Regie: Sam Mendes, Drehbuch: Neil Purvis, Robert Wade und
John Logan, Musik: Thomas Newman
Darsteller: Daniel Craig, Dame Judi Dench, Javier Bardem,
Ralph Fiennes, Naomie Harris, Ben Whishaw, Albert Finney, Rory Kinnear,
Bérénice Marlohe, Ola Rapace, Helen McCrory, Wolf Blitzer, Huw Edwards
Im Verlauf einer ausgesprochen wichtigen Mission in Istanbul wird James Bond
(Daniel Craig, "Verblendung", "Unbeugsam") angeschossen und gilt als vermißt, wahrscheinlich tot. Erst als
ein Terroranschlag, der mit dem gescheiterten Istanbul-Auftrag zusammenhängt,
die Londoner Geheimdienstzentrale trifft und MI6-Chefin M (Dame Judi
Dench, "My Week with Marilyn") zunehmend unter politischen und öffentlichen Druck gerät, kehrt Bond
zurück. Während M von ihrem designierten Nachfolger Gareth Mallory (Ralph
Fiennes, "Zorn der Titanen") zum baldigen Ruhestand gedrängt wird, macht sich Bond auf die Jagd
nach dem Drahtzieher des Anschlags. Schon bald stößt er auf den ebenso genialen
wie extrovertierten und, mit Verlaub, total durchgeknallten Raoul Silva (Javier
Bardem), der sich auf einem persönlichen Rachefeldzug gegen M befindet ...
Kritik:
Es war abzusehen, daß der dritte 007-Film mit Daniel Craig
in der Hauptrolle des James Bond wegweisend sein würde. Nach dem (vor allem für die
britische Boulevardpresse) unerwartet starken Beginn mit "Casino
Royale" und der wohl auch aufgrund des Autorenstreiks von 2007 enttäuschenden
Fortsetzung "Ein Quantum Trost" würden nun also die Weichen dafür gestellt
werden, ob die Craig-Ära als ein Highlight oder womöglich sogar als ein
Fehlschlag in die Bond-Historie eingehen würde. Die Voraussetzungen für einen deutlichen Qualitätssprung nach vorn waren gegeben,
denn angesichts des 50-jährigen Jubiläums der erfolgreichsten
Filmreihe aller Zeiten fuhren die Produzenten mächtige Geschütze auf: Das
Budget wird auf gewaltige $150-200 Mio. geschätzt; mit Sam Mendes
("American Beauty", "Zeiten des Aufruhrs") wurde erstmals
ein OSCAR-Gewinner für den Regiestuhl verpflichtet; das etablierte Autoren-Duo
Neal Purvis und Robert Wade, das seit "Die Welt ist nicht genug" von 1999 jeden Bond-Film geschrieben hat, wurde um den US-Amerikaner John Logan ergänzt, dessen
beeindruckender Lebenslauf Werke wie "Gladiator", "Last Samurai"
und "Hugo Cabret" umfaßt (und der zwischenzeitlich bereits für die
nächsten beiden Bond-Filme vertraglich gebunden wurde); ein OSCAR-Gewinner
(Javier Bardem, "No Country for Old Men") fungiert als Bösewicht und
ein -Nominee (Ralph Fiennes, "Schindlers Liste") als potentieller MI6-Chef; und Quartiermeister Q
feiert in der Person von Ben Whishaw ("Das Parfum", "Cloud Atlas") sein Comeback. All diese Maßnahmen haben gefruchtet und so läßt
sich konstatieren: "Skyfall" wird als einer der besten Bond-Filme in
die Kinogeschichte eingehen!
Die Eröffnungssequenz ist ja traditionell schon für sich
genommen das Eintrittsgeld wert und "Skyfall" stellt da keine Ausnahme dar. Die tempo- und stuntreiche Verfolgungsjagd
durch Istanbul, die zu Fuß, in Autos, auf Motorrädern und sogar auf einem
Zugdach vonstattengeht, läßt keinerlei Wünsche offen und mündet spektakulär in die
von Adeles Titelsong untermalte und möglicherweise einfallsreichste, am besten
designte, schlicht schönste Titelsequenz der 007-Geschichte (nur ein Beispiel:
die Zähne eines stilisierten Totenkopfes entpuppen sich beim Heranzoomen als
Grabsteine). Und das war gerade erst die Anfangsviertelstunde.
Das Drehbuch entpuppt sich als meisterhaft konstruierte Wundertüte mit
perfekt getimtem Spannungs- und Tempobogen, einem weitgehend unvorhersehbaren
Handlungsverlauf mit einer gewissen aktuellen Relevanz, recht ausgefeilten Charakteren und cleveren Anspielungen auf die 50-jährige
Geschichte der Filmreihe. Letztere sind wunderbar paßgenau in die Story
integriert und umfassen beispielsweise einen Aston Martin DB5, eine klassische
Feuerwerkssymbolik als Ersatz für eine Liebesszene, exotische Tiere, die
Bösewichte verspeisen und natürlich die bereits erwähnte Rückkehr von Q. Daß
dieser nun ein blutjunger Nerd ist, wird vermutlich nicht jedem
Hardcore-Bond-Fan gefallen, aber er erweist sich in den spritzigen Dialogen auf
Anhieb als wunderbare Ergänzung zum sarkastischen Spion mit der Lizenz zum Töten. Gleiches
gilt für Naomie Harris ("28 Days Later", "Fluch der Karibik
2+3"), die sich als wortgewandte MI6-Agentin Eve herrliche Wortgefechte
mit Bond liefert, die vor erotischer Anziehungskraft nur so sprühen. Auch der
schillernde Oberbösewicht Silva erinnert stark an Bonds Gegenspieler aus
der Connery-Ära. Möglicherweise übertreibt es Javier Bardem in seiner ohne
Frage denkwürdigen Darstellung des hochintelligenten Cyber-Terroristen ein
kleines bißchen, denn mitunter wirkt Silva doch arg comichaft – was aber
natürlich auf ikonische Bond-Schurken wie Auric Goldfinger, "Beißer" oder Ernst Stavro
Blofeld nicht weniger zutrifft. Jedenfalls ist es beeindruckend, wie gut es Bardem
gelingt, diesen in seiner Affektiertheit eigentlich ziemlich lächerlich
wirkenden Raoul Silva zugleich als brandgefährlichen, mindestens ebenbürtigen
Gegenspieler von 007 zu verkörpern, der in seinem von den Rachegelüsten gegen M geprägten Tunnelblick wie beiläufig alles tötet, was ihm in den Weg
kommt.
Als weiterer Spannungsverstärker dient die von dem
Autoren-Trio schlicht genial gemeisterte Einbeziehung der öffentlich schon
länger diskutierten Frage um die Zukunft von Dame Judi Dench als MI6-Chefin und
Bond-Mentorin M in die Handlung. Da M diesmal stärker als je zuvor im
Mittelpunkt der Story steht und erklärtes Ziel von Silvas Terrorattacken ist,
steht von Beginn an die Frage im Raum, ob sie "Skyfall" überleben wird. Normalerweise würde man das als nur scheinbar spannende rhetorische Frage
empfinden, da am Ende bekanntlich sowieso Bond triumphiert und sehr
wahrscheinlich auch seine Chefin wird in letzter Sekunde retten können. Doch diesmal säen
die Umstände ernsthafte Zweifel. Zwar steht außer Frage, daß die
OSCAR-Gewinnerin (1999 für ihre Nebenrolle in "Shakespeare in Love") eine der besten lebenden
Schauspielerinnen Großbritanniens ist und außerdem seit fast zwei Jahrzehnten
ein Fixpunkt im Bond-Universum, der als einziger sogar den Wechsel von Pierce
Brosnan zu Daniel Craig überstanden hat. Aber leider ist sie inzwischen auch
schon 77 Jahre alt und nach eigener Aussage fast vollständig erblindet. Daß sie
nicht mehr ewig wird dabeibleiben können, ist also logisch. Und mit Ralph
Fiennes gibt es bereits ihren Nachfolger, der genauso gut bereits im nächsten
Film das Ruder übernehmen könnte oder aber auch erst beim übernächsten oder
noch später. Als informierter Zuschauer weiß man also genau, daß M diesmal
tatsächlich in höchster Lebensgefahr schwebt – und Regisseur Sam Mendes und
seine drei Autoren reizen diese Gewißheit fast schon sadistisch bis ins Extrem aus. Wie alles endet,
werde ich an dieser Stelle aber natürlich nicht verraten ...
Resultat der dramatischen Story rund um M, die im Showdown
auch James Bond in seine Vergangenheit zurückführt, ist allerdings ein im
Vergleich zu den letzten Beiträgen zur Reihe etwas zurückgeschraubter
Actiongehalt. Das mag manchen stören, ist aber neutral betrachtet eher ein
Fortschritt. Anders formuliert: "Skyfall" ist vielleicht
"nur" ein guter Actionstreifen, aber ein hervorragender Film. Zumal die geringere Häufigkeit der entsprechenden Szenen sich keinesfalls negativ auf deren Qualität auswirkt.
Eigentlich habe ich nur zwei kleine Kritikpunkte, die die absolute
Höchstwertung für "Skyfall" verhindern: Die schauspielerische Leistung von Bérénice Marlohe ("Und nebenbei das große Glück")
in der zum Glück recht kleinen Rolle der mysteriösen Sévérine fällt meiner
Ansicht nach im Vergleich zum restlichen Cast deutlich ab. Und, ohne wegen
akuter Spoilergefahr näher darauf eingehen zu wollen, die Konstellation des (grandios
in Szene gesetzten) großen Finales ist einfach unlogisch und nur wenig glaubhaft.
Das ist eindeutig ein Schönheitsfehler, der aber angesichts der sehr
hohen Gesamtqualität von "Skyfall" nicht allzu stark ins Gewicht
fällt.
Die letzte OSCAR-Nominierung eines Bond-Films liegt
bereits erstaunliche 30 Jahre in der Vergangenheit (Sheena Eastons Titelsong von
"For Your Eyes Only"/"In tödlicher Mission"). Damit wird 2013
mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Schluß sein. Zwar scheint es trotz
herausragender Kritiken und zahlreicher Box Office-Rekorde noch vor dem
US-Start eher unrealistisch, daß es für eine erstmalige Nominierung als Bester Film
reichen wird. Eine Berücksichtigung von Dame Judi Dench oder Javier Bardem in
den Darstellerkategorien ist schon wahrscheinlicher, eventuell könnte es auch
für das für Genreverhältnisse hervorragende Drehbuch reichen. Aber in den technischen und sonstigen
Nebenkategorien wird kaum ein Weg an diversen Nominierungen vorbeiführen. Thomas
Newmans relativ unspektakulärer Soundtrack ist zwar nicht so genial wie seine prägnanten Kompositionen aus der ersten
Zusammenarbeit von Regisseur Mendes und Daniel Craig in "Road to
Perdition", aber doch sehr stimmungsvoll, auch Adeles "Skyfall"
geht chancenreich ins Rennen um den Besten Filmsong. Die explosiven
Spezialeffekte, die Kostüme und das Makeup (speziell in einer Silva
betreffenden Szene) sind sehr überzeugend, die hochelegante Kameraführung von Roger
Deakins sowie Ausstattung und Setdesign sogar von überragender Qualität.
Fazit: "Skyfall" ist pünktlich zum großen Jubiläum
einer der stärksten Beiträge zur James Bond-Filmreihe. Eine intelligente und
wendungsreiche Story mit einem (im Vergleich zu den letzten beiden Filmen)
leicht erhöhten Humoranteil, eine starke Darstellerriege, kenntnisreich eingebaute
Anspielungen auf die 50-jährige 007-Geschichte und die meisterhafte
Inszenierung durch Sam Mendes sorgen für 140 Minuten Unterhaltungskino auf (fast)
allerhöchstem Niveau.
Wertung: 9,5 Punkte.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen