Darsteller:
Mary Elizabeth Winstead, John Goodman, John Gallagher Jr., Suzanne Cryer,
Jamie Clay, Bradley Cooper (Stimme)
FSK: 16, Dauer: 104 Minuten.
Nein, das sieht nicht gut aus: Als Michelle (Mary Elizabeth
Winstead, "Final Destination 3") nach einem schweren Autounfall wieder
erwacht, befindet sie sich in einer verriegelten, kargen Zelle, mit einer
Eisenkette ist eines ihrer Beine fest mit der Wand verbunden. Dann kommt ein grobschlächtiger
Typ in die Zelle, faselt davon, daß er sie gerettet habe und sie hier nicht
mehr weg könne. Nach und nach enthüllt Howard (John Goodman, "Red State"), wie der Mann sich ihr vorstellt, was angeblich geschehen ist: Ein
verheerender chemischer oder nuklearer Angriff hat die USA verwüstet!
Michelle hat nur überlebt, weil Howard sie in seinen Atomschutzbunker
gebracht hat. Howard ist nämlich ein überzeugter "Prepper", der sich
quasi sein ganzes Leben lang auf den Weltuntergang vorbereitet hat – ein Mann
also, den die meisten als einen Spinner bezeichnen … solange die Welt nicht
tatsächlich untergeht! Michelle allerdings hat Zweifel an seiner Geschichte und daß
Howard als Verursacher des Angriffs die Russen oder die Marsianer favorisiert, macht
ihn in ihren Augen nicht wirklich vertrauenswürdiger. Emmett (John Gallagher Jr.,
"Pieces of April"), der dritte Überlebende im Bunker, den Howard
reingelassen hat, weil er einst den Bau des Unterschlupfs durchführte, kann
dessen Geschichte aber zumindest teils bestätigen. Was also ist Howard:
Ein Verrückter? Ein raffinierter Entführer, der ihnen nur etwas vorspielt? Ein
visionärer Held, der sie vor dem sicheren Tod bewahrt hat? Eine
Kombination all dessen?
Kritik:
Als der von "Lost"-Schöpfer J.J. Abrams produzierte und von Matt Reeves
inszenierte Found Footage-Monsterfilm "Cloverfield" im Jahr 2008 zu
einem (pun intended) Monsterhit avancierte, der weltweit beinahe das
Siebenfache seines $25 Mio.-Budgets einspielen konnte (was, ehrlich gesagt,
mehr einer grandiosen und höchst einfallsreichen viralen Marketingkampagne im
Vorfeld geschuldet war als der tatsächlichen Qualität des soliden, aber nicht
wirklich originellen Films), wurde natürlich schnell über eine Fortsetzung
diskutiert. Das Problem war nur, daß sich "Cloverfield" sowohl für
Abrams – der ein Jahr später Regie beim "Star Trek"-Reboot führte – als auch, mit etwas Verzögerung, für Matt Reeves ("Let Me In",
"Planet der Affen: Revolution") und Drehbuch-Autor Drew Goddard
("The Cabin in the Woods", "World War Z") als ein großes
Sprungbrett erwies, weshalb eine Fortsetzung zunehmend in den Hintergrund ihrer
Planungen rückte. So kam es, daß es acht Jahre dauerte, bis mit "10
Cloverfield Lane" zumindest eine Art Spin-Off die Kinos erobert – und das
auch nur dank einer Kombination aus Zufall und Abrams' Gespür für gute
Gelegenheiten. Denn eigentlich sollte das "The Cellar" betitelte Drehbuch
der beiden Newcomer Josh Campbell und Matthew Stuecken
("Whiplash"-Autor Damien Chazelle wurde erst später für eine
Überarbeitung hinzugezogen) ein Low Budget-Film werden, finanziert von Abrams'
Produktionsfirma Bad Robot. Doch während der Produktion kam man aufgrund gewisser
Ähnlichkeiten zu "Cloverfield" (die erst auf den zweiten oder dritten
Blick zu erkennen sind) auf die Idee, die beiden Filme im gleichen Universum
anzusiedeln – wobei die "offizielle" Aussage lautet, daß "10 Cloverfield
Lane" ein "Blutsverwandter" von "Cloverfield" ist (wie
auch immer man das interpretieren will). Um ehrlich zu sein, würde der Film
ebenso gut ohne diese Verbindung funktionieren, dennoch handelt es sich um
einen sehr geschickten Schachzug, da auf diese Weise der – nun doch erheblich
aufwendiger umgesetzte – Film in der öffentlichen Wahrnehmung weit nach
oben rückte und andererseits die fast vergessen geglaubte Hoffnung der
Produzenten auf ein lukratives, langlebiges
"Cloverfield"-Franchise en passant wiederbelebt wurde. Und daß das so
hervorragend funktioniert hat, liegt daran, daß der übrigens nur von der
Prämisse her an das wenige Monate zuvor gestartete OSCAR-prämierte Entführungsdrama
"Raum" erinnernde "10 Cloverfield Lane" ein richtig guter, seinen Vorgänger qualitativ deutlich übertreffender
Mystery-Thriller mit starken schauspielerischen Leistungen geworden ist.
Auch wenn ich das Langfilmdebüt von Dan Trachtenberg (der
mit dem auf dem Computerspiel "Portal" basierenden Kurzfilm "Portal: No
Escape" 2011 das Aufsehen Hollywoods erregte) letztlich als
Mystery-Thriller bezeichne, entzieht es sich doch über weite Strecken einer
echten Kategorisierung. Nicht über alles kann und will ich an dieser Stelle schreiben, da es
einige erfreulich unvorhersehbare Wendungen gibt, von denen allerdings die letzte erfahrungsgemäß
nicht wenige Zuschauer – solche, die es nicht mögen, wenn sich ein Film in eine
ganz andere Richtung entwickelt als es Trailer und Inhaltsangabe suggerieren –
überfordern wird. Doch allein durch die Tatsache, daß der Großteil des Films in
Howards immerhin durchaus geräumigem Bunker stattfindet, ist eine
klaustrophobische Atmosphäre garantiert, die Trachtenberg sehr souverän und
glaubwürdig umsetzt, erstklassig unterstützt durch die stimmige Musik von Bear
McCreary ("Europa Report", TV-Serien wie "Battlestar
Galactica" oder "The Walking Dead"). Verschärft wird sie durch
das erratische Verhalten Howards, der beständig zwischen den Rollen "bedrohlicher
Entführer", "naiv-liebenswerter Kumpeltyp mit ausgeprägtem
Beschützerinstinkt" und "jähzorniger Tyrann" changiert – kurz gesagt:
eine echte Paraderolle für den großartigen John Goodman! Dank Howard können sich Michelle
und Emmett – und das Publikum – nie gänzlich sicher fühlen, zumal er sich mit der sich entwickelnden Freundschaft zwischen seinen beiden
"Gästen" offensichtlich nicht wohl fühlt. Das Drehbuch streut
geschickt immer wieder kleine Hinweise und Details ein, die speziell die
Skepsis der neugierigen Michelle gegenüber ihrem Retter/Entführer schüren, aber
letztlich nie eindeutig sind, sondern genügend Spielraum zur Interpretation lassen.
Auf diese Weise gelingt "10 Cloverfield Lane" eine stimmige Charaktisierung des ungleichen Trios, das möglicherweise
gerade den Untergang der Menschheit überlebt hat. Glaubwürdig, jedoch nicht
sehr tiefschürfend. Dadurch, daß wir nur sehr dosierte, rudimentäre
Informationen über die Vergangenheit der drei erhalten (der anfangs auf ihrer Mailbox zu hörende Freund von Michelle wird übrigens von Bradley Cooper gesprochen) und sich im Bunker
das Geschehen größtenteils auf die latent unheilverheißende Spannungssituation
zwischen Howard auf der einen Seite und Michelle und Emmett auf der anderen
konzentriert, kommen wir ihnen nicht wirklich nahe. Allerdings ist das
offensichtlich gar nicht unbedingt notwendig, denn durch die gut geschriebenen
Dialoge und das glänzende Schauspiel vor allem von Goodman und Winstead – deren Michelle eben nicht die hilflose "Jungfrau in Nöten"
ist, als die sie Howard zu betrachten scheint, sondern eine starke,
selbstbestimmte junge Frau – sowie das resultierende permanente Rätselraten
über die wahren Hintergründe des angeblichen Angriffs muß man gar nicht mehr über die zentralen Charaktere
wissen. Es wäre zwar schön, ist aber keineswegs zwingend notwendig. Und
jegliche Anflüge von Langeweile, die man angesichts des beengten Szenarios
erwarten könnte, werden zuverlässig durch einen unerwarteten Tempowechsel oder
eine spannende Entdeckung zerstreut. Über den letzten Akt von "10
Cloverfield Lane" (den man durchaus schlüssig als Metapher interpretieren kann, wie diese lange, aber sehr lesenswerte englischsprachige Analyse ausführt – eine SPOILER-Warnung sollte klar sein!) kann man mit Sicherheit lange diskutieren, zumal er
tonal schon eine arg abrupte Veränderung zum davor Erlebten ist – dennoch ist
er für mich inhaltlich schlüssig und weckt viel Vorfreude auf eine mögliche
Fortsetzung, die dann aber hoffentlich nicht ganz so lange auf sich warten läßt
…
Fazit: "10 Cloverfield Lane" ist trotz eines kontroversen Endes ein
spannendes Mystery-Thriller-Kammerspiel, souverän inszeniert, klug und
abwechslungsreich geschrieben und von den drei Hauptdarstellern hervorragend
gespielt – nur die Figurenzeichnung hätte gern noch tiefgründiger ausfallen dürfen.
Wertung: 8 Punkte.
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