Regie und Drehbuch: Richard Bates Jr., Musik: Steve Damstra
II und Mads Heldtberg
Darsteller: AnnaLynne McCord, Traci Lords, Roger Bart, Ariel
Winter, Marlee Matlin, Ray Wise, Malcolm McDowell, Matthew Gray Gubler, Jeremy
Sumpter, Molly McCook, Natalie Dreyfuss, John Waters
Die 18-jährige Pauline (AnnaLynne McCord aus TV-Serien wie
"90210" und "Nip/Tuck") ist in der Schule und in der
eigenen Familie eine Außenseiterin. Sie hat offensichtliche psychische
Probleme, wie nicht nur ihre (Tag-)Träume belegen, die eine ungesunde Obsession
mit Blut offenbaren. Ihre Umwelt reagiert mit Unverständnis und Ablehnung auf
die ungepflegt wirkende Schülerin, die unbedingt Ärztin werden will, angesichts
ihrer schulischen Leistungen aber kaum eine Chance dazu bekommen dürfte. Und
die gottesfürchtige Mutter Phyllis (Ex-Pornostar Traci Lords) schickt sie
anstatt zu einem teuren Psychiater lieber zum Pfarrer ihrer Gemeinde – mit sehr
überschaubarem Erfolg. Lediglich ihre jüngere, todkranke Schwester
Grace (Ariel Winter aus der Sitcom "Modern Family"), die dringend
eine Lungentransplantation benötigt, scheint Pauline trotz gelegentlicher
geschwisterlicher Rivalitäten ebenso aufrichtig wie bedingungslos zu lieben. Wofür sich
Pauline schließlich auf ihre ganz eigene Weise revanchieren will ...
Kritik:
Mit "Excision" legt der junge US-Regisseur Richard
Bates Jr. sein Spielfilmdebüt vor, eine Langfassung (auch wenn das angesichts
der Laufzeit von gerade einmal 80 Minuten etwas unpassend klingt) seines
gleichnamigen Kurzfilms aus dem Jahr 2008. Bei Robert Redfords Sundance
Filmfestival mauserte sich "Excision" Anfang 2012 zum Publikumsliebling innerhalb
der "Midnight"-Reihe und staubte auch eine ganze Reihe guter Kritiken
ab. Diese verdient sich Bates' Film durch seine unkonventionelle, radikale
Machart mit einer von McCord großartig und mit viel Mut zur Häßlichkeit
gespielten Anti-Heldin, die gleichermaßen Abneigung und Mitgefühl des
Zuschauers erringt.
Im Kern ist "Excision" ein intensives Familiendrama,
erzählt allerdings in Form einer beißenden Satire und mit viel schwarzem Humor.
Die im Zentrum stehende Pauline kommt alles andere als sympathisch rüber und
offenbart in ihren blutgetränkten Phantasien bedenkliche Tendenzen – aber wenn
man ihre Familie näher kennenlernt, dann kann man ihr
Verhalten zumindest ansatzweise verstehen. Durch die Krankheit ihrer
Schwester steht diese stets im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der Eltern, zudem
macht Grace ihrem Namen alle Ehre und ist ein sehr hübsches und wohlerzogenes
Mädchen. Eben das genaue Gegenteil der unangepaßten und überall aneckenden
Pauline. Diese versucht sehr wohl, ihre Eltern stolz zu machen, scheitert dabei
aber konsequent und muß eines Tages sogar mit anhören, wie ihre Mutter ihrem von ihr klar
dominierten Mann Bob (Roger Bart, "Midnight Meat Train") gesteht, sie
könne Pauline einfach nicht lieben, so sehr sie es auch versuche. Um
nachzuvollziehen, daß sich solch eine Enthüllung auf die Psyche einer sowieso schon verunsicherten
Heranwachsenden nicht gerade positiv auswirkt, muß man wahrlich nicht
Psychologie studiert haben. Lediglich die erstaunlich liebevolle Beziehung
zu ihrer Schwester erdet Pauline noch, weshalb die Aussicht auf
Graces baldigen Tod sie zunehmend verzweifeln läßt und zum Äußersten treibt.
Das Element des Familiendramas ist also gefühlvoll und
glaubwürdig in Szene gesetzt, auch wenn das schockierende Finale mir psychologisch
nicht wirklich stimmig vorkommt. Doch Regisseur und Drehbuch-Autor Bates Jr.
wollte nicht einfach nur ein "normales" Familiendrama erschaffen,
sondern etwas Besonderes. Und dafür sorgen neben dem generellen lakonischen
Tonfall der Erzählung vor allem Paulines Träume und Phantasievorstellungen.
Durch die hat sich "Excision" die Plazierung in der Midnight-Sektion
in Sundance redlich verdient, denn in ihrer Phantasie geht Pauline wenig
zimperlich mit ihrer Umwelt und ebenso mit sich selbst um. Das Blut fließt in
Strömen, der Ekelfaktor einiger Szenen ist beträchtlich. Ob diese radikale
Bebilderung die Geschichte inhaltlich wirklich weiterbringt, da bin ich mir
ehrlich gesagt nicht so sicher. Außer Frage steht jedoch, daß Paulines surreale
Träume und Phantastereien ausgesprochen kunstvoll umgesetzt und damit durchaus
eine Bereicherung für "Excision" sind. Und ein
Alleinstellungsmerkmal.
Schauspielerisch dominiert AnnaLynne McCord den Film, die in
einer schwierigen Rolle eine beeindruckende Tour de Force abliefert
und beweist, daß sie weit mehr kann als nur Teenie-Soaps. Doch auch die übrigen
Rollen sind durchgängig stark besetzt. Traci Lords und Roger Bart beeindrucken als
ungleiches Elternpaar, Ariel Winter als todgeweihte Schwester überzeugt
ebenfalls. Und dann gibt es da noch eine ganze Reihe von leider kurzen, dafür aber witzigen Gastauftritten bekannter Schauspieler in den Rollen von Paulines Lehrern: Malcolm McDowell ("Silent Hill: Revelation"), Ray Wise ("X-Men: Erste Entscheidung"), Marlee Matlin (OSCAR-Gewinnerin für "Gottes vergessene
Kinder") und Matthew Gray Gubler ("Die Tiefseetaucher").
Und als Highlight verkörpert ausgerechnet der von seinen Anhängern kultisch verehrte Trash-Regisseur
John Waters ("Pink Flamingos", "Hairspray" von 1988) den als Ersatztherapeut für Pauline hoffnungslos überforderten Pfarrer William.
Fazit: "Excision" ist auf den ersten Blick
eine schwarzhumorige und ziemlich durchgeknallte Satire mit einer großartigen
Hauptdarstellerin, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen aber als intensives
Familiendrama. Beide Elemente harmonieren nicht immer miteinander, manches
wirkt etwas zu gewollt übertrieben und über Sinn und Glaubwürdigkeit des Endes kann
man lang diskutieren; dennoch ist der Film für ungewöhnlichen Stoffen gegenüber aufgeschlossene Zuschauer unbedingt sehenswert.
Wertung: 7 Punkte.
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