Regie: Ridley
Scott, Drehbuch: Hampton Fancher und David Webb Peoples, Musik: Vangelis
Darsteller: Harrison Ford, Rutger Hauer, Sean Young,
Darryl Hannah, Edward James Olmos, M. Emmet Walsh, Brion James, William
Sanderson, Joe Turkel, James Hong, Joanna Cassidy
FSK: 16, Dauer: 113 Minuten.
Los Angeles im Jahre
2019: Der ehemalige Polizist Rick Deckard (Harrison Ford, "Star Wars Episode VII") wird von seinem früheren Vorgesetzten Bryant (M. Emmet Walsh, "Am Sonntag bist du tot")
"überredet", einen neuen Auftrag anzunehmen. Vier Replikanten – als
Arbeitskräfte in den Weltall-Kolonien eingesetzte künstliche Menschen, die sich nach einigen Problemen und Aufständen aber nicht mehr auf der überbevölkerten Erde aufhalten
dürfen – sind mit einem blutig gekaperten Raumschiff
zur Erde geflogen, wo sie nun untergetaucht sind. Da Deckard als "Blade
Runner" darauf spezialisiert war, Replikanten "in den Ruhestand zu
schicken", soll er das Quartett finden und ausschalten. Widerwillig macht
sich Deckard an die Arbeit, doch seine Perspektive ändert sich, als er die
schöne, für den Replikantenschöpfer Dr. Eldon Tyrell (Joe Turkel, "Wege zum Ruhm") angestellte Rachael (Sean Young, "Dune – Der Wüstenplanet") kennenlernt, die sich selbst fälschlicherweise für einen
Menschen hält. Es stellt sich heraus, daß die untergetauchten Replikanten um ihren charismatischen Anführer
Roy Batty (Rutger Hauer, "Sin City") ein durchaus nachvollziehbares
Ziel verfolgen: Sie wollen erreichen, daß eine Sicherheitsmaßnahme deaktiviert
wird, die dafür sorgt, daß sie nach vier Jahren sterben …
Kritik:
Ich gebe es offen
zu: Ich war nie ein ganz großer Fan von Sir Ridley Scotts ("Der Marsianer") zweifellos kultigem
Cyberpunk-Klassiker mit Film noir-Anleihen nach einer Story von Philip K. Dick.
Ich habe es mit der Kinofassung probiert, dann mit dem "Director's
Cut" von 1992 und schließlich auch noch mit dem "Final Cut" von
2007 – doch für ein wohlwollenderes Urteil als "ganz gut" hat es nie gereicht. Und das, obwohl ich Science Fiction-Fan bin, das
Cyberpunk-Setting interessant finde, Ridley Scott zu meinen
Lieblings-Regisseuren zählt und ich Harrison Ford und Rutger Hauer sehr gerne
sehe. Normalerweise hätte ich wohl keinen weiteren Versuch mehr gewagt, doch
angesichts der sehr späten Fortsetzung "Blade Runner 2049" von
"Arrival"-Regisseur Denis Villeneuve (die sehr stark Bezug auf den Vorgänger nimmt) habe ich mir
kurz vorher doch noch mal den "Director's Cut" gegönnt, auf den sich
diese Rezension somit primär bezieht (und der sich von der Kinofassung primär durch das Fehlen von Deckards ausführlichen Voiceover-Kommentaren und ein ambivalenteres Ende abhebt) – und den Film dabei erstmals in HD
und auf einem relativ großen Flachbildfernseher genießen können. Vielleicht ist
das auch der Grund dafür, daß mir "Blade Runner" nun tatsächlich besser gefiel als bei den ersten drei Versuchen, wenngleich ich dabei
bleibe, daß das Drehbuch von Hampton Fancher ("The Minus Man") und David Webb Peoples ("Erbarmungslos", "Twelve Monkeys") in der Figurenzeichnung zu viele Schwächen
hat, als daß ich die gängige Einstufung als "Meisterwerk" gänzlich teilen
könnte.
Sehr wohl ein
Meisterwerk ist "Blade Runner" jedoch sowohl in visueller als
auch in akustischer Hinsicht, wobei ich besonders eindrucksvoll finde, wie exzellent
sich die im Zusammenspiel mit Ridley Scott maßgeblich von Kameramann Jordan
Cronenweth ("Peggy Sue hat geheiratet") eingefangene, ebenso elegante wie düstere Optik gehalten hat, wobei den für Szenenbild und Spezialeffekte verantwortlichen Abteilungen
ein Extra-Lob gebührt (nicht umsonst erhielten sie die beiden einzigen
OSCAR-Nominierungen des Films). Natürlich ist es besonders spannend, sich
"Blade Runner" in etwa zu der Zeit anzuschauen, in der die
dystopische Story spielt, denn offensichtlich hat sich alles ja doch ein
bißchen anders (im Großen und Ganzen eher besser) entwickelt als von Philip K. Dick und den Filmemachern in ihrer
Geschichte vorhergesagt. Daß das als Moloch meistens bei Nacht
präsentierte Los Angeles dennoch ungemein authentisch wirkt und selbst die die
Straßen bevölkernden Fahrzeuge und die recht extravagante Kleidung nicht
anachronistisch erscheinen, zeigt, welch hervorragende Arbeit hier geleistet wurde –
auch in Kombination mit den von Vangelis ("1492 – Die Eroberung des Paradieses") komponierten, sehr melodischen
futuristischen Synthesizer-Klangwelten. Kein Zweifel, in Sachen Atmosphäre
sucht "Blade Runner" seinesgleichen!
Bedauerlicherweise
trifft das auf die Handlung und vor allem auf die arg rudimentär bleibenden
handelnden Figuren nicht zu. Richtig nahe kommen wir als Zuschauer
eigentlich niemandem, selbst Protagonist Deckard bleibt einem weitgehend fremd.
Dabei ist es sicherlich gewollt, daß wir kaum etwas über seine Vergangenheit
oder über seine Gefühle und Motivationen erfahren, schließlich spielt die im
Film sogar konkret angesprochene Frage, ob Deckard möglicherweise selbst ein
Replikant (mit implantierten falschen Erinnerungen) sein könnte, eine wichtige
Rolle. Leichter macht diese gewollte Distanziertheit die Identifikation mit
Deckard aber natürlich nicht, wenngleich Harrison Ford ihn gewohnt knorrig-charismatisch spielt. Bei den übrigen Personen sieht es nicht besser
aus: Die innerlich von Zweifeln zerrissene Rachael ist zwar ein
spannende und potentiell tragische Figur, mit deren Dilemma wir mitfühlen können;
um uns ihr wirklich verbunden fühlen zu können, hat sie jedoch schlicht zu wenig
Szenen. Ähnlich ist es bei den Replikanten, die immerhin schön und
ziemlich einzigartig gestaltet sind, deren angemessen kantige Darsteller Joanna Cassidy ("Falsches Spiel mit Roger Rabbit"), Darryl
Hannah ("Kill Bill") und der leider früh verstorbene Brion James ("Das fünfte Element") jedoch vorwiegend in (stark choreographierten) Kampfsequenzen glänzen dürfen. Nur
etwas besser sieht es bei dem Anführer aus, dem erfreulich ambivalenten
Haupt-Antagonisten Roy, der dank Rutger Hauers intensiver,
grimmig-melancholischer Darstellung zu einer ikonischen Figur wurde und in dem (für
meinen Geschmack etwas zu sehr in die Länge gezogenen) Showdown einige
glänzende Szenen hat, bis dahin aber ebenfalls nur sporadisch auftritt.
Vermutlich ist
die grob gezeichnete Skizzenhaftigkeit sämtlicher Charaktere sogar so
gewollt, denn daß die Atmosphäre bei "Blade Runner" im Vordergrund
steht und Scott generell lieber auf Andeutungen setzt, ist unübersehbar. Und in der Tat gelingt es ihm, das Publikum mit den
nur angerissenen philosophischen und ethisch-moralischen Fragestellungen zum
Nachdenken zu bewegen – trotzdem (und das schreibe ich als eine Person, die
keineswegs fordert, daß in jedem Film alles haarklein erklärt wird; eher im
Gegenteil) hätte ich mir doch gewünscht, daß zumindest manche Themen und manche
Figuren wie Deckards von Edward James Olmos (TV-Serien "Miami Vice" und "Battlestar Galactica") gespielter Kollege Gaff mit seinem
Faible für Origami-Basteleien oder der Replikanten-Schöpfer
Tyrell etwas konkreter gestaltet werden. Es muß ja nicht so plakativ
sein, wie es zuletzt bei Scotts "Prometheus" und vor allem dessen
Fortsetzung "Alien: Covenant" war, wo es mit den beiden Androiden David und
Walter und ihrem Verhältnis zu ihrem Schöpfer Peter Weyland eine ganz ähnliche
Konstellation gab – ein Mittelweg wäre in meinen Augen ideal. So ist
"Blade Runner" zweifellos ein bemerkenswertes, handwerklich nahezu perfektes
Filmereignis, das sich mit seinem ganz eigenen Stil und einem erklärten Willen
zur Langsamkeit deutlich von den meisten Genrekollegen abhebt – aber richtig
begeistert bin ich wegen der inhaltlichen Probleme auch nach der vierten Sichtung noch nicht.
Fazit: "Blade Runner" ist ein
SciFi-Cyberpunk-Klassiker, der sich hervorragend gehalten hat, jedoch atmosphärisch,
visuell und akustisch deutlich mehr überzeugt als mit der arg rudimentär
gehaltenen Handlung und Figurenzeichnung.
Wertung: 7,5 Punkte.
Bei Gefallen an meinem Blog würde ich mich über die Unterstützung von "Der Kinogänger" mittels etwaiger Bestellungen über einen der amazon.de-Links in den Rezensionen oder über das amazon.de-Suchfeld oder das jpc-Banner in der rechten Spalte freuen, für die ich eine kleine Provision erhalte.
Bei Gefallen an meinem Blog würde ich mich über die Unterstützung von "Der Kinogänger" mittels etwaiger Bestellungen über einen der amazon.de-Links in den Rezensionen oder über das amazon.de-Suchfeld oder das jpc-Banner in der rechten Spalte freuen, für die ich eine kleine Provision erhalte.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen