Die Spirit Awards sind eine der bedeutendsten Preisverleihungen für Independent-Filme und als solche auch von Bedeutung für die OSCAR-Saison, die nun endgültig ihren Lauf nimmt. Zwar sind viele OSCAR-Kandidaten hier nicht teilnahmeberechtigt, weil sie eben nicht unabhängig produziert wurden, sondern von den großen Filmstudios. Aber bekanntlich spielen jedes Jahr zahlreiche Independent-Produktionen eine gute Rolle auch bei den Golden Globes und eben vor allem bei den OSCARs (meist vorrangig in den Drehbuch- und Darsteller-Kategorien), und bei den Independent Spirit Awards wird häufig die Grundlage für die späteren Erfolge auf großer Bühne gelegt. Wer also bei dieser Preisverleihung gut abschneidet, der wird in aller Regel auch in der restlichen Awards Season im Rennen bleiben. So gesehen: Sehr gute Nachrichten für "Birdman", "Boyhood", "Selma" und "Nightcrawler", die gestern die meisten Nominierungen einheimsen konnten.
Da es sich um meine erste "echte" OSCAR-News dieser Saison handelt, werde ich in der Folge die Nominierungen der wichtigsten Kategorien auflisten und auch kurz etwas zu jenen Filmen schreiben, die hierzulande noch nicht angelaufen sind:
Bester Film:
- "Birdman"
- "Love Is Strange"
- "Selma"
- "Whiplash"
"Birdman" ist die erste (rabenschwarze) Komödie des mexikanischen Regisseurs Alejandro González Iñárritu ("Babel", "Amores Perros") und wurde von den Kritikern mit Lob überschüttet. Ex-Batman Michael Keaton spielt darin selbstironisch den alternden Ex-Superhelden-Darsteller Riggan, der mit einem Theaterstück am Broadway ein Comeback versucht.
"Love Is Strange" von Ira Sachs ("Married Life") erzählt die Liebesgeschichte zweier älterer Herren (Alfred Molina und John Lithgow) zueinander, die, nachdem dies gerichtlich erlaubt wird, in New York heiraten; was aber diverse Probleme in Gesellschaft und Beruf für sie nach sich zieht.
Die Regisseurin Ava DuVernay ("Middle of Nowhere") schildert, wie Martin Luther King und andere Bürgerrechtsaktivisten 1965 drei vielbeachtete Bürgermärsche organisierten, die in der Kleinstadt Selma ihren Ausgangspunkt nahmen.
"Whiplash" von Damien Chazelle ("Grand Piano") ist eine atmosphärisch ungemein dichte und herausragend gut gespielte Mentorengeschichte zwischen einem jungen Schlagzeuger (Miles Teller) und seinem strengen Lehrer (J.K. Simmons).
Regie:
- Alejandro González Iñárritu, "Birdman"
- Richard Linklater, "Boyhood"
- Ava DuVernay, "Selma"
- David Zellner, "Kumiko, the Treasure Hunter"
- Damien Chazelle, "Whiplash"
In "Kumiko, the Treasure Hunter" spielt Rinko Kikuchi ("Brothers Bloom") eine unglückliche Tokioterin, die sich auf Schatzsuche in den USA begibt, weil sie auf einer alten VHS-Kassette gesehen hat, wie ein Mann einen Schatz vergraben hat (dumm nur: es handelte sich um den Film "Fargo" ...).
Drehbuch:
- "A Most Violent Year"
- "Big Eyes"
- "Love is Strange"
- "Nightcrawler"
- "Only Lovers Left Alive"
J.C. Chandors ("Margin Call") "A Most Violent Year" ist ein Thriller, der das Bestreben eines Einwanderers (Oscar Isaac) schildert, seinen Weg zu machen. Die Geschichte spielt 1981 in New York, statistisch gesehen einem der gewalttätigsten Jahre in der US-Großstadt überhaupt.
In "Big Eyes" erzählt Tim Burton die Geschichte des nicht allzu harmonischen Maler-Ehepaars Walter (Christoph Waltz) und Margaret Keane (Amy Adams).
Hauptdarstellerin:
- Rinko Kikuchi, "Kumiko, the Treasure Hunter"
- Jenny Slate, "Obvious Child"
- Tilda Swinton, "Only Lovers Left Alive"
- Julianne Moore, "Still Alice"
- Marion Cotillard, "The Immigrant"
In "Obvious Child" verkompliziert sich das Leben einer jungen Komikerin gewaltig, als sie nach einem One Night Stand ungeplant schwanger wird.
"Still Alice" ist ein Alzheimer-Drama.
In "The Immigrant" wollen zwei polnische Schwestern in den USA einen Neustart versuchen. Doch die eine landet erst einmal wegen Krankheit in Quarantäne, die andere (Cotillard) in der Prostitution ...
Hauptdarsteller:
- Michael Keaton, "Birdman"
- André Benjamin, "Jimi: All Is By My Side"
- John Lithgow, "Love Is Strange"
- Jake Gyllenhaal, "Nightcrawler"
- David Oyelowo, "Selma"
"Jimi: All Is By My Side" ist ein Biopic über die Gitarren-Legende Jimi Hendrix, die allerdings ungewöhnlicherweise ohne jeglichen Hendrix-Song auskommen muß (da sich die Produzenten mit den Hendrix-Erben nicht einigen konnten).
Nebendarstellerin:
- Jessica Chastain, "A Most Violent Year"
- Emma Stone, "Birdman"
- Carmen Ejogo, "Selma"
- Patricia Arquette, "Boyhood"
- Andrea Suarez Paz, "Stand Clear of the Closing Doors"
"Stand Clear of the Closing Doors" ist die Geschichte eines 13-jährigen Jungen mit Asperger-Syndrom, der eines Tages in der New Yorker U-Bahn verlorengeht.
Nebendarsteller:
- Edward Norton, "Birdman"
- Ethan Hawke, "Boyhood"
- Alfred Molina, "Love Is Strange"
- Riz Ahmed, "Nightcrawler"
- J.K. Simmons, "Whiplash"
Internationaler Film:
- "Höhere Gewalt", Schweden
- "Ida", Polen
- "Leviathan", Rußland
- "Mommy", Kanada
- "Norte, the End of History", Philippinen
- "Under the Skin", Großbritannien
Dokumentation:
- "CITIZENFOUR" (über Edward Snowden)
- "20,000 Days on Earth" (über Musiker Nick Cave)
- "Stray Dog" (über einen Biker und Vietnam-Veteranen mit vier Hunden)
- "Virunga" (über einen Nationalpark im Kongo)
- "Das Salz der Erde" (Regie: Wim Wenders, über den Photographen Sebastiao Salgado)
Von den bei den Spirit Awards nominierten Filmen haben mit Sicherheit "Birdman" (der sogar als einer der Topfavoriten gilt) und "Boyhood" die besten Chancen, auch bei den "großen" Preisverleihungen aufzutrumpfen. Bei den anderen ist es noch relativ schwer einzuschätzen, aber Filme wie "Nightcrawler", "Whiplash", "Love Is Strange" und "Selma" dürften bei den OSCARs zumindest ein paar Nominierungen abstauben.
Sämtliche Nominierungen kann man auf der Homepage der Spirit Awards nachlesen.
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