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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Freitag, 2. August 2013

CONJURING – DIE HEIMSUCHUNG (2013)

Originaltitel: The Conjuring
Regie: James Wan, Drehbuch: Chad und Carey Hayes, Musik: Joseph Bishara
Darsteller: Vera Farmiga, Patrick Wilson, Lili Taylor, Ron Livingston, John Brotherton, Shannon Kook, Shanley Caswell, Hayley McFarland, Joey King, Mackenzie Foy, Sterling Jerins, Kyla Deaver, Marion Guyot, Steve Coulter
The Conjuring
(2013) on IMDb Rotten Tomatoes: 86% (7,2); weltweites Einspielergebnis: $320,4 Mio.
FSK: 16, Dauer: 112 Minuten.

Bereits seit den 1960er Jahren ist das Ehepaar Ed (Patrick Wilson, "Little Children") und Lorraine Warren (Vera Farmiga, "Departed") als eine Art Geisterjäger aktiv und hat sich mit dieser umstrittenen Tätigkeit einen gewissen Ruf erarbeitet. Lorraine ist hellseherisch begabt, Ed geht als Dämonologe eher wissenschaftlich vor und untersucht die angeblich übersinnlichen Phänomene, von denen es für die meisten eine ganz profane Erklärung gibt. Das gilt jedoch nicht für die Arbeiter-Familie Perron, die im Jahr 1971 ein günstig erstandenes Haus in der Prozinz bezieht. Ab dem ersten Tag gehen merkwürdige Dinge vor sich, die immer bedrohlicher für Roger (Ron Livingston, "Adaption"), Carolyn (Lili Taylor, "Das Geisterschloß") und ihre fünf Töchter werden. Schließlich rufen sie die Warrens zu Hilfe, die recht schnell zu dem Schluß kommen, daß das Haus von etlichen übernatürlichen Kreaturen heimgesucht wird, von denen eine besonders gefährlich ist ...

Kritik:
Wenn ein Horrorfilm behauptet, eine wahre Geschichte zu erzählen, dann ist Skepsis mit Sicherheit immer angebracht – vor allem dann, wenn es eine Geschichte mit übernatürlichen Elementen ist. Auf "Conjuring – Die Heimsuchung" vom "Saw"- und "Insidious"-Regisseur James Wan trifft das zu, dennoch ist die Behauptung zumindest insofern unbestreitbar richtig, als Ed und Lorraine Warren realen Personen sind beziehungsweise waren (Ed verstarb 2006). Auf deren angeblichen Ereignissen, die sie unter anderem in einem halben Dutzend Büchern und sogar zahlreichen gutbesuchten Universitätsvorlesungen festhielten, basierten bereits die "The Amityville Horror"-Reihe, "Das Haus der Dämonen" (2009) mit Virginia Madsen und der hierzulande kaum bekannte TV-Film "Haus der lebenden Toten" (1991). Wie diese erzählt auch "Conjuring" eine eigentlich altbekannte und klischeehafte Spukhaus-Geschichte, die allerdings weit raffinierter umgesetzt ist und deshalb keinesfalls zu Unrecht zu einem Überraschungshit an den Kinokassen avancierte.

Ob James Wan nun unbedingt ein solches "wahres" Ereignis als Grundlage für einen schön altmodischen Gruselfilm benötigte, darf bezweifelt werden. Er holt allerdings das Beste aus der Gelegenheit heraus, indem er den realen Hintergrund der Warrens zu einer für das Genre ungewöhnlich sorgfältigen Figurenzeichnung nutzt. Natürlich hat er sich mit Vera Farmiga und Patrick Wilson auch zwei geeignete Schauspieler besorgt, die ihre Fähigkeit für vielschichtige Charakterporträts bereits hinlänglich nachgewiesen haben. Diese Erfahrung bringen sie gekonnt in ihre Rollen ein, die somit weit mehr als die typischen nerdigen Geisterjäger sind, die man aus vergleichbaren Werken kennt. Auch wenn einige Aspekte nur angeschnitten werden – etwa ihre Tätigkeit als Autoren und Gastdozenten oder Lorraines schlechte Erfahrungen bei einem früheren Exorzismus –, sie sind vorhanden, machen die Warrens als Personen glaubwürdig und nachvollziehbar und verwurzeln die phantastische Geschichte ein Stück weit in der Realität, was dem Gänsehautfaktor für das Publikum fraglos zugute kommt. Auch Eds gewissenhafter, (pseudo-)wissenschaftliche Ansatz und die Unterstützung durch einen anfänglich skeptischen Polizisten (John Brotherton) trägt mit dazu bei, daß man sich bereitwilliger auf diese Welt des Paranormalen einläßt.

Die Perron-Familie wird nicht ganz so sorgfältig zum Leben erweckt wie die Warrens, obwohl sich das erste Drittel größtenteils auf ihre Vorstellung konzentriert. Lili Taylor liefert als Mutter Carolyn zwar vor allem später im Film eine echte Glanzleistung ab, aber Ron Livingston bleibt als ihr Ehemann relativ blaß und die fünf Töchter können in der Kürze der Zeit fast zwangsläufig keine unverwechselbare Identität entwickeln. Sympathisch kommen sie aber allemal rüber, und das reicht auch schon aus, um das für Horrorfilme so essentielle Mitgefühl mit den potentiellen Opfern des Übernatürlichen zu entwickeln. Dennoch ist dieser erste Akt von "Conjuring" ohne Frage der schwächste. Regisseur Wan läßt sich viel Zeit, um den Schauplatz und die Figuren zu etablieren, was einerseits sehr löblich ist, andererseits mangels jeglicher storytechnischer Innovationen aber zugleich recht ermüdend. Den unverwechselbaren Look der 1970er Jahre lassen Wan und sein Team zwar sehr liebevoll wiederauferstehen (samt der aus heutiger Sicht grenzwertigen Frisuren der Protagonisten), aber die ersten, noch meist harmlos erscheinenden paranormalen Vorkommnisse – sich wie von Geisterhand öffnende oder zuschlagende Türen, im Augenwinkel vorbeihuschende Schemen etc. – hat man selbst als nicht intimer Kenner des Horror- respektive Gruselgenres schon viel zu oft gesehen. Generell muß ganz klar festgehalten werden, daß es kaum ein Horrorklischee gibt, das in "Conjuring" nicht seine Anwendung findet. Ob "Poltergeist", "Der Exorzist", "Die Vögel", "Tanz der Teufel" oder "Amityville Horror", auch zu Wans eigenem "Insidious" (in dem Wilson noch einen Spukhaus-Bewohner verkörperte) gibt es zahlreiche inhaltliche und/oder stilistische Parallelen. Normalerweise ein klarer Minuspunkt, aber wie ich bereits angedeutet habe: Irgendwie bekommen es James Wan und die als Autoren fungierenden Zwillingsbrüder Chad und Carey Hayes tatsächlich so hin, daß die Ansammlung von Klischees als Gesamtwerk wunderbar funktioniert. Dennoch dürfte das Gruselvergnügen, das man mit "Conjuring" empfindet, umso größer sein, je weniger Genreerfahrung man besitzt.

Die Atmosphäre rund um das abgelegene Spukhaus wirkt nicht zuletzt dank der detailreichen Bildkompositionen von Kameramann John R. Leonetti ("Dead Silence") höchst stimmig. Der typische, oft dissonante Horror-Score von Joseph Bishara ("Insidious") ist gelegentlich etwas zu dominant, erfüllt ansonsten aber seinen gänsehauterzeugenden Zweck, der wohlüberlegte Einsatz der Soundeffekte ist sogar noch effektiver. Zudem erweist sich "Conjuring" in Sachen Gruselfaktor und Tempo als ein echter Steigerungslauf, der ausgehend von dem gemächlichen ersten Drittel beständig rasanter, gruseliger und abgedrehter wird und die Spannungsschraube anzieht. Ganz ähnlich übrigens wie Sam Raimis "Drag Me to Hell", allerdings erfreulicherweise von einem höheren Grundniveau aus. Wan hat es auch nicht nötig, ständig auf abgedroschene rein akustische Schockeffekte zu setzen; nein, seine weitgehend blutfreien Gruselmomente mögen klischeehaft sein, doch ist ihre Inszenierung die eines echten Könners, der tatsächlich auf dieses Können und das Material, mit dem der arbeitet (wozu ich auch die handgemachten Spezialeffekte und die Schauspieler zähle), vertraut. Hoffentlich ebenfalls wieder in der bereits angekündigten Fortsetzung.

Fazit: "Conjuring – Die Heimsuchung" ist ein betont altmodischer, aber inspiriert inszenierter Spukhaus-Grusler, der zwar eine altbekannte Geschichte ohne jeden Funken von Originalität erzählt, das aber mit solch großer Expertise und Leidenschaft, daß es eine wahre Freude ist. Eine gewisse Grundbereitschaft, sich auf die Existenz übernatürlicher Phänomene innerhalb dieser Filmwelt einzulassen, ist dafür jedoch naturgemäß unabdingbar.

Wertung: 8 Punkte (7 für das erste Drittel, 8 für das zweite und 9 für das dritte).


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