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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Dienstag, 14. Juli 2020

GROW UP!? – ERWACHSEN WERD' ICH SPÄTER (2014)

Originaltitel: Laggies
Regie: Lynn Shelton, Drehbuch: Andrea Seigel, Musik: Benjamind Gibbard
Darsteller: Keira Knightley, Sam Rockwell: Chloë Grace Moretz, Mark Webber, Kaitlyn Dever, Jeff Garlin, Ellie Kemper, Gretchen Mol, Daniel Zovatto, Dylan Arnold, Sara Coates
 Grow Up!? - Erwachsen werd' ich später
(2014) on IMDb Rotten Tomatoes: 65% (6,0); weltweites Einspielergebnis: $2,4 Mio.
FSK: 0, Dauer: 101 Minuten.
Bei ihrem zehnjährigen Klassentreffen bemerkt Megan (Keira Knightley, "Colette"), daß sie sich doch ziemlich von ihren besten Freundinnen entfremdet hat. Man versteht sich immer noch gut, doch daß Megan nach ihrem Studium nicht wirklich weiß, was sie nun tun soll, sich ein etwas kindisches Gemüt bewahrt hat und mit ihrem Langzeit-Freund Anthony (Mark Webber, "Green Room") generell eher ziellos vor sich hinlebt, unterscheidet sie deutlich von ihren Freundinnen. Als Anthony ihr dann auf der Hochzeit ihrer Freundin Allison (Ellie Kemper, "21 Jump Street") einen Antrag machen will und beide auch noch die Paten des Kindes einer weiteren Freundin werden sollen, ergreift Megan fast panikartig die Flucht. Vor einem Supermarkt trifft sie auf die Schülerin Annika (Chloë Grace Moretz, "The Equalizer") und ihre Freunde, die sie darum bitten, Alkohol für sie zu kaufen. Megan willigt ein und merkt, daß sie sich mit den Teenagern wohler fühlt als mit ihren gleichaltrigen Freunden. Vor allem mit Annika versteht sich Megan prima, weshalb sie sie schließlich sogar bittet, eine Woche lang bei ihr und ihrem alleinerziehenden Vater Craig (Sam Rockwell, "Ganz weit hinten") wohnen zu dürfen, um einen klaren Kopf zu bekommen. Doch daß sich Megan und Craig von Anfang an sehr gut verstehen, macht Megans Selbstfindungsprozeß nicht eben einfacher …

Kritik:
Coming of Age-Filme gibt es viele und da es nunmal ständig neue Heranwachsende gibt, dürfte dieses durchaus ergiebige Genre nie aussterben. Coming of Age-Filme, deren zentrale Figur bereits Mitte bis Ende 20 ist, sind hingegen rar gesät – zumal wenn es sich um eine weibliche Hauptfigur handelt (der das Erwachsenwerden verweigernde männliche Kindskopf ist hingegen eine ziemlich populäre Trope). Aus dem einigermaßen originellen Ansatz bezieht der mit einem inhaltlich zutreffenden, aber beschämend uneleganten deutschen Titel gestrafte "Grow Up!? – Erwachsen werd' ich später" zumindest anfänglich seinen Reiz. Bedauerlicherweise verlieren die 2020 mit nur 54 Jahren verstorbene Regisseurin Lynn Shelton ("Meine beste Freundin, ihre Schwester und ich") und Drehbuch-Debütantin Andrea Seigel diesen Ausgangspunkt ziemlich schnell aus den Augen und driften in eine konventionelle romantische Komödie in Kombination mit einer ungewöhnlichen Frauen-Freundschaft ab. Wobei – ist das wirklich so bedauerlich? Ja, die erzählerischen Möglichkeiten einer symapthisch-ziellosen Protagonistin in der Mid20s-Krise werden sträflich vernachlässigt, aber dafür machen Megans Eskapaden mit Annika und deren Schulfreunden wie auch die zarte Romanze mit Craig wirklich Laune. Und, um ganz ehrlich zu sein: Den noch ganz seiner Prämisse verpflichteten Auftakt von "Grow Up!?", welcher Megans Entfremdung von ihren Altersgenossen auf sehr unangenehme Art sichtbar macht, fand ich eher abschreckend. Wäre der Film so weitergegangen, wäre er zwar vermutlich authentischer und auch einsichtsreicher geworden, hätte mir aber bei weitem nicht so viel Spaß gemacht.

Der Auftakt von "Grow Up!?" ist also holprig, ergibt dramaturgisch aber Sinn. Jedenfalls nimmt man Megan ihre Anpassungsprobleme an die Welt der Erwachsenen nach dem Abschluß ihres Studiums problemlos ab, zumal sie in ihrem Freundeskreis die einzige zu sein scheint, die nicht Ehepartner und Kinder entweder bereits hat oder sie zumindest konkret plant. Das bringt beinahe zwangsläufig einen gewissen Außenseiterstatus mit sich, weil man bei bestimmten Themen einfach nicht richtig mitdiskutieren kann (und eventuell auch gar nicht will) – das kenne ich aus eigener Erfahrung mit einem recht fortpflanzungsfreudigen Freundeskreis. Generell muß ich zugeben, daß ich eine gewisse Wesensverwandtschaft zu Megan verspüre, wenngleich es auch zahlreiche Unterschiede gibt (ich bin nach meinem Schulabschluß beispielsweise definitiv nie mit Schulkindern rumgehangen und habe auch nie die Sehnsucht danach verspürt …). Es kann gut sein, daß mir der Film besser gefällt als anderen, weil ich mich ziemlich gut in Megan hineinversetzen kann. Noch wichtiger ist aber sicherlich, daß Megan mit all den Fehlern, die sie hat und macht, stets sympathisch bleibt. Das ist zu einem großen Teil der einnehmenden Darstellung durch Keira Knightley geschuldet, die vor allem für in der Vergangenheit spielende Rollen bekannt ist, hier aber die Gelegenheit nutzt, ihr komisches Talent voll auszuspielen. Klar, sie hat bereits in einigen Filmen mit starken Komödienelementen mitgespielt ("Tatsächlich … Liebe", "Stolz und Vorurteil", "Kick It Like Beckham", "Can a Song Save Your Life?", auch die "Fluch der Karibik"-Trilogie), aber sehr selten in richtigen Comedy-Rollen. Ob ihrer Leistung in "Grow Up!?" hoffe ich, daß sie sich in Zukunft häufiger auf Komödien einlassen wird. Alleine die mühsam unterdrückte Panik in ihren Augen beim Heiratsantrag ihres Langzeit-Freundes ist herrlich anzuschauen, ebenso Megans naiv-kindliche Begeisterungsfähigkeit beim Rumhängen mit den Teenagern – und die dramatischeren Momente der Selbsterkenntnis bringt sie sowieso erstklassig rüber.

Dazu kommt eine trotz des erheblichen Altersunterschieds von beinahe 17 Jahren gute Chemie zwischen Knightley und Sam Rockwell. Dessen Rolle als vom Leben frustrierter, deshalb leicht zum Zynismus neigender, aber im Kern doch gutmütiger und liebenswürdiger alleinerziehender Vater verlangt ihm zwar keinesfalls eine außergewöhnliche schauspielerische Leistung ab, er spielt sie aber sehr souverän und gewohnt charmant. Das gilt ebenso für Chloë Grace Moretz als leicht rebellische, quirlige Annika, die in Megan eine Art große Schwester sieht, die ihr dabei hilft, damit klarzukommen, daß ihre Mutter (Gretchen Mol aus "Manchester by the Sea" in einem Gastauftritt) sie und ihren Vater im Stich ließ. Alleine diese drei tollen Schauspieler machen "Grow Up!" mehr als sehenswert und in einer etwas kleineren Rolle als Annikas beste Freundin Misty ist auch noch Kaitlyn Dever dabei, die sich in den letzten Jahren dank gefeierter Rollen in "Booksmart" und der Netflix-Serie "Unbelievable" zu einem der gefragtesten Jungstars Hollywoods gemausert und sogar Moretz etwas den Rang abgelaufen hat. Andrea Seigels mich phasenweise stilistisch ein wenig an eine Light-Version der grandiosen Netflix-Animationsserie "BoJack Horseman" erinnerndes Drehbuch gibt dem Ensemble gutes Material zur Hand mit zahlreichen witzigen Szenen, überwiegend cleveren Dialogen und ein paar netten romantischen Momenten. Abgesehen vom zähen Beginn und der sehr vorhersehbaren Storyentwicklung ist es nur der letzte Akt, der "Grow Up!?" eine noch bessere Bewertung kostet, denn der bringt einen eher nervigen, pflichtschuldig abgearbeiteten dramatischen Schlenker vor dem unvermeidbaren (aber auch verdienten) Happy-End mit sich. Am Gelingen dieses Feelgood-Movies ändert das aber nichts.

Fazit: "Grow Up!? – Erwachsen werd' ich später" ist eine Mischung aus (spätem) Coming of Age-Film und romantischer Komödie, die arg konventionell abläuft, jedoch dank sympathischer Figuren und starker Schauspieler sehr angenehm anzuschauen ist.

Wertung: 7 Punkte.


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