Originaltitel: The Beguiled
Regie und Drehbuch: Sofia Coppola, Musik: Phoenix
Darsteller: Nicole Kidman, Kirsten Dunst, Elle Fanning,
Colin Farrell, Oona Laurence, Angourie Rice, Addison Riecke, Emma Howard, Wayne
Pére
FSK: 12, Dauer: 93 Minuten.
Als die 11 Jahre alte Amy (Oona Laurence, "Elliot, der
Drache") während des amerikanischen Bürgerkriegs im 18. Jahrhundert beim
Pilzsammeln im Wald den schwer am Bein verwundeten Nordstaaten-Soldaten John
McBurney (Colin Farrell, "Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind") findet, bringt sie ihn in das nahegelegene Mädchenpensionat, in dem
angesichts des Krieges außer ihr nur noch vier weitere Schülerinnen, die Lehrerin Edwina
Morrow (Kirsten Dunst, "Melancholia") und die Leiterin Martha
Farnsworth (Nicole Kidman, "Die Dolmetscherin") leben. Nach anfänglichem
Zögern versorgt Martha die Wunde des Yankees und läßt sich von der Mehrzahl der
Mädchen erweichen, John nicht gleich den eigenen Soldaten zu übergeben,
sondern ihn zuerst ungestört im Pensionat genesen zu lassen. Der
ausgesprochen charmante John sorgt aber schnell für ziemliche Turbulenzen im
Haus, denn er macht allen schöne Augen und wird umgekehrt selbst zum Ziel lange
verdrängter Begierden. Als John wieder weitgehend gesund ist, scheint eine
Eskalation unvermeidbar …
Kritik:
In der langen, erfolgreichen Karriere von Clint Eastwood
zählt der erotische Südstaaten-Thriller "Betrogen" aus dem Jahr 1971
mit Sicherheit zu den ungewöhnlichsten (und unbekanntesten) Filmen, die er
gedreht hat. OSCAR-Gewinnerin Sofia Coppola ("Lost in Translation")
hat sich mehr als 45 Jahre später der gleichen Geschichte angenommen. Als
ein Remake will sie "Die Verführten" ausdrücklich nicht verstanden
wissen, da sie den englischen Originaltitel behalten hat, obwohl der beiden Filmen zugrundeliegende Roman von Thomas
Cullinan "A Painted Devil" heißt, bezieht sie sich aber doch
unverkennbar darauf. In gewisser Weise schuf Coppola das Gegenstück zu
"Betrogen", denn während das Werk des Actionspezialisten
Don Siegel ("Dirty Harry") explizit aus der Sicht des von Eastwood verkörperten McBurney
erzählt wird, verschiebt Coppola die Perspektive hin zu den weiblichen Figuren.
Das hat unter anderem eine subtilere Erzählweise zur Folge, die mir
persönlich deutlich besser gefällt als der ziemlich machohafte
"Betrogen", gleichzeitig hat Coppolas Vorgehensweise aber einige
unübersehbare Schwächen. Dennoch ist "Die Verführten" in meinen Augen
die bessere Version der Story und generell ein zwar lange Zeit sehr langsam
erzählter, aber dennoch sehenswerter Film.
Ich will jetzt gar nicht zu genau auf die Unterschiede
zwischen "Betrogen" und "Die Verführten" eingehen, denn
erstens habe ich den Eastwood-Film vor vielen Jahren gesehen und daher nicht mehr
ganz so genau im Gedächtnis, zweitens werden ihn viele Leser wohl gar nicht
kennen. Trotzdem ist die unterschiedliche Herangehensweise spannend, denn
die Erzählperspektive ist bei weitem nicht die einzige größere Abweichung. Eine
weitere ist, daß Sofia Coppola die afroamerikanische Sklavin des Pensionats aus Buch
und erster Verfilmung komplett ausspart. Das sorgte für Kritik, allerdings kann man
Coppolas Begründung, wonach sie die Rassismus-Thematik als zu wichtig
empfindet, um sie hier in einer klischeehaft vorgegebenen Randfigur
aufzugreifen, durchaus nachvollziehen (im Buch ist zudem Edwina
gemischtrassig, was aber beide Filme ignorieren). Auffällig ist des weiteren,
daß die Frauen in "Betrogen" schnell in einen regelrechten
Zickenkrieg um McBurney verfallen, der so klischeehaft und übertrieben anmutet,
daß man sich nicht wundert, daß der Film von einem Mann inszeniert wurde, der vorrangig für testosterongetriebene Werke bekannt ist.
Coppola bietet in "Die Verführten" so ziemlich das Gegenteil: Bei
aller Konkurrenz im Ringen um McBurneys Zuneigung bleiben sie stets höflich, sogar freundlich zueinander – bis auf ein paar harmlose Spitzen oder
Überbietungswettkämpfe (sehr amüsant dargeboten, als McBurney
einen Apfelkuchen über den grünen Klee lobt und jede ihren ganz speziellen und selbstverständlich
besonders wichtigen Beitrag zum Gelingen hervorhebt). Das wirkt zwar auch nicht komplett realistisch, doch immerhin läßt diese gelebte weibliche Solidarität
das recht heftige Geschehen des letzten Drittels glaubwürdiger erscheinen als in
"Betrogen". Dennoch würde ein Mittelweg zwischen dem erbitterten
Konkurrenzkampf in "Betrogen" und der allzu harmonischen – wenn auch öfters von feiner Ironie durchzogenen – Konstellation in
"Die Verführten" wohl am besten funktionieren.
Vermutlich war Coppola bei ihrem Vorgehen auch daran
gelegen, das Problem zu entschärfen, daß die erzählte Geschichte die Mädchen und
Frauen letztlich als primär triebgesteuert und ohne tiefgründige Persönlichkeit
darstellt. Vollständig läßt sich das einfach nicht ausblenden, wenn man der
Vorlage ansatzweise treu bleiben will, aber so, wie es hier präsentiert wird, fällt es zumindest nicht gar so sehr auf.
Dafür sorgt Coppola mit ihrer gewohnt subtilen Art der Inszenierung, in der
Blicke und Gesten oft viel wichtiger sind als die ausgefeiltesten Dialoge und
das sorgfältig gestaltete Szenenbild mit dem ästhetisch ansprechenden
Internatsgebäude als fast ausschließlichem Handlungsort ebenso für eine perfekte Umrandung sorgt wie die eher zurückhaltende
Musik der französischen Band Phoenix. Für die Umsetzung ihrer Vorstellungen
sind natürlich besonders begabte Schauspieler notwendig – und die hat
Coppola gefunden. Vor allem Nicole Kidman beweist einmal mehr ihr großes
Können, es ist einfach eine Augenweide, wie sie in der Rolle der erfahrenen,
vernünftigen und zielstrebigen Schulleiterin mit einem Blick mehr aussagt als viele andere mit tausend Worten. Doch auch Kirsten Dunst als emotionalere, romantisch veranlagte
Lehrerin Edwina zeigt eine überzeugende Leistung, ebenso wie alle fünf
jugendlichen Aktricen – unter denen sich mit Oona Laurence (als liebenswerte Amy), Angourie Rice ("The Nice Guys", als musikalisch begabte Jane) und Elle Fanning ("The Neon Demon", als älteste Schülerin Alicia)
drei für ihr Alter bereits sehr erfahrene junge Damen befinden (zu denen
sich in kleineren Rollen die beiden Newcomerinnen Addison
Riecke und Emma Howard gesellen).
Colin Farrell löst derweil die schwierige Aufgabe als
männliches Epizentrum einer Geschichte, die hier vorwiegend aus weiblicher
Perspektive geschildert, so gut, wie das wohl möglich ist. Er kommt so charmant
und zuvorkommend rüber, daß man gern glaubt, daß die in dem Pensionat und
angesichts des Krieges seit langem von wirklicher männlicher Gesellschaft
ferngehaltenen (und teilweise heftig pubertierenden) Frauen ihm reihenweise
verfallen – allerdings kann dieser John McBurney weit weniger Profil entwickeln
als Eastwoods McBurney in "Betrogen", da der Soldat in "Die
Verführten" nun einmal nicht die unumstrittene Hauptrolle spielt, sondern
sogar etwas im Schatten seiner Retterinnen steht. Das führt dazu, daß dieser
John McBurney dem Publikum ziemlich fremd bleibt, womit auch sein Verhalten nach der
erwähnten Eskalation vor dem finalen Akt der Story schwerer
nachvollziehbar ist. Es ist einfach so, daß "Betrogen" und
"Die Verführten" für sich genommen klare Schwächen haben, als
zwei Seiten einer Medaille jedoch ein ziemlich gutes Gesamtbild ergeben – hier
ist McBurney glaubwürdig geschildert, die Frauen weniger; dort ist es genau
umgekehrt. Ein großes Problem gibt es für mich aber bei beiden Varianten: Besagtes letztes Drittel wirkt einfach nicht rund. Vielleicht ist das der Vorlage
geschuldet, da beide Verfilmungen es nicht schaffen, die Folgen der
Eskalation authentisch auf die Leinwand zu bringen, vielleicht gelingt es in
Buchform hervorragend, läßt sich angesichts der zeitlichen und erzählerischen Limitierungen eines Kinofilms aber nicht adäquat
umsetzen. Wie auch immer, die Verhaltensweisen der meisten handelnden Figuren
sind im Finale dieser Geschichte bemerkenswert radikal und lassen sich nur mit Mühe gedanklich nachvollziehen. Bei "Die
Verführten" kommt noch dazu, daß der Stimmungs- und Tempowechsel nach den
bis dahin so harmonisch-elegischen Geschehnissen besonders abrupt kommt und der
Film daher nicht wie aus einem Guß wirkt. Das hat Don Siegel in
"Betrogen" besser hingekommen, weil sich die Spannungen dort früh und
kontinuierlich steigern – in den meisten anderen Bereichen sehe ich den
eleganten "Die Verführten" dagegen qualitativ vorne.
Fazit: "Die Verführten" ist ein erotisches
Thriller-Drama vor historischer Kulisse, das mit einem bärenstarken, weiblich dominierten
Schauspielensemble und einer elegant-subtilen, raffinierten Inszenierung überzeugt,
jedoch im letzten Filmdrittel allzu abrupt Stil und Tempo ändert und es dabei
versäumt, die Motivation und Gedankengänge der handelnden Personen zu vermitteln.
Wertung: Knapp 7,5 Punkte.
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