Empfohlener Beitrag

In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Mittwoch, 12. Juni 2019

THE MAN WHO KILLED HITLER AND THEN THE BIGFOOT (2018)

Regie und Drehbuch: Robert D. Krzykowski, Musik: Joe Kraemer
Darsteller: Sam Elliott, Aidan Turner, Caitlin FitzGerald, Larry Miller, Ron Livingston, Rizwan Manji, Sean Bridgers, Ellar Coltrane, Rocco Gioffre, Mark Steger
 The Man Who Killed Hitler and Then The Bigfoot
(2018) on IMDb Rotten Tomatoes: 76% (6,5); weltweites Einspielergebnis: $0,003 Mio.
FSK: 12, Dauer: 98 Minuten.
Irgendwann in den 1980er Jahren: Calvin Barr (Sam Elliott, "A Star Is Born") ist ein alter Mann, der täglich seine Medikamente einnimmt, Zeit mit seinem Hund Ralph verbringt, gelegentlich in der Kneipe etwas trinkt oder seinen jüngeren Bruder Ed (Larry Miller, "Kiss Kiss Bang Bang") in seinem Friseursalon besucht. Man kann also nicht behaupten, daß Calvins aktuelles Leben sonderlich ausgefüllt erscheinen würde – das war allerdings früher ganz anders, denn als junger Mann (Aidan Turner, "Der Hobbit") arbeitete er für die US-Regierung und erschoß im Zweiten Weltkrieg sogar Adolf Hitler (der mit dem Selbstmord im Berliner Führerbunker war ein Double)! Für diesen und ähnliche Top Secret-Regierungsaufträge vernachlässigte Calvin seine Familie und seine große Liebe Maxine (Caitlin FitzGerald, TV-Serie "Masters of Sex"), was vielleicht für seine ausgeprägte Melancholie im Alter verantwortlich zeichnet. In Regierungskreisen ist Calvin jedoch noch immer eine echte Legende, und so tauchen eines Tages ein amerikanischer (Ron Livingston, "Conjuring") und ein kanadischer Regierungsbeamter (Rizwan Manji, "Paterson") bei ihm auf und bitten ihn um Hilfe. Denn in Kanada ist ein Bigfoot aufgetaucht, der dummerweise ein höchst aggressives, rassenübergreifendes und ausnahmslos tödliches Virus verbreitet – da eine Blutprobe ergab, daß Calvin immun gegen das Virus ist, soll er den Bigfoot töten, bevor es zu spät ist, und damit in letzter Konsequenz womöglich die gesamte Menschheit retten …

Kritik:
Neben allem, was ich auf diesem Blog veröffentliche und meinen sonstigen schriftstellerischen Tätigkeiten schreibe ich hin und wieder ganz gerne auch mal Kurzgeschichten (keine wurde je veröffentlicht, danach zu suchen ist also zwecklos). Eine Idee, die ich für eine Geschichte aus der Ich-Perspektive hatte, war folgende: Ich nenne sie "Der Tag, an dem ich Steven Spielberg traf" (oder sonst irgendeine prominente Person), erzähle dann aber eine ganz andere Story, bei der der einzige Bezug zum Titel ist, daß ich entweder ganz am Anfang oder ganz am Ende – vielleicht sogar im letzten Satz – auf der Straße Jemanden sehe und mir denke (wahrscheinlich sogar fälschlicherweise): "Mensch, das ist doch Steven Spielberg!" Der Titel wäre also eine ziemlich fiese Finte und sonst nichts. Was das mit "The Man Who Killed Hitler and Then the Bigfoot" zu hat? Nunja, ich werde das Gefühl nicht los, daß der Regisseur und Drehbuch-Autor Robert D. Krzykowski im Grunde genommen den gleichen Einfall hatte wie ich damals, wenn er ihn auch nicht ganz so konsequent umgesetzt hat. Denn Hitler und der Bigfoot kommen sehr wohl vor und beide Figuren bekommen jeweils ein paar Minuten Screentime – letztlich werden diese "Heldentaten" jedoch ziemlich kurz abgehandelt und bilden lediglich den leicht skurrilen Hintergrund für das, was Krzykowski wirklich vorschwebte: das melancholische Portrait eines außergewöhnlichen, aber auch desillusionierten und müden alten Mannes, der mental schwer an seiner aufregenden Vergangenheit zu tragen hat. Die Titelfinte erklärt zudem wahrscheinlich, warum der Film bei den Kritikern viel besser ankommt als bei vielen "normalen" Zuschauern, denn bei einem Titel wie "The Man Who Killed Hitler and Then the Bigfoot" kann man eigentlich kaum anders, als ein actionreiches, durchgeknalltes B-Movie zu erwarten – nur um dann etwas völlig anderes präsentiert zu bekommen.
Natürlich ist es nachvollziehbar, wenn jemand, der sich vorher nicht über den Film informiert hat und ihn einzig aufgrund des klangvollen Titels anschaut – vielleicht sogar Geld dafür ausgibt – verärgert ist, wenn er etwas zu Gesicht bekommt, das nur wenig mit dem zu tun hat, womit er gerechnet hatte; insofern ist der Titel definitiv ein zweischneidiges Schwert. Doch andererseits ist er nunmal zweifellos aufsehenerregend und gerade für einen Independent-Film eines Regie- und Drehbuchdebütanten (abgesehen vom fünfminütigen Puppen-Kurzfilm noir "Elsie Hooper", der übrigens im Bonusmaterial der Heimkinoveröffentlichung enthalten ist) gilt vermutlich, daß es am wichtigsten ist, überhaupt erstmal Aufmerksamkeit zu erregen. Zumal "The Man Who Killed Hitler and Then the Bigfoot" bei allem "Etikettenschwindel" keineswegs ein schlechter Film ist – wer ihn sich aufgeschlossen ansieht, der wird vieles entdecken, das gut funktioniert. Allem voran ist das beim Hauptdarsteller der Fall, denn OSCAR-Nominee Sam Elliott ist eine Paradebesetzung für den grummeligen, welt- und kriegsmüden Veteranen mit den altmodischen Ehrvorstellungen, der in seinen ziemlich traumatischen Erinnerungen gefangen ist, bis er sich zu einer letzten großen Mission überreden läßt. Elliott spielt diese Rolle mit großer Würde und tiefer Traurigkeit, die einen viel Mitgefühl für Calvin empfinden läßt. Sam Elliotts beeindruckende Präsenz ist aber auch nötig, denn inhaltlich geschieht letztlich nicht viel und das Erzähltempo ist sehr gemächlich – im Grunde genommen besteht die gesamte erste Filmhälfte aus Calvins Alltagsroutine und seinem Abgleiten in die eigenen Erinnerungen. Für B-Movie-Fans eher nicht das Richtige, aber trotzdem sehenswert. Besonders die sich in den zahlreichen Rückblenden entwickelnde, überraschend zarte und von der getragenen Orchestermusik von Joe Kraemer ("Mission: Impossible – Rogue Nation") hörenswert untermalte Liebesgeschichte zwischen dem von Aidan "Poldark" Turner gespielten jungen Calvin und der Lehrerin Maxine geht wirklich ans Herz.
Sobald die Regierungsagenten auftauchen, wandelt sich der Film ein wenig und offenbart nun doch ein paar der besagten B-Movie-Elemente, wenn auch kaum genügend, um die vom Titel angezogenen Zuschauer zu befriedigen. Es ist klar erkennbar, daß Krzykowski sich bemüht, etwas Schwung in die Sache zu bekommen, doch das gelingt ihm nur bedingt. Vor allem der vordergründigere Humor, den er recht unvermittelt einbringt und der wohl an die Skurrilität der Coen-Brüder erinnern soll, wirkt allzu bemüht und funktioniert in den seltensten Fällen. Besser sieht es mit Calvins Bigfoot-Jagd aus, deren Absurdität durch die ernste Inszenierung durchaus gekonnt unterstrichen wird – außerdem laufen Krzykowski und sein Kameramann Alex Vendler ("The Woman") zu großer Form auf und schaffen einige großartige Bildkompositionen, zudem gibt es sehr stimmungsvolle Kamerafahrten über die eindrucksvolle Waldlandschaft. Auch der Ablauf der Begegnung zwischen Calvin und dem schön altmodisch von einem Mann im Kostüm gespielten Bigfoot ist ziemlich gut inszeniert und paßt sich gut in den melancholischen Ton des gesamten Films ein, denn irgendwo sind sich Calvin und der Bigfoot gar nicht so unähnlich – so sind in gewisser Weise beide die letzten ihrer Art –, was Calvin sehr bewußt ist und ihn die Erfüllung seiner Aufgabe nur mit großem Widerwillen angehen läßt. Ja, Calvin ist und bleibt ein Held wider Willen – Gefühle, die Sam Elliott auch ohne große Worte sehr überzeugend auf das Publikum überträgt. Letzten Endes gilt: Wer sich damit abfinden kann, daß die aufregende Prämisse von "The Man Who Killed Hitler and Then the Bigfoot" stilistisch in die Irre führt, der bekommt einen unspektakulären, aber netten und grundsympathischen kleinen Independentfilm geboten, der mit viel Liebe und auch einigem Talent bewerkstelligt wurde. Insgesamt brauchte Krzykowski übrigens zwölf Jahre, um die Idee in einen fertigen Film umzusetzen, aber diese Zeit hat er gut genutzt, auch um ein für einen Debütanten eindrucksvolles Team um sich herum zusammenzustellen, dem unter anderen die Spezialeffekt-Legende Douglas Trumbull ("Blade Runner") angehört.

Fazit: "The Man Who Killed Hitler and Then the Bigfoot" ist ein visuell schön gefilmtes, dabei sympathisches und nachdenkliches Independent-Charakterdrama voller Melancholie, dessen aufsehenerregender Titel falsche Erwartungen weckt.

Wertung: 7 Punkte.


"The Man Who Killed Hitler and Then the Bigfoot" erscheint am 14. Juni 2019 von capelight pictures auf DVD und Blu-ray sowie digital und als 3-Disc Limited Edition Mediabook. Das schön umfangreiche Bonusmaterial umfaßt den informativen Audiokommentar des Regisseurs, ein aufschlußreiches 40-minütiges Making-Of, knapp zehn Minuten an entfallenen Szenen, ein kurzes Featurette mit dem Komponisten Joe Kraemer und den Kurzfilm "Elsie Hooper". Ein Rezensionsexemplar wurde mir freundlicherweise von capelight pictures zur Verfügung gestellt.



Screenshots: © capelight pictures

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen