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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Mittwoch, 17. April 2019

NIEMANDSLAND – THE AFTERMATH (2019)

Regie: James Kent, Drehbuch: Joe Shrapnel, Anna Waterhouse, Rhidian Brook, Musik: Martin Phipps
Darsteller: Keira Knightley, Jason Clarke, Alexander Skarsgård, Flora Thiemann, Kate Phillips, Jannik Schümann, Martin Compston, Alexander Scheer, Fionn O'Shea, Rosa Enskat, Anna Katharina Schimrigk, Jack Laskey, Tom Bell, Abigail Rice, Ivan Shvedoff, Pip Torrens
 Niemandsland - The Aftermath (2019) on IMDb Rotten Tomatoes: 27% (5,0); weltweites Einspielergebnis: $9,2 Mio.
FSK: 12, Dauer: 109 Minuten.

Ende 1945, fünf Monate nach der deutschen Kapitulation: Rachael Morgan (Keira Knightley, "Colette") kommt aus Großbritannien im zerbombten Hamburg an, wo ihr Gatte Colonel Lewis Morgan (Jason Clarke, "Der große Gatsby") in leitender Position den Wiederaufbau der Stadt und auch die Entnazifizierung verantwortet. Wohnen werden sie in einer schicken Villa, deren Eigentümer Stefan Lubert (Alexander Skarsgård, "Melancholia") enteignet wurde. Angesichts der Größe des Hauses bietet Lewis Stefan und seiner Teenager-Tochter Freda (Flora Thiemann, "Tigermilch") an, zu bleiben und das Dachgeschoß zu bewohnen. Während Stefan das gerne annimmt und sich Lewis generell für ein harmonisches Miteinander von Deutschen und Briten einsetzt, sind weder Rachael noch Freda glücklich mit der neuen Wohngemeinschaft. Rachael hält noch immer alle Deutsche für Feinde, was man ihr schwerlich verdenken kann, da ihr Sohn Opfer eines deutschen Luftangriffs wurde. Und Freda ist wütend, weil auch ihre Mutter im Krieg starb und jetzt ihr und ihrem Vater einfach das Haus weggenommen wird. Doch während Lewis wegen seiner wichtigen Tätigkeit häufig unterwegs ist und Freda in den Bann des wenige Jahre älteren fanatischen Hitler-Anhängers Bertie (Jannik Schümann, "Jugend ohne Gott") zu geraten droht, nähern sich die einsame Rachael und Stefan einander immer stärker an …

Kritik:
Bekanntlich herrscht kein Mangel an Kriegsfilmen jeglicher Form und Farbe (Anti-Kriegsfilme, Action-Kriegsfilme, Propagandafilme, Kriegsromanzen, Kriegsdramen) – im Vergleich dazu ist die Anzahl der Filme, die sich der unmittelbaren Nachkriegszeit widmen, sehr gering. Das ist schade, da die Nachkriegszeit – speziell auf den Zweiten Weltkrieg bezogen – zwar sicherlich weniger spektakulär ist als die Kriegsgeschehnisse selbst, aber doch jede Menge Potential für das Erzählen interessanter, spannender oder bewegender Geschichten bietet. Als Beleg dafür dienen vorwiegend Filme, die selbst kurz nach dem Kriegsende entstanden, beispielsweise die deutschen "Trümmerfilme" wie "Die Mörder sind unter uns", viele Klassiker des italienischen Neorealismus wie "Rom, offene Stadt", "Fahraddiebe" oder "Deutschland im Jahre Null", das US-amerikanische Hochglanzdrama "Die besten Jahre unseres Lebens", der japanische "Engel der Verlorenen" oder der britische Kultfilm "Der dritte Mann" – alle kamen vor 1950 in die Kinos. Danach entstanden Nachkriegsfilme wesentlich seltener, brachten jedoch weiterhin gelegentlich Meisterwerke wie "Das Urteil von Nürnberg", "Hiroshima, mon amour" oder zuletzt den OSCAR-Nominee "Cold War" aus Polen hervor. In diese illustre Schar reiht sich die elegante britische Nachkriegs-Romanze "Niemandsland – The Aftermath" leider nicht ein sie muß sich eher in der "ganz nett"-Gruppe einsortieren, zu der Werke wie "The Good German", "Der Vorleser" oder "Es war einmal in Deutschland …" zählen.

Das ist bedauerlich, denn die Voraussetzungen für einen richtig guten Film waren eigentlich gegeben mit einer erfolgreichen, eine komplexe Geschichte erzählenden Romanvorlage (deren Autor Rhidian Brook an der Drehbuch-Adaption mitgewirkt hat), einer guten Besetzung um die wie für Historienfilme geschaffene Keira Knightley und einem Regisseur, der nach vielen Jahren im TV-Bereich 2014 mit dem historischen romantischen Drama "Testament of Youth" ein sehr vielversprechendes Kinodebüt im gleichen Genre gab. Und zweifellos ist "Niemandsland" eine gediegene Romanze, die edel aussieht und durchgehend stark gespielt ist. Das Problem liegt in einem Drehbuch, das zu viele Handlungsstränge in 100 Minuten quetschen möchte und es dabei versäumt, auch nur bei einem davon (oder den Figuren) wirklich in die Tiefe zu gehen. Dabei macht Kent eigentlich in der ersten Filmhälfte einen ordentlichen bis guten Job mit der Etablierung besagter Storyfäden. Das zerbombte Hamburg wird glaubwürdig gezeigt mit all den Problemen, die unmittelbar aus dem Krieg resultieren (Mangelernährung, Mangel an intaktem Wohnraum, es werden immer noch Leichen aus den Trümmern ausgegraben), wie auch jenen, die Folge der britischen Besatzung sind. Während Lewis auffällig empathisch ist, Menschen helfen will und auf die Versöhnung der bis vor kurzem so verfeindeten Völker setzt, herrschen sowohl auf britischer als auch deutscher Seite noch die gegenseitigen Ressentiments vor. Das ist kaum verwunderlich, schließlich sind auf deutscher Seite größtenteils Zivilisten betroffen, die nicht direkt an Kampfhandlungen beteiligt waren, aber trotzdem im Mittelpunkt des alliierten Bombardements mit zehntausenden Toten standen. Auf der anderen Seite ist es natürlich auch für die britischen Soldaten eine komplizierte Aufgabe, vom verlustreichen Auf-Leben-oder-Tod-Kampfmodus auf eine eher neutrale Aufseherfunktion über den bisherigen Feind umzuschalten, zumal es noch Anschläge von unverbesserlichen Fanatikern gibt. Das Publikum beobachtet die Zwistigkeiten aus den Augen von Neuankömmling Rachael, die von den offiziellen Broschüren weiß, in denen eindringlich vor "Verbrüderung" mit den Deutschen gewarnt wird – kein Wunder, daß sie von Lewis' Idee, die Luberts im Haus wohnen zu lassen, wenig begeistert ist.

Unglücklicherweise baut "Niemandsland" diese mühsam etablierte Ausgangssituation, aus der man doch jede Menge moralische oder philosophische Facetten hätte herausarbeiten können, im Handlungsverlauf kaum aus. Speziell in der zweiten Hälfte rückt die Nachkriegsthematik immer stärker in den Hintergrund zugunsten der zentralen, ziemlich generischen und von der etwas zuckrigen Musik von Martin Phipps ("Die Frau in Gold") untermalten Dreiecksbeziehung. Die ist zwar von Clarke, Skarsgård und vor allem der gewohnt leidenschaftlich aufspielenden Knightley überzeugend interpretiert, entwickelt sich jedoch etwas zu schnell und zu drastisch, um völlig glaubwürdig rüberzukommen – zumal es speziell zwischen Knightley und Skarsgård nicht wirklich erotisch aufgeladen knistert (eine Sexszene mit offensichtlichem Körperdouble für Knightley ist dabei auch nicht hilfreich). Überhaupt entwickeln sich für eine Dreiecksgeschichte dieser Art erstaunlich wenige Emotionen, was keineswegs nur der inhärenten Zurückhaltung der Figuren geschuldet ist. So ist es kein Wunder, daß sich die mit Abstand bewegendste, anrührendste und wahrhaftigste Szene ganz ohne männliche Beteiligung zwischen Rachael – einer Mutter, die ihr Kind verloren hat – und Freda – dem Kind, das die Mutter verloren hat – abspielt. Abgesehen von diesem wirklich stark gespielten Moment kommt man den handelnden Figuren kaum einmal nahe. Das liegt in erster Linie daran, daß sie im Grunde genommen nur durch das charakterisiert werden, was sie verloren haben. Davon abgesehen erfahren wir so gut wie nichts über sie: Ja, Rachael spielt Klavier, Stefan ist Architekt (wohl ohne Nazi-Hintergrund) und Lewis sorgt sich aufrichtig um die Bevölkerung von Hamburg, für die er sogar seine eigene Frau vernachlässigt (wobei es dafür noch einen anderen Grund gibt, der erst am Ende enthüllt wird, aber relativ leicht zu erraten ist). Das reicht einfach nicht aus, um wirklich eine Verbindung zum Publikum aufzubauen; trotz aller involvierter Tragik fühlt man lediglich bedingt mit, zumal auch die Dialoge eher an der Oberfläche bleiben. Hätte man mehr Zeit auf die Figurenzeichnung verwendet und dafür vielleicht einen oder zwei Nebenhandlungsstränge weggelassen (der um Freda und Bertie beispielsweise kommt arg plakativ und klischeehaft daher), wäre das Resultat wahrscheinlich besser ausgefallen. Wobei man sagen muß: Eine solche Dreiecksgeschichte funktioniert so oder ähnlich letztlich an jedem Ort und zu jeder Zeit, dafür hätte man nicht ein so außergewöhnliches und im Kino selten thematisiertes Setting verschwenden müssen. Auch wenn der Film vor allem dank seiner Schauspieler trotzdem ordentlich unterhält.

Fazit: "Niemandsland – The Aftermath" ist eine elegante, aber zu oberflächliche und inhaltlich etwas überladene Edelromanze, die ihr spannendes Nachkriegssetting nach verheißungsvollem Auftakt vergeudeut und in erster Linie schauspielerisch überzeugt.

Wertung: 6,5 Punkte.


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