Regie: Tim Burton, Drehbuch: Ehren Kruger, Musik: Danny
Elfman
Darsteller:
Colin Farrell, Eva Green, Michael Keaton, Nico Parker, Finley
Hobbins, Danny DeVito, Alan Arkin, Joseph Gatt, Roshan Seth, Deobia Oparei, Douglas Reith,
Sharon Rooney, Lars Eidinger, Michael Buffer
Als der bekannte Zirkus-Kunstreiter Holt Farrier (Colin
Farrell, "Phantastische Tierwesen") aus dem Ersten Weltkrieg in seine
US-amerikanische Heimat zurückkehrt, hat sich viel verändert. Er selbst hat in
Europa einen Arm verloren, seine geliebte Frau Anna ist in der
Zwischenzeit an einer schweren Krankheit verstorben und Zirkusbesitzer Max
Medici (Danny DeVito, "Big Fish") hat Holts Pferde verkauft, da der Zirkus in der
Kriegszeit unter starkem Besucherschwund litt. Obwohl Holt hoffte, auch
einarmig an seine Zeit als Kunstreiter anknüpfen zu können, kann ihm Max nur noch einen Job geben: den als Betreuer der Zirkuselefanten. Holt ist wenig
begeistert, doch die Aufgabe stellt sich schnell als deutlich aufregender als
erwartet heraus, als der kleine Dumbo geboren wird. Zunächst ist Max
enttäuscht, da der tolpatschige Dumbo mit den riesigen Ohren wohl kaum zum
Publikumsmagneten taugt – doch Holts Kinder Milly (Nico Parker) und Joe (Finley
Hobbins) finden schnell heraus, daß Dumbo ein ganz spezielles Talent besitzt:
Er kann dank seiner enormen Segelohren fliegen! Natürlich glaubt das den
Kindern niemand, doch als Dumbo während einer Vorstellung tatsächlich
durch das Zirkuszelt fliegt, weckt das riesiges nationales Interesse – unter
anderem von dem reichen Zirkus-Unternehmer V. A. Vandermere (Michael Keaton,
"Spotlight"), der Dumbo im Zusammenspiel mit der schönen
französischen Akrobatin Colette Marchant (Eva Green, "Die Insel der besonderen Kinder") zum Star und damit zur Gelddruckmaschine machen will …
Kritik:
Heutzutage läuft das mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit (Streaming etc.) ganz anders ab, aber als ich in den
1980er Jahren aufwuchs, war es immer ein besonderes Highlight, einen der großen
Disney-Zeichentrickklassiker zu sehen – schon, weil die grundsätzlich nicht im
Fernsehen gezeigt wurden (eine Praxis, die Disney erst vor einigen Jahren ad acta gelegt hat). Von diesen Klassikern gab es zwei, die sich mir besonders
eingeprägt haben und an die ich bis heute wunderbare Erinnerungen habe:
"Das Dschungelbuch" und "Dumbo". Ersterer ist objektiv
betrachtet sicher der bessere Film, denn eine richtige Handlung hat der kaum
über eine Stunde dauernde "Dumbo" nicht vorzuweisen – trotzdem hat
mich dessen unmißverständliche und ultimativ sympathisch vorgetragene Botschaft
der Toleranz und Feier der Unangepaßten, der Außenseiter mutmaßlich mehr
geprägt als jeder andere Film, den ich in jungen Jahren sah. Insofern war ich einerseits gespannt, als die aktuelle Welle der (teilweise wie bei "The Jungle Book" im weitesten Sinne) Realfilm-Remakes der
Disney-Klassiker bei "Dumbo" angelangt war, andererseits
aber angesichts der angesprochenen dünnen Handlung auch sehr skeptisch. Wie
sollte man eine Alibi-Story, die mit Mühe eine Stunde lang trägt, auf nahezu die
doppelte Länge ausweiten, ohne daß der Zauber dieses Märchens mit Botschaft
verloren geht? Die Antwort auf diese Frage haben Regisseur Tim Burton ("Sweeney Todd") und
Drehbuch-Autor Ehren Kruger ("Brothers Grimm") bedauerlicherweise
auch nicht ganz gefunden, denn wenngleich der neue "Dumbo" viel
versucht und eindeutig seine Stärken hat, erreicht er letztendlich nicht die
Klasse anderer Remakes wie "The Jungle Book", "Cinderella"
oder auch "Die Schöne und das Biest".
Während diese sich mal mehr und mal weniger eng an die
jeweilige Zeichentrickvorlage hielten, muß man Burtons "Dumbo" als sehr loses Remake betrachten. Beispielsweise ist die dünne Handlung des
Originals in Burtons Version bereits nach zehn Minuten abgehakt, danach geht
sein Film neue Wege – auch wenn einige einprägsame Szenen des Zeichentrickfilms gekonnt eingebaut werden. Außerdem entschied man sich (anders als bei
"The Jungle Book"), die Tiere nicht reden zu lassen, wodurch sie
insgesamt deutlich in den Hintergrund rücken. Stattdessen stehen nun neben
Dumbo die Menschen im Vordergrund. Das ist immerhin gut gemacht, indem man
Dumbo – der schnell von seiner Mutter getrennt wird und sie sehr vermißt – die beiden
Halbwaisen Milly und Joe als menschliche Freunde zur Seite stellt, die seine
Sehnsucht nur zu gut nachvollziehen können. Die drei sind ein
herzerwärmendes Trio, wobei vor allem die ältere, aufgeweckte Milly – die zum
Unwillen ihres Vaters keine Artistin, sondern Wissenschaftlerin werden
möchte – eine enge Beziehung zu dem schwergewichtigen Vierbeiner aufbaut, die
zum Herz der Geschichte wird. Auch Colin Farrell spielt den Vater, der nach
seinem folgenreichen Kriegseinsatz nicht so recht mit seinen Kindern und
insgesamt der neuen Situation umzugehen weiß, sehr einfühlsam.
Bedauerlicherweise gibt sich das Drehbuch bei den übrigen Figuren weit weniger
Mühe und verfällt in eine (für Märchen nicht unübliche)
plakative Schwarzweißmalerei. Während der zwar unter finanziellen Nöten leidende, jedoch stets an der Seite der Angestellten stehende Max und seine Artisten (bis
auf den sadistischen Tierpfleger Rufus) als heile kleine Familie überhöht
werden, dürfte kaum einem (erwachsenen) Zuschauer entgehen, daß V. A. Vandermere
keineswegs jener freundliche Visionär und Wohltäter ist, als der er sich ausgibt, um Dumbo in
seine gierigen Griffel zu bekommen – zumal Michael Keaton ihn von der ersten
Szene an dermaßen schleimig anlegt, daß man sich rasch nach einer
Dusche sehnt.
Die deutliche Dichotomie mit dem idealistischen Kleinunternehmer Max
auf der einen Seite und dem skrupellosen Erzkapitalisten Vandermere auf der
anderen ist offensichtlich und entbehrt bei einem Disney-Film nicht einer
gewissen Ironie – es ist schon erstaunlich, daß Burton damit durchkam, bei
einem vom Besitzer diverser "Disneylands" finanzierten Film V. A. Vandermeres
"Dreamland" als eher dystopischen, ausbeuterischen Vergnügungspark
inszenieren zu dürfen. Auch sonst scheint Burtons (manchmal vielleicht etwas
naiver) Idealismus immer wieder durch, so wird etwa – anders als beim
themenverwandten Musical-Hit "Greatest Showman" – die nicht
artgerechte Haltung der Zirkustiere thematisiert und durch den Berufswunsch von
Milly gibt es sogar eine unaufdringliche
feministische Komponente. Das alles kann aber nur unzureichend
verdecken, daß auch der neue "Dumbo" sich durch eine arg dünne und
vorhersehbare Story hangelt. Ja, die ist kompetent, emotional und unterhaltsam
erzählt, aber bei einer Dauer von zwei Stunden fällt die mangelnde Substanz
zwangsläufig stärker auf als im Original. Ein wenig mehr Humor hätte sicher
auch nicht geschadet und hätte Burton mehr von der vor allem für seine frühen
Filme so typischen Anarchie eingebracht, wäre das ebenso von Vorteil gewesen.
So gibt es zwar immer wieder mal ein paar nette Lacher ("Ist da ein Affe
in der Schublade?" – "Äh, nur für Notfälle!") und überwiegend
dank Dumbo und Milly anrührende Szenen, aber diese gewisse Kinomagie, die im
Idealfall für ein unvergeßliches Erlebnis sorgt, läßt sich eher nicht
blicken.
Am stärksten überzeugt Burtons "Dumbo" in der visuellen Gestaltung, denn wenngleich man bei genauem Hinsehen erkennt, daß
Dumbo und die meisten anderen Tiere computergeneriert sind, ist das Ergebnis
doch überzeugend genug, daß es problemlos funktioniert. Sehr positiv stechen
neben einigen extravaganten visuellen Tricks im "Dreamland" (wie die
aus dem Original übernommene Elefantenparade) die ganz im Burton-Stil aufwendig und prachtvoll
gestalteten und ausgestatteten Sets hervor. Die Musik von Danny Elfman derweil weist zwar ihre starken Momente auf, fällt alles in allem jedoch relativ
unauffällig aus – da ist man von früheren Elfman-Burton-Kollaborationen wie
"Sleepy Hollow", "Beetlejuice" oder "Corpse
Bride" Spektakuläreres gewohnt. Unter den Schauspielern
überzeugen neben den beiden Kindern (speziell der Milly-Darstellerin Nico Parker)
und Colin Farrell vor allem Danny DeVito – es ist wirklich schade, daß
der alte Haudegen nur noch selten auf der großen Leinwand zu sehen ist, denn
sein Charisma und sein Comedy-Timing suchen noch immer Ihresgleichen – und die wie immer wunderbare Eva
Green, die als zunächst distanziert und leicht arrogant wirkende, sich aber
rasch Dumbo und den Farriers gegenüber öffnende Colette zumindest etwas mehr
Facetten zeigen darf als die übrigen Nebenfiguren. Zu denen zählen außerdem noch
Altstar Alan Arkin ("Argo"), dem die überzeichnete Rolle als
Klischee-Banker sichtlich Spaß macht, Ringsprecher-Legende Michael Buffer
(als Präsentator im "Dreamland") und in einer kleinen Szene als
ursprünglicher Besitzer von Dumbos Mutter der deutsche Schauspieler Lars
Eidinger ("Werk ohne Autor"). Insgesamt betrachtet hätte man aus diesem
Remake sicherlich mehr herausholen können (vor allem mehr Substanz), aber es ist
gut genug geraten, um den Kinobesuch nicht zu bereuen.
Fazit: Tim Burtons "Dumbo" ist ein
sympathisches, gut gespieltes Märchen mit Botschaft, das seine dünne und wenig
einfallsreiche Handlung aber etwas zu sehr streckt und zu wenig jener
anarchischen Elemente enthält, die man sonst vom Regisseur kennt.
Wertung: 6,5 Punkte.
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