Regie: Jay
Roach, Drehbuch: John McNamara, Musik: Theodore Shapiro
Darsteller:
Bryan Cranston, Diane Lane, Elle Fanning, Michael Stuhlbarg, Louis C.K., Helen
Mirren, Dean O'Gorman, John Goodman, David James Elliott, Alan Tudyk, Christian
Berkel, Roger Bart, Stephen Root, John Getz, Richard Portnow, Dan Bakkedahl,
Adewale Akinnuoye-Agbaje, Sean Bridgers
FSK: 6, Dauer: 125 Minuten.
USA, Ende der 1940er Jahre: Nachdem die Vereinigten Staaten wenige Jahre zuvor gemeinsam mit der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg
Nazi-Deutschland bezwangen, ist ein kalter Krieg zwischen diesen
Weltmächten mit ihren so komplett unterschiedlichen politischen Ideologien
ausgebrochen. In den USA macht sich das (verkürzt formuliert) vor allem daran
bemerkbar, daß alle aktuellen oder früheren Mitglieder der Kommunistischen
Partei sowie alle, die öffentlich für kommunistische oder
sozialistische Ideen eingetreten sind, vom "Komitee für unamerikanische
Umtriebe" unter einen generellen Verdacht des (potentiellen) Landesverrats
gestellt werden. Da Hollywood seit jeher politisch eher links steht, sind
besonders viele Filmschaffende betroffen, darunter zehn Drehbuch-Autoren um
den bereits renommierten Dalton Trumbo (Bryan Cranston, "Drive"), die für ihre prinzipielle Weigerung, vor dem
Kongreßausschuß Fragen zu beantworten und in letzter Konsequenz Kollegen zu
verpfeifen, zu kurzen Gefängnisstrafen verurteilt werden. Damit ist es
jedoch nicht getan: Weil die antikommunistische Hysterie in den 1950er Jahren immer
weiter zunimmt, stehen sie noch Jahre nach ihrer Haftentlassung auf einer
schwarzen Liste von Menschen, die nicht in Hollywood arbeiten dürfen. Oder
zumindest nicht unter ihrem echten Namen …
Kritik:
Auch wenn außerhalb von Cineasten-Kreisen heutzutage nur noch wenige etwas mit seinem Namen anfangen können dürften: Dalton Trumbo gehört zu den spannendsten, faszinierendsten Persönlichkeiten in der Geschichte
des Kinos. Ein Autor, der für seine Geschichten früh mit renommierten Preisen
wie dem National Book Award geehrt wurde, dann als Drehbuch-Autor erste
Erfolge feierte, durch seine Prinzipientreue in der McCarthy-Ära maximal
ausgebremst wurde, aber unter Pseudonym zwei OSCARs gewann (für "Ein Herz
und eine Krone" und "Roter Staub") und schließlich auch dank des
Engagements einiger mutiger Kollegen wieder offiziell in den Hollywood-Kreisen
wie auch in der Gesellschaft (es half, daß der frisch gewählte Präsident
Kennedy die Premiere von Stanley Kubricks "Spartacus" besuchte, dem
ersten Film, in dem wieder Trumbos Name im Abspann genannt wurde) rehabilitiert
wurde, woraufhin er in seiner einzigen Regiearbeit "Johnny zieht in
den Krieg" den wohl erschütterndsten Anti-Kriegsfilm aller Zeiten schuf.
Wahrlich, ein Lebenslauf, wie ihn sich ein Drehbuch-Autor nicht
spannungsreicher hätte ausdenken können! Letztlich war es daher nur eine Frage
der Zeit, bis ein Biopic über Trumbo verwirklicht werden würde, wobei es fast
überraschend ist, daß es so lange gedauert hat. Vielleicht liegt das ja auch
und gerade daran, daß es so viel über Dalton Trumbo zu sagen und zeigen
gibt, daß es schwer fällt, das Wichtigste zu einer in sich stimmigen
Geschichte zu verdichten. Basierend auf einer Biographie von Bruce Cook, die
bereits 1977 erschien, haben sich der Drehbuch-Autor John McNamara in seiner ersten
Kinoarbeit (fürs TV schuf er u.a. die Serien "Aquarius" und "The
Magicians") und der eigentlich auf
komische Stoffe spezialisierte, in den letzten Jahren allerdings erkennbar politischer
gewordene Regisseur Jay Roach ("Austin Powers", aber auch der
preisgekrönte Sarah Palin-TV-Film "Game Change" und "Die Qual
der Wahl") endlich daran gewagt. Das Resultat, das sich nahezu komplett auf
Trumbos Zeit in der McCarthy-Ära konzentriert, hat mit einigen der üblichen
Biopic-Problemen zu kämpfen und wird der schriftstellerischen Brillanz der
zentralen Figur nur selten gerecht, vermittelt aber trotzdem ein gutes,
unterhaltsames und lehrreiches Bild einer großen Persönlichkeit wie auch einer
der schamvollsten Episoden der jüngeren US-amerikanischen Geschichte.
Aufgrund der zahlreichen berichtenswerten Ereignisse in
Dalton Trumbos Leben leidet "Trumbo" unter dem leicht paradoxen, aber
wohl nicht zu vermeidenden Problem, zugleich überladen und hoffnungslos
unvollständig zu wirken. Durch den Fokus auf eine nur gut zehnjährige
Zeitspanne in Trumbos Leben ist immerhin die für Biopics so typische, oft
dramaturgisch holprig wirkende Anekdotenhaftigkeit vergleichsweise gering
ausgeprägt – dafür gibt es jedoch eben zahlreiche Auslassungen. Aus Trumbos Leben
vor der McCarthy-Ära wie über seine erfolgreiche Tätigkeit als Schriftsteller
erfahren wir kaum etwas, auch nicht darüber, wie und warum er sich überhaupt
dem Schreiben oder auch dem Kommunismus gewidmet hat. Das macht es nicht einfach, sich in die Persönlichkeit Dalton Trumbo hineinzufinden, auch wenn die
energetische Darstellung des für seine Leistung OSCAR-nominierten Bryan
Cranston und die flammenden, überzeugend geschriebenen Plädoyers und schlagfertigen
Repliken schnell Sympathie und Respekt für ihn wachsen lassen. Eine
nachvollziehbare, sogar gute Entscheidung des Drehbuch-Autors ist es, die
"Hollywood Ten" mehr oder weniger zu einer Person – dem vom
mittlerweile aus anderen Gründen selbst in Ungnade gefallenen Komiker Louis
C.K. ("Blue Jasmine") verkörperten Arlen Hird – zu verdichten. Das
Publikum würde die meisten Namen dieser Zehnergruppe sowieso nicht kennen
(selbst ich kann mit "Die Caine war ihr Schicksal"-Regisseur Edward
Dmytryk und "M.A.S.H."-Autor Ring Lardner Jr. nur mit zwei Namen aus
dem Stegreif etwas verbinden – und Dmytryk hätte hier nicht reingepaßt, da er
später eine Kehrtwende hinlegte und deshalb nicht auf der Schwarzen Liste
landete) und so kann man in dieser einen, fiktiven Person etliche Elemente der
Thematik vereinen. Dennoch ist es schade, daß die Skizzierung von Trumbos
politischen und moralischen Überzeugungen letztlich sehr an der Oberfläche
bleibt und so zu einer arg kritiklosen Haltung Trumbo gegenüber führt –
vermutlich eine bewußte Entscheidung, denn zu sehr in seine kommunistischen
Idealvorstellungen einzutauchen hätte wohl vor allem in den USA auch heute noch
zu viele Zuschauer abgeschreckt (wobei man beim Dreh des Films natürlich noch
nichts von der dräuenden Trump-Ära ahnen konnte, welche jegliche Relationen und
vermeintlichen gesellschaftlichen Fixpunkte extrem verschieben würde …).
Jene Kritik, die an Trumbo geübt wird, konzentriert
sich größtenteils auf sein Verhalten seiner Familie gegenüber – was ein bißchen feige wirkt angesichts der großen politischen Thematik, über die man wie gesagt auch hätte debattieren können. Aber dann eben der Familienmensch Dalton Trumbo: Als er auf
der Schwarzen Liste steht und nur noch für deutlich weniger Geld unter
Pseudonym arbeiten kann, spannt er ohne größere Nachfrage nicht nur seine Frau
(Diane Lane aus "Man of Steel" in einer etwas undankbaren, da arg passiven Rolle) und seine Kinder
ein. Aus seiner Perspektive ist das durchaus nachvollziehbar, da er derjenige
in der Familie ist, der das Geld verdient und sich nun in der Verantwortung
sieht, trotz verschärfter Umstände den Lebensstandard einigermaßen zu erhalten.
Und die Kinder helfen ihm gerne – doch sie werden älter und als Teenager oder
dann junge Erwachsene wollen sie auch ihr eigenes Leben führen, wofür
Trumbo nicht wirklich Verständnis aufbringt. Das alles ist relativ klischeehaft
dargeboten, funktioniert aber vor allem deshalb recht gut, weil die Beziehung
zwischen Trumbo und seiner ältesten Tochter Nikola (als Teenager und junge
Erwachsene: Elle Fanning, "The Neon Demon") glaubwürdig und
gefühlvoll gestaltet ist. Ihr nicht ganz unkompliziertes Verhältnis zueinander ist
eines der beiden emotionalen Standbeine, die "Trumbo" erden und etwas
mehr Tiefe verleihen; das andere ist die Beziehung zwischen Trumbo und
der Schauspielikone Edward G. Robinson (Michael Stuhlbarg, "Shape of Water"). Die beiden sind enge Freunde und überzeugte Kämpfer für die Gerechtigkeit –
bis Robinson dem Druck erliegt und vor dem Ausschuß (bewußt vage) gegen seine
Freunde aussagt. Für meine Begriffe kommt Robinson hier, wiewohl er
seine Tat später nachvollziehbar begründen darf, ein wenig zu schlecht weg,
aber da die Geschichte nun einmal aus Trumbos Perspektive geschildert wird, ist das
meines Erachtens noch in Ordnung – schließlich muß es für den Autor bei allen
logischen Begründungen doch wie ein bitterer Verrat gewirkt haben.
Andere Figuren wie die von Helen Mirren ("Die Queen") sehr gekonnt hassenswert interpretierte einflußreiche Boulevard-Kolumnnistin
Hedda Hopper bleiben hingegen reine Klischees, deren Motivation bestenfalls
küchenpsychologisch angedeutet wird. Apropos: Eine Besonderheit von Filmen mit
vielen historischen Persönlichkeiten der nicht ganz so weit entfernten
Vergangenheit ist es natürlich, daß man idealerweise Schauspieler dafür
auswählen muß, die ihrem Vorbild halbwegs ähnlich sehen oder zumindest Mimik
und Gestik gut imitieren können. Bei "Trumbo" ist das insgesamt
überzeugend gelungen. Gerade bei Edward G. Robinson mit dem (scheinbar)
unnachahmlichen Knautschgesicht hätte ich nie gedacht, daß man jemanden finden
würde, der ihm ähnlich sieht und zudem gut schauspielert – doch Stuhlbarg löst das exzellent. Optisch gar noch beeindruckender ist der Neuseeländer Dean O'Gorman ("Der Hobbit") als Kirk Douglas (neben dem von
Christian Berkel verkörperten "Exodus"-Regisseur Otto Preminger der
Mann, der Trumbos Rückkehr in die Branche entscheidend beförderte), wohingegen
der Ex-"J.A.G."-Anwalt David James Elliott dem erzkonservativen und damit Trumbo-kritischen
John Wayne nur bedingt ähnlich sieht, ihn aber speziell in einem Schlagabtausch mit Trumbo trotzdem recht authentisch rüberbringt. Für die
unterhaltsamsten Szenen sorgt derweil John Goodman ("Argo") als
hemdsärmeliger B-Movie-Produzent Frank King, der Trumbo und in der Folge auch
andere auf der Schwarzen Liste stehende Drehbuch-Autoren (wenn auch weiterhin
unter Pseudonym) als Fließband-Autoren beschäftigt und somit vor dem finanziellen
Ruin bewahrt. Unterm Strich kann "Trumbo" so dem echten Dalton Trumbo
(oder der enormen Bedeutung der McCarthy-Ära) erwartbarerweise nicht vollkommen
gerecht werden – gerade seine Filmarbeit hätte man gerne noch stärker im Detail
beleuchten dürfen –, trägt jedoch letztlich gekonnt dazu bei, daß diese
bemerkenswerte Persönlichkeit nicht in Vergessenheit gerät.
Fazit: "Trumbo" ist ein gelungenes und sehr
überzeugend gespieltes, wenn auch selten in die Tiefe gehendes Biopic einer
der faszinierendsten Persönlichkeiten in der Geschichte des Kinos und ihrer
entbehrungsreichen Zeit während der schmachvollen McCarthy-Ära.
Wertung: 7,5 Punkte.
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