Empfohlener Beitrag

In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Mittwoch, 27. Januar 2021

OSCAR-News: American Film Institute und National Board of Review eröffnen die heiße Phase der OSCAR-Saison

Normalerweise hätte ich ab Ende November regelmäßig über die OSCAR-Saison 2020/2021 berichtet, doch in Zeiten einer Pandemie läuft bekanntlich alles etwas anders. Die OSCARs wurden schon früh um zwei Monate auf Ende April verlegt, damit ebenso die Deadline für den Start der in Frage kommenden Filme (die diesmal auch nicht im Kino gelaufen sein müssen). Und weil die Verleihung der Academy Awards nunmal das Highlight und den Endpunkt jeder OSCAR-Saison darstellt, sind alle anderen größeren Veranstaltungen wie die Golden Globes oder die Kritikerpreise der OSCAR-Verschiebung gefolgt und finden ebenfalls später statt. Das gilt auch für die jährlichen Top 10-Listen des renommierten American Film Institute, welche in diesem Jahr nach diversen Indie-Preisen den richtigen Auftakt der OSCAR-Saison einleiten (und damit dem National Board of Review um einen Tag zuvorkommen) und einen guten ersten Überblick über die wichtigsten und chancenreichsten Anwärter bieten.

Die alphabetisch sortierten Top 10 sehen diesmal folgendermaßen aus:

- Da 5 Bloods

- Judas and the Black Messiah

- Ma Rainey's Black Bottom

- Mank

- Minari

- Nomadland

- One Night in Miami

- Soul

- Sound of Metal

- The Trial of the Chicago 7

Auffällig ist zunächst einmal, daß dies die diverseste Liste in der Geschichte des AFI sein dürfte. Mit Spike Lees Vietnam-Veteranen-Drama "Da 5 Bloods", Shaka Kings Black Panther-Drama "Judas and the Black Messiah", George C. Wolfes Theater-Adaption "Ma Rainey's Black Bottom" und Regina Kings 1960er Jahre-Kammerspiel "One Night in Miami" (über ein Treffen von Cassius Clay aka Muhammad Ali mit Malcolm X, dem Football-Spieler Jim Brown und dem Musiker Sam Cooke) gibt es vier Filme mit fast ausschließlich afroamerikanischen Protagonisten, dazu kommt Lee Isaac Chungs Drama "Minari" über asiatische Immigranten (und Pixars "Soul" hat einen schwarzen Protagonisten). Gewissermaßen als Gegenstück gibt es mit David Finchers Old Hollywood-Geschichte "Mank" sowie Aaron Sorkins historischem Gerichtsdrama "The Trial of the Chicago 7" typische OSCAR-Stoffe, mit Darius Marders "Sound of Metal" (über einen das Gehör verlierenden Heavy Metal-Drummer, gespielt vom pakistanisch-stämmigen Riz Ahmed) einen klassischen Indie-Vertreter und mit "Soul" einen hochgelobten Animationsfilm. Als aussichtsreichster OSCAR-Anwärter muß wohl Chloé Zhaos Aussteiger-Drama "Nomadland" mit Frances McDormand gewertet werden, das seit seiner Premiere im Herbst in Toronto mit Lobeshymnen ebenso wie mit Preisen überschüttet wurde.

Erwähnenswert ist auch, daß Netflix mit vier Produktionen in den Top 10 dominiert, wobei der Streaming-Dienst in diesem Jahr durch die teilweise Schließung der US-Kinos im Vergleich mit den traditionellen Filmstudios (die viele Starts verschoben haben) natürlich einen gewissen Vorteil hat. Die hochkarätigsten fehlenden Filme dürften Paul Greengrass' Western "Neues aus der Welt" mit Tom Hanks und dem deutschen "Systemsprenger"-Star Helena Zengel, Emerald Fennells schwarzhumoriger feministischer Rachethriller "Promising Young Woman" mit Carey Mulligan, Florian Zellers Vater-Tochter-Drama "The Father" mit Sir Anthony Hopkins und Olivia Colman sowie Christopher Nolans polarisierender SF-Thriller "Tenet" sein.

Die komplette Liste wie auch die TV-Top 10 kann man auf der Homepage des AFI nachlesen.

 

Damit zum altehrwürdigen National Board of Review und seinen Auszeichnungen:

Bester Film: Da 5 Bloods

Regie: Spike Lee, "Da 5 Bloods"

Hauptdarsteller: Riz Ahmed, "Sound of Metal"

Hauptdarstellerin: Carey Mulligan, "Promising Young Woman"

Nebendarsteller: Paul Raci, "Sound of Metal"

Nebendarstellerin: Youn Yuh-jung, "Minari"

Originaldrehbuch: Lee Isaac Chung, "Minari"

Adaptiertes Drehbuch: Paul Greengrass und Luke Davies, "Neues aus der Welt"

Animationsfilm: Soul

Fremdsprachiger Film: "La Llorona", Guatemala (nicht zu verwechseln mit "Lloronas Fluch")

Dokumentarfilm: Time

Offensichtlich gibt es hier drei große Gewinner: "Da 5 Bloods", "Sound of Metal" und "Minari", während die Einzelsiege von "Promising Young Woman" und "Neues aus der Welt" deren Verpassen der AFI-Top 10 etwas kompensieren und beiden Filmen alle Chancen im OSCAR-Rennen bewahren. Zusätzlich zum angesichts guter, aber nicht überragender Kritiken etwas überraschend gekürten Besten Film "Da 5 Bloods" hat auch das NBR eine (im Originaltitel) alphabetisch sortierte Top 10 gewählt:

- First Cow

- Mein 40-jähriges Ich

- Judas and the Black Messiah

- The Midnight Sky

- Minari

- Neues aus der Welt

- Nomadland

- Promising Young Woman

- Soul

- Sound of Metal

Erstaunlich wenige Überschneidungen zu den AFI Top 10: Nur "Judas and the Black Messiah", "Minari", "Nomadland", "Soul" und "Sound of Metal" (plus "Da 5 Bloods") wurden von beiden Institutionen berücksichtigt. George Clooneys elegisches Endzeit-Drama "The Midnight Sky" hat mir persönlich zwar gut gefallen (Kritik folgt demnächst), sollte angesichts mittelprächtiger Kritiken aber zumindest in den Hauptkategorien der Academy Awards und der meisten übrigen Preisverleihungen chancenlos sein. Kelly Reichardts historisches Indie-Drama "First Cow" und Radha Blanks Indie-Komödie "Mein 40-jähriges Ich" sind Kritikerlieblinge, sollten aber bei den OSCARs kaum über zwei oder drei Nominierungen hinauskommen. Von den AFI Top 10 fehlen hier "Ma Rainey's Black Bottom", "One Night in Miami" und ziemlich überraschend "Mank" und "The Trial of the Chicago 7". Einzige Filme aus dem bisherigen Favoritenkreis, die sowohl vom AFI als auch vom NBR ignoriert wurden und dementsprechend ernüchtert dastehen, sind somit "The Father" und "Tenet".

Alle NBR-Gewinner kann man auf deren Homepage nachlesen.

 

Außerdem wurden gestern noch die Independent Spirit Award-Nominierungen veröffentlicht, auf die ich aber abgesehen vom Hinweis darauf, daß das hochgelobte Abtreibungsdrama "Niemals Selten Manchmal Immer" mit sieben Nominierungen am besten abschnitt (vor "Minari" mit 6 und "Ma Rainey" sowie "Nomadland" mit jeweils 5), nicht extra eingehe (da sie eben nur Indie-Filme berücksichtigen) und stattdessen nur auf die Homepage mit allen Informationen verweise.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen