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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Dienstag, 23. April 2019

TRUMBO (2015)

Regie: Jay Roach, Drehbuch: John McNamara, Musik: Theodore Shapiro
Darsteller: Bryan Cranston, Diane Lane, Elle Fanning, Michael Stuhlbarg, Louis C.K., Helen Mirren, Dean O'Gorman, John Goodman, David James Elliott, Alan Tudyk, Christian Berkel, Roger Bart, Stephen Root, John Getz, Richard Portnow, Dan Bakkedahl, Adewale Akinnuoye-Agbaje, Sean Bridgers
 Trumbo
(2015) on IMDb Rotten Tomatoes: 74% (6,7); weltweites Einspielergebnis: $12,2 Mio.
FSK: 6, Dauer: 125 Minuten.

USA, Ende der 1940er Jahre: Nachdem die Vereinigten Staaten wenige Jahre zuvor gemeinsam mit der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg Nazi-Deutschland bezwangen, ist ein kalter Krieg zwischen diesen Weltmächten mit ihren so komplett unterschiedlichen politischen Ideologien ausgebrochen. In den USA macht sich das (verkürzt formuliert) vor allem daran bemerkbar, daß alle aktuellen oder früheren Mitglieder der Kommunistischen Partei sowie alle, die öffentlich für kommunistische oder sozialistische Ideen eingetreten sind, vom "Komitee für unamerikanische Umtriebe" unter einen generellen Verdacht des (potentiellen) Landesverrats gestellt werden. Da Hollywood seit jeher politisch eher links steht, sind besonders viele Filmschaffende betroffen, darunter zehn Drehbuch-Autoren um den bereits renommierten Dalton Trumbo (Bryan Cranston, "Drive"), die für ihre prinzipielle Weigerung, vor dem Kongreßausschuß Fragen zu beantworten und in letzter Konsequenz Kollegen zu verpfeifen, zu kurzen Gefängnisstrafen verurteilt werden. Damit ist es jedoch nicht getan: Weil die antikommunistische Hysterie in den 1950er Jahren immer weiter zunimmt, stehen sie noch Jahre nach ihrer Haftentlassung auf einer schwarzen Liste von Menschen, die nicht in Hollywood arbeiten dürfen. Oder zumindest nicht unter ihrem echten Namen …

Kritik:
Auch wenn außerhalb von Cineasten-Kreisen heutzutage nur noch wenige etwas mit seinem Namen anfangen können dürften: Dalton Trumbo gehört zu den spannendsten, faszinierendsten Persönlichkeiten in der Geschichte des Kinos. Ein Autor, der für seine Geschichten früh mit renommierten Preisen wie dem National Book Award geehrt wurde, dann als Drehbuch-Autor erste Erfolge feierte, durch seine Prinzipientreue in der McCarthy-Ära maximal ausgebremst wurde, aber unter Pseudonym zwei OSCARs gewann (für "Ein Herz und eine Krone" und "Roter Staub") und schließlich auch dank des Engagements einiger mutiger Kollegen wieder offiziell in den Hollywood-Kreisen wie auch in der Gesellschaft (es half, daß der frisch gewählte Präsident Kennedy die Premiere von Stanley Kubricks "Spartacus" besuchte, dem ersten Film, in dem wieder Trumbos Name im Abspann genannt wurde) rehabilitiert wurde, woraufhin er in seiner einzigen Regiearbeit "Johnny zieht in den Krieg" den wohl erschütterndsten Anti-Kriegsfilm aller Zeiten schuf. Wahrlich, ein Lebenslauf, wie ihn sich ein Drehbuch-Autor nicht spannungsreicher hätte ausdenken können! Letztlich war es daher nur eine Frage der Zeit, bis ein Biopic über Trumbo verwirklicht werden würde, wobei es fast überraschend ist, daß es so lange gedauert hat. Vielleicht liegt das ja auch und gerade daran, daß es so viel über Dalton Trumbo zu sagen und zeigen gibt, daß es schwer fällt, das Wichtigste zu einer in sich stimmigen Geschichte zu verdichten. Basierend auf einer Biographie von Bruce Cook, die bereits 1977 erschien, haben sich der Drehbuch-Autor John McNamara in seiner ersten Kinoarbeit (fürs TV schuf er u.a. die Serien "Aquarius" und "The Magicians") und der eigentlich auf komische Stoffe spezialisierte, in den letzten Jahren allerdings erkennbar politischer gewordene Regisseur Jay Roach ("Austin Powers", aber auch der preisgekrönte Sarah Palin-TV-Film "Game Change" und "Die Qual der Wahl") endlich daran gewagt. Das Resultat, das sich nahezu komplett auf Trumbos Zeit in der McCarthy-Ära konzentriert, hat mit einigen der üblichen Biopic-Problemen zu kämpfen und wird der schriftstellerischen Brillanz der zentralen Figur nur selten gerecht, vermittelt aber trotzdem ein gutes, unterhaltsames und lehrreiches Bild einer großen Persönlichkeit wie auch einer der schamvollsten Episoden der jüngeren US-amerikanischen Geschichte.

Aufgrund der zahlreichen berichtenswerten Ereignisse in Dalton Trumbos Leben leidet "Trumbo" unter dem leicht paradoxen, aber wohl nicht zu vermeidenden Problem, zugleich überladen und hoffnungslos unvollständig zu wirken. Durch den Fokus auf eine nur gut zehnjährige Zeitspanne in Trumbos Leben ist immerhin die für Biopics so typische, oft dramaturgisch holprig wirkende Anekdotenhaftigkeit vergleichsweise gering ausgeprägt – dafür gibt es jedoch eben zahlreiche Auslassungen. Aus Trumbos Leben vor der McCarthy-Ära wie über seine erfolgreiche Tätigkeit als Schriftsteller erfahren wir kaum etwas, auch nicht darüber, wie und warum er sich überhaupt dem Schreiben oder auch dem Kommunismus gewidmet hat. Das macht es nicht einfach, sich in die Persönlichkeit Dalton Trumbo hineinzufinden, auch wenn die energetische Darstellung des für seine Leistung OSCAR-nominierten Bryan Cranston und die flammenden, überzeugend geschriebenen Plädoyers und schlagfertigen Repliken schnell Sympathie und Respekt für ihn wachsen lassen. Eine nachvollziehbare, sogar gute Entscheidung des Drehbuch-Autors ist es, die "Hollywood Ten" mehr oder weniger zu einer Person – dem vom mittlerweile aus anderen Gründen selbst in Ungnade gefallenen Komiker Louis C.K. ("Blue Jasmine") verkörperten Arlen Hird – zu verdichten. Das Publikum würde die meisten Namen dieser Zehnergruppe sowieso nicht kennen (selbst ich kann mit "Die Caine war ihr Schicksal"-Regisseur Edward Dmytryk und "M.A.S.H."-Autor Ring Lardner Jr. nur mit zwei Namen aus dem Stegreif etwas verbinden – und Dmytryk hätte hier nicht reingepaßt, da er später eine Kehrtwende hinlegte und deshalb nicht auf der Schwarzen Liste landete) und so kann man in dieser einen, fiktiven Person etliche Elemente der Thematik vereinen. Dennoch ist es schade, daß die Skizzierung von Trumbos politischen und moralischen Überzeugungen letztlich sehr an der Oberfläche bleibt und so zu einer arg kritiklosen Haltung Trumbo gegenüber führt – vermutlich eine bewußte Entscheidung, denn zu sehr in seine kommunistischen Idealvorstellungen einzutauchen hätte wohl vor allem in den USA auch heute noch zu viele Zuschauer abgeschreckt (wobei man beim Dreh des Films natürlich noch nichts von der dräuenden Trump-Ära ahnen konnte, welche jegliche Relationen und vermeintlichen gesellschaftlichen Fixpunkte extrem verschieben würde …).

Jene Kritik, die an Trumbo geübt wird, konzentriert sich größtenteils auf sein Verhalten seiner Familie gegenüber – was ein bißchen feige wirkt angesichts der großen politischen Thematik, über die man wie gesagt auch hätte debattieren können. Aber dann eben der Familienmensch Dalton Trumbo: Als er auf der Schwarzen Liste steht und nur noch für deutlich weniger Geld unter Pseudonym arbeiten kann, spannt er ohne größere Nachfrage nicht nur seine Frau (Diane Lane aus "Man of Steel" in einer etwas undankbaren, da arg passiven Rolle) und seine Kinder ein. Aus seiner Perspektive ist das durchaus nachvollziehbar, da er derjenige in der Familie ist, der das Geld verdient und sich nun in der Verantwortung sieht, trotz verschärfter Umstände den Lebensstandard einigermaßen zu erhalten. Und die Kinder helfen ihm gerne – doch sie werden älter und als Teenager oder dann junge Erwachsene wollen sie auch ihr eigenes Leben führen, wofür Trumbo nicht wirklich Verständnis aufbringt. Das alles ist relativ klischeehaft dargeboten, funktioniert aber vor allem deshalb recht gut, weil die Beziehung zwischen Trumbo und seiner ältesten Tochter Nikola (als Teenager und junge Erwachsene: Elle Fanning, "The Neon Demon") glaubwürdig und gefühlvoll gestaltet ist. Ihr nicht ganz unkompliziertes Verhältnis zueinander ist eines der beiden emotionalen Standbeine, die "Trumbo" erden und etwas mehr Tiefe verleihen; das andere ist die Beziehung zwischen Trumbo und der Schauspielikone Edward G. Robinson (Michael Stuhlbarg, "Shape of Water"). Die beiden sind enge Freunde und überzeugte Kämpfer für die Gerechtigkeit – bis Robinson dem Druck erliegt und vor dem Ausschuß (bewußt vage) gegen seine Freunde aussagt. Für meine Begriffe kommt Robinson hier, wiewohl er seine Tat später nachvollziehbar begründen darf, ein wenig zu schlecht weg, aber da die Geschichte nun einmal aus Trumbos Perspektive geschildert wird, ist das meines Erachtens noch in Ordnung – schließlich muß es für den Autor bei allen logischen Begründungen doch wie ein bitterer Verrat gewirkt haben.

Andere Figuren wie die von Helen Mirren ("Die Queen") sehr gekonnt hassenswert interpretierte einflußreiche Boulevard-Kolumnnistin Hedda Hopper bleiben hingegen reine Klischees, deren Motivation bestenfalls küchenpsychologisch angedeutet wird. Apropos: Eine Besonderheit von Filmen mit vielen historischen Persönlichkeiten der nicht ganz so weit entfernten Vergangenheit ist es natürlich, daß man idealerweise Schauspieler dafür auswählen muß, die ihrem Vorbild halbwegs ähnlich sehen oder zumindest Mimik und Gestik gut imitieren können. Bei "Trumbo" ist das insgesamt überzeugend gelungen. Gerade bei Edward G. Robinson mit dem (scheinbar) unnachahmlichen Knautschgesicht hätte ich nie gedacht, daß man jemanden finden würde, der ihm ähnlich sieht und zudem gut schauspielert – doch Stuhlbarg löst das exzellent. Optisch gar noch beeindruckender ist der Neuseeländer Dean O'Gorman ("Der Hobbit") als Kirk Douglas (neben dem von Christian Berkel verkörperten "Exodus"-Regisseur Otto Preminger der Mann, der Trumbos Rückkehr in die Branche entscheidend beförderte), wohingegen der Ex-"J.A.G."-Anwalt David James Elliott dem erzkonservativen und damit Trumbo-kritischen John Wayne nur bedingt ähnlich sieht, ihn aber speziell in einem Schlagabtausch mit Trumbo trotzdem recht authentisch rüberbringt. Für die unterhaltsamsten Szenen sorgt derweil John Goodman ("Argo") als hemdsärmeliger B-Movie-Produzent Frank King, der Trumbo und in der Folge auch andere auf der Schwarzen Liste stehende Drehbuch-Autoren (wenn auch weiterhin unter Pseudonym) als Fließband-Autoren beschäftigt und somit vor dem finanziellen Ruin bewahrt. Unterm Strich kann "Trumbo" so dem echten Dalton Trumbo (oder der enormen Bedeutung der McCarthy-Ära) erwartbarerweise nicht vollkommen gerecht werden – gerade seine Filmarbeit hätte man gerne noch stärker im Detail beleuchten dürfen –, trägt jedoch letztlich gekonnt dazu bei, daß diese bemerkenswerte Persönlichkeit nicht in Vergessenheit gerät.

Fazit: "Trumbo" ist ein gelungenes und sehr überzeugend gespieltes, wenn auch selten in die Tiefe gehendes Biopic einer der faszinierendsten Persönlichkeiten in der Geschichte des Kinos und ihrer entbehrungsreichen Zeit während der schmachvollen McCarthy-Ära.

Wertung: 7,5 Punkte.


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