Originaltitel: Ava
Regie: Tate Taylor, Drehbuch: Matthew Newton, Musik: Bear
McCreary
Darsteller:
Jessica Chastain, Colin Farrell, John Malkovich, Geena Davis, Jess
Weixler, Joan Chen, Common, Diana Silvers, Ioan Gruffudd, Efka Kvaraciejus, Christopher
J. Domig
FSK: 16, Dauer: 97 Minuten.
Ava Faulkner (Jessica Chastain, "Molly's Game")
ist eine Auftragskillerin – allerdings eine mit einer Eigenheit, die ihre
Auftraggeber überhaupt nicht zu schätzen wissen, denn bevor sie ihre Zielpersonen
tötet, spricht Ava mit ihnen und fragt sie, warum jemand sie tot sehen will.
Simon (Colin Farrell, "The Gentlemen"), leitender Direktor der
Killer-Organisation, hält sie deshalb für ein unberechenbares Risiko, zumal Ava
früher drogen- und alkoholabhängig war und vor zwei Jahren bereits einen
Nervenzusammenbruch erlitt. Avas wie auch Simons Ausbilder und Mentor Duke (John
Malkovich, "Der fremde Sohn") hält zwar die schützende Hand über Ava,
dennoch ordnet Simon hinter Dukes Rücken Avas Eliminierung an. Die hat sich
derweil nach einem mißglückten Auftrag – an dessen Scheitern sie keine Schuld traf – eine
Auszeit genommen und besucht ihre Familie in Boston, die sie acht Jahre zuvor
im Streit verlassen hatte. In der alten Heimat sieht sie nicht nur ihre kranke
Mutter Bobbi (Geena Davis, "Thelma & Louise") und ihre jüngere Schwester
Judy (Jess Weixler, "Es – Kapitel 2") wieder, sondern auch ihren
Ex-Verlobten Michael (Common, "The Tale"), der nun mit Judy liiert
ist …
Seit dem von Kapitel zu Kapitel anwachsenden Erfolg von "John
Wick" mit Keanu Reeves als einzelgängerischem Action-Antiheld unternimmt Hollywood viele Anstrengungen, ein weibliches Pendant zum
schweigsamen Ex-Auftragskiller aufzubauen – wobei der wie "John Wick"
im Jahr 2014 veröffentlichte Überraschungs-Hit "Lucy" mit Scarlett
Johansson dabei ebenso eine Rolle gespielt haben dürfte. Die Anstrengungen
sind jedenfalls wenig verwunderlich, immerhin würde man mit einer populären
Actionheldin verstärkt das ansonsten nicht allzu actionaffine weibliche Publikum
ansprechen und könnte gleichzeitig die (statistisch belegbaren) Vorwürfe eines
klaren Übergewichts männlicher Hauptdarsteller ein wenig entkräften. Das
Problem dabei ist nur, daß die bisherigen Anstrengungen sehr begrenzt von Erfolg
gekrönt waren. Genau genommen kann man eigentlich sogar nur "Atomic
Blonde" mit Charlize Theron wirklich positiv herausstellen, der bei Kritikern
und Publikum recht gut ankam und ein ordentlicher kommerzieller Erfolg war,
weshalb eine Fortsetzung (die allerdings von Netflix produziert wird und
deshalb voraussichtlich nicht regulär in die Kinos kommen wird) geplant ist.
Andere namhafte Stars hatten weit weniger Glück: Weder Salma Hayek
("Everly", 2014) noch Jennifer Garner ("Peppermint", 2018)
oder Taraji P. Henson ("Proud Mary", 2018) gelang es, die erhofften
Franchises zu starten, vielmehr fielen ihre Versuche bei der Kritik durch und
wurden vom Publikum weitestgehend igorniert, in Deutschland und vielen anderen
Ländern schafften sie es gar nicht erst ins Kino. Einigermaßen
überraschend reiht sich nun mit der zweifach OSCAR-nominierten Jessica Chastain
ein echter schauspielerischer Hochkaräter mit Tate Taylors "Code Ava – Trained to Kill" in die
unschöne Mißerfolgsliste ein.
Einigermaßen überraschend deshalb, weil man von einem Film
mit Chastain, Colin Farrell und John Malkovich, inszeniert von "The
Help"-Regisseur Tate Taylor, wohl niemals erwarten würde, er könne
Schwierigkeiten haben, einen Kinostart zu erhalten. Angesichts der
Veröffentlichung im Jahr 2020 könnte man den Heimkinostart in den meisten
Staaten (inklusive der USA) auf die Folgen der Corona-Pandemie schieben – allerdings
wurde "Code Ava" bereits 2018 gedreht und alleine die Tatsache, daß
er bis Anfang 2020 nicht das Licht der Öffentlichkeit erblickte, zeigt, daß die
Studioverantwortlichen offenbar wenig Vertrauen in ihr Produkt hatten.
Die Skepsis ist nicht unberechtigt, vielleicht aber doch übertrieben – denn
"Code Ava" trägt zwar schwer an Matthew Newtons überambitioniertem,
unausgewogenen und von vielen Glaubwürdigkeits- und Logikmängeln betroffenen
Drehbuch (der Australier
sollte eigentlich auch Regie führen, verlor den Posten jedoch wegen Vorwürfen
häuslicher Gewalt), ist aber trotzdem durchaus kurzweilig geraten und
profitiert dabei von seiner starken Besetzung. Größter Schwachpunkt von
"Code Ava" ist in der Tat die Ambition: Newton und Ersatz-Regisseur
Taylor wollten offensichtlich nicht einfach nur einen geradlinigen
Actionkracher abliefern, sondern ein Actiondrama mit Tiefgang, vergleichbar
vielleicht mit Anton Corbijns "The American" mit George Clooney.
Dafür steht Avas komplizierte Familien- und Beziehungsgeschichte, die im
irreführenden und zu viel über die Haupthandlung verratenden Trailer nicht grundlos fast komplett verschwiegen wird. Zwar ist der Ansatz zweifellos
lobenswert, Ava etwas charakterliche Tiefe zu verleihen und es ist schon so,
daß wir in eineinhalb Stunden wahrscheinlich mehr über die Person Ava Faulkner
erfahren als beispielsweise in drei kompletten Filmen über John Wick.
Dummerweise ist jedoch der Nutzen fürs Publikum, der sich daraus gibt, geringer als der Schaden für das Erzähltempo und den Unterhaltsamkeitsgrad.
Avas Hintergrundgeschichte umfaßt zwar ein paar interessante Elemente und die
beteiligten Schauspieler wie Geena Davis oder Common machen ihre Sache gut,
allerdings können auch sie wenig daran ändern, daß Newton ein
Beziehungsgeflecht wie in einer südamerikanischen Telenovela konstruiert hat:
melodramatisch, übertrieben und nur wenig glaubwürdig. Zum Glück funktioniert der Auftragskiller-Teil von
"Code Ava" weit besser, obwohl er ebenso mit einigen Fehlern zu
kämpfen hat (und da ist die auf dem Kopf stehende deutsche Flagge auf der
Uniform eines deutschen Soldaten noch das geringste Problem). Natürlich ist die
Geschichte des Killers, der ins Visier seiner eigenen Auftraggeber gerät, alles
andere als originell, auch wenn der Killer hier eine Killerin ist. Aber die Prämisse
ist gewissermaßen ein dramaturgischer Evergreen, weil sie einfach
funktioniert und brachiale Action ebenso ermöglicht wie beinahe altgriechisch anmutende
Tragik (in diesem Fall unterstrichen dadurch, daß Dukes Lieblingszitat aus dem
antiken Griechenland stammt).
In "Code Ava" sorgen diese erzählerischen und logischen Mängel für Ernüchterung, aber wenn
man drei motivierte Weltstars in den Hauptrollen hat, kann man sich das auch
leisten (obwohl es logischerweise besser wäre, täte man es nicht).
Jessica Chastain, die auch als Produzentin beteiligt ist, gibt eine exzellente
Actionheldin ab und abseits ihrer kämpferischen Fähigkeiten vermittelt sie als erfahrene Charakterdarstellerin auch
die labile Psyche ihrer traumatisierten Figur sehr authentisch. Für John
Malkovich ist die Rolle als väterlicher Mentor selbstredend ein Klacks, er
wirkt in der Zuneigung zu Ava sympathisch, doch auch seine Gefährlichkeit
scheint immer wieder durch, außerdem ist er trotz seines fortgeschrittenen Alters
in eine der besten Kampfsequenzen involiert. Colin Farrell war
derweil schon immer ein guter Filmschurke und das ist er auch hier, wobei er
Simon nicht als wütenden Psychopathen anlegt, sondern eher als kühl
berechnenden, emotionslosen Buchhalter des Todes – eine interessante Variation
eines im Kern arg konventionellen Antagonisten. Problematisch ist, wie erwähnt, daß der zu große Fokus auf Avas Familien- und Beziehungsprobleme
die Action immer wieder in den Hintergrund rücken läßt. Ein Action-Feuerwerk wie in
anderen Genrevertretern darf man also nicht erwarten und die Kämpfe, die
präsentiert werden, begeistern nur phasenweise. Zwei Action-Highlights gibt es
jedoch vor dem Finale dank Avas Mission in einem saudischen Hotel, in dem sie einen
deutschen General töten soll sowie mit dem angesprochenen Kampf mit Duke – die
übrigen Auseinandersetzungen sind zur treibenden, aber unspektakulären Musik von Bear McCreary ("10 Cloverfield Lane") solide, aber auch ein wenig beliebig in Szene gesetzt – kein Vergleich zu den innovativen Kämpfen in
den "John Wick"-Filmen, speziell in Teil 3. Immerhin gerät der Eins-zu-Eins-Showdown
befriedigend, wiewohl er inhaltlich wenig Sinn ergibt. Das Ende deutet sogar
an, in welche Richtung sich eine Fortsetzung entwickeln könnte, aber die dürfte
es trotz eines guten Heimkino-Starts in den USA kaum geben – was ich sogar bedauere, denn trotz aller Schwächen ist
"Code Ava" in seinen guten Phasen unterhaltsam und Jessica
Chastain beweist, daß sie ein Action-Franchise problemlos schultern könnte.
Fazit: "Code Ava – Trained to Kill" ist ein sehr mittelmäßiger Actionfilm mit zu großem, eher schlecht als recht funktionierenden Dramaanteil und erheblichen Glaubwürdigkeitsmängeln, der dank einiger sehenswerter Kampfsequenzen und einer tollen Besetzung Genrefans trotzdem ordentlich unterhält.
Wertung: Eigentlich 6 Punkte, aber Genrefans dürfen
einen Punkt aufschlagen.
"Code Ava" erscheint am 22. Oktober 2020 von EuroVideo Medien auf DVD und Blu-ray, das Bonusmaterial umfaßt neben dem Trailer ein nicht untertiteltes viertelstündiges "Behind the Scenes"-Featurette mit überschaubarem Informationsgehalt. Ein Rezensionsexemplar wurde mir freundlicherweise vom Entertainment Kombinat zur Verfügung gestellt.
Screenshots: © EuroVideo Medien
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