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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Freitag, 8. Februar 2013

DJANGO UNCHAINED (2012)

Regie und Drehbuch: Quentin Tarantino
Darsteller: Jamie Foxx, Christoph Waltz, Leonardo DiCaprio, Kerry Washington, Samuel L. Jackson, Don Johnson, Walton Goggins, James Remar, James Russo, Ato Essandoh, Nichole Galicia, Dennis Christopher, David Steen, Laura Cayouette, Miriam F. Glover, Don Stroud, Tom Wopat, M.C. Gainey, Russ Tamblyn, Amber Tamblyn, Bruce Dern, Jonah Hill, Zoë Bell, Robert Carradine, Tom Savini, Michael Parks, Rex Linn, Quentin Tarantino, Franco Nero
Django Unchained
(2012) on IMDb Rotten Tomatoes: 87% (8,0); weltweites Einspielergebnis: $426,1 Mio.
FSK: 16, Dauer: 165 Minuten.

Amerikanische Südstaaten, 1858 (gut zwei Jahre vor Beginn des Bürgerkrieges): Der deutsche Kopfgeldjäger Dr. King Schultz (Christoph Waltz), ein ehemaliger Zahnarzt, befreit den Sklaven Django (Jamie Foxx, "Ray", "Collateral") aus der Gefangenschaft, da er seine Hilfe bei einem Auftrag benötigt. Er will nämlich das Kopfgeld für die drei Brittle-Brüder kassieren, deren Aussehen ihm unbekannt ist – Django jedoch nicht. Dieser nimmt die unverhofft dargebotene Chance selbstverständlich gerne wahr und wird nicht nur zu einem Freund, sondern sogar zu einer Art Schüler von Dr. Schultz. Schließlich verspricht dieser, Django dabei zu helfen, seine Ehefrau Broomhilda (Kerry Washington) freizukaufen. Doch um deren aktuellen Besitzer, den geckenhaften, aber brutalen Calvin Candie (Leonardo DiCaprio, "Zeiten des Aufruhrs"), zum Verkauf zu bewegen, bedarf es einer riskanten List ...

Kritik:
Sollte Quentin Tarantino einmal von jemandem, der ihn nicht erkennt, nach seinem Beruf befragt werden, so könnte er sich mit Fug und Recht als professioneller Wiederbeleber vorstellen. Ob totgeglaubte Karrieren (John Travolta, Pam Grier, David Carradine, Darryl Hannah, Kurt Russell) oder Genres (Kriegsfilm, Grindhouse), der amerikanische Fan-Liebling scheint ein geradezu diebisches Vergnügen dabei zu empfinden, sämtliche Hollywood-Konventionen ad absurdum zu führen – und das erfreulich oft mit beträchtlichem kommerziellen Erfolg. Mit seiner Rachephantasie "Inglourious Basterds" schuf er 2009 den erfolgreichsten Kriegsfilm seit Steven Spielbergs "Der Soldat James Ryan" ("Pearl Harbor" zählt für mich nicht als Kriegsfilm, sondern als infantile, revisionistische Actionorgie), während zahlreiche andere Genrevertreter vor allem außerhalb der Vereinigten Staaten floppten. Zugegeben, sein mit Kumpel Robert Rodriguez realisiertes "Grindhouse"-Double Feature (zu dem er den etwas schwächeren Part "Death Proof" beisteuerte) soff an den Kinokassen ziemlich ab, aber dafür übertrifft er mit dem Western "Django Unchained" sämtliche Erwartungen. Seit Kevin Costners Megahit "Der mit dem Wolf tanzt" aus dem Jahr 1990 hatte dieses uramerikanische Genre zwar in seiner Heimat ein paar Achtungserfolge zu verbuchen ("Erbarmungslos", "Open Range", "True Grit"), doch außerhalb der USA wollte kaum jemand Geld dafür ausgeben, trotz unbestreitbar hoher Qualität samt vieler öffentlichkeitswirksamer Auszeichnungen. Und dann kommt Quentin Tarantino daher, dieser notorisch unangepaßte Lausebengel im Körper eines erwachsenen Mannes, dreht eine fast dreistündige Hommage an die berühmt-berüchtigten italienischen Spaghettiwestern ... und feiert damit den größten Erfolg seiner an Triumphen wahrlich nicht armen Karriere. Alleine in Deutschland hat "Django Unchained" innerhalb eines Monats über drei Millionen Kino-Zuschauer erreicht – zum Vergleich: Der zehnfach OSCAR-nominierte "True Grit" schaffte nicht einmal 800.000, Eastwoods "Erbarmungslos" eine gute halbe Million, Costners "Wyatt Earp" und "Open Range" sogar noch deutlich weniger.

Wie schafft der Mann das bloß? Gut, fünf OSCAR-Nominierungen sind natürlich hilfreich, nahezu hymnische Kritiken und allseits gepriesene schauspielerische Leistungen der vier wichtigsten, allesamt sowieso ziemlich populären Darsteller erst recht. Aber als Erklärung kann das allein wohl kaum genügen. Offenbar hat Tarantino mit seinem wilden Genremix, in dem er munter Slapstick-Comedy, Drama, Psycho-Thriller und Splatter durchmischt, wieder einmal einen Nerv getroffen. Daß phantasievoll übertriebene, gerne mit spielerischen Geschichts-umdeutungen verbundene Racheerzählungen ihr Publikum finden, hat Tarantino mit "Kill Bill" und "Inglourious Basterds" ja selbst bereits bewiesen, Pierre Morel mit "Taken" mit Liam Neeson ebenfalls. "Django Unchained" kommt zusätzlich zugute, daß sich Tarantino mit der Sklaverei an ein Thema herangewagt hat, das im Hollywood-Kino generell relativ selten und wenn, dann vorrangig in Drama-Form behandelt wird (eine der wenigen Ausnahmen war 1969 Sam Peckinpahs brutaler Western "The Wild Bunch"). Damit wird er nebenbei auch noch seinen erklärten Vorbildern aus Italien gerecht, denn ein Merkmal der Spaghettiwestern war ihre unverkennbare politische Komponente – nicht umsonst spielten viele dieser Filme vor dem Hintergrund der mexikanischen Revolution.

Überhaupt können sich Freunde des Genres – wie bei einem Tarantino-Film nicht anders zu erwarten – über zahllose Anspielungen auf und Ehrerbietungen an die zahlreichen Klassiker freuen. Zwar hat Tarantino sein ursprünglich formuliertes Vorhaben, möglichst viele der noch lebenden Italowestern-Stars (z.B. Clint Eastwood, Tomas Milian, Bud Spencer, Terence Hill, Giuliano Gemma, Eli Wallach) mit Gastrollen zu versorgen, leider nicht in die Tat umgesetzt (abgesehen von einer kleinen Nebenrolle für Ur-"Django" Franco Nero). Dafür zollt er seinen Vorbildern, aber auch einigen US-Western, inhaltlich und stilistisch mehr als deutlich Respekt. Der erste Akt beispielsweise fungiert vor allem als Comedy-Western und wirkt beinahe wie eine blutige Variation der Spencer/Hill-Filme, später dann gibt es einige Szenen in winterlicher Landschaft, die direkt Sergio Corbuccis legendärem Schneewestern "Leichen pflastern seinen Weg" (1968) entstammen könnten. In einer dramaturgisch eher überflüssigen, aber dafür brüllkomischen Sequenz führt Tarantino gar genußvoll einen Vorläufer des (erst nach dem Bürgerkrieg gegründeten) Ku-Klux-Klan nach Strich und Faden vor, ansonsten dominiert Christoph Waltz klar die Szenerie. Seine Darstellung des überkandidelten, aber charmanten, hochintelligenten und integren Dr. Schultz erinnert durchaus an die Rolle des Hans Landa in "Inglourious Basterds", die ihm zum internationalen Durchbruch samt OSCAR verhalf. Natürlich ist Landa ein skrupelloser Nazi-Bösewicht, wohingegen Dr. Schultz als Sklaverei-Gegner mit tödlicher Profession, aber dem Herz am rechten Fleck in Windeseile zum unumstrittenen Publikumsliebling avanciert – dennoch sind sich beide Figuren gar nicht so unähnlich, wie zwei Seiten der gleichen Medaille. Waltz' nonchalante Verkörperung dieses Mannes mit dem Hang zu hochgestochener Rede und feinem Wortwitz ist jedenfalls wiederum eine absolute Wucht, der österreichische Schauspieler und Tarantinos ganz eigene Art, Dialoge zu verfassen, scheinen wie füreinander geschaffen zu sein.

Selbst der eigentliche Hauptdarsteller Jamie Foxx (der für den ursprünglich angedachten Will Smith übernahm) tut sich lange Zeit schwer, aus Waltz' langem Schatten zu treten. Generell kommt er in der Berichterstattung über den Film zu kurz, in der meist der erneut mit dem OSCAR ausgezeichnete Waltz, aber auch Leonardo DiCaprio als Großgrundbesitzer Calvin Candie und Samuel L. Jackson ("The Avengers") als Candies treuer alter Hausdiener Stephen für ihre in der Tat sehr überzeugend (ergo: hassenswert) dargebrachten Schurkenrollen im Vordergrund stehen. Dabei zeigt Foxx bei genauerer Betrachtung wohl sogar die beste Leistung des gesamten Films, auch weil er schlicht und ergreifend die einzige Rolle innehat, die eine echte Entwicklung durchläuft. Und wie hervorragend es Jamie Foxx gelingt, die Wandlung vom verschüchterten, nach einem mißglückten Fluchtversuch und der anschließenden Trennung von seiner Frau beinahe gebrochenen Sklaven in mehreren Zwischenstufen hin zu einem harten, zu allem entschlossenen Kopfgeldjäger zu transportieren, ist aller Ehren wert. Denn dadurch, daß Dr. Schultz ihn unter die Fittiche nimmt und als Gleichberechtigten behandelt, lernt Django nicht nur neues Selbstbewußtsein und Kampffertigkeiten, letztlich verinnerlicht er die Lehren seines Mentors sogar konsequenter als es diesem selbst gelingt – die Momente, in denen Tarantino diese fließende Umkehrung der Beziehung zwischen den beiden Männern brillant zum Ausdruck bringt, zählen zu den dramaturgischen Highlights von "Django Unchained".

Daß nicht alles so wie aus einem Guß wirkt wie Djangos charakterliche Entwicklung, kann jedoch ebenfalls kaum überraschen – so hochwertig Tarantinos Drehbücher oft sind (immerhin haben sie ihm für "Pulp Fiction" und nun "Django Unchained" bereits zwei Academy Awards eingebracht), wirken sie doch stets eher wie eine Aneinanderreihung einzelner Sequenzen als wie ein großes Ganzes. Da besagte Sequenzen oft genug von höchster Qualität sind, wirkt sich das meist nicht allzu negativ auf den Gesamteindruck aus. Dies gilt fraglos auch für "Django Unchained", dennoch ist es ein kleines Manko, das nicht unerwähnt bleiben darf. Insgesamt überwiegen aber trotz der häufigen Stilwechsel mit dem comedylastigen ersten Drittel, einem zweiten Akt, dessen Fokus vor allem auf der Beziehung zwischen Django und Dr. Schultz liegt, und dem blutigen Showdown ganz klar die Stärken. Es ist zwar erzählerisch nicht ganz ideal, daß Tarantino nach dem großen Action-Highlight des vermeintlich finalen Shootouts noch eine knappe halbe Stunde dranhängt, aber das läßt sich auch locker verschmerzen. Ebenso wie die Tatsache, daß besagter Shootout, der in seiner höchst ungleichen Verteilung der Kräfteverhältnisse beinahe an den Kampf der Braut gegen die "Crazy 88" in "Kill Bill, Volume 1" heranreicht, alles andere als realistisch ist. Dafür ist er umso spektakulärer choreographiert.

Die Besetzung läßt auch abseits der Hauptrollen keine Wünsche übrig. Natürlich hat der Regisseur wieder zahlreiche Cameos von Darstellern aus seiner großen "Tarantino-Familie" (z.B. Tom Savini, Michael Parks, Zoë Bell) eingebaut und das obligatorische Comeback eines Ex-Stars ging diesmal an Don Johnson ("Miami Vice"). Sogar sich selbst hat Tarantino in der Rolle eines Sklavenkäufers einer Bergbaugesellschaft eingebunden, in der er sich einen ebenso stilvollen wie spektakulären Abgang verschafft. Schade ist allerdings, daß Kerry Washington ("Mr. & Mrs. Smith") in der einzigen größeren weiblichen Rolle des Films als Broomhilda recht wenig zu tun bekommt.

Ein besonders wichtiges Element jedes Tarantino-Films ist bekanntlich die Musikauswahl – und in diesem Bereich hat er sich bei "Django Unchained" selbst übertroffen. Die prominent plazierte Mischung aus bekannten Westernmelodien von Ennio Morricone ("Die Grausamen", "Ein Fressen für die Geier") und Riz Ortolani ("Der Tod ritt dienstags"), Rocky Roberts' eingängigem "Django"-Thema, eigens für den Film geschriebenen Songs wie Rick Ross' "100 black coffins" oder Anthony Hamilton und Elayna Boyntons "Freedom" (beide haben in Deutschland sogar die offiziellen Single-Charts geentert) und sogar einem neuen Stück von Morricone trägt maßgeblich zum hohen Unterhaltungsgrad des Gesamtwerks bei. So ist es auch kein Wunder, daß der Soundtrack in Deutschland direkt auf Platz 3 der Album-Charts einstieg.

Fazit: "Django Unchained" ist eine actionreiche Italowestern-Hommage, die mit den tarantino-typischen temporeichen Dialogsalven, hervorragenden Schauspielern, exzellenter Musik und oft lustvoll übertriebenen Actionsequenzen rundum begeistert.

Wertung: 9 Punkte.

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3 Kommentare:

  1. Danke für die Rezension, bin selbst ebenfalls begeistert von dem Film, in dem die knapp drei Stunden wie im Flug vergingen! Fantastisches Spiel von Christoph Waltz und Leonardo di Caprio, tolle Story, witzige / absurde Diaologe - auch von mir eine absolute Empfehlung.

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    1. Hallo werte Blogger-Kollegin,

      ja, es ist einfach immer wieder faszinierend, wie hervorragend es Tarantino versteht, sein dankbares Publikum zu unterhalten – und das dank seiner Dialoge sogar recht anspruchsvoll. Da kann man nur hoffen, daß er seine letztes Jahr getätigte Ankündigung, er wolle sich relativ bald als Regisseur zur Ruhe setzen, nicht so schnell wahrmacht (vielleicht kann Waltz als seine neue "Muse" ihn ja umstimmen) ...

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  2. Der Film ist echt super, einer meiner Lieblingsfilme ! Geniale Schauspieler und ein genialer Regisseur !

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