Regie: Guy Ritchie, Drehbuch: John August und Guy Ritchie,
Musik: Alan Menken
Darsteller: Mena Massoud, Naomi Scott, Will Smith, Marwan
Kenzari, Navid Negahban, Nasim Pedrad, Numan Acar, Billy Magnussen, Alan Tudyk
(Stimme), Frank Welker (Stimme)
Die arabische Großstadt Agrabah wird von einem
weisen Sultan (Navid Negahban, "American Sniper") regiert. Da der
Sultan nicht mehr der Jüngste ist, will er seine schöne Tochter Jasmin (Naomi
Scott, "Power Rangers") möglichst gut verheiraten. Die ist allerdings von
den bisherigen Bewerbern nicht sonderlich angetan und sowieso der Meinung, daß
sie selbst entgegen der Tradition Sultanin werden sollte. Was beide nicht
wissen: Der ehrgeizige Großwesir Dschafar (Marwan Kenzari, "Mord im Orient Express"), ein Zauberer, will selbst die Macht übernehmen und befindet sich aus diesem Grund auf der Suche nach einer magischen Lampe, die einen Dschinn
beherbergt. Gemäß der Legende kann nur ein besonderer Mensch, ein "Rohdiamant", der sich als
würdig dafür erweist, die Lampe aus der "Höhle der Wunder" holen. Als Dschafar eines Tages beobachtet, wie der liebenswerte Taschendieb Aladdin (Mena
Massoud, TV-Serie "Jack Ryan") in den schwerbewachten Palast
des Sultans einbricht, um etwas zurückzugeben, das sein Affe Abu einer vermeintlichen Zofe
der Prinzessin geklaut hatte, glaubt er, endlich den Richtigen gefunden zu
haben. Und wirklich: Aladdin erreicht die Lampe, reibt sie in Unkenntnis der
Details versehentlich selbst – und wird so zum neuen Meister des Dschinns (Will
Smith, "Focus"), der ihm drei Wünsche erfüllen muß. Dschafar gefällt diese
Entwicklung natürlich gar nicht …
Kritik:
Nachdem kurz vor dem Kinostart von "Aladdin" mit
Tim Burtons "Dumbo" eine weitere Realfilm-Adaption eines
Disney-Zeichentrickklassikers inhaltlich wie auch kommerziell enttäuschte, war
der Druck, der auf "Aladdin" lastete, groß: Sollte auch
dieses Remake unter den Erwartungen bleiben, würde das bis dahin mit Hits wie
"Cinderella", "The Jungle Book" und "Die Schöne und das Biest" so erfolgreiche Konzept von Disney endgültig auf dem Prüfstand
stehen. Und die Vorzeichen konnten in der Tat besser sein: Der für seine
schrägen Actionkomödien wie "Bube, Dame, König, GrAs" bekannte Brite
Guy Ritchie schien eine merkwürdige Wahl für die Regie des musiklastigen
Abenteuers zu sein, daß seine letzten Filme – allen voran das zwei Jahre zuvor
veröffentlichte Mittelalter-Epos "King Arthur: Legend of the Sword" –
floppten, war nicht unbedingt vertrauenerweckend. Dann sorgte der
erste Trailer bei den Fans für Verunsicherung darüber, ob Will Smith wirklich
eine gute Wahl als blauhäutiger Dschinni war, und als kurz vor dem Filmstart
auch noch die US-Kritiken arg mittelmäßig ausfielen, bereiteten die
Produzenten vermutlich insgeheim bereits Ausreden für den erneuten Mißerfolg
vor. Doch weit gefehlt! Das Publikum nicht nur in Nordamerika, sondern weltweit
strömte in Scharen in "Aladdin" und nahm ihn wesentlich
positiver auf als die Kritiker, was zu starker Mundpropaganda und somit zu noch mehr
Zuschauern führte. Und die sind sehr verdient, denn Guy Ritchies "Aladdin"
macht einen Heidenspaß und zählt zweifellos zu den besten
Zeichentrick-Remakes aus dem Hause Disney.
Zunächst: Wie meistens bei den Disney-Musicals habe ich mir
die Originalfassung angesehen, da ich mit den eingedeutschten Liedern in der
Regel wenig anfangen kann (zumal die oft genug nicht der eigentliche
Synchronsprecher singt) – und Will Smith auf Deutsch kann ich mir gar nicht vorstellen. Zwar verstehe ich Disneys Motivation, denn bei klar an ein Familienpublikum gerichteten Filmen ist es logisch,
daß man die vielen Kinder nicht mit Liedern in einer anderen Sprache
überfordern will; dennoch bevorzuge ich Musicals eben in der originalen
Sprache. Mein Urteil bezieht sich also ausschließlich auf die Originalfassung,
von der Synchronfassung habe ich (bis auf einen Trailer) überhaupt nichts
mitbekommen und maße mir deshalb logischerweise auch kein Urteil darüber an. Bei
Vergleichen mit dem Zeichentrick-Original von 1992 werde ich mich ebenfalls
zurückhalten, da ich dieses seit vielen Jahren nicht mehr gesehen habe und nur lückenhafte Erinnerungen daran besitze. Damit in medias res: Gleich während
des Vorspanns legt "Aladdin" eindrucksvoll los mit dem von Will Smith
vorgetragenen "Arabian Nights", der als Einführung in diese exotische
Welt aus Tausendundeiner Nacht dient und nebenbei mit einer stimmungsvollen, in einer
einzigen Einstellung gefilmten Kamerafahrt über das fiktive Agrabah begeistert. Auf
diesem Niveau geht es weiter, als wir unseren Protagonisten kennenlernen,
den sympathischen Taschendieb Aladdin, der gleich in eine aufregende
Verfolgungsjagd quer durch Agrabah verwickelt wird, komplett mit sehenswerten
Parcours-Einlagen und aufgepeppt durch eine leichte Bildbeschleunigung wie dereinst in den Stummfilm-Slapstickkomödien von Charlie Chaplin oder Buster Keaton.
Ritchie gibt sich zu Beginn erkennbar Mühe mit solchen simplen, doch effektiven
Tricks, die im weiteren Handlungsverlauf leider kaum noch eingesetzt
werden.
Trotzdem ist "Aladdin" zu jeder Zeit genau im
richtigen Maß exzentrisch (da kommt der Stil von Ritchies Co-Autor John August
durch, auf dessen Konto Tim Burtons Meisterwerk "Big Fish"
geht), farbenfroh und fröhlich. Außerdem sind die beiden Hauptrollen mit ziemlich
unbekannten Darstellern exzellent besetzt: Der in Ägypten geborene Kanadier
Mena Massoud ist mit seiner liebenswerten Unbeholfenheit – und unterstützt von
seinem treuen Affen Abu und später einem magischen Teppich – ein perfekter
Sympathieträger, die indischstämmige Britin Naomi Scott ist in der deutlich ausgebauten
Rollen der Prinzessin Jasmin eine würdige, gleichwertige Partnerin. Und
dann ist da natürlich noch Will Smith: Wie erwähnt waren viele skeptisch bezüglich seiner Mitwirkung, zumal im Zeichentrickfilm Robin Williams die Rolle
sprach und nach Ansicht vieler Experten eine der besten Sprechleistungen in der
Filmhistorie ablieferte. Da ich den damaligen "Aladdin" nur auf
Deutsch sah (wo der wie Robin Williams vor einigen Jahren verstorbene Peer
Augustinski gleichfalls eine starke Leistung ablieferte), kann ich nicht beurteilen,
wie gut sich Smith im direkten Vergleich schlägt; für sich genommen macht er
seine Sache jedoch sehr gut und beweist schnell, daß die Vorbehalte unbegründet waren. Mit ungezügelter, ansteckender Energie und
Leidenschaft sowie seinem patentierten Charme zeigt Will Smith endlich wieder
einmal, daß er immer noch zu den größten Filmstars der Welt
zählt – gleichzeitig drängt er sich nie in den Vordergrund. Aladdin und
Jasmin sind die zentralen Protagonisten, Dschinni ist eine sehr wichtige
Nebenfigur. Mit dem nordischen Prinzen Anders (Billy Magnussen, "Into the Woods") und Jasmins Zofe Dalia (Nasim Pedrad, TV-Reihe "Saturday Night Live") gibt es noch weitere amüsante
Nebenfiguren, während Navid Negahban als weiser Sultan überzeugt. Einzig mit
der Entscheidung, Marwan Kenzari als ikonischen Bösewicht Dschafar zu besetzen,
bin ich nicht ganz einverstanden. Zwar gibt es schauspielerisch wenig an ihm
auszusetzen, doch wirkt er für die Rolle zu jung, auch sind seine Stimme und
sein Gesicht einfach nicht bedrohlich genug, um einen wirklich überzeugenden
Bösewicht abzugeben. Zugegebenermaßen ist das Skript in dieser Hinsicht auch
nicht hilfreich, das Kenzari erst ganz am Schluß die Gelegenheit gibt,
etwas Profil zu entwickeln – trotzdem: für die Rolle wäre der aus Nebenrollen in TV-Serien wie
"Homeland" oder "Prison Break" oder auch im Film "The Promise" bekannte Deutsch-Türke Numan
Acar (der Hakim, den Anführer der Palastgarde, spielt) meines Erachtens die
bessere Wahl gewesen, ihm würde man den Bösewicht sofort
abnehmen. So aber zählt Dschafar zu den wenigen Schwachpunkten des neuen "Aladdin".
Damit kommen wir zur Musik, die wie im Original eine
wichtige Rolle spielt. Die alten Songs, viele davon Klassiker, wurden dezent
überarbeitet und modernisiert, gerade für Will Smith waren natürlich ein paar
Anpassungen nötig. Für diese zeichnet der Originalkomponist Alan Menken ("Spieglein Spieglein") gemeinsam mit
dem OSCAR-gekrönten "La La Land"- und "Greatest Showman"-Duo Benj Pasek und Justin Paul verantwortlich. Erfreulicherweise
hat man jedoch nicht, wie man es hätte erwarten können, eigens für Smith einen
Rapsong oder auch längere Rapparts eingebaut (abgesehen von der im Abspann
präsentierten Version von "Friend Like Me"), die meiste Zeit über
singt Will Smith tatsächlich und das tut er sehr gut. Das trifft ebenso auf
seine Kollegen zu, wobei mir Naomi Scotts Gesang am besten gefallen hat – sie
bekommt mit "Speechless" auch den einzigen komplett neuen Song, der
sich nicht nur als hervorragende Ergänzung, sondern gar als echte
Bereicherung erweist. Und das will etwas heißen, wenn man sich gegen so
unverwüstliche Ohrwürmer wie "A Whole New World" (Aladdin und Jasmin)
oder "Friend Like Me" (Dschinni) behaupten muß, die leicht
überarbeitet und mit den neuen Sängern nichts von ihrem Zauber verloren haben. Die sehenswerten Choreographien, deren Bandbreite
von zurückhaltenden intimen Momenten bis hin zu spektakulären Massenszenen ("Prince Ali") reicht, können sich dabei mehr als sehen lassen. Die CGI-Effekte wurden vereinzelt kritisiert, in meinen Augen sind sie insgesamt allerdings von
vielleicht nicht sensationeller, aber eindeutig zweckmäßig guter Qualität.
Hingegen hätte man den Film durchaus um vielleicht 15 Minuten straffen können –
immerhin ist er fast 40 Minuten länger als die Zeichentrickversion und auch
wenn der Film durchgehend viel Freude bereitet, hätte ich in der
zweiten Hälfte nichts gegen ein etwas zügigeres Tempo gehabt. Stattdessen wirkt
das Finale dann etwas überhastet, speziell Aladdins vorhersehbar kurzzeitiger
charakterlicher Umweg (den es aber bereits im Original gab) kommt in dieser Eile
ziemlich alibihaft daher. Das sind aber zum Glück kleinere Schwächen, die
nicht davon ablenken können, daß Guy Ritchie mit seiner Version von
"Aladdin" ein richtig schöner Familienfilm gelungen ist.
Fazit: "Aladdin" ist ein sehr
charmantes und unterhaltsames Märchenabenteuer für die ganze Familie, das sich
mit guter Besetzung, schicker Optik und den unverwüstlichen Songklassikern nicht
vor dem Zeichentrickoriginal verstecken muß.
Wertung: 8,5 Punkte.
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