Regie und Drehbuch: Quentin Tarantino
Darsteller: Jamie Foxx, Christoph Waltz, Leonardo DiCaprio,
Kerry Washington, Samuel L. Jackson, Don Johnson, Walton Goggins, James Remar,
James Russo, Ato Essandoh, Nichole Galicia, Dennis Christopher, David Steen,
Laura Cayouette, Miriam F. Glover, Don Stroud, Tom Wopat, M.C. Gainey, Russ
Tamblyn, Amber Tamblyn, Bruce Dern, Jonah Hill, Zoë Bell, Robert Carradine, Tom
Savini, Michael Parks, Rex Linn, Quentin Tarantino, Franco Nero
Amerikanische Südstaaten, 1858 (gut zwei Jahre vor Beginn
des Bürgerkrieges): Der deutsche Kopfgeldjäger Dr. King Schultz (Christoph
Waltz), ein ehemaliger Zahnarzt, befreit den Sklaven Django (Jamie Foxx,
"Ray", "Collateral") aus der Gefangenschaft, da er seine
Hilfe bei einem Auftrag benötigt. Er will nämlich das Kopfgeld für die drei Brittle-Brüder
kassieren, deren Aussehen ihm unbekannt ist – Django jedoch nicht. Dieser nimmt
die unverhofft dargebotene Chance selbstverständlich gerne wahr und wird nicht nur zu einem
Freund, sondern sogar zu einer Art Schüler von Dr. Schultz. Schließlich
verspricht dieser, Django dabei zu helfen, seine Ehefrau Broomhilda (Kerry Washington)
freizukaufen. Doch um deren aktuellen Besitzer, den geckenhaften, aber brutalen
Calvin Candie (Leonardo DiCaprio, "Zeiten des Aufruhrs"), zum Verkauf zu bewegen, bedarf es einer
riskanten List ...
Kritik:
Sollte Quentin Tarantino einmal von jemandem, der ihn nicht
erkennt, nach seinem Beruf befragt werden, so könnte er sich mit Fug und Recht
als professioneller Wiederbeleber vorstellen. Ob totgeglaubte Karrieren (John Travolta, Pam
Grier, David Carradine, Darryl Hannah, Kurt Russell) oder Genres (Kriegsfilm, Grindhouse),
der amerikanische Fan-Liebling scheint ein geradezu diebisches Vergnügen dabei
zu empfinden, sämtliche Hollywood-Konventionen ad absurdum zu führen – und das
erfreulich oft mit beträchtlichem kommerziellen Erfolg. Mit seiner
Rachephantasie "Inglourious Basterds" schuf er 2009 den erfolgreichsten
Kriegsfilm seit Steven Spielbergs "Der Soldat James Ryan"
("Pearl Harbor" zählt für mich nicht als Kriegsfilm, sondern als
infantile, revisionistische Actionorgie), während zahlreiche andere
Genrevertreter vor allem außerhalb der Vereinigten Staaten floppten. Zugegeben,
sein mit Kumpel Robert Rodriguez realisiertes "Grindhouse"-Double
Feature (zu dem er den etwas schwächeren Part "Death Proof" beisteuerte) soff an den Kinokassen
ziemlich ab, aber dafür übertrifft er mit dem Western "Django
Unchained" sämtliche Erwartungen. Seit Kevin Costners Megahit "Der
mit dem Wolf tanzt" aus dem Jahr 1990 hatte dieses uramerikanische Genre
zwar in seiner Heimat ein paar Achtungserfolge zu verbuchen
("Erbarmungslos", "Open Range", "True Grit"),
doch außerhalb der USA wollte kaum jemand Geld dafür ausgeben, trotz
unbestreitbar hoher Qualität samt vieler öffentlichkeitswirksamer
Auszeichnungen. Und dann kommt Quentin Tarantino daher, dieser notorisch
unangepaßte Lausebengel im Körper eines erwachsenen Mannes, dreht eine fast
dreistündige Hommage an die berühmt-berüchtigten italienischen
Spaghettiwestern ... und feiert damit den größten Erfolg seiner an Triumphen
wahrlich nicht armen Karriere. Alleine in Deutschland hat "Django
Unchained" innerhalb eines Monats über drei Millionen Kino-Zuschauer
erreicht – zum Vergleich: Der zehnfach OSCAR-nominierte "True Grit"
schaffte nicht einmal 800.000, Eastwoods "Erbarmungslos" eine gute
halbe Million, Costners "Wyatt Earp" und "Open Range" sogar
noch deutlich weniger.
Wie schafft der Mann das bloß? Gut, fünf OSCAR-Nominierungen
sind natürlich hilfreich, nahezu hymnische Kritiken und allseits
gepriesene schauspielerische Leistungen der vier wichtigsten, allesamt sowieso ziemlich
populären Darsteller erst recht. Aber als Erklärung kann das allein wohl kaum genügen. Offenbar hat Tarantino mit seinem wilden Genremix, in dem er munter
Slapstick-Comedy, Drama, Psycho-Thriller und Splatter durchmischt, wieder
einmal einen Nerv getroffen. Daß phantasievoll übertriebene, gerne mit
spielerischen Geschichts-umdeutungen verbundene Racheerzählungen ihr Publikum
finden, hat Tarantino mit "Kill Bill" und "Inglourious
Basterds" ja selbst bereits bewiesen, Pierre Morel mit "Taken" mit Liam
Neeson ebenfalls. "Django Unchained" kommt zusätzlich zugute, daß
sich Tarantino mit der Sklaverei an ein Thema herangewagt hat, das im
Hollywood-Kino generell relativ selten und wenn, dann vorrangig in Drama-Form behandelt wird (eine der wenigen Ausnahmen war 1969 Sam Peckinpahs brutaler
Western "The Wild Bunch"). Damit wird er nebenbei auch noch seinen erklärten Vorbildern
aus Italien gerecht, denn ein Merkmal der Spaghettiwestern war ihre unverkennbare
politische Komponente – nicht umsonst spielten viele dieser Filme vor dem
Hintergrund der mexikanischen Revolution.
Überhaupt können sich Freunde des Genres – wie bei einem
Tarantino-Film nicht anders zu erwarten – über zahllose Anspielungen auf und
Ehrerbietungen an die zahlreichen Klassiker freuen. Zwar hat Tarantino sein
ursprünglich formuliertes Vorhaben, möglichst viele der noch lebenden
Italowestern-Stars (z.B. Clint Eastwood, Tomas Milian, Bud Spencer, Terence
Hill, Giuliano Gemma, Eli Wallach) mit Gastrollen zu versorgen, leider nicht in die Tat umgesetzt (abgesehen von
einer kleinen Nebenrolle für Ur-"Django" Franco Nero). Dafür zollt er seinen
Vorbildern, aber auch einigen US-Western, inhaltlich und stilistisch mehr als
deutlich Respekt. Der erste Akt beispielsweise fungiert vor allem als
Comedy-Western und wirkt beinahe wie eine blutige Variation der
Spencer/Hill-Filme, später dann gibt es einige Szenen in winterlicher Landschaft,
die direkt Sergio Corbuccis legendärem Schneewestern "Leichen
pflastern seinen Weg" (1968) entstammen könnten. In einer dramaturgisch eher überflüssigen, aber dafür brüllkomischen Sequenz führt Tarantino gar
genußvoll einen Vorläufer des (erst nach dem Bürgerkrieg gegründeten) Ku-Klux-Klan nach
Strich und Faden vor, ansonsten dominiert Christoph Waltz klar die Szenerie.
Seine Darstellung des überkandidelten, aber charmanten, hochintelligenten und integren Dr.
Schultz erinnert durchaus an die Rolle des Hans Landa in "Inglourious Basterds", die ihm zum internationalen Durchbruch samt OSCAR verhalf.
Natürlich ist Landa ein skrupelloser Nazi-Bösewicht, wohingegen Dr. Schultz als
Sklaverei-Gegner mit tödlicher Profession, aber dem Herz am
rechten Fleck in Windeseile zum unumstrittenen Publikumsliebling avanciert – dennoch
sind sich beide Figuren gar nicht so unähnlich, wie zwei Seiten
der gleichen Medaille. Waltz' nonchalante Verkörperung dieses Mannes
mit dem Hang zu hochgestochener Rede und feinem Wortwitz ist jedenfalls
wiederum eine absolute Wucht, der österreichische Schauspieler und Tarantinos ganz eigene Art, Dialoge zu verfassen, scheinen wie füreinander geschaffen zu sein.
Selbst der eigentliche Hauptdarsteller Jamie Foxx (der für
den ursprünglich angedachten Will Smith übernahm) tut sich lange Zeit schwer,
aus Waltz' langem Schatten zu treten. Generell kommt er in der
Berichterstattung über den Film zu kurz, in der meist der erneut mit dem OSCAR ausgezeichnete Waltz,
aber auch Leonardo DiCaprio als Großgrundbesitzer Calvin Candie und Samuel L.
Jackson ("The Avengers") als Candies treuer alter Hausdiener Stephen für ihre in der Tat sehr
überzeugend (ergo: hassenswert) dargebrachten Schurkenrollen im Vordergrund
stehen. Dabei zeigt Foxx bei genauerer Betrachtung wohl sogar die beste
Leistung des gesamten Films, auch weil er schlicht und ergreifend die einzige Rolle
innehat, die eine echte Entwicklung durchläuft. Und wie hervorragend es Jamie Foxx
gelingt, die Wandlung vom verschüchterten, nach einem mißglückten
Fluchtversuch und der anschließenden Trennung von seiner Frau beinahe
gebrochenen Sklaven in mehreren Zwischenstufen hin zu einem harten, zu allem
entschlossenen Kopfgeldjäger zu transportieren, ist aller Ehren wert. Denn dadurch, daß
Dr. Schultz ihn unter die Fittiche nimmt und als Gleichberechtigten behandelt,
lernt Django nicht nur neues Selbstbewußtsein und Kampffertigkeiten, letztlich
verinnerlicht er die Lehren seines Mentors sogar konsequenter als es diesem
selbst gelingt – die Momente, in denen Tarantino diese fließende Umkehrung der
Beziehung zwischen den beiden Männern brillant zum Ausdruck bringt, zählen zu
den dramaturgischen Highlights von "Django Unchained".
Daß nicht alles so wie aus einem Guß wirkt wie Djangos
charakterliche Entwicklung, kann jedoch ebenfalls kaum überraschen – so hochwertig Tarantinos Drehbücher oft sind (immerhin haben sie ihm für "Pulp Fiction" und nun "Django Unchained" bereits zwei Academy Awards eingebracht), wirken sie doch stets eher wie eine
Aneinanderreihung einzelner Sequenzen als wie ein großes Ganzes. Da besagte
Sequenzen oft genug von höchster Qualität sind, wirkt sich das meist nicht
allzu negativ auf den Gesamteindruck aus. Dies gilt fraglos auch für "Django
Unchained", dennoch ist es ein kleines Manko, das nicht unerwähnt bleiben
darf. Insgesamt überwiegen aber trotz der häufigen Stilwechsel mit dem
comedylastigen ersten Drittel, einem zweiten Akt, dessen Fokus vor allem auf
der Beziehung zwischen Django und Dr. Schultz liegt, und dem blutigen Showdown
ganz klar die Stärken. Es ist zwar erzählerisch nicht ganz ideal, daß
Tarantino nach dem großen Action-Highlight des vermeintlich finalen Shootouts
noch eine knappe halbe Stunde dranhängt, aber das läßt sich auch locker verschmerzen.
Ebenso wie die Tatsache, daß besagter Shootout, der in seiner höchst ungleichen
Verteilung der Kräfteverhältnisse beinahe an den Kampf der Braut gegen die
"Crazy 88" in "Kill Bill, Volume 1" heranreicht, alles
andere als realistisch ist. Dafür ist er umso spektakulärer choreographiert.
Die Besetzung läßt auch abseits der Hauptrollen keine
Wünsche übrig. Natürlich hat der Regisseur wieder zahlreiche Cameos von
Darstellern aus seiner großen "Tarantino-Familie" (z.B. Tom Savini,
Michael Parks, Zoë Bell) eingebaut und das obligatorische Comeback eines
Ex-Stars ging diesmal an Don Johnson ("Miami Vice"). Sogar sich
selbst hat Tarantino in der Rolle eines Sklavenkäufers einer Bergbaugesellschaft eingebunden, in der er sich einen ebenso stilvollen wie spektakulären Abgang verschafft. Schade ist
allerdings, daß Kerry Washington ("Mr. & Mrs. Smith") in der einzigen größeren weiblichen Rolle des
Films als Broomhilda recht wenig zu tun bekommt.
Ein besonders wichtiges Element jedes Tarantino-Films ist bekanntlich die Musikauswahl – und in diesem Bereich hat er sich bei "Django Unchained" selbst übertroffen. Die prominent plazierte Mischung aus bekannten Westernmelodien von Ennio Morricone ("Die Grausamen", "Ein Fressen für die Geier") und Riz Ortolani ("Der Tod ritt dienstags"), Rocky Roberts' eingängigem "Django"-Thema, eigens für den Film geschriebenen Songs wie Rick Ross' "100 black coffins" oder Anthony Hamilton und Elayna Boyntons "Freedom" (beide haben in Deutschland sogar die offiziellen Single-Charts geentert) und sogar einem neuen Stück von Morricone trägt maßgeblich zum hohen Unterhaltungsgrad des Gesamtwerks bei. So ist es auch kein Wunder, daß der Soundtrack in Deutschland direkt auf Platz 3 der Album-Charts einstieg.
Ein besonders wichtiges Element jedes Tarantino-Films ist bekanntlich die Musikauswahl – und in diesem Bereich hat er sich bei "Django Unchained" selbst übertroffen. Die prominent plazierte Mischung aus bekannten Westernmelodien von Ennio Morricone ("Die Grausamen", "Ein Fressen für die Geier") und Riz Ortolani ("Der Tod ritt dienstags"), Rocky Roberts' eingängigem "Django"-Thema, eigens für den Film geschriebenen Songs wie Rick Ross' "100 black coffins" oder Anthony Hamilton und Elayna Boyntons "Freedom" (beide haben in Deutschland sogar die offiziellen Single-Charts geentert) und sogar einem neuen Stück von Morricone trägt maßgeblich zum hohen Unterhaltungsgrad des Gesamtwerks bei. So ist es auch kein Wunder, daß der Soundtrack in Deutschland direkt auf Platz 3 der Album-Charts einstieg.
Fazit: "Django Unchained" ist eine
actionreiche Italowestern-Hommage, die mit den tarantino-typischen temporeichen
Dialogsalven, hervorragenden Schauspielern, exzellenter Musik und oft lustvoll
übertriebenen Actionsequenzen rundum begeistert.
Wertung: 9 Punkte.
Bei Gefallen an meinem Blog würde ich mich über die Unterstützung von "Der Kinogänger" mittels etwaiger amazon.de-Bestellungen über einen der Links freuen.
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Danke für die Rezension, bin selbst ebenfalls begeistert von dem Film, in dem die knapp drei Stunden wie im Flug vergingen! Fantastisches Spiel von Christoph Waltz und Leonardo di Caprio, tolle Story, witzige / absurde Diaologe - auch von mir eine absolute Empfehlung.
AntwortenLöschenHallo werte Blogger-Kollegin,
Löschenja, es ist einfach immer wieder faszinierend, wie hervorragend es Tarantino versteht, sein dankbares Publikum zu unterhalten – und das dank seiner Dialoge sogar recht anspruchsvoll. Da kann man nur hoffen, daß er seine letztes Jahr getätigte Ankündigung, er wolle sich relativ bald als Regisseur zur Ruhe setzen, nicht so schnell wahrmacht (vielleicht kann Waltz als seine neue "Muse" ihn ja umstimmen) ...
Der Film ist echt super, einer meiner Lieblingsfilme ! Geniale Schauspieler und ein genialer Regisseur !
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