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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Donnerstag, 25. Juli 2019

Nachruf: Rutger Hauer (1944-2019)

Die Anzahl der niederländischen Filmschaffenden, die die Welt eroberten und zu anhaltendem internationalen Ruhm kamen, hält sich in recht engen Grenzen. Am bekanntesten sind wohl Regisseure und Drehbuch-Autoren wie Paul Verhoeven ("RoboCop", "Basic Instinct", "Starship Troopers"), Anton Corbijn ("Control", "The American") oder Jan de Bont ("Speed", "Twister"), zumindest in Europa sehr bekannt war die Erotik-Darstellerin Sylvia Kristel ("Emmanuelle"). Mit ein wenig gutem Willen kann man zudem die Schauspieler Jeroen Krabbé, Rebecca Romijn, Famke Janssen und Carice van Houten nennen, auch wenn die außerhalb ihrer Heimat fast nur in Nebenrollen zu sehen waren und sind und jeweils vor allem durch eine Rolle berühmt wurden (Krabbé und Janssen als Bondschurken in "Der Hauch des Todes" respektive "GoldenEye", Romijn als blauhäutige Mystique in der "X-Men"-Trilogie, van Houten als Priesterin Melisandre in der TV-Serie "Game of Thrones") - und dann ist da natürlich Rutger Hauer, der durch seine Antagonistenrolle im SciFi-Klassiker "Blade Runner" früh Kultstatus erlangte und in der Folge sogar einige schöne Hauptrollen ergatterte. Bereits am vergangenen Freitag erlag Rutger Hauer in seiner niederländischen Heimat einer kurzen, schweren Krankheit. Er wurde 75 Jahre alt.

Der Aufstieg von Rutger Hauer zum weltweiten Ruhm ging eng mit dem von Paul Verhoeven einher. Die beiden waren zu Beginn ihrer Karrieren in den Niederlanden ein eingeschworenes Team, Hauer spielte die Hauptrollen u.a. in den Kritikererfolgen "Türkische Früchte" (1973) und "Der Soldat von Oranien" (1977), die auch international für Aufsehen sorgten. Und da Hauer - groß, muskulös, blond, stahlblaue Augen - auch optisch eine eindrucksvolle Erscheinung war, interessierte sich schon bald Hollywood für ihn. Nach einer ersten Bösewichtrolle im Jahr 1981 als Terrorist im Sylvester Stallone-Actionthriller "Nachtfalken" (wo es zu größeren Spannungen zwischen Stallone und Hauer kam; dem Vernehmen nach setzte Stallone gar im Widerspruch zu den Ergebnissen von Testscreenings eine Schnittfassung mit einer deutlichen Verkleinerung von Hauers Part durch, weil er befürchtete, dieser würde ihm die Schau stehlen ...) folgte ein Jahr darauf jene Rolle, die Hauers Karriere definieren sollte: Als melancholischer Replikant Roy Batty in Sir Ridley Scotts philosophischem Science Fiction-Film "Blade Runner" gab er einen höchst ungewöhnlichen Antagonisten zu Harrison Fords hartgesottenem Cop Rick Deckard ab. Hauers einfühlsame, verletzliche, dabei entschlossen-bedrohliche Darstellung des künstlichen Menschen wird völlig zu Recht als "ikonisch" bezeichnet, er machte Roy Batty zu einem der unvergeßlichsten Antagonisten der Filmhistorie - auch wenn natürlich die visuell überwältigende Inszenierung von Scott und Kameramann Jordan Cronenweth wie auch die Musik von Vangelis ihren Teil dazu beitrugen.

Anschließend standen für Rutger Hauer so gut wie allen Türen in Hollywood offen. Er ließ die Hauptrolle in Sam Peckinpahs letztem (leider eher mittelmäßigen) Film, dem Spionage-Thriller "Das Osterman-Weekend" (1983), folgen, agierte für den britischen "Wenn die Gondeln Trauer tragen"-Regisseur Nicolas Roeg in "Eureka" (1983) und durfte im Jahr 1985 in Richard Donners romantischem Fantasyfilm "Der Tag des Falken" (einer meiner persönlichen Favoriten) an der Seite der jungen Michelle Pfeiffer als waschechter Ritter seine Heldenqualitäten beweisen. Im gleichen Jahr tat er sich erstmals seit seinem Hollywood-Durchbruch wieder mit Verhoeven zusammen für dessen englischsprachiges Debüt "Flesh and Blood". Wie "Der Tag des Falken" spielt auch "Flesh and Blood" in einer mittelalterlichen Welt, doch unterschiedlicher könnten die beiden Filme trotzdem kaum sein. Während "Der Tag des Falken" romantische Fantasy mit strahlenden Helden und fiesen Bösewichtern in einer magischen Welt ist, zeichnet "Flesh and Blood" ein brutales und schmutziges Bild des ausgehenden irdischen Mittelalters voller Mord, Brandschatzung und Vergewaltigungen, in dem es keine Helden gibt, sondern nur Täter, Opfer und Überlebende. Obwohl der Film keineswegs frei von Mängeln ist, beeindruckt er durch seine Andersartigkeit, durch den kompromißlosen, brutal realistischen Stil und seine in jeder Hinsicht schmutzigen Charaktere, zu denen auch der von Hauer ungemein intensiv verkörperter Söldner Martin zählt. Es ist sicher kein Vergnügen, sich den an den Kinokassen gefloppten "Flesh and Blood" anzusehen, aber dafür ein Ereignis, das man nicht so schnell vergessen wird ... Das galt übrigens auch für Verhoeven und Hauer, denn bei den Dreharbeiten zerstritt sich das bis dahin so erfolgreiche Duo so sehr (Hauer wollte seine Rolle etwas edelmütiger gestalten, um nicht seine frisch errungene Heldentauglichkeit in Hollywood zu riskieren - nachvollziehbar, daß Verhoeven nicht für Hauers Karriere seine Vision kompromittieren wollte, doch leider sollten sich Hauers Befürchtungen bestätigen), daß es ihr letzter gemeinsamer Film bleiben sollte.

Mit großen Heldenrollen klappte es also nicht mehr für Rutger Hauer, dafür schuf er 1987 im hierzulande lange indizierten Psychothriller "Hitcher, der Highwaykiller" in der Titelrolle eines psychopathischen und sadistischen Serienmörders einen kultigen Bösewicht und gewann im gleichen Jahr für die TV-Miniserie "Flucht aus Sobibor" als sowjetischer Kriegsgefangener im Zweiten Weltkrieg seinen einzigen Golden Globe. Mit Philip Noyces Actionthriller "Blinde Wut" und dem australischen Endzeitfilm "Die Jugger" (beide 1989) neigte sich Rutger Hauers Zeit als Hauptdarsteller im englischsprachigen Kino leider schon wieder stark dem Ende zu, in den 1990er Jahren arbeitete er - abgesehen von einigen nordamerikanischen B-Movies und dem TV-Film "Vaterland" nach dem Bestseller von Robert Harris, der ihm 1995 seine zweite Golden Globe-Nominierung einbrachte - vorwiegend in Europa, wo er u.a. in "Nostradamus" (1993) und vier Jahre später in Thomas Jahns deutschem Klassiker "Knockin' on Heaven's Door" auftrat. Erst nach dem Jahrtausendwechsel gelang ihm ein kurzzeitiges, durchaus beeindruckendes Hollywood-Comeback als ausdrucksstarker Nebendarsteller in Werken wie George Clooneys "Geständnisse" (2002), Christopher Nolans "Batman Begins" (2005) oder Robert Rodriguez' "Sin City" (2005, als kannibalistischer Kardinal!). Anschließend tauchte Hauer in diversen TV-Serien auf (z.B. "True Blood", "Galavant", "The Last Kingdom"), spielte 2011 mit sichtbarer Freude die Hauptrolle im erfolgreichen (in Deutschland jedoch indizierten) kanadischen B-Movie "Hobo with a Shotgun" und 2012 in Dario Argentos mißglücktem "Dracula 3D" den Vampirjäger Dr. van Helsing. Drei Jahre darauf veredelte Hauer Roel Reinés Historienfilm "Der Admiral", einen der teuersten niederländischen Filme aller Zeiten, 2017 hatte er einen Miniauftritt in Luc Bessons SciFi-Extravaganza "Valerian" und 2018 verkörperte er in Jacques Audiards Western "The Sisters Brothers" den Auftraggeber der Titelfiguren. Hauer arbeitete bis zuletzt fleißig und so stehen einige Projekte aus, die er bereits abgedreht hat - darunter eher keine potentiellen Welthits, aber zumindest die britische TV-Neuadaption von Dickens' "Weihnachtsgeschichte", in der er den Geist der zukünftigen Weihnacht verkörpert, sollte es früher oder später auch in die deutschsprachigen Gefilde schaffen.

Am 19. Juli 2019 starb Rutger Hauer mit 75 Jahren im niederländischen Beetsterzwaag nach kurzer, schwerer Krankheit. Die Filmwelt wird ihn vermissen. R.I.P.

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