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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Donnerstag, 24. Januar 2019

SPIDER-MAN: A NEW UNIVERSE (3D, 2018)

Originaltitel: Spider-Man: Into the Spider-Verse
Regie: Bob Persichetti, Peter Ramsey und Rodney Rothman, Drehbuch: Phil Lord und Rodney Rothman, Musik: Daniel Pemberton
Sprecher der Originalversion: Shameik Moore, Jake Johnson, Hailee Steinfeld, Nicolas Cage, Chris Pine, Kimiko Glenn, John Mulaney, Liev Schreiber, Kathryn Hahn, Mahershala Ali, Brian Tyree Henry, Lauren Vélez, Lily Tomlin, Zoë Kravitz, Lake Bell, Oscar Isaac, Stan Lee
Sprecher der Synchronfassung: Marco Eßer, Jaron Löwenberg, Leonie Dubuc, Martin Keßler, Roman Wolko, Rubina Nath, Daniel Zillmann, Erik "Gronkh" Range, Christin Marquitan, Bernd Egger, Matti Klemm, Carolina Vera-Squella, Cornelia Meinhardt, Alice Bauer, Gundi Eberhard, Björn Schalla, Thomas Kästner
Spider-Man: A New Universe
(2018) on IMDb Rotten Tomatoes: 97% (8,8); weltweites Einspielergebnis: $384,3 Mio.
FSK: 6, Dauer: 117 Minuten.

Teenager Miles Morales ist genervt: An der öffentlichen Schule in seinem Viertel hatte er jede Menge Freunde und war überall beliebt, trotzdem muß er auf Drängen seines Vaters – eines New Yorker Polizisten – auf eine private Eliteschule wechseln, auf welcher er keineswegs nur wegen seiner gemischtrassigen Herkunft (sein Vater ist Afroamerikaner, seine Mutter eine Latina) wie ein Fremdkörper wirkt. Einziger Lichtblick ist die hübsche Wanda, die wie Miles neu an der Schule ist. Die neue Schule ist aber Miles' kleinstes Problem, als der leidenschaftliche Graffiti-Künstler in einem abgesperrten U-Bahn-Schacht von einer radioaktiven Spinne gebissen wird. Miles kann es kaum glauben, aber er entwickelt sich fortan zu einem zweiten Spider-Man! Während Miles versucht, seine neuen Kräfte irgendwie in den Griff zu kriegen, trifft er auf den "echten" Spider-Man, der sich gerade im Kampf gegen den Kingpin, den Grünen Kobold und die skrupellose Wissenschaftlerin Doc Ock befindet – dummerweise gelingt es ihm dieses Mal nicht, den Plan der Bösen zu vereiteln, weshalb sich ein Dimensionstor öffnet. Nur Miles kann es wieder schließen, bevor Schlimmeres passiert – zu seiner Überraschung erhält er allerdings höchst tatkräftige Unterstützung, denn das Portal hat einige Spider-Man-Pendants aus anderen Dimensionen herübergezogen, etwa Spider-Gwen, Spider-Man Noir (im Original gesprochen von Nicolas Cage) und das Cartoon-Schwein Spider-Ham …

Kritik:
Eigentlich ist es ja naheliegend, Comics in animierter Form zu adaptieren, da man letztlich nur so einige Comic-Besonderheiten auf das bewegte Bild übertragen kann. Und tatsächlich gibt es seit Jahrzehnten viele animierte Superhelden-Geschichten auf Grundlage der Marvel- und DC-Helden – allerdings größtenteils als TV-Serien (meist an Kinder und Jugendliche gerichtet) oder als direkt fürs Heimkino gemachte Veröffentlichungen. Letztere sprechen gerade bei DC – das seit 2013 sogar ein eigenes DC Animated Movie Universe mit Batman, Superman, Constantine und der Justice League geschaffen hat – mit einer vergleichsweise wenig zimperlichen, eng an die Comic-Vorlagen angelehnten Machart immerhin einen Teil der Zielgruppe an, der von den teuren, entsprechend an möglichst viele potentielle Zuschauersegmente gerichteten Hollywood-Realfilm-Blockbustern weniger angesprochen wird. In den Lichtspielhäusern aber sind animierte Comicadaptionen aus den USA nur sehr selten zu finden, was vermutlich auch daran liegt, daß Hollywood (und besonders Disney) über Jahrzehnte hinweg dafür gesorgt hat, daß Zeichentrick- und Animationsfilme vom Publikum vorwiegend als (wenngleich oft hochwertiger) Kinderkram angesehen wird. Nachdem der zwischenzeitliche Siegeszug der Studio Ghibli-Meisterwerke á la "Chihiros Reise ins Zauberland" bereits für eine leichte Bewußtseinsänderung sorgte, könnte Sony mit seinem ersten animierten Spider-Man-Film weiter dafür sorgen, daß erwachsenere US-Animationsfilme die Kinos erobern. Zugegeben, auch "Spider-Man: A New Universe" ist für junge Zuschauer sehr geeignet, aber gleichzeitig beweist er, daß sich animierte Superhelden-Filme hinsichtlich Qualität und Komplexität nicht vor ihren Realfilm-Vettern verstecken müssen. Als Belohnung gab es dafür den Animationsfilm-OSCAR.

Daß Sony sich an "A New Universe" mutmaßlich vor allem deshalb heranwagte, weil man die Lizenzrechte an Realfilm-Spinnenmann-Abenteuern für gutes Geld an Disney – das Spidey via "Spider-Man: Homecoming" erfolgreich ins Marvel Cinematic Universe integriert hat – verlieh, schmälert die Verdienste des japanisch-amerikanischen Studios nicht. Schließlich hätten sie sich auch ganz auf ihre Bemühungen konzentrieren können, ein Filmuniversum rund um Spider-Man-Antagonisten und -Nebenfiguren zu etablieren, was mit "Venom" zum Auftakt zumindest kommerziell hervorragend glückte. Stattdessen haben sie zusätzlich "The LEGO Movie"-Autor Phil Lord und seinen "22 Jump Street"-Co-Autor Rodney Rothman beauftragt, ein animiertes Abenteuer zu kreieren, das in einem alternativen (unserem jedoch sehr ähnlichen) Universum spielt und in dem mit Miles Morales ein Peter Parker-Nachfolger aus den Comics im Zentrum steht. Und das funktioniert sehr gut. Speziell als Nicht-Comic-Leser ist Miles eine erfrischende Abwechslung, da man aus dem Kino bekanntlich lediglich Peter Parker als Spider-Man kennt. Miles unterscheidet sich charakterlich zwar gar nicht so sehr von Peter, einige entscheidende Abweichungen gibt es aber – so ist Miles kein schüchterner Nerd, sondern ein selbstbewußter und beliebter Teenager. Nunja, zumindest in seiner alten Schule, in der neuen (die allerdings nur zu Beginn eine Rolle spielt) hat auch er einen Außenseiter-Status inne. Theoretisch kann man natürlich auch aus seinem gemischtrassigen Hintergrund viel herausholen, dafür wird man aber auf die Fortsetzungen warten müssen, hier wird er nur am Rande und größtenteils implizit thematisiert. Das ist sicher eine gute Entscheidung, schließlich muß man angesichts eines knappen halben Dutzends an Alternativ-Spideys einem ziemlich großen Ensemble an Figuren gerecht werden. Das gelingt zumindest bei Peter B. Parker, einer etwas abgehalfterten Spidey-Version mit Liebeskummer, die zu Miles' widerwilligem Mentor avanciert, und bei Spider-Gwen. Spider-Man Noir, Spider-Ham und die von japanischen Animes inspirierte Peni Parker bleiben Randfiguren, die vorwiegend als Gaglieferanten fungieren (und ihren Job einwandfrei erledigen).

Ebenso nicht viel mehr als Stichwortlieferanten bleiben die Antagonisten, von denen der Grüne Kobold sowieso nur einen Gastauftritt hat. Bleiben der Kingpin und Doc Ock (sowie der weniger bekannte Prowler, Kingpins Mann fürs Grobe), wobei letztere eher wie ein typischer Klischee-Bösewicht wirkt, wohingegen Gangsterboß Kingpin erfreulich ambivalent daherkommt. Dennoch spielen die Bösen hier nur eine untergeordnete Rolle als Katalysator der Dimensionsverwirrung, die klar im Mittelpunkt steht. Und das ist eine mehr als nachvollziehbare Entscheidung, ist das Spiel mit den unterschiedlichen Realitäten und Identitäten doch weit unverbrauchter als der x-te Kampf gegen einen größenwahnsinnigen Oberschurken mit Welteroberungs-Phantasien. Lord und Rothman – der gemeinsam mit dem Animationsexperten Bob Persichetti (war an Disneys "Hercules" und "Mulan" sowie an "Shrek 2" und "Der kleine Prinz" beteiligt) und Peter Ramsey (verantwortete den unterhaltsamen "Die Hüter des Lichts" aus dem Jahr 2012) auch die Regie übernahm – setzen die Thematik äußerst gewitzt, wenn auch nicht mit übermäßig viel Tiefgang um und kombinieren sie mit Miles' archetypischer "Heldenfahrt", seinem Weg vom unbedarften Teenager zum verantwortungsbewußten und selbstlosen Superhelden. Gewürzt wird dies mit zahlreichen Anspielungen, wobei wenig überraschend vor allem die Abweichungen zwischen den einzelnen Dimensionen für Spannung sorgen – etwa was das Schicksal des jeweiligen Peter Parker betrifft oder das prägende Schlüsselereignis der Spideys. Wer aufmerksam ist, wird zudem auch im Hintergrund immer wieder nette Gags entdecken (etwa ein Poster für einen Film mit Seth Rogen, der in unserer Realität – noch? – nicht gedreht wurde), was die Liebe zum Detail belegt. Insgesamt überwiegt bei der Story der Humor, doch auch die emotionaleren Momente kommen keineswegs zu kurz; da hat man eine gute Balance gefunden. Im Finale verfällt man leider in altbekannte Superhelden-Muster und setzt für meinen Geschmack zu sehr auf Action- und Kampfsequenzen, doch sind diese kurzweilig genug choreographiert, um das Interesse hochzuhalten.

Ausgesprochen gut gefallen hat mir der Animationsstil, der einerseits sehr realistisch wirkt, andererseits aber auch der Comicherkunft sichtlich verbunden bleibt – was sich unter anderem daran zeigt, daß erstmals in einem Spider-Man-Kinofilm die "Spinnensinne" illustriert werden (die in den Realfilmen zwangsläufig reine Behauptung des Protagonisten blieben). Die Spideys aus anderen Dimensionen unterscheiden sich natürlich gemäß ihrer (Comic-)Herkunft deutlich, fügen sich aber trotzdem harmonisch in das für sie fremde Universum ein. Was die Leistungen der Sprecher betrifft, hatte ich nicht die Möglichkeit, mir die Originalfassung mit Hochkarätern wie Chris Pine (als Peter Parker aus Miles' Dimension), Mahershala Ali (Miles' Onkel Aaron), Hailee Steinfeld (Spider-Woman), Nicolas Cage, Liev Schreiber (Kingpin) oder Jake Johnson (Peter B. Parker) anzusehen, aber glücklicherweise kann sich die deutsche Synchronfassung hören lassen. Zwar wurden außer bei Cage (und mit Abstrichen Ali, der zumindest schon zuvor mehrfach von Matti Klemm gesprochen wurde) nicht die gewohnten deutschen Stimmen der bekannten Originalsprecher verwendet, aber wenigstens sind es mit ganz wenigen Ausnahmen allesamt professionelle Sprecher – was bedeutet, daß man ein paar Cameo-Aha-Momente der Originalfassung (z.B. Oscar Isaac, der nach dem Abspann seinen Auftritt hat) zwangsläufig verpaßt, es aber insgesamt doch mit einer hochwertigen Synchronisation zu tun bekommt. Die einzige Figur, bei der ich mir während des Films dachte, daß ich den Sprecher nicht so ganz passend finde, nicht bedrohlich genug, ist Kingpin – weshalb ich beim Studieren des Abspanns wenig überrascht war, daß der nicht von einem Profi-Sprecher vertont wurde, sondern von dem populären YouTuber "Gronkh". Doch wenngleich einem bei genauem Hinhören auffällt, daß er nicht ganz die Qualität seiner Sprecher-Kollegen hat, macht auch er einen ordentlichen Job – daß er nicht an sein US-Pendant Liev Schreiber heranreicht (oder an Vincent D'Onofrio, der den Kingpin in der Netflix-Serie "Daredevil" kongenial verkörperte), kann derweil kaum überraschen. Alles in allem ist "Spider-Man: A New Universe" ein Experiment, das definitiv gelungen ist, und einfach ein extrem unterhaltsamer und amüsanter Film. Nicht wenige halten ihn gar für den bisher besten "Spider-Man"-Film, gerade bei Kennern der Comics scheint diese Sichtweise zu dominieren – für mich als jemanden, der nur als Kind ein paar Mal in die Comics reingeschaut hat, bleibt Sam Raimis "Spider-Man 2" unerreicht, aber danach reiht sich "A New Universe" ein. In den USA wurde Sonys geglückter Neustart mit einem exzellenten Einspielergebnis belohnt, der Rest der Welt muß sich offenbar erst an animierte Superhelden-Kinofilme gewöhnen. Eine Fortsetzung ist trotzdem bereits in Entwicklung, zudem will Sony einige Spin-Offs entwickeln (z.B. ist ein "Spider-Woman"-Film und eine "Spider-Ham"-Serie im Gespräch).

Fazit: "Spider-Man: A New Universe" zeigt, daß Superhelden auch in animierter Form im Kino wunderbar funktionieren – zumindest wenn sie so clever und humorvoll geschrieben und dabei so schwungvoll umgesetzt sind und so viel Spaß machen wie dieser Film.

Wertung: Knapp 8,5 Punkte.


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