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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Donnerstag, 7. Oktober 2021

THE SUICIDE SQUAD (2021)

Regie und Drehbuch: James Gunn, Musik: John Murphy
Darsteller: Margot Robbie, Idris Elba, Joel Kinnaman, John Cena, Daniela Melchior, Sylvester Stallone (Stimme), David Dastmalchian, Viola Davis, Peter Capaldi, Juan Diego Botto, Joaquín Cosío, Alice Braga, Julio Cesar Ruiz, Michael Rooker, Jai Courtney, Pete Davidson, Mayling Ng, Nathan Fillion, Sean Gunn, Flula Borg, Storm Reid, Taika Waititi, Steve Agee, Dee Bradley Baker (Stimme), Jennifer Holland, Tinashe Kajese, Freddie Stroma, Pom Klementieff, Lynne Ashe, Lloyd Kaufman, John Ostrander
The Suicide Squad (2021) on IMDb Rotten Tomatoes: 90% (7,5); weltweites Einspielergebnis: $168,7 Mio.
FSK: 16, Dauer: 132 Minuten.
Als im südamerikanischen Inselstaat Corto Maltese ein Coup die bis dahin amerikafreundliche Regierung einem Militärputsch zum Opfer fällt und der betont antiamerikanische General Silvio Luna (Juan Diego Botto, "Der Obrist und die Tänzerin") zum neuen Präsidenten ausgerufen wird, schrillen bei den US-Geheimdiensten alle Alarmglocken. Denn ihren Informationen zufolge wird dort in einem ehemaligen Nazi-Labor seit Jahren an einem gefährlichen Geheimprojekt gearbeitet, das unter Luna zur ernsten Bedrohung für die USA werden könnte. Daher schickt die A.R.G.U.S.-Chefin Amanda Waller (Viola Davis, "Ma Rainey's Black Bottom") erneut ihre hochgeheime und kontroverse Task Force X los, um die Situation zu klären, bevor sie eskaliert. Besagte Task Force wird von Col. Rick Flag (Joel Kinnaman, TV-Serie "The Killing") angeführt und besteht ansonsten aus Superschurken wie Harley Quinn (Margot Robbie, "I, Tonya"), dem Scharfschützen Bloodsport (Idris Elba, "Pacific Rim"), dem eiskalten Killer Peacemaker (John Cena, "Bumblebee") oder dem Hai-Mensch-Hybriden King Shark (in der Originalfassung von Sylvester Stallone gesprochen), welche gegen eine erhebliche Haftzeitverkürzung ihre Leben für diese Selbstmordmission riskieren. Beinahe erwartungsgemäß läuft die Mission von Beginn an aus dem Ruder, doch schließlich gelingt es den Überlebenden, sich mit der Rebellenanführerin Sol Soria (Alice Braga, "The New Mutants") zusammenzuschließen, die sie zum Geheimlabor bringen kann, in dem der verrückte Wissenschaftler Gaius Grieves aka Thinker (Peter Capaldi, TV-Serie "Doctor Who") an seinem "Project Starfish" arbeitet …
 
Kritik:
David Ayers DC-Film "Suicide Squad" über eine Reihe Comicschurken, die sich zusammentun, um gegen eine Haftzeitverkürzung die Welt zu retten, war 2017 ein beträchtlicher kommerzieller Erfolg, obwohl er weder bei Kritikern noch Zuschauern sonderlich gut ankam – und nicht einmal beim Regisseur, da diesem eigenen Angaben nach von den Produzenten mächtig ins Handwerk gepfuscht wurde und sein "Ayer Cut" komplett anders aussähe. Vier Jahre später gibt es eine Art Fortsetzung vom bekennenden Comic-Nerd James Gunn ("Guardians of the Galaxy"), der von DC – anders als Ayer – komplett freie Hand bekam und daraufhin einige äußerst obskure Comic-Bösewichte hervorkramte, um diese in ein haarsträubendes und sehr blutiges Abenteuer zu schicken. Mit dem Vorgänger verbindet der wenig einfallsreich "The Suicide Squad" betitelte Film im Grunde genommen nur die Rückkehr der Figuren Harley Quinn, Captain Boomerang (Jai Courtney, "Jack Reacher"), Colonel Flagg und Amanda Waller, die als A.R.G.U.S.-Chefin das Antihelden-Team in den Einsatz schickt. Die Entscheidung der DC-Verantwortlichen, Gunn völlige kreative Freiheit zu lassen, hat sich ausgezahlt und ist gleichzeitig doch wahrscheinlich gescheitert. Ausgezahlt hat sie sich für die Zuschauer, denn "The Suicide Squad" ist erheblich besser und einfallsreicher ausgefallen als sein Vorgänger mit dem beinahe identischen Titel. Gescheitert ist sie wohl aus Sicht von DC, denn trotz erstklassiger Kritiken und einer starken Mundpropaganda hat "The Suicide Squad" weltweit nur ein Fünftel des Einspielergebnisses von "Suicide Squad" erreicht. Dafür gibt es natürlich gute Gründe, allen voran die Auswirkungen der Corona-Pandemie – "The Suicide Squad" war in vielen Ländern neben "Fast & Furious 9" und "Black Widow" der erste große Hollywood-Blockbuster nach den langen Kinoschließungen –, aber ebenso die Veröffentlichungsstrategie von Warner Bros. speziell in den USA. Dort wurde James Gunns Film nämlich parallel zum Kinostart ohne zusätzlichen Aufpreis im hauseigenen Streamingdienst HBO Max veröffentlicht – wie viele Kinogänger das den Film genau gekostet hat, werden wir nie erfahren, aber daß es beträchtliche Auswirkungen hatte, dürfte klar sein.
 
Klar ist aber angesichts der internationalen Resultate auch: Selbst ohne Streaming-Alternative wäre "The Suicide Squad" nicht mal ansatzweise an den kommerziellen Erfolg des ersten Teils herangekommen und das vermutlich selbst ohne Pandemie. Neben dem unglücklich gewählten Titel ohne Alleinstellungsmerkmal dürfte das vor allem daran liegen, daß der unpopuläre erste Teil zu viele theoretisch Interessierte abgeschreckt hat (auch wenn wenige Wochen später der enorm erfolgreiche "Venom 2" bewies, daß man sehr wohl einem unbeliebten Vorgänger trotzen kann). Das ist sehr bedauerlich, denn Gunns ausgesprochen spaßiger Film hätte trotz einiger Mängel einen Erfolg definitiv verdient gehabt – zumindest scheint DC es Gunn nicht zu übel zu nehmen, immerhin durfte er mit "Peacemaker" bereits eine HBO Max-Sequel-Serie zu John Cenas Figur realisieren und eine weitere Projekte sind geplant. Und damit endgültig genug der Vorrede und zu "The Suicide Squad": Bereits der Auftakt zeigt James Gunn in Bestform, denn er führt neben den vier alten Bekannten eine ganze Reihe von Neulingen ein, bei denen er zwar nicht wirklich in die Tiefe geht – jedoch sind sie allesamt skurril genug und dazu so passend besetzt, daß man sie innerhalb kürzester Zeit ins Herz schließt – also irgendwie, denn es sind natürlich immer noch fast ausnahmslos Superschurken (Ratcatcher 2 ist eigentlich die einzige Ausnahme, sie ist relativ unglücklich in die Truppe hineingerutscht) und im Gegensatz zum Vorgänger werden sie durchaus wie welche behandelt. Denn genau das war einer der Fehler des ersten Teils: daß mit ganz wenigen Ausnahmen die Anti-Helden dann doch ein mehr oder weniger gutes Herz offenbarten. Bei Gunn sind die A.R.G.U.S.-Häftlinge zwar charismatisch und herrlich schräg, sodaß es relativ leicht fällt, sie zu mögen und mit ihnen mitzufiebern – man vergißt darob aber nie, daß sie definitiv keine Helden sind. Die Landung auf Corto Maltese zeigt das schnell auf, denn die verläuft alles andere als nach Plan, weshalb sich ein absolut irres Gemetzel ergibt und wir uns bedauerlicherweise schnell wieder von einigen der Squad-Mitglieder verabschieden müssen – aber es handelt sich immerhin buchstäblich um Abschiede mit einem großen Knall!
 
Nach diesem explosiven Auftakt geht es für die Überlebenden ins Landesinnere, abgesehen von Harley Quinn, die vom Militär gefangengenommen und in den Präsidentenpalast gebracht wird – wo sich zu ihrem Glück herausstellt, daß der an die Macht geputschte neue Präsident Luna ein riesengroßer Fan von ihr ist (wer kann es ihm verdenken?). Harley auf diese Weise einen relativ großen Teil des gut zweistündigen Films von ihren Zwangs-Kameraden zu trennen, war eine nicht ganz ungefährliche Drehbuch-Entscheidung, sie funktioniert jedoch ganz wunderbar. Margot Robbie geht hier sogar noch mehr in ihrer Rolle auf als in "Suicide Squad" und "Birds of Prey" und James Gunn versteht es vortrefflich, die durchgeknallte Romantikerin mit genau dem richtigen Maß an Exzentrik und phantastischer Bildsprache in Szene zu setzen. Auf diese Weise macht Harleys Solo-Handlungsstrang richtig viel Laune und bietet zugleich Abwechslung von den Eskapaden der übrigen Squad-Mitglieder bei ihrer Suche nach den Rebellen sowie dem Thinker, über den sie Zugang zum "Project Starfish" erhoffen. Der Tonfall in diesem zweiten Haupthandlungsstrang fällt erheblich derber aus, was nicht jedem Zuschauer und Kritiker gefällt – aber da muß man sich einfach ins Gedächtnis rufen, daß es sich eben gerade beim prolligen Peacemaker und dem griesgrämigen Bloodsport nicht um strahlende Helden handelt, sondern um Bösewichte, die diesen Selbstmord-Job nur sehr widerwillig übernommen haben (speziell Bloodsport). Da passen derbe Macho-Sprüche, die gerne unter die Gürtellinie gehen, einfach besser als intellektuelle, mit der spitzen Feder geschriebene Wortgefechte … Generell ist die Handlung von "The Suicide Squad" als eher zweckmäßig einzustufen, sie dient erkennbar vor allem dazu, jenen skurrilen Anti-Helden, die im Mittelpunkt stehen und denen James Gunns Liebe gehört, etwas zu tun zu geben. Natürlich wäre eine einfallsreichere Story mit vielleicht sogar ein wenig Tiefgang nett gewesen, aber letzten Endes braucht eine Comicadaption, die so leidenschaftlich umgesetzt wird wie diese, das gar nicht unbedingt. Und mit Starro (aka Project Starfish) hat man zumindest einen wirklich originellen Antagonisten, der eine spektakuläre und lange Endschlacht ermöglicht.
 
Wie bereits angesprochen, gelingt es Gunn und seinem spielfreudigen Cast ausgezeichnet, die insgesamt an die zwei Dutzend Squad-Mitglieder und sonstigen wichtigen Rollen zum Leben zu erwecken – selbst jene, die schnell den Weg alles Sterblichen gehen. Tatsächlich hätte ich von jeder einzelnen Figur gerne mehr gesehen und es fällt mir schwer, irgendwelche Favoriten zu erwählen. Wenn ich mich jedoch entscheiden müßte, würde ich neben der unvermeidlichen Harley Quinn als erstes den traumatisierten Polka-Dot Man nennen, der mit dem in schrägen Nebenrollen immer überzeugenden David Dastmalchian ("Dune") perfekt besetzt ist und dessen äußerst merkwürdige übernatürliche Fähigkeit (er "schießt" tatsächlich mit bunten Punkten!) visuell grandios umgesetzt ist – zudem achtet er als einziger auf den armen, tapferen Rebellen-Kontaktmann Milton (Julio Ruiz) ... Ansonsten haben mir Nathan Fillion ("Slither") als T.D.K. alias "Arm-Fall-Off-Boy", John Cena als höchst engagierter Killer "Peacemaker" (der Frieden so sehr liebt, daß er dafür tötet …), Sean Gunn ("Guardians of the Galaxy Vol. 2") als "Weasel" (ja, ein überhaupt nicht süßes humanoides Wiesel!), die portugiesische Newcomerin Daniela Melchior als "Ratcatcher 2" (ihr Vater wird in einer Rückblende von "Thor 3"-Regisseur Taika Waititi verkörpert), der deutsche YouTuber Flula Borg ("Pitch Perfect 3") als Javelin (der eine fabelhafte Szene mit Harley Quinn hat) und natürlich der in der Originalfassung von Sylvester Stallone ("The Expendables 2") gesprochene und von der Spezialeffektabteilung bemerkenswert glaubwürdig zum Leben erschaffene Mensch-Hai-Hybrid Nanaue alias "King Shark" gefallen. Zudem überzeugt Joel Kinnaman erneut als Rick Flag und quasi-Hauptdarsteller Idris Elba gibt als Bloodsport erwartungsgemäß einen wunderbar charismatischen Anführer ab, der allerdings charakterlich und storymäßig – bis hin zur Tochter als Triebfeder für sein Handeln – etwas zu sehr an Will Smiths Deadshot aus dem Vorgänger erinnert (was daran liegen dürfte, daß Elba ursprünglich für den zeitlich verhinderten Smith Deadshot spielen sollte, James Gunn sich dann aber aus Respekt vor Smith dazu entschied, Elba eine neue, jedoch ähnliche Rolle zu geben). Und selbstverständlich ist OSCAR-Gewinnerin Viola Davis als gnadenlose A.R.G.U.S.-Chefin Amanda Waller wieder einmal unnachahmlich skrupellos – Davis hätte sich für ihre grandiose Darstellung dieser Nebenrolle definitiv einen eigenen Film oder eine eigene TV-Serie verdient! Insgesamt ist "The Suicide Squad" deutlich besser ausgefallen als die Kinofassung von David Ayers "Suicide Squad" (dessen "Ayer Cut" des Films ich aber wirklich gerne sehen würde) und macht einen Heidenspaß – vor allem wird er dank Gunns inspiriert-überzogener Inszenierung dem Comic-Medium mehr gerecht als die meisten Hollywood-Comicadaptionen. Daß etliche Figuren zwangsläufig zu kurz kommen, der Humor mitunter ziemlich derb und die Handlung nicht der Rede wert ist, vergibt man angesichts der denkwürdigen Charaktere und des enorm hohen Unterhaltsamkeitsgrads gerne.
 
Fazit: James Gunns "The Suicide Squad" ist eine herrlich übertriebene Comic-Actionkomödie mit einem Ensemble voller wunderbar schräger und exzellent besetzter Anti-Helden, die ein ebenso unfaßbares wie ungemein amüsantes Chaos anrichten.
 
Wertung: 8 Punkte.
 
 
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