Originaltitel: Den blomstertid nu kommer
Regie: Crazy Pictures, Drehbuch: Christoffer Nordenrot, Crazy Pictures, Musik: Gustaf Spetz
Darsteller: Christoffer Nordenrot, Lisa Henni, Jesper Barkselius, Pia Halvorsen, Karin Bertling, Ulrika Bäckström, Magnus Sundberg, Krister Kern, Alexej Manvelov, Lo Lexfors
Rotten Tomatoes: 78% (6,8); weltweites Einspielergebnis: $0,01 Mio.
FSK: nicht geprüft, Dauer: 129 Minuten.
FSK: nicht geprüft, Dauer: 129 Minuten.
Vor mehr als zehn Jahren zerbrach nach einem desaströsen Weihnachtsabend die Familie des Teenagers Alex, der deshalb kurzerhand zu seinem Onkel zog. Inzwischen ist Alex (Christoffer Nordenrot, "Ein Mann namens Ove") ein international sehr erfolgreicher, wenn auch im Umgang nicht ganz einfacher Pianist, der nach einem rätselhaften Terroranschlag auf Schweden für eine Beerdigung erstmals in seine Heimat zurückkehrt. Dort trifft er unerwartet auf seine Jugendliebe Anna (Lisa Henni, "Easy Money"), die den Ort kurz vor ihm verlassen und ihm damit seine Flucht erleichtert hatte. Beider Gefühle flammen sofort wieder auf, doch für Romantik ist bald keine Zeit mehr: Der Anschlag erweist sich als nur der Beginn eines großangelegten Angriffs auf Schweden. Während die Regierung – darunter Annas Mutter Eva (Pia Halvorsen, TV-Serie "Real Humans"), die Agrarministerin – noch über die Identität der Angreifer und die geeigneten Gegenmaßnahmen berät, gerät Alex' Vater Björn (Jesper Barkselius, "Die Nacht der Jäger") direkt in die Schußlinie, als das Kraftwerk, in dem er arbeitet, von Bewaffneten attackiert wird. Nur gut, daß der paranoide ehemalige Soldat Björn sich seit Jahren auf eine russische Invasion vorbereitet hat …
Kritik:
Die anfängliche Euphorie um das Crowdfunding ist inzwischen ein Stück weit der Ernüchterung gewichen, konnten doch viele auf diese Weise durch Fans mitproduzierte Filme und Computer- respektive Videospiele die hohen Erwartungen nicht erfüllen. Daß Crowdfunding weiterhin seine Berechtigung hat, dafür liefert der schwedische Katastrophenfilm "The Unthinkable" ein gutes Beispiel ab. Zwar ist dem Regiekollektiv Crazy Pictures – das aus sechs Freunden besteht, die sympathischerweise schon in ihrer gemeinsamen Schulzeit mit dem Filmen begannen – sicher kein Meisterwerk gelungen und speziell das Drehbuch hat in den Details so einige Schwächen; dafür punktet "The Unthinkable" aber mit einer fesselnden, über weite Strecken sehr plausibel umgesetzten Prämisse. Die ist zugegebenermaßen nicht neu: Der australische Hit "Tomorrow, When the War Began" aus dem Jahr 2010 kommt einem in den Sinn, Hollywood beackerte die Thematik sogar schon in den 1980ern mit "Red Dawn", von dem 2012 zudem ein aktualisiertes Remake gedreht wurde; auch die norwegische TV-Serie "Occupied" geht in dieselbe Richtung. Deshalb ist die Thematik aber natürlich nicht weniger beklemmend, zumal sie gerade in Zeiten regelmäßiger Terroranschläge sowie eines global stark zunehmenden Nationalismus leider gar nicht mehr so unrealistisch erscheint.
Bei der Bewertung muß man "The Unthinkable" allerdings gedanklich zweiteilen. Auf der einen Seite steht die generelle Umsetzung der bedrohlichen Gesamtsituation, auf der anderen geht es um die persönlichen Erfahrungen der Protagonisten in der schwedischen Provinz um Alex, Anna und Björn. Und während die Gesamtsituation über weite Strecken sehr überzeugend und plausibel ausgespielt wird mit einer langsam, aber dramatisch zunehmenden Eskalation der Ereignisse und dem Rätselraten der Regierung hinsichtlich Tätern und Motiven, mangelt es den persönlichen Handlungssträngen immer stärker an Logik und Realismus, je mehr sie von dem anfänglichen reinen Beziehungskram (in dem der Terror nur im Hintergrund eine Rolle spielt) in die mögliche Invasion hineingezogen werden. Daß Alex und sein Vater Björn, obwohl fraglos gut gespielt, nicht gerade zu Sympathieträgern taugen, dürfte ebenfalls nicht jedem gefallen. Björn ist ein womöglich aus seiner Militärzeit unter einer posttraumatischen Belastungsstörung leidender jähzorniger Paranoiker, dessen Wissen und handwerkliches Können sich zwar in der Krisensituation als ungemein wichtig erweisen, aber nicht über die charakterlichen Schwächen hinwegtäuschen können. Ähnlich sieht es mit Alex aus, dessen Verbitterung man ob des im Prolog geschilderten folgenreichen Weihnachtsabends nachfühlen kann, der aber trotzdem in erster Linie als arrogantes, selbstsüchtiges Ekel daherkommt. Die unverhoffte Begegnung mit Anna offenbart zwar, daß unter der rauhen Schale auch bei Alex der vielbeschworene (relativ) weiche Kern liegt, der ist allerdings sehr tief vergraben. Natürlich ist es legitim, einen solchen Katastrophenfilm einmal nicht aus der Perspektive eines strahlenden Actionhelden á la Dwayne Johnson zu schildern, sondern aus der von Durchschnittsmenschen, die eher wie Antihelden wirken. Trotzdem ist zumindest ein gewisses Maß an Sympathie für die handelnden Personen eigentlich schon angeraten, wenn man als Zuschauer mit ihnen mitfiebern soll. Und da ich mir nicht sicher bin, ob der mit etwas mehr als zwei Stunden ohnehin recht lange Film ohne die familiären Konflikte nicht mindestens ebenso gut wäre, darf man deren Sinnhaftigkeit durchaus hinterfragen.
So müssen das Publikum eben andere Aspekte bei der Stange halten. Das gelingt zum Glück ausgezeichnet durch die erwähnte Eskalationsspirale, die bis zum letzten Filmdrittel sehr gut durchdacht ausgespielt wird. Während es Alex zunächst kaum anders ergeht als unsereins, wenn wir wieder einmal in den Nachrichten von einem neuen Terroranschlag hören, rückt die Gefahr schleichend immer näher und wird immer persönlicher. Es zeigt sich, daß es sich eben nicht um einen singulären Anschlag handelte, sondern lediglich um den verheerenden Auftakt einer Anschlagsserie, vielleicht sogar einer ausgewachsenen Invasion des Landes. Um die mit einigen Überraschungen aufwartende Story nicht zu spoilern, kann ich darauf leider nicht viel näher eingehen, aber es ist definitiv sehenswert, wie Alex zum ersten Mal ganz direkt mit der Bedrohung in Kontakt kommt, während gleichzeitig in Stockholm die Politiker inklusive Annas Mutter Eva noch im Dunkeln tappen. In dieser Phase zahlt sich zudem die vorher angesichts des Sympathiedefizits gefühlt überausführliche Figurenzeichnung aus, wenn die Protagonisten verzweifelt nach einem Ausweg sowie in der zunehmenden Panik und Ratlosigkeit aus den Augen verlorenen Familienangehörigen suchen. Das ist bedrückend real inszeniert und zugleich in ungemein atmosphärische Bilder gehüllt. Gerade die vielen Explosionseffekte sind für eine umgerechnet kaum mehr als zwei Millionen US-Dollar günstige Produktion bemerkenswert gut gelungen – allerdings scheinen die Filmemacher sich etwas zu sehr in sie verliebt zu haben, weshalb sie es im letzten Akt etwas damit übertreiben. Wobei das letztlich auf den gesamten Akt zutrifft, in dem die zuvor mühsam aufgebaute Plausibilität und Realitätsnähe zunehmend hollywoodesken Actionsequenzen samt Deus ex Machina-Momenten zum Opfer fallen. Das ist sehr schade, denn in den ruhigen, bedrückenden Momenten ist "The Unthinkable" richtig gut – als Actionfilm dagegen (trotz der gelungenen Spezialeffekte) bestenfalls Mittelmaß. Ach, und außerdem sollte man lieber nicht darüber nachdenken, ob die vermutlichen Ziele der Angreifer tatsächlich solch verheerende Methoden rechtfertigen oder ob man das gleiche Resultat nicht auch mit weit weniger Aufwand hätte erreichen können …
Fazit: Das schwedische Katastrophendrama "The Unthinkable" fesselt mit einer lange Zeit sehr glaubwürdig umgesetzten, bedrückenden Prämisse, schwächelt aber bei der Figurenzeichnung und im gesamten letzten Akt.
Wertung: 7 Punkte.
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