Regie: Jon Watts, Drehbuch: Chris McKenna und Erik Sommers,
Musik: Michael Giacchino
Darsteller: Tom Holland, Jake Gyllenhaal, Samuel L. Jackson,
Zendaya, Jacob Batalon, Jon Favreau, Marisa Tomei, Angourie Rice, Tony
Revolori, Cobie Smulders, Remy Hii, Martin Starr, JB Smoove, Jorge Lendeborg
Jr., Zach Barack, Numan Acar, Toni Garrn, Dawn Michelle King
(Stimme), Peter Billingsley, J.K. Simmons, Sharon Blynn, Ben Mendelsohn
FSK: 12, Dauer: 130 Minuten.
Nach dem verlustreichen Sieg über Thanos freut sich
Highschool-Schüler Peter "Spider-Man" Parker (Tom Holland, "Die versunkene Stadt Z") sehr auf
die Klassenfahrt nach Europa, von der er sich nicht nur Ablenkung von seinen
traumatischen Elebnissen erhofft, sondern auch die Chance, der hübschen MJ
(Zendaya, "Greatest Showman") endlich seine Gefühle für sie zu
gestehen. Sein nerdiger bester Freund Ned (Jacob Batalon, "Blood Fest") rät Peter zwar von
der Durchführung seines ambitionierten Plans ab, wird aber schnell selbst dadurch
abgelenkt, daß sich während des achtstündigen Fluges unerwartete Sympathien
zwischen ihm und der ehrgeizigen Schul-TV-Sprecherin Betty Brant (Angourie Rice,
"The Nice Guys")
entwickeln. In Venedig, dem ersten Halt der Rundreise, angekommen, rächt es
sich bald, daß Peter Anrufe von S.H.I.E.L.D.-Direktor Nick Fury (Samuel L.
Jackson, "The Hateful 8") hartnäckig ignoriert hat, denn ein
gigantisches Wassermonster attackiert die Lagunenstadt. Als Retter in höchster
Not kommt Mysterio (Jake Gyllenhaal, "Nightcrawler") zur Hilfe – wie
sich herausstellt, ist er ein Superheld aus einer anderen Dimension, in welcher die
Erde durch Elementarmonster der gleichen Art zerstört wurde. Unter der Führung
von Fury vereinen Spider-Man und Mysterio ihre Kräfte, um die
"Elementals" zu besiegen, bevor sie zu mächtig werden …
Kritik:
Gefühlt war ja eindeutig "Avengers: Endgame" das Finale von Phase 3 des Marvel Cinematic Universe, schließlich konnten
sich die vereinigten Superhelden endgültig des Titanen Thanos und seiner
Schergen entledigen (oder eben so endgültig, wie das im von
"Wiederbelebungen" geprägten Superhelden-Genre möglich ist)
und einige der Original-Avengers haben zum letzten Mal gegen das Böse gekämpft.
Doch der offizielle Abschluß von Phase 3, vielleicht könnte man ihn auch als Epilog bezeichnen, ist tatsächlich "Spider-Man: Far
From Home" – und da der wie der Vorgänger
"Homecoming" von Jon Watts inszenierte Film mit einem betont
locker-leichten und sehr humorvollen Ansatz die bleierne Schwere von
"Endgame" konterkariert, sich zugleich aber auch mit den
Konsequenzen des Kampfes gegen Thanos auseinandersetzt, funktioniert das einwandfrei. Der Ansatz mag nach einer
Gratwanderung klingen, wird in "Far From Home" aber bemerkenswert harmonisch
umgesetzt. Gleichzeitig wird der Beweis abgeliefert, daß das MCU so durchdacht
und reichhaltig aufgebaut wurde, daß selbst schwerste Verluste durch die jüngeren
Figuren kompensiert werden können, zumal es immer noch genügend Veteranen
wie Nick Fury oder den hier in eine größere Rolle aufrückenden Ex-Tony
Stark-Leibwächter Happy Hogan (Jon Favreau, "Kiss the Cook") gibt, die für Kontinuität sorgen.
"Spider-Man: Far From Home" ist jedenfalls ein sehr gelungener,
äußerst unterhaltsamer Endpunkt von Phase 3 des MCU, der zudem bereits erste
spannende Hinweise auf Phase 4 gibt – und der erste MCU-Film ohne Cameo der
Ende 2018 verstorbenen Comiclegende Stan Lee (offenbar waren seine auf Vorrat abgedrehten
Szenen mit der in "Endgame" verbraucht).
In Peters Fall konzentrieren sich die Nachwehen von
"Infinity War" und "Endgame" in erster Linie darauf, daß er
in Tony "Iron Man" Stark seinen väterlichen Mentor und Förderer
verloren hat. An diesem Verlust hat Peter schwer zu knabbern, zumal die
Menschen überall auf der Welt Tonys heroischem Einsatz huldigen und ihn
beispielsweise mit Wand-Graffitis ehren; eine schöne Geste natürlich, die es
Peter aber nicht leichter macht, über alles hinwegzukommen. Nicht ganz so
schwerwiegend ist für ihn, daß er von Thanos' "Schnippen" betroffen
und somit fünf Jahre lang tot war, denn zufällig erging es beinahe seiner ganzen
Klasse so, womit er die Auswirkungen dieser Entwicklung mit seinen
Freunden teilen kann. Hilfreich ist außerdem, daß seine Tante May (Marisa Tomei, "The Ides of March")
inzwischen weiß, daß Peter Spider-Man ist, auch wenn sie daher den jungen Avenger für
diverse Spendenveranstaltungen einspannt, auf denen sich Peter eher unwohl
fühlt. Umso verständlicher, daß er sich auf die Klassenfahrt nach Europa
mit seinen Freunden freut und deshalb Nick Furys Anrufe selbst nach einer
Mahnung von Happy – der bereits in "Homecoming" eine Art Mittelsmann
zwischen Tony und Peter war und jetzt noch stärker in Tonys Rolle rutscht –
hartnäckig ignoriert. Diese Entscheidung gibt dem Publikum reichlich
Gelegenheit, dem bunten Treiben der Teenager und ihrer sympathisch-schusseligen
Lehrer Mr. Harrington (Martin Starr, "Das ist das Ende") und Mr. Dell (JB Smoove, "Date Night") zu folgen.
Bereits "Homecoming" zollte ausgiebig Hommage an die 1980er
Jahre-Highschool-Klassiker von John Hughes wie "Der Frühstücks-Club"
und auch "Far From Home" ist weiterhin deutlich von Hughes' Filmen
geprägt – erinnert jetzt aber (fast ohne Schulszenen) eher an "Ferris
macht blau". Zugegeben, wirklich neu ist es nicht, was uns diese erste halbe
Stunde von "Far From Home" präsentiert, aber Peters leicht
überplantes Werben um MJ – bei dem er durch den nicht von Thanos' Schnippen
betroffenen Schönling Brad (Remy Hii, "Crazy Rich") gefährliche Konkurrenz erhält – oder die
für alle Beteiligten völlig unverhoffte Romanze zwischen Ned und Betty sorgen
für jede Menge Spaß und einige wirklich schöne Slapstick-Einlagen. Wie gesagt:
Es ist genau das richtige Kontrastprogramm zu "Avengers: Endgame" und
nebenbei lernen wir Peters Klassenkameraden besser kennen – die von
der Australierin Angourie Rice verkörperte Betty etwa war in "Homecoming"
ja nur in ihrem Job als Schul-TV-Sprecherin zu sehen, jetzt spielt sie eine
große Nebenrolle und gibt mit Ned ein sehr witziges und sympathisches Paar ab.
Zudem muß ich sagen, daß mir Zendaya als Peters große Liebe MJ jetzt schon
besser gefällt als Kirsten Dunsts Verkörperung der Rolle in Sam Raimis Trilogie
– wobei das keine Kritik an Dunsts Leistung ist, sondern ein Lob für die
erheblich interessanter geschriebene "neue" MJ (die u.a. ganz anders reagiert, als sie erstmals mit Spider-Man durch
New York schwingt …).
Selbstredend kann ein Spider-Man-Film nicht komplett
zur Klassenfahrt-Komödie avancieren, weshalb relativ bald die Elementals für
Aufregung sorgen. Da Peter ja nicht tatenlos zusehen kann, seinen Anzug
aber nicht direkt zur Hand hat, sieht er sich neuen Herausforderungen
ausgesetzt, in erster Linie ist es jedoch für die Zuschauer eine nette
Abwechslung, Spidey in europäischen Touristenhochburgen (Venedig, Prag, Berlin,
London) und quasi inkognito seine beeindruckenden Fähigkeiten ausspielen zu
sehen. Trotzdem hat er Mysterios Hilfe bitter nötig, die nebenbei
letztlich doch noch den Kontakt zu S.H.I.E.L.D.-Director Fury herstellt.
Während der Peter gewohnt ruppig zur Ordnung rufen will, erweist sich Mysterio
als verständnisvoller Superhelden-Kollege aus einer anderen Dimension, der für
Peter schnell zu einem Freund und Vorbild wird. Jake Gyllenhaal (der für
Sam Raimis "Spider-Man" für die Titelrolle im Gespräch war, aber
Tobey Maguire unterlag) spielt Mysterio in seinem ersten echten Genrefilm seit
2010 ("Prince of Persia") als heroischen, charismatischen Sympathieträger, dem
man die Nachfolge der ausgeschiedenen Avengers-Veteranen problemlos zutrauen
würde. Auch auf diese Weise spielen die "Endgame"-Geschehnisse stets
im Hintergrund eine Rolle, denn genau wie Peter vergleichen wir Mysterio
unwillkürlich mit den uns bereits bekannten Superhelden, wobei seine Empathie
bei Peter besonders gut wirkt. Schön ist außerdem, daß neben Nick Fury – dessen
Aufeinandertreffen mit dem für einen ähnlich trockenen Humor stehenden Happy
Hogan stets für Lacher sorgen – endlich wieder Agent Hill (Cobie Smulders, "Jack Reacher 2") eine
größere Rolle spielt, zudem gibt es zwei von Deutschen verkörperte
S.H.I.E.L.D.-Neuzugänge: Sowohl der grimmige, einschüchternde Agent Dimitri
(Numan Acar, "Aladdin") – der zwischenzeitlich inkognito als
Busfahrer der Klasse agiert und ein paar herrliche Momente mit Mr. Harrington
hat – als auch die namenlos bleibende, Peter in einer amüsanten Szene in Österreich
mit einem neuen Anzug ausstattende "Näherin" (Topmodel Toni Garrn, "Berlin, I Love You")
haben zwar nur kleine Rollen, doch zumindest bei Dimitri sehe ich ziemlich gute Chancen,
ihn in Phase 4 wiederzusehen.
Die einzige echte Schwäche, die "Far From Home"
hat, ist eine schon aus Zeitgründen (sonst wäre der Film nur halb
so lang) sehr absehbare "Überraschung" zur Filmmitte, die ich
trotzdem nicht spoilern will. Daß diese bedingte Überraschung ziemlich früh
stattfindet, hat allerdings sein Gutes, denn danach entwickelt sich die Handlung
in den Details erfreulich unvorhersehbar. Zudem funktioniert besagte Wendung
erzählerisch ziemlich gut, ist clever und konsequent (es gibt sogar die
Rückkehr einer Nebenfigur aus "Iron Man", an die sich vermutlich
niemand mehr erinnern wird) und ermöglicht es Marvel, sich ein bißchen
über sich selbst und über allgemeine Superhelden-Klischees lustig zu machen. Leider
fällt der Showdown wie so oft im MCU allzu actionlastig aus, ist dabei aber
unterhaltsam und spektakulär inszeniert – trotzdem wäre es schöner, würde sich
Marvel häufiger zu einem etwas anderen Finale trauen (wie z.B. in "Doctor Strange") – daß das auch in "Far From Home" möglich gewesen
wäre, zeigt eine exzellente psychedelische Horrorsequenz kurz vor dem Endkampf,
die gerade angesichts des sonstigen Feelgood-Umfelds des Films besonders
effektiv ist und ein wenig an die Scarecrow-Momente in "Batman Begins" und den Arkham-Computerspielen erinnert. Hätte man das etwas mehr
in den Vordergrund gerückt und dafür ein bißchen weniger Kampfszenen gebracht,
wäre es auf jeden Fall origineller gewesen und meines Erachtens auch
interessanter und besser. Angesichts des Status als letzter Film von Phase 3
des MCU und Marvels großer Geheimhaltung bezüglich der kommenden Filme war ich übrigens
fest davon überzeugt, daß "Far From Home" mit einer spektakulären
Enthüllung oder zumindest Ankündigung neuer MCU-Figuren (Fantastic Four? Deadpool?)
enden würde, doch das war ein Irrtum (und die ursprünglich angekündigte
Rückkehr von Michael Keaton als Vulture gibt es auch nicht). Stattdessen kommt es in einer Mid-Credits-Szene zu einem echten Gamechanger für das vorhandene
Personal, wobei es in Form eines Cameos auch ein höchst erfreuliches
Comeback gibt, das gleichzeitig ein (MCU-)Debüt ist. Die genaue Bedeutung der zweiten
zusätzlichen Szene ganz am Ende des Abspanns für Phase 4 ist mir hingegen eher
unklar, vielleicht können Kenner der Comics damit ja mehr anfangen.
Fazit: "Spider-Man: Far From Home" ist eine
inhaltlich nicht übermäßig anspruchsvolle oder komplexe, dafür umso
unterhaltsameres Feelgood-Actionkomödie, in welcher eine Klassenfahrt durch
Europa mit Monsterangriffen kollidiert.
Wertung: Gut 8 Punkte.
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