Originaltitel:
Mei ren yu
Regie:
Stephen Chow, Drehbuch: Chan Hing-ka, Kelvin Lee, Ho Miu-kei, Fung-Chih-chiang,
Lu Zhengyu, Ivy Kong, Tsang Kan-cheng und Stephen Chow, Musik: Raymond Wong
Darsteller:
Deng Chao, Jelly Lin, Zhang Yuqi, Show Lo, Ivan Kotik, Lu Zhengyu, Fan Shuzhen,
Wen Zhang, Kris Wu, Tsui Hark
FSK: 12, Dauer: 94 Minuten.
Liu Xuan (Deng Chao, "Detective Dee und das Geheimnis der Phantomflammen") ist ein junger Self-Made-Milliardär und
notorischer Playboy, der bei seinem Aufstieg aus armem Elternhaus zu
einem der reichsten Männer Chinas irgendwann sein Gewissen vergaß. Sein
neuester Deal ist der Kauf einer unter Naturschutz stehenden Bucht, die er zu
teurem Bauland aufschütten will, nachdem er die dort lebenden Delphine heimlich
durch ein spezielles Sonargerät vertrieben und so den
Naturschutzstatus aufgehoben hat. Was er nicht ahnt: Die Bucht ist die
Heimat einer größeren Gruppe von Meermenschen! Die entsenden aus ihrer Mitte
die hübsche Shan (Jelly Lin), als Mensch verkleidet, um Xuan zu ermorden – doch
nachdem dieser Anschlag auf groteske Art und Weise fehlschlägt, zeigt sich
Xuan fasziniert von der ungewöhnlichen jungen Frau, die zu seinem Erstaunen
überhaupt kein Interesse an seinem Geld zeigt. Kurz gesagt: Xuan verliebt sich
Hals über Kopf in Shan, die wiederum ebenfalls unerwartet Sympathie für ihren
Verehrer empfindet und daher in ihrer Entschlossenheit schwankt – Xuans
schöner, aber zwielichtiger Geschäftspartnerin Ruolan (Zhang Yuqi, "CJ7 – Nicht von dieser Welt") gefällt die
sich anbahnende Romanze derweil ganz und gar nicht, zumal sie selbst eine
heimliche Agenda verfolgt …
Kritik:
Es ist noch gar nicht so lange her, da sah es tatsächlich so
aus, als würde das chinesische Kino die Welt erobern – und zwar auf zwei Wegen,
nämlich dem festlandchinesischen und dem hongkong-chinesischen. Während die
auf dem Festland arbeitenden Filmemacher wegen der inzwischen etwas
gelockerten, aber immer noch deutlichen Zensurvorschriften vorwiegend mit künstlerisch
wertvollen Historienfilmen ("Rote Laterne", "Lebewohl, meine
Konkubine", "Hero") die internationalen Festivals eroberten, fand
das actionorientierte Hongkong-Kino viele Fans bei den amerikanischen und
europäischen Genreanhängern. Dabei reichte das Spektrum von den legendären Shaw
Brothers-Eastern (z.B. "Das goldene Schwert des Königstigers" oder
"Die 36 Kammern der Shaolin") von den 1960er bis in die frühen 1980er
Jahre hinein über klamaukige Komödien (z.B. viele Jackie Chan- und Sammo
Hung-Werke der 1980er Jahre) bis hin zu den kunstvoll choreographierten
Bleigewittern eines John Woo ("The Killer", "A Better Tomorrow") oder Johnnie To
("Election"), die viele Nachahmer in Hollywood fanden. Doch 2017 steht der weltweite Durchbruch des chinesischen Kinos trotz aller
Regierungsbemühungen noch immer aus, ja, die Industrie steht hinsichtlich ihrer globalen Relevanz sogar deutlich
schlechter da als vor 20 oder 30 Jahren. Den Grund dafür sehen viele im Wiederanschluß
der einstigen britischen Kronkolonie Hongkong an China im Jahr 1997.
Zwar hat sich Hongkong einige Sonderrechte bewahren können, doch viele
Filmschaffende zogen es trotzdem vor, die Metropole Richtung Hollywood oder Europa
zu verlassen, andere hatten vielleicht auch zufällig ihren
künstlerischen Zenit überschritten. Fakt ist: Obwohl chinesische Dramen immer
noch gerne gesehen Gäste bei den großen Filmfestivals sind, erreichen die
Genreproduktionen ein kleineres internationales Publikum als vor der
Jahrtausendwende. Als langjähriger Besucher des Fantasy Filmfests kann ich
aus eigener Erfahrung bestätigen, daß die dort präsentierten Werke nur noch
selten die von früher gewohnte hohe erzählerische und/oder handwerkliche
Qualität erreichen – zudem scheint die Inspiration verlorengegangen zu sein,
man sieht kaum etwas wirklich Neues, stattdessen viel
Wiedergekäutes und im negativen Sinne von Hollywood Abgeschautes (z.B. die
übergroße Rolle von Spezialeffekten). Natürlich gibt es immer noch Ausnahmen
wie die grandiose "Infernal Affairs"-Trilogie (deren erster Teil die Vorlage
für Martin Scorseses OSCAR-prämiertes, jedoch schwächeres Remake
"Departed" war), aber als langjähriger Fan des
Hongkong-Kinos kann ich meine Enttäuschung über die Entwicklung der
chinesischen Filmindustrie nicht verhehlen.
In gewisser Weise steht der hongkong-chinesische "The
Mermaid"-Regisseur Stephen Chow stellvertretend für die
Entwicklung, denn wo der Actionkomödien-Spezialist bis ins Jahr 2004 mit phantasievollen
Werken wie der Bond-Parodie "Liebesgrüße aus Peking", der
Tragikomödie "King of Comedy", der Sportkomödie
"Shaolin Kickers" und dem einfallsreichen Gaggewitter "Kung Fu
Hustle" glänzte, produzierte er anschließend relativ generische Massenware –
was den sehr guten chinesischen Einspielergebnissen aber nicht schadete.
Mit dem romantischen Fantasy-Märchen "The Mermaid" scheint Chow nun den Mittelweg zu versuchen: Eine originelle Prämisse mit vielen gelungenen
Gags trifft auf eine von A bis Z vorhersehbare Klischeestory. Das Resultat:
"The Mermaid" avancierte innerhalb weniger Wochen zum mit weitem Abstand kommerziell
erfolgreichsten chinesischen Film aller Zeiten (2017 wurde er von "Wolf Warrior 2" abgelöst)! Verdient ist das qualitativ eigentlich nicht wirklich und die internationale Reputation des
chinesischen Kinos wird Chows (übrigens mit einigen Cameos zum Beispiel von Regie- und
Produzentenlegende Tsui Hark angereichertes) Werk sicher nicht maßgeblich
steigern – aber Spaß macht er zweifellos. Und das ist ja nicht so ganz
unwichtig …
Allerdings muß ich einschränkend hinzufügen, daß der
Humor von "The Mermaid" doch recht gewöhnungsbedürftig ist – zumindest, wenn man
von westlichen Sehgewohnheiten ausgeht. Wer sich etwas mit nicht rein
dramatischen chinesischen Produktionen auskennt, der weiß, daß sie sich seit
jeher oft durch einen klamaukigen, slapstickhaften und schrill
übertriebenen Humor auszeichnen, mit dem sich westliche Zuschauer eher schwertun. "The Mermaid" macht da keine
Ausnahme und wirkt auf unvorbereitete Zuschauer zunächst wahrscheinlich primär
kindisch und albern – wobei es Chow mit dem besonders klamaukigen (und
inhaltlich eigentlich überflüssigen) Prolog den nicht-chinesischen Zuschauern sowieso
nicht sehr leicht macht. Man muß sich also einlassen auf Chows recht
speziellen Humor und man muß sich ein bißchen daran gewöhnen. Dann wird man allerdings feststellen, daß zwar bei weitem nicht jeder Gag funktioniert, das Ganze
aber mit einer solch herzerfrischend naiven Unschuld und gnadenlosen Konsequenz
dargeboten wird, daß es schwerfällt, es auf Dauer nicht ungemein
sympathisch zu finden. Da werden Erinnerungen wach an die Darbietungen eines
Peter Sellers ("Der rosarote Panther", "Der Partyschreck") oder
auch eines Rowan Atkinson ("Mr. Bean", "Black Adder",
"Johnny English"), die ebenso für selbstbewußten, elaborierten Slapstick
stehen. Mag in "The Mermaid" manche Szene noch so kindisch oder
dämlich daherkommen, irgendwann (und in der Regel dauert das nicht lange) kommt
garantiert und oft aus einer völlig unerwarteten Richtung ein ganz großer
Lacher, wenn etwa im Hintergrund ein mit Jetpack ausgestatteter Rivale
Xuans nach dessen versehentlicher Aktivierung in einem Gebäude von seinen
Assistenten wie ein Tennisball Richtung Ausgangstür geschlagen werden muß oder wenn Shans
Meermenschen-Freund Octopus (Show Lo) zur Wahrung seiner menschlichen
Tarnidentität zu einem ziemlich unangehmen Umgang mit seinen Tentakeln gezwungen ist
…
"The Mermaid" ist somit eigentlich ein klassischer
Partyfilm, den man am besten als Teil eines gutgelaunten, aufgeschlossenen
Publikums anschaut – wie beim Fantasy Filmfest eben. Dann fällt einem mit etwas
Glück auch nicht gar so stark auf, wie einfallslos der Handlungsverlauf
letztlich daherkommt. Im Prinzip läßt sich die von sage und schreibe acht Drehbuch-Autoren zusammengeschusterte Story früh fast komplett
prognostizieren, wenngleich es zumindest in den Details ein paar kleinere
Abweichungen vom Erwarteten gibt – was auch den phasenweise überraschend
brutalen Showdown einschließt, ohne den "The Mermaid" wahrscheinlich locker
eine Freigabe ab 6 Jahren bekommen hätte. Die relativ schonungslosen
Bilder im Finale (wie auch einige immer wieder eingestreute
Dokumentar-Aufnahmen) dürften jedoch eine sinnvolle Motivation haben, denn ich
gehe davon aus, daß sie die nicht eben subtile, aber natürlich sehr
lobenswerte Öko- und Meeresschutz-Botschaft verstärken sollen. Das funktioniert ziemlich gut, der Bösewicht
(dessen anfangs noch unklare Identität ich nicht verraten werde, auch wenn sie kaum
einen Zuschauer überraschen dürfte) ist allerdings so cartoonhaft überzeichnet
und geht am Ende auch noch so unlogisch brutal vor, daß es eher kontraproduktiv
wirkt. Xuan hingegen macht eine rasante Entwicklung vom arroganten Milliardär zum verantwortungsvoll handelnden Gutmenschen (im positivsten Sinne!) durch, was naturgemäß nicht allzu realistisch wirkt, aber auch nicht wirklich stört. Außerdem geht die naiv-unschuldige Romanze zwischen Xuan und Shan bei aller dramaturgischen Eindimensionalität einfach ans Herz und sowohl Deng Chao als auch Newcomerin Jelly Lin in ihrem allerersten Leinwandauftritt offenbaren großes Komiktalent. Bei der Darstellung der Meermenschen und ihrer feuchten Heimat macht
"The Mermaid" derweil eine recht gute Figur. Zwar ist der CGI-Einsatz
teils arg offensichtlich, insgesamt aber trotzdem recht gut gelungen –
Meerjungfrauen und Octopus-Männer lassen sich nunmal schwer wirklich
realistisch darstellen …
Fazit: "The Mermaid" ist eine hemmungslos
alberne chinesische Fantasy-Komödie mit Öko-Botschaft, deren klamaukiger, aber
phantasievoller und immer wieder ausgesprochen witziger Humor über die extrem
vorhersehbare Story und den Klischee-Bösewicht hinwegsehen läßt.
Wertung: 7 Punkte.
"The Mermaid" erscheint am 17. November 2017 von capelight pictures auf DVD und Blu-ray, das mir freundlicherweise eine Rezensionsmöglichkeit zur Verfügung gestellt hat.
"The Mermaid" erscheint am 17. November 2017 von capelight pictures auf DVD und Blu-ray, das mir freundlicherweise eine Rezensionsmöglichkeit zur Verfügung gestellt hat.
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