Regie: Wim Wenders, Drehbuch: Peter Handke, Richard
Reitinger und Wim Wenders, Musik: Jürgen Knieper
Darsteller: Bruno Ganz, Solveig Dommartin, Peter Falk, Otto
Sander, Curt Bois
Rotten Tomatoes: 95% (8,7); US-Einspielergebnis: $3,8 Mio.
FSK: 6, Dauer: 127 Minuten.
Damiel (Bruno Ganz, "Der Untergang") und Cassiel (Otto Sander, "Das Boot") sind zwei waschechte Engel. Sie wachen über das Berlin kurz vor der Wende, beobachten dabei die Menschen, deren Gedanken sie hören können. Stets sind sie auf der Suche nach kleinen, aber bemerkenswerten oder ungewöhnlichen Dingen und menschlichen Verhaltensweisen. Damiel reicht es jedoch nicht mehr, nur zu beobachten. Er möchte selbst Mensch werden, möchte nicht mehr nur zusehen, sondern selbst handeln, möchte lieben und geliebt werden, möchte die alltäglichsten Dinge tun und das Leben als Mensch genießen. Nicht ganz unbeteiligt an seiner Sehnsucht ist die melancholische französische Akrobatin Marion (Solveig Dommartin, "Bis ans Ende der Welt"), auf die Damiel bei seinen Engel-Streiftouren aufmerksam geworden ist und die ihn regelrecht verzaubert hat ...
Kritik:
Die Story, die "Der Himmel über Berlin" erzählt, ist bestenfalls rudimentär zu nennen. Aber darum geht es auch gar nicht. Es geht um die Stadt Berlin und ihre vielfältigen Bewohner, deren Gedankenwelten der (politisch nicht unumstrittene) österreichische Schriftsteller Peter Handke in unglaublich poetische, wunderschöne Worte und Satzfetzen gekleidet hat. "Der Himmel über Berlin" ist denn auch im Grunde weniger ein Film als ein Gedicht. Man sieht die Engel durch das geteilte Berlin streifen und hört den teils banalen, teils amüsanten, teilweise erstaunlich tiefschürfenden inneren Monologen der Berliner zu und genießt dabei stets die wundervollen Bilder von Kameramann Henri Alekan ("Die Schöne und die Bestie", "Ein Herz und eine Krone") sowie die hervorragende Musik samt eines mitreißenden Konzertauftritts von Nick Cave & The Bad Seeds. Bemerkenswert ist dabei, daß der Film kein Drehbuch im eigentlichen Sinne hatte: Wenders und die Schauspieler haben viel improvisiert und sich die Geschichte gewissermaßen von den Schauplätzen im geteilten Berlin diktieren lassen – einzig Handkes Texte existierten bereits, wurden von ihm aber bis auf wenige Schlüsselszenen wie Marions finalem Monolog ohne echten Kontext verfaßt und dann von Wenders so eingesetzt, wie es eben am besten funktionierte. Wenn man das weiß, ist es doppelt beeindruckend, daß der Film wie aus einem Guß wirkt.
FSK: 6, Dauer: 127 Minuten.
Damiel (Bruno Ganz, "Der Untergang") und Cassiel (Otto Sander, "Das Boot") sind zwei waschechte Engel. Sie wachen über das Berlin kurz vor der Wende, beobachten dabei die Menschen, deren Gedanken sie hören können. Stets sind sie auf der Suche nach kleinen, aber bemerkenswerten oder ungewöhnlichen Dingen und menschlichen Verhaltensweisen. Damiel reicht es jedoch nicht mehr, nur zu beobachten. Er möchte selbst Mensch werden, möchte nicht mehr nur zusehen, sondern selbst handeln, möchte lieben und geliebt werden, möchte die alltäglichsten Dinge tun und das Leben als Mensch genießen. Nicht ganz unbeteiligt an seiner Sehnsucht ist die melancholische französische Akrobatin Marion (Solveig Dommartin, "Bis ans Ende der Welt"), auf die Damiel bei seinen Engel-Streiftouren aufmerksam geworden ist und die ihn regelrecht verzaubert hat ...
Kritik:
Die Story, die "Der Himmel über Berlin" erzählt, ist bestenfalls rudimentär zu nennen. Aber darum geht es auch gar nicht. Es geht um die Stadt Berlin und ihre vielfältigen Bewohner, deren Gedankenwelten der (politisch nicht unumstrittene) österreichische Schriftsteller Peter Handke in unglaublich poetische, wunderschöne Worte und Satzfetzen gekleidet hat. "Der Himmel über Berlin" ist denn auch im Grunde weniger ein Film als ein Gedicht. Man sieht die Engel durch das geteilte Berlin streifen und hört den teils banalen, teils amüsanten, teilweise erstaunlich tiefschürfenden inneren Monologen der Berliner zu und genießt dabei stets die wundervollen Bilder von Kameramann Henri Alekan ("Die Schöne und die Bestie", "Ein Herz und eine Krone") sowie die hervorragende Musik samt eines mitreißenden Konzertauftritts von Nick Cave & The Bad Seeds. Bemerkenswert ist dabei, daß der Film kein Drehbuch im eigentlichen Sinne hatte: Wenders und die Schauspieler haben viel improvisiert und sich die Geschichte gewissermaßen von den Schauplätzen im geteilten Berlin diktieren lassen – einzig Handkes Texte existierten bereits, wurden von ihm aber bis auf wenige Schlüsselszenen wie Marions finalem Monolog ohne echten Kontext verfaßt und dann von Wenders so eingesetzt, wie es eben am besten funktionierte. Wenn man das weiß, ist es doppelt beeindruckend, daß der Film wie aus einem Guß wirkt.
Getragen wird "Der Himmel über Berlin" natürlich auch von den Schauspielern. Bruno Ganz und Otto Sander waren selten so gut wie hier, vor allem Ganz nimmt man seine Figur des so menschlichen und doch stets irgendwie unirdischen Engels Damiel ohne jedes Zögern ab. Des weiteren fasziniert der während der Dreharbeiten beinahe 90-jährige Ex-Kinderstar Curt Bois – bereits 1919 in Ernst Lubitschs Stummfilmkomödie "Die Austernprinzessin" zu sehen, später unter anderem in einer Nebenrolle im Filmklassiker "Casablanca" – trotz seiner Gebrechlichkeit als alternder Poet Homer (und wurde für die Rolle prompt mit dem Europäischen Filmpreis als Bester Nebendarsteller belohnt), Peter "Columbo" Falk glänzt selbstironisch als "Der Filmstar" und die wahrhaft engelsgleiche Solveig Dommartin (die Anfang 2007 mit 45 Jahren an einem Herzinfarkt verstarb) hat in ihrem Schauspieldebüt als liebenswerte Artistin Marion sicher nicht nur die Herzen von Engel Damiel und Regisseur Wim Wenders erobert, dessen Freundin sie damals war (und mit dem zusammen sie später auch noch das viereinhalbstündige Endzeit-Drama "Bis ans Ende der Welt" realisierte).
Den Unterschied zwischen der Welt der Engel und jener der Menschen macht Wenders durch einen ebenso simplen wie effektiven Trick deutlich: Die Engel sehen alles nur in Schwarzweiß, die Welt der Menschen dagegen ist farbig. So ist dies auch das erste, was Damiel nach seiner Menschwerdung bemerkt – und mit welch kindlicher Begeisterung Bruno Ganz dieses erste Erleben von Farben spielt, ist schlicht hinreißend. Auch die hypnotische, mal andächtige, mal hymnische Musik von Jürgen Knieper ("Der Stand der Dinge") trägt einen beträchtlichen Teil zum Gesamtkunstwerk bei. "Der Himmel über Berlin" ist nicht weniger als ein Meisterwerk, ein absoluter Meilenstein der deutschen Kinogeschichte. Ein Film, der in seiner unkonventionellen Inszenierung und wegen Peter Handkes faszinierender literarischer Handschrift in den Dialogen und (inneren) Monologen so wunderschön und emotional ist, daß man am liebsten einfach nur vor Freude heulen möchte. So gut war Wim Wenders nie zuvor und nie danach (auch nicht in der leider deutlich schwächeren Fortsetzung "In weiter Ferne, so nah!" aus dem Jahr 1993, die er nach der Wiedervereinigung drehte).
Fazit: "Der Himmel über Berlin" ist ein Gedicht von einem Film, ein unvergeßlicher Meilenstein der Kinogeschichte.
Wertung: 10 Punkte.
Die von der Wim Wenders Stiftung aufwendig in 4K restaurierte Version des Films erschien am 17. Mai 2018 auf DVD und Blu-ray, wobei neben aus früheren Editionen bekanntem auch neues Bonusmaterial zu sehen ist. Dieses umfaßt zwei Audiokommentare, die sich aber größtenteils dadurch unterscheiden, daß Wenders einmal Englisch und einmal Deutsch spricht. Zwar ist bei der englischen Variante theoretisch auch Peter Falk dabei, in der Praxis ist er jedoch nur bei ausgewählten Szenen zu hören und dient auch dort eher als Stichwortgeber für Wenders. Des weiteren gibt es 30 Minuten geschnittene Szenen, was allerdings spektakulärer klingt, als es ist, zumal es sich bei etwa einem Drittel um eine einzige Szene handelt, die aus verschiedenen Perspektiven gedreht wurde; am interessantesten sind weitere Aufnahmen des durch Berlin streifenden Curt Bois, die ebenso atmosphärisch gefilmt sind wie die tatsächlich verwendeten. Das gilt ebenso für ein zehnminütiges, unkommentiertes Featurette mit aus einem Helikopter gefilmten Luftaufnahmen von Berlin. Eine "Masterclass"-Vorlesung von Wim Wenders zu den Restaurierungsarbeiten fällt erwartungsgemäß sehr technisch aus und ist eher etwas für Profis. Highlights des Bonusmaterials sind (neben einem witzigen Trailer, den Wenders mit Bois 1997 zur Veröffentlichung einer Werkschau seiner Filme drehte) zwei einsichtsreiche, ausführliche Interviews mit Wim Wenders, eines davon wurde von Roger Willemsen geführt. Die Collector's Edition enthält zudem ein Booklet, den Soundtrack auf CD, ein Filmposter und drei Artcards.
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