Originaltitel: Changeling
Regie:
Clint Eastwood, Drehbuch: J. Michael Straczynski, Musik: Clint Eastwood
Darsteller:
Angelina Jolie, John Malkovich, Jeffrey Donovan, Michael Kelly, Colm Feore, Amy
Ryan, Jason Butler Harner, Denis O'Hare, Geoff Pierson, Gattlin Griffith, Peter
Gerety
FSK: 12, Dauer: 142 Minuten.
Los Angeles im Jahr 1928: Als die alleinerziehende Mutter Christine Collins (Angelina
Jolie, "Mr. & Mrs. Smith") am frühen Abend von der Arbeit
heimkommt, ist ihr 9-jähriger Sohn Walter (Gattlin Griffith, "Labor Day") spurlos
verschwunden. Fünf Monate später bringt ihr die Polizei einen Jungen (Devon Conti), der
behauptet, Walter Collins zu sein – Christine ist sich jedoch absolut
sicher, daß der Junge lügt. Indem Chrisine in der Folge Beweise für ihre
Behauptung sammelt und sich an die Medien wendet, wird sie für die nach
mehreren Skandalen sowieso schlecht beleumundete Polizei von Los Angeles zu
einer echten Belastung – und schließlich kurzerhand vom skrupellosen Captain Jones
(Jeffrey Donovan aus der TV-Serie "Burn Notice") in die psychiatrische Anstalt verfrachtet. Das ruft immerhin den einflußreichen, polizeikritischen
Reverend Briegleb (John Malkovich, "Burn After Reading") auf den
Plan, der eine Kampagne zur Freilassung Christines startet …
Kritik:
Wenn man "Der fremde Sohn" sieht, möchte man den Drehbuch-Autor J. Michael Straczynski ("Ninja Assassin", Schöpfer der TV-Serie "Babylon 5") eigentlich bitten, er möge beim nächsten Mal doch bitteschön seine Phantasie im Sinne der Glaubwürdigkeit ein klein wenig mehr im Zaum halten. Das Problem ist: Die Geschichte, die er hier präsentiert, ist erschreckenderweise nicht nur in ihren Grundzügen tatsächlich wahr, auch wenn sich Straczynski in den Details und den Dialogen natürlich schöpferische Freiheiten genommen hat (nach seiner Aussage beruhen satte 95% des Drehbuches aus Informationen, die er aus historischen Dokumenten bezog). Daß auch Regisseur Clint Eastwood bei seiner Inszenierung auf Authentizität setzt, läßt sich schon daran ablesen, daß er die schockierende Story nicht etwa zu einem konventionellen Thriller oder einem klassischen Tränenzieher verarbeitet hat, sondern eine im Ton erstaunlich sachlich bleibende Genremischung schuf. "Der fremde Sohn" teilt sich nämlich in drei mehr oder weniger gleichberechtigte, teilweise parallel und mit vielen Perspektivwechseln erzählte Handlungsstränge: Christine Collins' verzweifelte, aber hartnäckige Suche nach ihrem Sohn; der Kampf des engagierten Reverend Briegleb gegen die korruptionsverseuchte Stadtführung und Polizei der "Stadt der Engel"; und eine dritte Storyline rund um den integren Detective Ybarra (Michael Kelly, "Man of Steel"), die ich an dieser Stelle nicht spoilern möchte.
Durch diese Dreiteilung und die vergleichsweise nüchterne Erzählweise wirkt "Der fremde Sohn" zunächst zwar trotz der Emotionalität der Geschehnisse überraschend distanziert – aber gerade aufgrund dieser Sachlichkeit wirkt das, was dem Zuschauer nach und nach präsentiert wird, umso dramatischer nach. Zudem sorgt Angelina Jolies angenehm zurückgenommene, in den entscheidenden Momenten dafür hochemotionale Darbietung dafür, daß der auf jeglichen Sensationalismus verzichtende Erzählton nie in Langeweile oder Desinteresse beim Zuschauer mündet. Das sollte angesichts der aufwühlenden Ungerechtigkeiten, denen Christine Collins wieder und wieder ausgesetzt ist, aber sowieso fast unmöglich sein. Wie sorgfältig Straczynski und Eastwood die anfangs noch zerfaserte, später aber immer intensiver präsentierte Handlung vorantreiben, nötigt Respekt ab, auch wenn sich infolge der zahlreichen Perspektivwechsel einige etwas härtere Brüche im Erzählfluß nicht ganz vermeiden lassen.
Bei der Besetzung hat Clint Eastwood anders bei vielen seiner früheren Regiearbeiten (z.B. "Erbarmungslos", "Space Cowboys" oder "Mystic River") weniger auf große Stars gesetzt als auf ein ausgesprochen sorgfältiges Casting. Angelina Jolie ist natürlich die große Ausnahme, was die Stars betrifft, aber mit ihrer phantastischen, hochgradig einfühlsamen Darbietung, die neben ihrem OSCAR-prämierten Durchbruch in James Mangolds "Durchgeknallt" (und vielleicht noch Michael Winterbottoms "Ein mutiger Weg") die beste schauspielerische Leistung ihrer Karriere ist, fügt sie sich ebenso glänzend in das gute Ensemble ein wie John Malkovich, der als engagierter Reverend zu den (wenigen) großen Sympathieträgern des Films zählt. Beinahe ein Geniestreich ist jedoch vor allem die Besetzung Jeffrey Donovans als Police Captain J.J. Jones. Äußerlich ein gut aussehender Strahlemann mit zunächst mitfühlender, sympathischer Ausstrahlung, offenbart er bald tiefe Abgründe und agiert dabei stets überzeugend diabolisch, ohne jemals wie ein übertriebener Klischee-Bösewicht zu wirken. Vielmehr nimmt man ihm problemlos ab, daß es solche Gestalten wie Jones in der echten, skandalumwitterten Polizei von Los Angeles in jener Ära gegeben hat. Auch Michael Kelly als "guter" Detective Lester Ybarra, Colm Feore ("Thor") als Polizeichef, Amy Ryan ("Gone Baby Gone") als eine weitere von der Polizei willkürlich in die Irrenanstalt geschickte Frau und Jason Butler Harner ("Non-Stop") als Krimineller zeigen überzeugende Leistungen.
Grobes Lob hat zudem die detailgetreue Ausstattung verdient, die das Los Angeles der 1920er Jahre lebensecht auf die Leinwand transportiert und zurecht für einen OSCAR nominiert wurde (zwei weitere Nominierungen gab es für Jolie sowie Kameramann Tom Stern). Und Multitalent Clint Eastwood hat neben seiner souveränen – von manchen Kritikern als etwas zu altbacken bemängelten – Regie auch eine unaufdringlich schöne, einfühlsame Filmmusik komponiert, die immerhin für einen Golden Globe nominiert wurde.
Fazit: "Der fremde Sohn" ist ein sehr gelungener, bewegender Mix aus Thriller und Drama mit aufwühlender Story in einem spannenden Setting sowie einer hervorragenden Hauptdarstellerin Angelina Jolie, der jedoch aufgrund der thematischen Dreiteilung nicht immer ganz wie aus einem Guß wirkt.
Wenn man "Der fremde Sohn" sieht, möchte man den Drehbuch-Autor J. Michael Straczynski ("Ninja Assassin", Schöpfer der TV-Serie "Babylon 5") eigentlich bitten, er möge beim nächsten Mal doch bitteschön seine Phantasie im Sinne der Glaubwürdigkeit ein klein wenig mehr im Zaum halten. Das Problem ist: Die Geschichte, die er hier präsentiert, ist erschreckenderweise nicht nur in ihren Grundzügen tatsächlich wahr, auch wenn sich Straczynski in den Details und den Dialogen natürlich schöpferische Freiheiten genommen hat (nach seiner Aussage beruhen satte 95% des Drehbuches aus Informationen, die er aus historischen Dokumenten bezog). Daß auch Regisseur Clint Eastwood bei seiner Inszenierung auf Authentizität setzt, läßt sich schon daran ablesen, daß er die schockierende Story nicht etwa zu einem konventionellen Thriller oder einem klassischen Tränenzieher verarbeitet hat, sondern eine im Ton erstaunlich sachlich bleibende Genremischung schuf. "Der fremde Sohn" teilt sich nämlich in drei mehr oder weniger gleichberechtigte, teilweise parallel und mit vielen Perspektivwechseln erzählte Handlungsstränge: Christine Collins' verzweifelte, aber hartnäckige Suche nach ihrem Sohn; der Kampf des engagierten Reverend Briegleb gegen die korruptionsverseuchte Stadtführung und Polizei der "Stadt der Engel"; und eine dritte Storyline rund um den integren Detective Ybarra (Michael Kelly, "Man of Steel"), die ich an dieser Stelle nicht spoilern möchte.
Durch diese Dreiteilung und die vergleichsweise nüchterne Erzählweise wirkt "Der fremde Sohn" zunächst zwar trotz der Emotionalität der Geschehnisse überraschend distanziert – aber gerade aufgrund dieser Sachlichkeit wirkt das, was dem Zuschauer nach und nach präsentiert wird, umso dramatischer nach. Zudem sorgt Angelina Jolies angenehm zurückgenommene, in den entscheidenden Momenten dafür hochemotionale Darbietung dafür, daß der auf jeglichen Sensationalismus verzichtende Erzählton nie in Langeweile oder Desinteresse beim Zuschauer mündet. Das sollte angesichts der aufwühlenden Ungerechtigkeiten, denen Christine Collins wieder und wieder ausgesetzt ist, aber sowieso fast unmöglich sein. Wie sorgfältig Straczynski und Eastwood die anfangs noch zerfaserte, später aber immer intensiver präsentierte Handlung vorantreiben, nötigt Respekt ab, auch wenn sich infolge der zahlreichen Perspektivwechsel einige etwas härtere Brüche im Erzählfluß nicht ganz vermeiden lassen.
Bei der Besetzung hat Clint Eastwood anders bei vielen seiner früheren Regiearbeiten (z.B. "Erbarmungslos", "Space Cowboys" oder "Mystic River") weniger auf große Stars gesetzt als auf ein ausgesprochen sorgfältiges Casting. Angelina Jolie ist natürlich die große Ausnahme, was die Stars betrifft, aber mit ihrer phantastischen, hochgradig einfühlsamen Darbietung, die neben ihrem OSCAR-prämierten Durchbruch in James Mangolds "Durchgeknallt" (und vielleicht noch Michael Winterbottoms "Ein mutiger Weg") die beste schauspielerische Leistung ihrer Karriere ist, fügt sie sich ebenso glänzend in das gute Ensemble ein wie John Malkovich, der als engagierter Reverend zu den (wenigen) großen Sympathieträgern des Films zählt. Beinahe ein Geniestreich ist jedoch vor allem die Besetzung Jeffrey Donovans als Police Captain J.J. Jones. Äußerlich ein gut aussehender Strahlemann mit zunächst mitfühlender, sympathischer Ausstrahlung, offenbart er bald tiefe Abgründe und agiert dabei stets überzeugend diabolisch, ohne jemals wie ein übertriebener Klischee-Bösewicht zu wirken. Vielmehr nimmt man ihm problemlos ab, daß es solche Gestalten wie Jones in der echten, skandalumwitterten Polizei von Los Angeles in jener Ära gegeben hat. Auch Michael Kelly als "guter" Detective Lester Ybarra, Colm Feore ("Thor") als Polizeichef, Amy Ryan ("Gone Baby Gone") als eine weitere von der Polizei willkürlich in die Irrenanstalt geschickte Frau und Jason Butler Harner ("Non-Stop") als Krimineller zeigen überzeugende Leistungen.
Grobes Lob hat zudem die detailgetreue Ausstattung verdient, die das Los Angeles der 1920er Jahre lebensecht auf die Leinwand transportiert und zurecht für einen OSCAR nominiert wurde (zwei weitere Nominierungen gab es für Jolie sowie Kameramann Tom Stern). Und Multitalent Clint Eastwood hat neben seiner souveränen – von manchen Kritikern als etwas zu altbacken bemängelten – Regie auch eine unaufdringlich schöne, einfühlsame Filmmusik komponiert, die immerhin für einen Golden Globe nominiert wurde.
Fazit: "Der fremde Sohn" ist ein sehr gelungener, bewegender Mix aus Thriller und Drama mit aufwühlender Story in einem spannenden Setting sowie einer hervorragenden Hauptdarstellerin Angelina Jolie, der jedoch aufgrund der thematischen Dreiteilung nicht immer ganz wie aus einem Guß wirkt.
Wertung: 8,5 Punkte.
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