Regie: Terry George, Drehbuch: Robin Swicord und Terry
George, Musik: Gabriel Yared
Darsteller: Oscar Isaac, Charlotte Le Bon, Christian Bale, Marwan
Kenzari, Angela Sarafyan, Shoreh Aghdashloo, Kevork Malikyan, Rade Serbedzija,
Daniel Giménez-Cacho, Igal Naor, Tom Hollander, James Cromwell, Aaron Neil, Stewart
Scudamore, Alicia Borrachero, Andrew Tarbet, Tamer Hassan, Numan Acar, Milene
Mayer, Jean Reno, Michael Stahl-David
FSK: 12, Dauer: 133 Minuten.
Türkei, 1914: Der junge armenische Apotheker Michael Boghosian
(Oscar Isaac, "Agora") geht eigens eine Verlobung ein, um mit
der Mitgift sein Medizinstudium in Konstantinopel finanzieren zu können. Obwohl
er tatsächlich beabsichtigt, Maral (Angela Sarafyan, TV-Serie
"Westworld") nach seinem Studium zu heiraten, verliebt er sich bald in die schöne Zeichnerin Ana Khesarian (Charlotte Le Bon, "The Walk"), die in Paris studierte und nun mit dem unbeherrschten, aber aufrechten amerikanischen AP-Korrespondenten Chris Myers (Christian Bale,
"The Big Short") liiert ist. Dann bricht der Erste Weltkrieg aus
und die große armenische Minderheit wird von den türkischen Truppen brutal
unterdrückt, es kommt gar zu Massakern. Michaels Kommilitone und Freund Emre
Ogan (Marwan Kenzari, "Die Mumie") – Sohn eines hochrangigen
türkischen Beamten – kann ihn zunächst vor Schlimmerem bewahren, doch Emres
nationalistischer Vater sorgt schließlich dafür, daß Michael in ein
Strafgefangenenlager gebracht wird …
Kritik:
Noch bis vor wenigen Jahren hatten wahrscheinlich – abseits von
Armeniern und Historikern – die wenigsten Menschen von der Ermordung von womöglich mehr als 1,5 Millionen Armeniern (es gibt sehr unterschiedliche
Schätzungen, aber Hunderttausende waren es auf jeden Fall) im Osmanischen Reich zur
Zeit des Ersten Weltkriegs gehört. Obwohl es immer wieder politische
Diskussionen über die Bewertung der Geschehnisse gab, geriet das Thema erst um
den 100. Jahrestag herum groß in die Schlagzeilen, als viele Staaten –
darunter Deutschland, die USA, Frankreich und Rußland – entsprechend dem
allgemeinen Konsens unter den Historikern die offizielle Bewertung als Völkermord
beschlossen. Während das normalerweise parlamentelle Entscheidungen mit
begrenzter Sichtbarkeit für den durchschnittlichen Bürger gewesen wären, führten
lautstarke Proteste der Türkei, die den Völkermord-Vorwurf seit jeher heftig
bestreitet, bei eigenen Staatsbürgern häufig sogar juristisch verfolgt
("Beleidigung der türkischen Nation"), in einer wunderbaren Demonstration des Streisand-Effekts zu
einer viel größeren öffentlichen Wirkung. Vielleicht trug das sogar dazu bei,
daß die außerhalb Armeniens lange vergessenen, traurigen Geschehnisse die
Kinoleinwand eroberten (Dokus gab es schon zuvor). Während sich
die Hollywood-Studios an das brisante Thema bis heute nicht herantrauen
(bereits Ende der 1930er Jahre wurde ein geplanter MGM-Film mit Clark Gable
angesichts türkischer Proteste abgeblasen), ging mit dem armenischstämmigen
Kanadier Atom Egoyan 2002 erstmals ein international bekannter
Filmemacher das Wagnis ein, wenngleich der Völkermord bei "Ararat"
nicht im Vordergrund steht. Anders war das beim türkischstämmigen deutschen
Starregisseur Fatih Akin, der 2014 sein Drama "The Cut" mit den
damaligen Ereignissen beginnt, sich dann aber auf die Flucht seines
armenischen Protagonisten konzentriert. So ist "The Promise – Die
Erinnerung bleibt" vom dank "Hotel Ruanda" mit dem Thema
Völkermord vertrauten irischen Regisseur und Drehbuch-Autor Terry George die
erste große internationale Produktion, die ihre Handlung komplett dem
"Aghet" ("Katastrophe"), wie der Völkermord von Armeniern genannt wird, widmet – ermöglicht durch den inzwischen
verstorbenen armenischstämmigen Milliardär Kirk Kerkorian, der mangels
Hollywood-Interesse die ganzen Produktionskosten von immerhin $90 Mio.
übernahm; sämtliche Einnahmen der Produzenten aus der Veröffentlichung werden übrigens
gespendet! Das Resultat ist ein sehenswerter, sehr engagierter Film mit leider nicht unerheblichen dramaturgischen Schwächen (und einem
Titelsong des nach der Fertigstellung des Films verstorbenen Rockmusikers Chris Cornell).
Dafür, daß der
aufklärerische Aspekt hinsichtlich des Völkermords an den Armeniern erklärtes Ziel von "The Promise" ist, werden erstaunlich wenige Hintergrundinformationen vermittelt. Das Zustandekommen des Konflikts
wird kaum erklärt, der Grund für die Animositäten gegenüber der großen
armenischen Minderheit (ca. 10% der Gesamtbevölkerung) im Osmanischen Reich
bleibt relativ schwammig. Da die türkischen Aggressionen mit der Inhaftierung
von armenischen Intellektuellen in Konstantinopel ihren Anfang nehmen und Michael
als Medizinstudent auch davon betroffen ist, bekommen wir jedoch zumindest einen recht
umfassenden Überblick über den Ablauf der Geschehnisse selbst. Regisseur George verzichtet auf allzu explizite Szenen, verharmlost aber trotz
seiner eher subtilen Vorgehensweise keineswegs die Grausamkeiten, denen die
Armenier ausgesetzt sind. Zuerst diskriminierendes Verhalten, dann die grundlose
Inhaftierung, gefolgt vom schonungslosen Einsatz in Arbeitslagern bei
schlimmen Bedingungen – George geht nicht von 0 auf 100, sondern steigert die
Qualen, die Michael und so viele seiner Landsleute ertragen müssen, konsequent,
bis es zu ersten sinnlosen Massakern kommt sowie zu Deportationen in hoffnungslos
überfüllten Zügen, die sofort an die deutschen KZ-Transporte denken
lassen. Dabei wird "The Promise" zum Glück nie pathetisch, wenn auch gegen Ende einige Dialoge vielleicht etwas zu predigend ausfallen
(wie Botschafter Morgenthaus Diskussion mit dem türkischen Innenminister Talȃt
Pasha, der als Hauptverantwortlicher des Völkermords gilt).
Abschließend will ich nicht unerwähnt lassen, daß die ziemlich mäßige
IMDb-Bewertung von "The Promise" wenig aussagekräftig ist, denn noch
vor dem Filmstart sorgte zunächst eine konzertierte türkische Aktion für
Zehntausende "1 Punkt"-Wertungen, die daraufhin von ähnlich vielen
armenischen "10 Punkte"-Wertungen gekontert wurde. Läßt man die beinahe
150.000 1er- und 10er-Bewertungen außer Acht, ergibt sich ein arithmetischer
Schnitt von 6,8, wobei es vermutlich mehr "echte" 10er- als
1er-Bewertungen gibt und sich der faire Schnitt deshalb um die 7 Punkte herum
bewegen sollte – was zufällig genau meinem Urteil entspricht.
Fazit: "The Promise – Die Erinnerung
bleibt" ist ein engagierter, gut recherchierter Historienfilm über den Völkermord an den
Armeniern während des Ersten Weltkrieges, der stark besetzt ist und einige
starke Momente zu bieten hat, aber von einer nur bedingt überzeugenden
Dreiecks-Liebesgeschichte etwas ausgebremst wird.
Wertung: 7 Punkte.
"The Promise – Die Erinnerung bleibt" läuft am 17. August 2017 in den deutschen Kinos an. Die Rezensionsmöglichkeit wurde mir freundlicherweise von capelight pictures zur Verfügung gestellt.
"The Promise – Die Erinnerung bleibt" läuft am 17. August 2017 in den deutschen Kinos an. Die Rezensionsmöglichkeit wurde mir freundlicherweise von capelight pictures zur Verfügung gestellt.
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