Regie und Drehbuch: Guy Ritchie, Musik: Christopher Benstead
Darsteller: Matthew McConaughey, Charlie Hunnam, Hugh Grant,
Michelle Dockery, Jeremy Strong, Colin Farrell, Henry Golding, Eddie Marsan,
Tom Wu, Jason Wong, Chidi Ajufo, Bugzy Malone, Lyne Renee, Eliot Sumner, Danny
Griffin, Samuel West, Geraldine Somerville, Franz Drameh, Togo Igawa
FSK: 16, Dauer: 114 Minuten.
Der in einer Wohnwagensiedlung aufgewachsene US-Amerikaner
Mickey Pearson (Matthew McConaughey, "Interstellar") hat sich mit
harter Arbeit ein Oxford-Stipendium verdient – an der britischen
Eliteuniversität fand er allerdings schnell heraus, daß er zwar ein guter Student, aber
ein sogar noch viel talentierterer Drogendealer ist. Über die Jahre baute sich
Mickey in London ein großes Drogenimperium auf, wobei er sich aus moralischen Gründen auf
weiche Drogen wie Marijuana konzentrierte. In mittlerem Alter will Mickey seinen Reichtum gemeinsam mit seiner Ehefrau Rosalind (Michelle Dockery,
"Downton Abbey") genießen und deshalb sein Imperium an seinen
vornehmen jüdischen Landsmann Matthew Berger (Jeremy Strong, "Molly's Game") verkaufen. Als jedoch die das Geschäft mit harten Drogen
kontrollierenden Chinesen um Lord George (Tom Wu, "Shanghai Knights") und seinen
ehrgeizigen Sohn Dry Eye (Henry Golding, "Nur ein kleiner Gefallen")
Wind davon bekommen, machen sie ein Gegenangebot, auf dessen Ablehnung sie einigermaßen verstimmt reagieren. Und dann ist da noch der windige Boulevard-Reporter
Fletcher (Hugh Grant, "Florence Foster Jenkins"), der Mickey
zu erpressen gedenkt und dessen loyaler rechter Hand Raymond Smith (Charlie Hunnam,
"Die versunkene Stadt Z") alles Belastende präsentiert, das er in den
letzten Monaten gesammelt hat und sofort seinem Chef Big Dave (Eddie Marsan,
"Atomic Blonde") für eine Skandalstory überlassen könnte …
Kritik:
Der britische Filmemacher Guy Ritchie präsentiert mit
"The Gentlemen" seine elfte Regiearbeit, seine
fünfte Gangsterkomödie. Wenngleich seine größten kommerziellen Erfolge in
Hollywood entstanden ("Sherlock Holmes", "Aladdin"), kann
man wohl mit Fug und Recht behaupten, daß den weit
günstigeren, überwiegend in und um London gedrehten Gangsterkomödien Ritchies
wahre Leidenschaft gilt. Die längst Kultstatus einnehmenden "Bube, Dame,
König, GrAs" und "Snatch" machten ihn global bekannt, mit
"Revolver" (wenn auch mißglückt) und "RocknRolla" fand er
nach dem epischen Megaflop "Stürmische Liebe" mit seiner damaligen Gattin
Madonna zurück in die Spur und nach Hollywood. "The Gentlemen" dürfte
zumindest auf den ersten Blick eine weniger wegweisende Stellung in Guy Ritchies
Filmographie einnehmen, schließlich folgt er direkt auf seinen ersten
Milliarden-Dollar-Erfolg "Aladdin" aus dem Sommer 2019 – als
"The Gentlemen" ab Ende 2018 gedreht wurde, konnte Ritchie das aber
natürlich noch wissen und nachdem seine beiden vorherigen Großproduktionen
"Codename U.N.C.L.E." und "King Arthur: Legend of the Sword" sich als erhebliche kommerzielle Flops erwiesen, mußte er mit einem
unmittelbar bevorstehenden Ende seiner Hollywood-Karriere rechnen. Ob "The
Gentlemen" nun also der Versuch war, seine Rückkehr aus Hollywood
vorzubereiten oder er einfach mal wieder Lust auf sein Lieblingsgenre hatte –
das Resultat dürfte jeden Ritchie-Fan erfreuen. Zwar reicht "The
Gentlemen" – dessen Handlung deutlich inspiriert ist von John Mackenzies britischem Gangsterfilm-Klassiker "Rififi am Karfreitag" aus dem Jahr 1980 – nicht ganz an "Bube, Dame, König, GrAs" und
"Snatch" heran, übertrifft aber locker "RocknRolla" ("Revolver" sowieso) und bietet fast zwei Stunden
lang beste Unterhaltung mit Starbesetzung.
Zugegeben, wer irgendwelche
neuen Facetten des Filmemachers Guy Ritchie sucht, der dürfte hier kaum fündig
werden, hält er sich doch eng an sein bewährtes Schema, das primär schräge
Gangsterfiguren, spielfreudige Stars, gewitzte Dialoge sowie haarsträubende
Storywendungen umfaßt. Man könnte meinen, beim fünften Film dieser Machart
würde das langsam langweilig (einige Kritiker bemängeln tatsächlich gewisse Abnutzungserscheinungen),
doch Guy Ritchie beherrscht die Klaviatur der Gangsterkomödie unverändert meisterhaft
und schafft es auch ohne bahnbrechende Neuerungen, seinem Publikum genau das zu bieten, was es erwartet. Nach einem überraschenden Prolog und einer stylishen
Vorspann-Sequenz besteht "The Gentlemen" größtenteils aus
Rückblenden, denn in der Gegenwarts-Rahmenhandlung erzählt der Reporter
Fletcher Mickey Pearsons Consigliere Raymond, welches belastende Material
er angesammelt hat und was er alles über Mickey und seine illegalen Geschäfte
weiß. Für ein wenig Spannung sorgt, daß die Rückblenden auf diese Weise Fletchers subjektiver Interpretation entsprechen, der bei aller Sorgfalt
natürlich nicht alle Details kennt und sich einiges zusammenreimen muß –
manchmal wird er von Raymond umgehend korrigiert, meist bleibt für das
Publikum jedoch offen, wie korrekt Fletchers unzuverlässige Erzählung ist. Es
ist ein wenig schade, daß Hugh Grants Rolle weitgehend auf diese (allerdings
recht umfangreiche) Rahmenhandlung beschränkt bleibt und er in der eigentlichen Handlung wenig zu tun bekommt, denn seine Interpretation des schmierigen Boulevard-Reporters
ist sehr unterhaltsam geraten (und hat dem Abhör-Opfer und seitdem
ausgesprochenen Boulevard-Kritiker Grant mit Sicherheit viel Freude bereitet).
Daß "The Gentlemen" nicht ganz die Klasse der
ersten beiden Ritchie-Filme erreicht, liegt vor allem daran, daß es ihm ein
wenig an Identifikationsfiguren mangelt. Gerade bei "Bube, Dame, König,
GrAs" war es für die Zuschauer sehr leicht, sich mit den sympathischen
kleinkriminellen Kiffern verbunden zu fühlen, die unverhofft in tiefe, haiverseuchte
Gewässer geraten und sich mit Glück und Geschick irgendwie wieder daraus
befreien müssen. In "The Gentlemen" funktioniert das weniger
gut, da die Hauptfiguren drei stinkreiche Gangsterbosse und ihr direktes
Umfeld sind. Das soll nicht heißen, daß diese Charaktere nicht interessant und
charismatisch wären, aber sie bleiben einem doch relativ fremd, zumal sich
aufgrund des großen Ensembles kaum eine Figurenentwicklung nachvollziehen
läßt. Am ehesten identifiziert man sich mit Raymond, der als Mickeys
rechte Hand relativ normal wirkt und sich auch selbst die Hände schmutzig
macht. Charlie Hunnam, der seit dem Ende seiner Erfolgsserie "Sons of
Anarchy" schon viele spannende Hauptrollen ergattern konnte, leider
jedoch ohne damit das Kinopublikum nachhaltig von sich überzeugen zu können,
spielt den intelligenten und kaum aus der Ruhe zu bringenden Raymond
sympathisch, seine Wortgefechte mit Hugh Grants Fletcher machen durchgehend
Spaß. Zudem harmoniert er gut mit Matthew McConaughey, der seit seinem
OSCAR-Gewinn für "Dallas Buyers Club" im Jahr 2014 nur noch wenig
Glück mit der Rollenauswahl hatte ("The Sea of Trees", "Free
State of Jones", "Gold", "Der dunkle Turm",
"White Boy Rick", "Im Netz der Versuchung" und "Beach
Bum" wurden vom Publikum weitestgehend ignoriert und fielen zumeist auch
bei der Kritik durch), hier jedoch beweist, daß er es in Sachen Charisma und
Coolneß immer noch meisterhaft drauf hat. Als seine Konkurrenten Matthew und
Dry Eye überzeugen zudem Jeremy Strong und Henry Golding, als Scenestealer
erweist sich allerdings Colin Farrell ("Phantastische Tierwesen"), welcher als ehrenhafter Boxtrainer unfreiwillig in die
Geschichte verwickelt wird, sich aber als sehr einfallsreich erweist.
Wie alle Gangsterfilme von Guy Ritchie ist auch "The
Gentlemen" größtenteils Männersache, doch zumindest gibt es diesmal mit
Mickeys Ehefrau Rosalind eine weibliche Hauptfigur, die auch dank Michelle
Dockerys selbstbewußter Darstellung weit mehr als bloßes Beiwerk ist, sondern
einige richtig starke Szenen hat. Obwohl "The Gentlemen" von
zahllosen harten Typen getragen wird, muß man Ritchie anrechnen, daß er die
genretypische Macho-Mentalität immer wieder amüsant unterläuft und auf diese Weise für
ein paar gelungene Überraschungen sorgt (so läuft etwa eine Auseinandersetzung in einer von
Mickeys Drogenfarmen etwas anders ab als es zunächst den
Anschein hat). Überhaupt hält sich die Action vergleichsweise in
Grenzen. Zwar gibt es natürlich einige gut choreographierte Kämpfe und
Verfolgungssequenzen, doch in erster Linie setzt Ritchie korrekterweise auf die
vielen schrägen Figuren, das komplizierte und ständig wechselnde
Beziehungsgeflecht zwischen ihnen und die pointenreichen Dialoge (sowie eine sehr lässige Musikauswahl mit Songs von Cream, Roxy Music, Can oder The Jam). Nicht jede
Wendung weiß wirklich zu überraschen, speziell Ritchie-Fans dürften die
Gedankengänge des Filmemachers inzwischen gut genug kennen, um einige Handlungsfäden ziemlich genau vorhersehen zu können. Ein Problem ist das aber nur
bedingt, denn letzten Endes will "The Gentlemen" einfach nur gut
unterhalten und das gelingt problemlos. Originalität hin oder her, der
Gangsterkomödien-Ritchie ist und bleibt mein Lieblings-Ritchie. Und ich bin mir
sicher, daß das nicht nur ich so sehe. Das Ende läßt übrigens durchaus die
Möglichkeit einer Fortsetzung offen und da "The Gentlemen"
erfreulicherweise mehr als das Fünffache seiner überschaubaren
Produktionskosten von gut $20 Mio. eingespielt hat, könnte es sehr wohl eine
geben. Ich würde mich freuen.
Fazit: "The Gentlemen" ist eine rasante
Gangsterkomödie, die zwar nur wenig Neues zu bieten hat, aber mit spielfreudigen
Stars und amüsanten Dialogen glänzend unterhält.
Wertung: 8 Punkte.
Bei Gefallen an meinem Blog würde ich mich über die Unterstützung von "Der Kinogänger" mittels etwaiger Bestellungen über einen der amazon.de-Links in den Rezensionen oder über das amazon.de-Suchfeld in der rechten Spalte freuen, für die ich eine kleine Provision erhalte.
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