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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Dienstag, 20. Oktober 2020

U-235 – ABTAUCHEN, UM ZU ÜBERLEBEN (2019)

Originaltitel: Torpedo
Regie: Sven Huybrechts, Drehbuch: Johan Horemans und Sven Huybrechts, Musik: Hannes De Maeyer
Darsteller: Koen De Bouw, Thure Riefenstein, Ella-June Henrard, Joren Seldeslachts, Sven De Ridder, Bert Haelvoet, Stefan Perceval, Rudy Mukendi, Vic de Wachter, Martin Semmelrogge, Robrecht Vanden Thoren, Gilles De Schryver, Ansgar Sinnecker
U-235 - Abtauchen, um zu überleben
(2019) on IMDb Rotten Tomatoes: -; FSK: 16, Dauer: 103 Minuten.

Belgien, 1941: Die Widerstands-Gruppe um Stan (Koen De Bouw, "Loft – Tödliche Affären") ist sogar unter den Alliierten verrufen, da sie mit höchster Grausamkeit und ohne Rücksicht auf strategisches Vorgehen unter den Nazis für Angst und Schrecken sorgt. Dennoch besteht der erfahrene Kapitän Maes (Vic de Wachter, "Mörder ohne Erinnerung") darauf, daß genau diese Gruppe ihn bei einem Himmelfahrtskommando unterstützen soll: Mit einem von den Deutschen erbeuteten U-Boot wollen Maes, Stan und seine Kameraden Uran aus dem Kongo in die USA transportieren, damit die Amerikaner vor den Deutschen die erste Atombombe einsatzbereit machen können. In der Bedienung des U-Boots soll die Crew der kriegsmüde Kriegsgefangene Kapitänleutnant Franz Jäger (Thure Riefenstein, TV-Reihe "Jack Hunter") in einem dreiwöchigen Crashkurs unterweisen. Nach einem Zwischenfall kommt es allerdings zu einem überstürzten Aufbruch ohne Kapitän Maes, jedoch mit Jäger, Stans erwachsener Tochter Nadine (Ella-June Henrard, "Der Admiral") und dem Kongolesen Jenga (Rudy Mukendi) – die eigentlich an Land zurückbleiben sollten. Nun muß Stan also mit Jägers Hilfe mit dem U-Boot durch feindliche Gewässer halbwegs unbeschadet den Atlantik durchqueren …

Kritik:
Bereits in der amüsanten, wenn auch nur begrenzt glaubwürdigen Eingangssequenz macht der belgische Regisseur und Drehbuch-Autor Sven Huybrechts in seinem Langfilm-Debüt seinem Publikum klar, daß es sich bei "U-235 – Abtauchen, um zu überleben" keinesfalls um einen konventionellen Kriegsfilm handelt, sondern eindeutig Quentin Tarantinos "Inglourious Basterds" Pate stand. Sich ambitionierte Ziele zu setzen ist natürlich niemals falsch, allerdings wird hier schnell klar, daß Huybrechts kein Tarantino ist. Sein "U-235" ist grundsätzlich ein handwerklich gut gemachter, unterhaltsamer Abenteuer-Kriegsfilm, der recht krampfhaft auf "krass" getrimmt wurde. Doch wo Tarantino ein Meister darin ist, die Grenzen des guten Geschmacks haarscharf auszuloten (wobei diese Einschätzung natürlich von Zuschauer zu Zuschauer variieren kann; es gibt ja auch Menschen, die Tarantinos Stil für geschmacklos halten), gelingt das Huybrechts nicht so richtig. Dabei ist es nicht nur so, daß die von ihm nach dem Auftakt wenigstens nicht mehr im Übermaß eingestreuten, aber teilweise ziemlich harten bis ekligen Extremszenen den Film nicht besser machen – sie schaden ihm sogar, da sie nicht so richtig hineinpassen und die Protagonisten unsympathischer machen. Da der Handlung im recht zähen letzten Drittel auch noch erkennbar die Luft und die Ideen ausgehen, gelingt es "U-235" nie, sein Potential auszuschöpfen. Solide Genre-Unterhaltung ist Huybrechts gelungen, es wäre jedoch deutlich mehr drin gewesen.

Am besten funktioniert "U-235" zweifellos im Mittelteil. Der Beginn des Films ist zweckmäßig, um die Badass-Widerständler einzuführen (von denen aber eigentlich nur drei genügend Profil entwickeln, um sie problemlos auseinanderhalten zu können), wirkt aber eben ein bißchen zu gewollt, zumal die Art und Weise, wie sich Stan und seine Kameraden zur riskanten Mission überreden lassen, wenig glaubwürdig rüberkommt. Wirklich interessant wird die Handlung, als der deutsche Kapitänleutnant Jäger ins Spiel kommt. Er ist kein fanatischer Nazi, sondern ein Berufssoldat, der dieses Krieges längst überdrüssig ist und deshalb zusagt, den Belgiern zu helfen – wenn auch in erster Linie deshalb, weil er ja laut Plan nicht mitkommen muß … Thure Riefenstein, der annähernd 20 Jahre zuvor mit einem anderen europäischen Kriegsfilm – dem hochgelobten tschechischen "Dark Blue World" – international bekannt wurde, spielt die Rolle mit genau der richtigen Mischung aus lakonischer Schicksalsergebenheit, sprödem Charisma und antrainierter Zielstrebigkeit, womit er einen guten Widerpart zu Koen De Bouws (wie wir in Rückblenden erfahren: aus gutem Grund) Nazi-hassendem, aufbrausenden und gegenüber dem Feind genußvoll grausamen Stan abgibt. Ironischerweise wirkt Jäger sogar sympathischer als die meisten Widerständler, welche in Huybrechts Bemühen, sie á la "Inglourious Basterds" als ultracoole Kämpfer für die Gerechtigkeit zu zeigen, teils arg einfältig rüberkommen – einzige Ausnahmen sind Stans Scharfschützen-Tochter Nadine und mit leichten Abstrichen ihr Freund Filip (Joren Seldeslachts, TV-Serie "Mirage").

Vermutlich als Hommage an DEN U-Boot-Film schlechthin, Wolfgang Petersens "Das Boot", ist in einer Nebenrolle als sadistischer SS-Offizier übrigens Martin Semmelrogge zu sehen, der die fast schon cartoonartige Boshaftigkeit seiner Rolle mit sichtlichem Genuß (bis hin zum Overacting) ausspielt. Der Ausbildungs-Crashkurs im U-Boot-Fahren wird derweil zwar ziemlich oberflächlich abgehandelt, macht aber durchaus Laune. Das gilt ebenso für die angespannten Interaktionen zwischen Jäger und den Nazi-Jägern (no pun intended) sowie den überstürzten Aufbruch und die erste Phase der langen Reise nach Amerika. Hier werden typische U-Boot-Film-Klischees nicht ausgespart, sind aber unterhaltsam und spannend in Szene gesetzt, es gibt sogar ein paar nette Ideen und die Spezialeffekte können sich ebenfalls sehen lassen. Es ist bedauerlich, daß "U-235" diese Qualität nicht bis zum Ende durchhält, sondern in ein wenig einfallsreiches, zudem viel zu breit ausgewälztes Finale mündet, das eher langweilt als fesselt. Mit ein wenig besseren Drehbuch-Einfällen, etwas überzeugenderer Figurenzeichnung und dem Verzicht auf die erwähnten Ekelszenen hätte "U-235" ein richtig gutes Kriegsabenteuer werden können – so ist es ein mittelmäßiges mit einigen guten Phasen geworden.

Fazit: "U-235 – Abtauchen, um zu überleben" ist ein solider europäischer Abenteuer-Kriegsfilm, der seine ziemlich dünne Story weitgehend routiniert und unterhaltsam umsetzt, aber an einem schwachen Finale und zu gewollter und inhaltlich unnötiger "Krassheit" leidet.

Wertung: Knapp 6,5 Punkte.
 
"U-235 – Abtauchen, um zu überleben" ist digital seit 8. Oktober 2020 erhältlich und erscheint am 22. Oktober 2020 von EuroVideo Medien auf DVD und Blu-ray. Bonusmaterial gibt es abseits des Trailers keines, leider auch keine Untertitel. Ein Rezensionsexemplar wurde mir netterweise vom Entertainment Kombinat zur Verfügung gestellt.
 
Screenshots: © EuroVideo Medien

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