Regie: Nicolas Winding Refn, Drehbuch: Hossein Amini, Musik:
Cliff Martinez
Darsteller: Ryan Gosling, Carey Mulligan, Albert Brooks,
Bryan Cranston, Ron Perlman, Oscar Isaac, Christina Hendricks, Kaden Leos
Ryan Gosling ("Crazy, Stupid, Love", "Lars
und die Frauen") spielt einen namenlosen und ziemlich schweigsamen
Kfz-Mechaniker, der "nebenberuflich" als Stuntman beim Film sowie als
Fluchtfahrer für Gangster arbeitet. Sein Leben verläuft eigentlich ganz gut,
bis er sich in seine schöne neue Nachbarin Irene (Carey Mulligan, "An
Education") verliebt. Um sie und ihren kleinen Sohn zu schützen, will der
Driver dem gerade aus dem Knast entlassenen Ehemann Irenes (Oscar Isaac aus
"Agora" und Ridley Scotts "Robin Hood") bei einem Überfall
helfen, mit dem dieser seine Schulden bei einem Schutzgelderpresser begleichen
will. Doch der Überfall läuft schief und fortan befinden sich der Driver und
alle, die ihn kennen, in höchster Gefahr ...
Kritik:
"Drive" hat ein ernsthaftes Zielgruppenproblem. Denn der Film des dänischen Regisseurs Nicolas Winding Refn ("Pusher"-Trilogie, "Valhalla Rising") mixt europäisches Kunstkino virtuos mit amerikanischen Exploitation-Stilmitteln á la "Shaft" oder "Foxy Brown". Dummerweise ist die Zielgruppenüberschneidung dieser beiden Filmrichtungen eher gering. Und so wird "Drive" für die meisten der klassischen Arthouse-Zuschauer zu brutal und blutig sein und für viele Actionfans zu langsam. Insofern ist es schon überraschend, daß "Drive" in den USA immerhin mehr als das doppelte seiner (mit $15 Mio. relativ geringen) Produktionskosten einspielen konnte und später auch international auf ganz ordentliche Zahlen kam. Offenbar erreichten die fast ausnahmslos euphorischen Kritiken tatsächlich jene potentiellen Zuschauer, die alleine von den Trailern (in der irreführenden US-Werbekampagne wirkte "Drive" wie ein Film der Sorte "Fast & Furious") eher abgeschreckt worden wären, und diese sorgten auf lange Sicht offenbar für positive Mundpropaganda.
Und das vollkommen zurecht, denn "Drive" fasziniert. Bereits der fast komplett dialogfreie Prolog begeistert mit einer ungemein stylishen Inszenierung und Goslings ebenso stoischem wie coolen Mienenspiel. Damit hat "Drive" dann allerdings auch für längere Zeit sein Action-Pulver verschossen. Stattdessen steht nun erst einmal die ungewöhnlich zärtlich erzählte aufblühende Romanze zwischen dem wortkargen Driver und der sympathischen Irene im Mittelpunkt – nebenbei werden auch noch die weiteren wichtigen Nebenfiguren eingeführt. Nach dieser langen, trügerisch friedlichen Phase von "Drive" wirkt die Eruption der Gewalt im letzten Drittel, nach dem mißglückten Überfall, umso drastischer und verstörender auf das Publikum.
Mein einziger echter Kritikpunkt an "Drive" ist die zu geringe Sorgfalt, die den Nebenfiguren gewidmet wird. Der Driver selbst durchläuft eine deutliche Charakterentwicklung, auch bei Irene und ihrem Ehemann kann man nicht von Klischeecharakteren sprechen. Die anderen wichtigen Figuren jedoch, vor allem die Bösewichte, hätten durchaus noch etwas tiefgehender gezeigt werden dürfen – gerade angesichts der sowieso recht kurzen Laufzeit von nur gut eineinhalb Stunden. So entspricht ihre Darstellung zwar der Tradition der erwähnten Exploitationfilme, bleibt aber dennoch eindeutig etwas zu oberflächlich.
Stilistisch ist "Drive" hingegen eine absolute Wucht. Das läßt sich schwer beschreiben, man muß es einfach sehen: "Drive" ist zugleich extrem lässig, unheimlich intensiv und erstaunlich zärtlich. Eine wilde Mixtur, die – sicher nicht für jeden, für mich aber definitiv – wunderbar funktioniert. Dazu tragen neben Nicolas Winding Refns einfallsreicher Regie die erstklassige Kameraarbeit von Newton Thomas Sigel und die sehr gelungene Auswahl aus sphärischen Independentsongs bei. Und Ryan Gosling beweist einmal mehr, daß er einer der kommenden Superstars in Hollywood ist. Wie er in einer Rolle wie dieser mit geringsten mimischen Mitteln maximale Wirkung erzielen kann, sodaß man als Zuschauer stets die unter der so ruhig wirkenden Oberfläche bedrohlich brodelnde, beängstigende Aggressivität dieses Raubtiers von einem Menschen spürt – das können nicht allzu viele Schauspieler seiner Altersgruppe bieten (DiCaprio, Norton, Gordon-Levitt; sehr viel mehr fallen mir nicht ein). Gerade im Vergleich zu seiner Performance in einem Film wie "Lars und die Frauen", in dem er eine zum Driver beinahe gegensätzliche Figur spielt, wird die Bandbreite seines darstellerischen Spektrums offenbar.
Fazit: "Drive" ist ein wilder Genremix, der nicht zuletzt aufgrund des hohen Gewaltgrades sicher viele Zuschauer verschrecken wird. Wer jedoch offen für cineastische Experimente ist, der wird mit einem originellen und stilistisch überragenden Action-Drama mit einem tollen Hauptdarsteller belohnt.
Kritik:
"Drive" hat ein ernsthaftes Zielgruppenproblem. Denn der Film des dänischen Regisseurs Nicolas Winding Refn ("Pusher"-Trilogie, "Valhalla Rising") mixt europäisches Kunstkino virtuos mit amerikanischen Exploitation-Stilmitteln á la "Shaft" oder "Foxy Brown". Dummerweise ist die Zielgruppenüberschneidung dieser beiden Filmrichtungen eher gering. Und so wird "Drive" für die meisten der klassischen Arthouse-Zuschauer zu brutal und blutig sein und für viele Actionfans zu langsam. Insofern ist es schon überraschend, daß "Drive" in den USA immerhin mehr als das doppelte seiner (mit $15 Mio. relativ geringen) Produktionskosten einspielen konnte und später auch international auf ganz ordentliche Zahlen kam. Offenbar erreichten die fast ausnahmslos euphorischen Kritiken tatsächlich jene potentiellen Zuschauer, die alleine von den Trailern (in der irreführenden US-Werbekampagne wirkte "Drive" wie ein Film der Sorte "Fast & Furious") eher abgeschreckt worden wären, und diese sorgten auf lange Sicht offenbar für positive Mundpropaganda.
Und das vollkommen zurecht, denn "Drive" fasziniert. Bereits der fast komplett dialogfreie Prolog begeistert mit einer ungemein stylishen Inszenierung und Goslings ebenso stoischem wie coolen Mienenspiel. Damit hat "Drive" dann allerdings auch für längere Zeit sein Action-Pulver verschossen. Stattdessen steht nun erst einmal die ungewöhnlich zärtlich erzählte aufblühende Romanze zwischen dem wortkargen Driver und der sympathischen Irene im Mittelpunkt – nebenbei werden auch noch die weiteren wichtigen Nebenfiguren eingeführt. Nach dieser langen, trügerisch friedlichen Phase von "Drive" wirkt die Eruption der Gewalt im letzten Drittel, nach dem mißglückten Überfall, umso drastischer und verstörender auf das Publikum.
Mein einziger echter Kritikpunkt an "Drive" ist die zu geringe Sorgfalt, die den Nebenfiguren gewidmet wird. Der Driver selbst durchläuft eine deutliche Charakterentwicklung, auch bei Irene und ihrem Ehemann kann man nicht von Klischeecharakteren sprechen. Die anderen wichtigen Figuren jedoch, vor allem die Bösewichte, hätten durchaus noch etwas tiefgehender gezeigt werden dürfen – gerade angesichts der sowieso recht kurzen Laufzeit von nur gut eineinhalb Stunden. So entspricht ihre Darstellung zwar der Tradition der erwähnten Exploitationfilme, bleibt aber dennoch eindeutig etwas zu oberflächlich.
Stilistisch ist "Drive" hingegen eine absolute Wucht. Das läßt sich schwer beschreiben, man muß es einfach sehen: "Drive" ist zugleich extrem lässig, unheimlich intensiv und erstaunlich zärtlich. Eine wilde Mixtur, die – sicher nicht für jeden, für mich aber definitiv – wunderbar funktioniert. Dazu tragen neben Nicolas Winding Refns einfallsreicher Regie die erstklassige Kameraarbeit von Newton Thomas Sigel und die sehr gelungene Auswahl aus sphärischen Independentsongs bei. Und Ryan Gosling beweist einmal mehr, daß er einer der kommenden Superstars in Hollywood ist. Wie er in einer Rolle wie dieser mit geringsten mimischen Mitteln maximale Wirkung erzielen kann, sodaß man als Zuschauer stets die unter der so ruhig wirkenden Oberfläche bedrohlich brodelnde, beängstigende Aggressivität dieses Raubtiers von einem Menschen spürt – das können nicht allzu viele Schauspieler seiner Altersgruppe bieten (DiCaprio, Norton, Gordon-Levitt; sehr viel mehr fallen mir nicht ein). Gerade im Vergleich zu seiner Performance in einem Film wie "Lars und die Frauen", in dem er eine zum Driver beinahe gegensätzliche Figur spielt, wird die Bandbreite seines darstellerischen Spektrums offenbar.
Fazit: "Drive" ist ein wilder Genremix, der nicht zuletzt aufgrund des hohen Gewaltgrades sicher viele Zuschauer verschrecken wird. Wer jedoch offen für cineastische Experimente ist, der wird mit einem originellen und stilistisch überragenden Action-Drama mit einem tollen Hauptdarsteller belohnt.
Wertung: 9 Punkte.
Ganz ehrlich, jetzt habe ich einige Kritiken gelesen, und wenn es nicht gerade um Nachrufe geht, sind wir unheimlich oft ein und derselben Meinung!:-D Klasse Seite!!
AntwortenLöschenDie Filme sind ja auch das Wichtigste, die Nachrufe (für mich) bedauerliche Pflicht. Ich habe ja mit dem Schreiben von Kritiken ursprünglich begonnen, weil ich so die Filme mit all ihren Stärken und Schwächen für mich selbst besser reflektieren konnte - bei den Nachrufen ist es ein Stückweit ähnlich, natürlich mit Konzentration auf die Stärken. Was aber daran liegt, daß ich ausführliche Nachrufe nur auf Personen schreibe, die mir am Herzen lagen.
LöschenAchja, und danke für das Lob. :-)