigkeit der Fortschritte in Sachen Gleichbereichtigung in Frage stellen.

Wertung: Knapp 8 Punkte.


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