Originaltitel: John Wick: Chapter 3 – Parabellum
Regie: Chad Stahelski, Drehbuch: Derek Kolstad, Shay Hatten,
Chris Collins, Marc Abrams, Musik: Tyler Bates und Joel J. Richard
Darsteller: Keanu Reeves, Ian McShane, Asia Kate Dillon,
Mark Dacascos, Halle Berry, Lance Reddick,
Laurence Fishburne, Anjelica Huston, Saїd Taghmaoui, Cecep Arif Rahman, Yayan Ruhian, Jerome Flynn, Tobias Segal,
Randall Duk Kim, Robin Lord Taylor, Susan Blommaert, Jason Mantzoukas, Boban
Marjanović, Tiger Hu Chen, Roger Yuan
FSK: 18, Dauer: 132 Minuten.
Nachdem der frühere Auftragskiller John Wick (Keanu Reeves, "The Neon Demon") gegen die
wichtigste Regel in seinem Geschäft verstoßen hat und auf neutralem Grund – im
New Yorker "Continental Hotel" – den bösartigen Mafioso Santino D'Antonio getötet hat, gibt ihm Winston (Ian McShane, "Jack and the Giants"), der Leiter des Hotels, eine
Stunde Gnadenfrist. Danach gilt er offiziell als "exkommuniziert",
ist damit vogelfrei und ein Kopfgeld von $14 Mio. wird auf ihn ausgesetzt.
Glücklicherweise hat der schwer angeschlagene John noch ein paar Freunde übrig
und auch einige ihm geschuldete Gefallen, so von einer
weißrussischen Gangsterchefin (Anjelica Huston, "50/50") oder der Managerin des
"Continental Hotel" von Casablanca, Sofia (Halle Berry, "Kingsman 2"). Trotz
dieser Hilfe stehen Johns Aussichten schlecht, weshalb er nach einem Weg sucht,
seinen Verstoß gegen den Kodex wiedergutzumachen. Indes taucht
in New York eine von der Hohen Kammer des
Zwölferrates (der globalen Verbrecherorganisation) gesandte Richterin (Asia Kate Dillon) auf, um
all diejenigen zu bestrafen, die John auch nur ansatzweise geholfen hatten –
darunter Winston und der Bettlerkönig "Bowery King" (Laurence
Fishburne, "Predators"). Zu diesem Zweck heuert sie den erfahrenen Assassinen Zero (Mark Dacascos, "Pakt der Wölfe") an
…
Kritik:
Als Vorbereitung auf diese Rezension habe ich mir diverse Listen im Internet über "die besten Actionfilme aller Zeiten"
angeschaut und mußte dabei – wenig überraschend – feststellen, daß die
Definition eines Actionfilms nicht sehr eindeutig ist. Kurosawas Meisterwerk
"Die sieben Samurai", der in mehreren dieser Listen weit oben
auftaucht, würde ich beispielsweise nicht als klassischen Actionfilm betrachten,
Coppolas Anti-Kriegsklassiker "Apocalypse Now" schon gar nicht.
Einige gemeinsame Nenner, denen ich zustimme, habe ich jedoch gefunden,
darunter "Aliens – Die Rückkehr", die ersten beiden
"Terminator"-Filme, "Matrix", "Stirb langsam",
"Mad Max: Fury Road", "Kill Bill" – und natürlich
zahlreiche asiatische Martial Arts-Kracher wie "The Killer",
"The Raid", "Police Story" oder "Hard Boiled". In
einigen Listen tauchen auch schon die ersten beiden "John Wick"-Filme
auf und folgende Vorhersage ist alles andere als schwierig: "John Wick:
Kapitel 3" wird sich in Windeseile ebenfalls auf etliche Bestenlisten
katapultieren, denn der wiederum von Chad Stahelski inszenierte dritte Teil
toppt seine bereits formidablen Vorgänger noch einmal und bewegt sich für einen Actionfilm meines Erachtens nahe an der Perfektion! Für
Keanu Reeves ist und bleibt der melancholische Einzelgänger eine Paraderolle,
vielleicht gar eine noch bessere als die des Neo in der
"Matrix"-Trilogie. Mit seinem Charisma und seinen beeindruckenden
Kampffähigkeiten ist er das Zentrum dieser Filme und obwohl viele Elemente
ineinandergreifen, um die "John Wick"-Filme zu den Genrehighlights zu
machen, die sie sind, ist es schwer vorstellbar, sich die Reihe ohne Keanu
Reeves vorzustellen.
Nachdem ja bereits "Kapitel 2" in fast jeder Hinsicht im Vergleich zum Original eine Schippe draufgelegt hat, setzt
sich diese Entwicklung in "Kapitel 3" nahtlos fort. Selten konnte man
den Erfolg eines Franchises so gut anhand der einzelnen Filme nachvollziehen
wie bei "John Wick": War der etwa $20-30 Mio. günstige erste Teil noch ein
ziemlich geradliniger Rachethriller mit Ansätzen spannender Hintergründe zu der weltumspannenden Verbrecherorganisation – durch das New Yorker "Continental Hotel" symbolisiert –, fiel das annähernd
doppelt so teure "Kapitel 2" bereits komplexer aus mit
einem zusätzlichen Schauplatz in Rom, noch aufwendigeren und personalstärkeren
Kampfchoreographien sowie einer Ausweitung dieses faszinierenden fiktiven
Filmuniversums, in dem praktisch jeder Passant ein "Hitman" sein kann. In
"Kapitel 3", dessen Budget bei rund $60 Mio. liegen soll, erhalten
wir mit der mysteriösen Richterin ein weiteres Puzzlestück, außerdem erfahren
wir sogar etwas über John Wicks Herkunft und seinen wahren Namen. Des weiteren
kommen etliche neue, prägnante Nebenfiguren hinzu und – für die Fans vermutlich
am wichtigsten – die Kampfsequenzen und ihre bewußt überhöhte Präsentation sind
noch weiter verfeinert worden. Wurde an "Kapitel 2" noch vereinzelt
eine relative Monotonie der Kämpfe wegen eines starken Schwerpunkts auf
Schießereien bemängelt, kann man sich in "Kapitel 3" beim besten
Willen nicht über mangelnde Abwechslung beklagen. Tatsächlich bin ich äußerst
beeindruckt, was den Drehbuch-Autoren (Derek Kolstad wurde diesmal von einem
Trio unterstützt) alles eingefallen ist und habe große Schwierigkeiten, mir
vorzustellen, wie das im vierten Film noch einmal getoppt (oder auch nur bestätigt)
werden soll. Da "Kapitel 3" unmittelbar nach dem Ende des
Vorgängers startet, John also körperlich angeschlagen und unbewaffnet
ist, beginnt das Actionspektakel mit intensiven Nahkämpfen (passenderweise ist
er gerade in Chinatown unterwegs, als seine Exkommunikation in Kraft tritt), in
denen er fast wie Jackie Chan zu allen Hilfsmitteln greift, die er kriegen
kann, um sich gegen seine höchst motivierten Häscher zu verteidigen – von der
Axt bis zum Pferd, dessen Einsatz beispielhaft für den
knochentrockenen bis zynischen Humor der Reihe steht, der natürlich auch im
dritten Teil nicht vernachlässigt, vielmehr sogar um ein paar
Facetten bereichert wird (wenn etwa Johns Hauptgegner Zero sich während einer kurzen
Ruhepause auf neutralem Grund als eine Art John Wick-Fanboy outet). Daß
Stummfilme, speziell die von Buster Keaton, eine Inspirationsquelle für die
"John Wick"-Reihe sind, haben deren Macher schon oft erwähnt, in
"Kapitel 3" ist das vielleicht auffälliger als je zuvor,
sogar ein paar kleine Slapstick-Momente gibt es, die in der Tat gut in eine
alte Stummfilm-Komödie passen würden (abgesehen vom vielen Blut).
Aber zurück zu diesem unglaublichen Abwechslungsreichtum der
Kampfsequenzen: Nach dem knackigen Nahkampf-Auftakt (der nebenbei illustriert,
daß der Brutalitätsgrad noch einmal ein Stückchen nach oben verschoben wurde),
einer einfallsreichen Verfolgungsjagd durch New York und ein paar relativ
konventionellen Shootouts kann sich John fürs erste in Sicherheit bringen
– insoweit das in seiner Situation überhaupt möglich ist. Ich will natürlich
nicht zu viel zur Story verraten, aber in Casablanca gibt es mein persönliches
Action-Highlight des Films, als Johns Freundin Sofia in perfektem
Zusammenspiel mit ihren beiden dressierten Kampf-Schäferhunden ein ganzes
Gangsternest auseinandernimmt (natürlich mit Johns Unterstützung). Kampfszenen mit
Hunden sind selbstredend nicht neu, aber so ausführlich und so – jeder
andere Begriff wäre untertrieben – perfekt und harmonisch choreographiert habe
ich das noch nie erlebt. Das ist schlicht atemberaubend, nicht nur was die fertigen Szenen betrifft,
sondern auch hinsichtlich der mit Sicherheit unglaublich aufwendigen
handwerklichen Machart dieser fast komplett ohne CGI-Unterstützung realisierten
Szenen (nur die Markierungen für die Hunde, wo sie angreifen sollten, wurden
logischerweise wegretuschiert). Fünf Monate lang mußten die Stuntleute, aber
auch Halle Berry und Keanu Reeves mit den Hunden trainieren, bis das möglich
war – und es hat sich aber wirklich sowas von gelohnt! Und als ob das nicht spektakulär genug wäre, legen Stahelski und Co. dann auch noch einen
grandiosen Showdown im "Continental Hotel" hin, der wiederum einige
Neuigkeiten zu bieten hat; denn Johns Gegner haben jetzt eine
High-Tech-Ausrüstung, sodaß nicht mehr ein Schuß pro Mann reicht. Und
selbstverständlich gibt es noch Mark Dacascos, der einen sehr würdigen
Endgegner abgibt – seit "Crying Freeman" (1995) bin ich ein Fan von
Dacascos, dessen Karriere anschließend trotz gelegentlicher Highlights nie so
richtig zündete – umso erfreulicher, daß er hier mit Mitte 50 noch einmal sein
ganzes Können vorführen darf.
Damit wären wir bei der Besetzung: Neben den Rückkehrern Ian
McShane, Lance Reddick (der als Concierge Charon endlich seinem Namen gerecht
werden und Menschen ohne Umweg ins Reich der Toten überführen darf, wofür er freundlicherweise nicht einmal den obligatorischen Obolus verlangt ...) und Laurence
Fishburne gibt es eine ganze Reihe namhafter Zugänge, von denen
ironischerweise lediglich die unbekannteste (Transgender-Darstellerin Asia Kate
Dillon in ihrem Filmdebüt; man kann sie aus TV-Serien wie "Orange Is
the New Black" oder "Billions" kennen) durchgehend eine Rolle
spielt. Halle Berry als Sofia, Anjelica Huston als "The Director"
oder Saїd Taghmaoui ("Wonder Woman") als mysteriöser "Ältester" sind jeweils (fast)
nur in einem größeren Handlungsblock vertreten. Kleine Nebenrollen hat
Chad Stahelski zudem mit Fanlieblingen aus TV-Serien wie Robin Lord Taylor (Pinguin
in "Gotham"), Susan Blommaert (Mr. Kaplan in "The
Blacklist") oder Jerome Flynn (Bronn in "Game of Thrones")
besetzt. Und weil die "John Wick"-Filme ja gelegentlich mit der
indonesischen "The Raid"-Reihe verglichen werden, ist es nur
folgerichtig, daß mit Yayan Ruhian und Cecep Arif Rahman zwei von deren
kampfstarken Hauptdarstellern mitwirken und John einen weiteren exzellenten
Kampf abliefern. Gerade bei dem ist gut zu erkennen, daß die Filmemacher sich
die Kritik, daß John im zweiten Kapitel etwas zu stark wie ein unbesiegbarer
Superheld wirkt, zu Herzen genommen haben, denn diesen lebenslang
trainierten Martial Arts-Könnern ist John im direkten Duell eigentlich (knapp)
unterlegen, er kann sich nur durch seine große Erfahrung und einige Tricks
behaupten. Generell wirken die Kämpfe und speziell Johns Überleben etwas
glaubwürdiger als in "Kapitel 2", da er nur noch selten ganz auf
sich allein gestellt ist, sondern fast immer Helfer zur Seite hat (tierische
wie menschliche), die ihm in entscheidenden Momenten den Rücken freihalten.
Stilisiert und regelrecht zelebriert sind die Kampfsequenzen natürlich trotzdem, alles soll ganz bewußt leicht irreal wirken, was durch die
gelungene musikalische Untermalung unterstrichen wird, die diesmal vermehrt auf
klassische Musik setzt – was bei der Überhöhung wunderbar funktioniert. Manchmal fühlt man sich
durch die immersive Inszenierung übrigens beinahe wie in einem Ego-Shooter. Das
wird dadurch noch verstärkt, daß die Kamera oft ganz nah an John herangeht,
sodaß er beinahe wie unsere Spielfigur wirkt – mich hat das immer wieder an die
"Max Payne"-Spiele erinnert, zu denen es sowieso einige Parallelen
gibt (New York als Heimat des Protagonisten, der ein Einzelgänger mit
tragischer Familiengeschichte ist und sich mal im Alleingang, mal mit Unterstützung
durch Hunderte Gegner kämpft). Auch ohne direkten Bezug sind die "John
Wick"-Filme meiner Ansicht nach viel näher an den Spielen als die
bestenfalls mittelmäßige tatsächliche Verfilmung mit Mark Wahlberg aus dem Jahr
2008 …
Ein bißchen etwas zu kritisieren habe ich bei all dem überschwänglichen
Lob aber doch: So ist der Film mit 130 Minuten tendentiell etwas zu lang
geraten – so gekonnt die Kämpfe variiert werden, auf Dauer sorgt die
Nonstop-Action (Dialoge gibt es gefühlt noch weniger als schon in den beiden
Vorgängern) doch für ein paar kurze mentale Durchhänger in den weniger
wichtigen Szenen. Idealerweise hätte man wohl die Casablanca-Sequenz kürzen
können, zumal hier die der Reihe von Beginn an inhärente religiöse Symbolik
kurzzeitig überhandnimmt. Außerdem ist der Trip storymäßig letzten Endes
nicht übermäßig ergiebig, ein bißchen vergleichbar mit dem Ausflug von
Finn und Rose auf den Kasinoplaneten Canto Bight in "Star Wars Episode VIII": unterhaltsam, aber im Grunde genommen verzichtbar. Das war es aber auch schon wieder dem Negativ(er)en, abgesehen vielleicht von ein paar
kleinen Genreklischees – dafür werden andere aber geschickt unterlaufen (ich bin sicher nicht der einzige, der bei der ostentativen Passage einer Münzgießerei mit geschmolzenem Gold dessen Einsatz in der folgenden Kampfsequenz erwartet hat). Insgesamt entwickelt sich die Handlung aber sowieso erfreulich unvorhersehbar und baut gerade angesichts der
Geschichte rund um die Richterin und ihre Strafaktion sehr viel Potential für
"Kapitel 4" auf – weswegen es auch angenehm ist, daß letztlich
erstaunlich viele Nebenfiguren das Ende des Films erleben (wenn auch die
wenigsten unversehrt). Wie gesagt: Ich habe keine Ahnung, wie man "John
Wick: Kapitel 3" noch toppen soll – aber bisher haben Stahelski, Kolstad,
Reeves und Co. nicht enttäuscht und somit haben sie sich einen großen
Vertrauensvorschuß verdient. Da Keanu Reeves inzwischen auch schon Mitte 50
ist, stellt sich die Frage, wie lang er körperlich noch zu solchen
Höchstleistungen in der Lage sein wird (ganz ähnlich wie beim noch zwei Jahre
älteren Tom Cruise in den "Mission: Impossible"-Filmen), aber er
selbst hat schon versprochen, er werde die Rolle spielen, bis die Zuschauer sie nicht mehr sehen wollen. Und das dürfte so schnell nicht geschehen ...
Fazit: "John Wick: Kapitel 3" ist ein
spektakulärer Actionfilm, der zu den Meisterwerken seines Genres
zählt und diesmal neben einer noch einmal geschickt erweiterten Filmwelt vor allem
mit der beeindruckenden Vielfalt an unterschiedlichen Kampfstilen begeistert.
Wertung: 9 Punkte.
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