Originaltitel: Torpedo
Regie: Sven Huybrechts, Drehbuch: Johan Horemans und Sven
Huybrechts, Musik: Hannes De Maeyer
Darsteller: Koen De Bouw, Thure Riefenstein, Ella-June
Henrard, Joren Seldeslachts, Sven De Ridder, Bert Haelvoet, Stefan Perceval,
Rudy Mukendi, Vic de Wachter, Martin Semmelrogge, Robrecht Vanden Thoren, Gilles De Schryver, Ansgar Sinnecker
Belgien, 1941: Die Widerstands-Gruppe um Stan (Koen De Bouw,
"Loft – Tödliche Affären") ist sogar unter den Alliierten verrufen, da
sie mit höchster Grausamkeit und ohne Rücksicht auf strategisches Vorgehen
unter den Nazis für Angst und Schrecken sorgt. Dennoch besteht der erfahrene
Kapitän Maes (Vic de Wachter, "Mörder ohne Erinnerung") darauf, daß
genau diese Gruppe ihn bei einem Himmelfahrtskommando unterstützen soll: Mit
einem von den Deutschen erbeuteten U-Boot wollen Maes, Stan und seine Kameraden Uran aus dem Kongo in die USA transportieren, damit die Amerikaner vor den Deutschen die
erste Atombombe einsatzbereit machen können. In der Bedienung des U-Boots soll
die Crew der kriegsmüde Kriegsgefangene Kapitänleutnant Franz Jäger (Thure Riefenstein,
TV-Reihe "Jack Hunter") in einem dreiwöchigen Crashkurs unterweisen. Nach
einem Zwischenfall kommt es allerdings zu einem überstürzten Aufbruch ohne Kapitän
Maes, jedoch mit Jäger, Stans erwachsener Tochter Nadine (Ella-June Henrard,
"Der Admiral") und dem Kongolesen Jenga (Rudy Mukendi) – die
eigentlich an Land zurückbleiben sollten. Nun muß Stan also mit Jägers Hilfe
mit dem U-Boot durch feindliche Gewässer halbwegs unbeschadet den Atlantik
durchqueren …
Kritik:
Bereits in der amüsanten, wenn auch nur begrenzt
glaubwürdigen Eingangssequenz macht der belgische Regisseur und Drehbuch-Autor
Sven Huybrechts in seinem Langfilm-Debüt seinem Publikum klar, daß es sich bei
"U-235 – Abtauchen, um zu überleben" keinesfalls um einen konventionellen
Kriegsfilm handelt, sondern eindeutig Quentin Tarantinos "Inglourious
Basterds" Pate stand. Sich ambitionierte Ziele zu setzen ist natürlich niemals
falsch, allerdings wird hier schnell klar, daß Huybrechts kein Tarantino ist.
Sein "U-235" ist grundsätzlich ein handwerklich gut
gemachter, unterhaltsamer Abenteuer-Kriegsfilm, der recht krampfhaft auf "krass" getrimmt
wurde. Doch wo Tarantino ein Meister darin ist, die Grenzen des guten
Geschmacks haarscharf auszuloten (wobei diese Einschätzung natürlich von
Zuschauer zu Zuschauer variieren kann; es gibt ja auch Menschen, die Tarantinos
Stil für geschmacklos halten), gelingt das Huybrechts nicht so richtig. Dabei
ist es nicht nur so, daß die von ihm nach dem Auftakt wenigstens nicht mehr im
Übermaß eingestreuten, aber teilweise ziemlich harten bis ekligen Extremszenen
den Film nicht besser machen – sie schaden ihm sogar, da sie nicht so richtig hineinpassen und die Protagonisten unsympathischer machen. Da der Handlung im
recht zähen letzten Drittel auch noch erkennbar die Luft und die Ideen
ausgehen, gelingt es "U-235" nie, sein Potential auszuschöpfen.
Solide Genre-Unterhaltung ist Huybrechts gelungen, es wäre jedoch
deutlich mehr drin gewesen.
Am besten funktioniert "U-235" zweifellos im
Mittelteil. Der Beginn des Films ist zweckmäßig, um die Badass-Widerständler
einzuführen (von denen aber eigentlich nur drei genügend Profil entwickeln, um
sie problemlos auseinanderhalten zu können), wirkt aber eben ein bißchen
zu gewollt, zumal die Art und Weise, wie sich Stan und seine Kameraden zur riskanten Mission überreden lassen, wenig glaubwürdig rüberkommt. Wirklich
interessant wird die Handlung, als der deutsche Kapitänleutnant Jäger ins Spiel
kommt. Er ist kein fanatischer Nazi, sondern ein Berufssoldat, der dieses Krieges
längst überdrüssig ist und deshalb zusagt, den Belgiern zu helfen – wenn auch in erster Linie
deshalb, weil er ja laut Plan nicht mitkommen muß … Thure Riefenstein, der annähernd 20 Jahre
zuvor mit einem anderen europäischen Kriegsfilm – dem hochgelobten
tschechischen "Dark Blue World" – international bekannt wurde, spielt die Rolle mit genau der richtigen Mischung aus lakonischer
Schicksalsergebenheit, sprödem Charisma und antrainierter Zielstrebigkeit, womit er einen guten Widerpart zu
Koen De Bouws (wie wir in Rückblenden erfahren: aus gutem Grund)
Nazi-hassendem, aufbrausenden und gegenüber dem Feind genußvoll grausamen Stan
abgibt. Ironischerweise wirkt Jäger sogar sympathischer als die meisten
Widerständler, welche in Huybrechts Bemühen, sie á la "Inglourious
Basterds" als ultracoole Kämpfer für die Gerechtigkeit zu zeigen,
teils arg einfältig rüberkommen – einzige Ausnahmen sind Stans
Scharfschützen-Tochter Nadine und mit leichten Abstrichen ihr Freund Filip (Joren
Seldeslachts, TV-Serie "Mirage").
Vermutlich als Hommage an DEN U-Boot-Film schlechthin,
Wolfgang Petersens "Das Boot", ist in einer Nebenrolle als
sadistischer SS-Offizier übrigens Martin Semmelrogge zu sehen, der die fast schon cartoonartige
Boshaftigkeit seiner Rolle mit sichtlichem Genuß (bis hin zum Overacting)
ausspielt. Der Ausbildungs-Crashkurs im U-Boot-Fahren wird derweil zwar
ziemlich oberflächlich abgehandelt, macht aber durchaus Laune. Das gilt ebenso
für die angespannten Interaktionen zwischen Jäger und den Nazi-Jägern (no pun intended) sowie den
überstürzten Aufbruch und die erste Phase der langen Reise nach Amerika. Hier
werden typische U-Boot-Film-Klischees nicht ausgespart, sind aber unterhaltsam und
spannend in Szene gesetzt, es gibt sogar ein paar nette Ideen und die
Spezialeffekte können sich ebenfalls sehen lassen. Es ist bedauerlich, daß
"U-235" diese Qualität nicht bis zum Ende durchhält, sondern in ein
wenig einfallsreiches, zudem viel zu breit ausgewälztes Finale mündet, das eher
langweilt als fesselt. Mit ein wenig besseren Drehbuch-Einfällen, etwas
überzeugenderer Figurenzeichnung und dem Verzicht auf die erwähnten Ekelszenen
hätte "U-235" ein richtig gutes Kriegsabenteuer werden können – so
ist es ein mittelmäßiges mit einigen guten Phasen geworden.
Fazit: "U-235 – Abtauchen, um zu überleben" ist ein solider europäischer Abenteuer-Kriegsfilm, der seine ziemlich dünne Story weitgehend routiniert und unterhaltsam umsetzt, aber an einem schwachen Finale und zu gewollter und inhaltlich unnötiger "Krassheit" leidet.
Wertung: Knapp 6,5 Punkte.
"U-235 – Abtauchen, um zu überleben" ist digital seit 8. Oktober 2020 erhältlich und erscheint am 22. Oktober 2020 von EuroVideo Medien auf DVD und Blu-ray. Bonusmaterial gibt es abseits des Trailers keines, leider auch keine Untertitel. Ein Rezensionsexemplar wurde mir netterweise vom Entertainment Kombinat zur Verfügung gestellt.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen