Regie und Drehbuch: Robert D. Krzykowski, Musik: Joe Kraemer
Darsteller: Sam Elliott, Aidan Turner, Caitlin FitzGerald,
Larry Miller, Ron Livingston, Rizwan Manji, Sean Bridgers, Ellar Coltrane,
Rocco Gioffre, Mark Steger
Irgendwann in den 1980er Jahren: Calvin Barr (Sam Elliott,
"A Star Is Born") ist ein alter Mann, der täglich seine Medikamente
einnimmt, Zeit mit seinem Hund Ralph verbringt, gelegentlich in der Kneipe
etwas trinkt oder seinen jüngeren Bruder Ed (Larry Miller, "Kiss Kiss Bang
Bang") in seinem Friseursalon besucht. Man kann also nicht behaupten, daß
Calvins aktuelles Leben sonderlich ausgefüllt erscheinen würde – das war
allerdings früher ganz anders, denn als junger Mann (Aidan Turner, "Der Hobbit") arbeitete er für die US-Regierung und erschoß im Zweiten
Weltkrieg sogar Adolf Hitler (der mit dem Selbstmord im Berliner Führerbunker
war ein Double)! Für diesen und ähnliche Top Secret-Regierungsaufträge
vernachlässigte Calvin seine Familie und seine große Liebe Maxine (Caitlin
FitzGerald, TV-Serie "Masters of Sex"), was vielleicht für seine
ausgeprägte Melancholie im Alter verantwortlich zeichnet. In Regierungskreisen
ist Calvin jedoch noch immer eine echte Legende, und so tauchen eines Tages ein amerikanischer (Ron Livingston, "Conjuring") und ein kanadischer
Regierungsbeamter (Rizwan Manji, "Paterson") bei ihm auf und bitten
ihn um Hilfe. Denn in Kanada ist ein Bigfoot aufgetaucht, der dummerweise ein
höchst aggressives, rassenübergreifendes und ausnahmslos tödliches Virus
verbreitet – da eine Blutprobe ergab, daß Calvin immun gegen das Virus ist,
soll er den Bigfoot töten, bevor es zu spät ist, und damit in letzter Konsequenz
womöglich die gesamte Menschheit retten …
Kritik:
Neben allem, was ich auf diesem Blog veröffentliche und
meinen sonstigen schriftstellerischen Tätigkeiten schreibe ich hin und wieder
ganz gerne auch mal Kurzgeschichten (keine wurde je veröffentlicht, danach zu
suchen ist also zwecklos). Eine Idee, die ich für eine Geschichte aus
der Ich-Perspektive hatte, war folgende: Ich nenne sie "Der Tag, an dem
ich Steven Spielberg traf" (oder sonst irgendeine
prominente Person), erzähle dann aber eine ganz andere Story, bei der der
einzige Bezug zum Titel ist, daß ich entweder ganz am Anfang oder ganz am Ende
– vielleicht sogar im letzten Satz – auf der Straße Jemanden sehe und mir
denke (wahrscheinlich sogar fälschlicherweise): "Mensch, das ist doch Steven Spielberg!" Der Titel wäre also eine ziemlich fiese Finte und sonst nichts. Was das mit "The Man Who Killed
Hitler and Then the Bigfoot" zu hat? Nunja, ich werde das Gefühl
nicht los, daß der Regisseur und Drehbuch-Autor Robert D. Krzykowski im Grunde
genommen den gleichen Einfall hatte wie ich damals, wenn er ihn auch nicht ganz
so konsequent umgesetzt hat. Denn Hitler und der Bigfoot kommen sehr wohl vor
und beide Figuren bekommen jeweils ein paar Minuten Screentime – letztlich werden diese "Heldentaten" jedoch ziemlich kurz abgehandelt und bilden lediglich den leicht
skurrilen Hintergrund für das, was Krzykowski wirklich
vorschwebte: das melancholische Portrait eines außergewöhnlichen, aber auch
desillusionierten und müden alten Mannes, der mental schwer an seiner aufregenden Vergangenheit
zu tragen hat. Die Titelfinte erklärt zudem wahrscheinlich, warum der Film
bei den Kritikern viel besser ankommt als bei vielen "normalen"
Zuschauern, denn bei einem Titel wie "The Man Who Killed Hitler and Then the Bigfoot" kann man eigentlich kaum anders, als ein actionreiches,
durchgeknalltes B-Movie zu erwarten – nur um dann etwas völlig anderes
präsentiert zu bekommen.
Natürlich ist es nachvollziehbar, wenn jemand, der sich
vorher nicht über den Film informiert hat und ihn einzig aufgrund des
klangvollen Titels anschaut – vielleicht sogar Geld dafür ausgibt – verärgert
ist, wenn er etwas zu Gesicht bekommt, das nur wenig mit dem zu tun hat, womit er gerechnet hatte; insofern ist
der Titel definitiv ein zweischneidiges Schwert. Doch andererseits ist er
nunmal zweifellos aufsehenerregend und gerade für einen Independent-Film eines
Regie- und Drehbuchdebütanten (abgesehen vom fünfminütigen Puppen-Kurzfilm
noir "Elsie Hooper", der übrigens im Bonusmaterial der
Heimkinoveröffentlichung enthalten ist) gilt vermutlich, daß es am wichtigsten ist, überhaupt erstmal Aufmerksamkeit zu erregen. Zumal "The Man Who
Killed Hitler and Then the Bigfoot" bei allem
"Etikettenschwindel" keineswegs ein schlechter Film ist – wer ihn
sich aufgeschlossen ansieht, der wird vieles entdecken, das gut funktioniert. Allem
voran ist das beim Hauptdarsteller der Fall, denn OSCAR-Nominee Sam Elliott ist
eine Paradebesetzung für den grummeligen, welt- und kriegsmüden Veteranen mit
den altmodischen Ehrvorstellungen, der in seinen ziemlich traumatischen
Erinnerungen gefangen ist, bis er sich zu einer letzten großen Mission
überreden läßt. Elliott spielt diese Rolle mit großer Würde und tiefer
Traurigkeit, die einen viel Mitgefühl für Calvin empfinden läßt. Sam Elliotts
beeindruckende Präsenz ist aber auch nötig, denn inhaltlich geschieht letztlich
nicht viel und das Erzähltempo ist sehr gemächlich – im Grunde genommen besteht
die gesamte erste Filmhälfte aus Calvins Alltagsroutine und seinem
Abgleiten in die eigenen Erinnerungen. Für B-Movie-Fans eher nicht das
Richtige, aber trotzdem sehenswert. Besonders die sich in den zahlreichen Rückblenden entwickelnde, überraschend zarte und von der getragenen Orchestermusik von Joe Kraemer
("Mission: Impossible – Rogue Nation") hörenswert untermalte
Liebesgeschichte zwischen dem von Aidan "Poldark" Turner gespielten
jungen Calvin und der Lehrerin Maxine geht wirklich ans Herz.
Sobald die Regierungsagenten auftauchen, wandelt sich der
Film ein wenig und offenbart nun doch ein paar der besagten B-Movie-Elemente,
wenn auch kaum genügend, um die vom Titel angezogenen Zuschauer zu
befriedigen. Es ist klar erkennbar, daß Krzykowski sich bemüht, etwas Schwung
in die Sache zu bekommen, doch das gelingt ihm nur bedingt. Vor allem der vordergründigere
Humor, den er recht unvermittelt einbringt und der wohl an die Skurrilität der
Coen-Brüder erinnern soll, wirkt allzu bemüht und funktioniert in den
seltensten Fällen. Besser sieht es mit Calvins Bigfoot-Jagd aus, deren
Absurdität durch die ernste Inszenierung durchaus gekonnt unterstrichen
wird – außerdem laufen Krzykowski und sein Kameramann Alex Vendler ("The
Woman") zu großer Form auf und schaffen einige großartige
Bildkompositionen, zudem gibt es sehr stimmungsvolle Kamerafahrten über die
eindrucksvolle Waldlandschaft. Auch der Ablauf der Begegnung
zwischen Calvin und dem schön altmodisch von einem Mann im Kostüm gespielten Bigfoot
ist ziemlich gut inszeniert und paßt sich gut in den melancholischen Ton des
gesamten Films ein, denn irgendwo sind sich Calvin und der Bigfoot gar nicht so
unähnlich – so sind in gewisser Weise beide die letzten ihrer Art –, was Calvin
sehr bewußt ist und ihn die Erfüllung seiner Aufgabe nur mit großem Widerwillen
angehen läßt. Ja, Calvin ist und bleibt ein Held wider Willen – Gefühle, die Sam
Elliott auch ohne große Worte sehr überzeugend auf das Publikum überträgt.
Letzten Endes gilt: Wer sich damit abfinden kann, daß die aufregende Prämisse
von "The Man Who Killed Hitler and Then the Bigfoot" stilistisch in die Irre führt,
der bekommt einen unspektakulären, aber netten und grundsympathischen kleinen
Independentfilm geboten, der mit viel Liebe und auch einigem Talent
bewerkstelligt wurde. Insgesamt brauchte Krzykowski übrigens zwölf Jahre, um
die Idee in einen fertigen Film umzusetzen, aber diese Zeit hat er gut genutzt,
auch um ein für einen Debütanten eindrucksvolles Team um sich herum
zusammenzustellen, dem unter anderen die Spezialeffekt-Legende Douglas Trumbull
("Blade Runner") angehört.
Fazit: "The Man Who Killed Hitler and Then the
Bigfoot" ist ein visuell schön gefilmtes, dabei sympathisches und nachdenkliches Independent-Charakterdrama
voller Melancholie, dessen aufsehenerregender Titel falsche Erwartungen weckt.
Wertung: 7 Punkte.
"The Man Who Killed Hitler and Then the Bigfoot" erscheint am 14. Juni 2019 von capelight pictures auf DVD und Blu-ray sowie digital und als 3-Disc Limited Edition Mediabook. Das schön umfangreiche Bonusmaterial umfaßt den informativen Audiokommentar des Regisseurs, ein aufschlußreiches 40-minütiges Making-Of, knapp zehn Minuten an entfallenen Szenen, ein kurzes Featurette mit dem Komponisten Joe Kraemer und den Kurzfilm "Elsie Hooper". Ein Rezensionsexemplar wurde mir freundlicherweise von capelight pictures zur Verfügung gestellt.
"The Man Who Killed Hitler and Then the Bigfoot" erscheint am 14. Juni 2019 von capelight pictures auf DVD und Blu-ray sowie digital und als 3-Disc Limited Edition Mediabook. Das schön umfangreiche Bonusmaterial umfaßt den informativen Audiokommentar des Regisseurs, ein aufschlußreiches 40-minütiges Making-Of, knapp zehn Minuten an entfallenen Szenen, ein kurzes Featurette mit dem Komponisten Joe Kraemer und den Kurzfilm "Elsie Hooper". Ein Rezensionsexemplar wurde mir freundlicherweise von capelight pictures zur Verfügung gestellt.
Screenshots: © capelight pictures
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