Regie: Sebastián Cordero, Drehbuch: Philip Gelatt, Musik: Bear McCreary
Darsteller: Michael Nyqvist, Anamaria Marinca, Sharlto Copley, Daniel
Wu, Karolina Wydra, Christian Camargo, Embeth Davidtz, Dan Fogler, Isiah
Whitlock Jr.
Rotten Tomatoes: 80%
(6,7); weltweites Einspielergebnis: $0,1 Mio.
FSK: 12, Dauer: 90
Minuten.
Etwa ein Jahr nach dem
Start des ersten bemannten Raumschiffs mit dem Reiseziel Europa (ein
Jupiter-Mond) bricht aufgrund eines heftigen Sonnensturms die Verbindung zur
Zentrale auf der Erde ab. Die multinationale Crew um Commander Xu (Daniel Wu,
"New Police Story") beschließt, ihre Mission dennoch fortzusetzen.
Schließlich geht es um nicht weniger als den möglichen Fund von Leben auf
Europa, wofür die Wissenschaftler auf der Erde im Vorfeld Indizien gesammelt hatten. Doch
die weitere Reise verläuft nicht vollkommen problemlos, und als Europa endlich
erreicht ist, wird auch noch der errechnete ideale Landepunkt des Orbiters
knapp verpaßt, was die Sammlung von brauchbaren Daten deutlich erschwert. Dennoch wird mit
der Bohrung durch das Eis begonnen, das an dieser Stelle wesentlich dicker ist
als am idealen Landepunkt. Während die einzelnen Crewmitglieder erste Daten
auswerten, erblickt der Ingenieur Andrei (Michael Nyqvist, "Mission: Impossible – Phantom Protokoll") durchs Fenster ganz kurz ein sich
bewegendes Licht ...
Kritik:
Immer, wenn ein Weltraumfilm in die Kinos kommt, der nicht ganz eindeutig dem
Fantasy- bzw. fantastischen Science Fiction-Genre zurechenbar ist (wie z.B.
"Star Wars"), scheinen auf der ganzen Welt tatsächliche und
selbsternannte Weltraumexperten nur darauf zu lauern, jeden noch so
unbedeutenden vermeintlichen wissenschaftlichen Fehler aufzudecken und den Film
deshalb zu verurteilen. Das wird bei "Europa Report" kaum anders
sein, vermutlich sogar noch etwas extremer, da der Film mit seiner quasi-dokumentarischen
Machart erklärtermaßen auf Realitätsnähe pocht (immerhin wurde sogar mit der
NASA zusammengearbeitet). Deshalb erkläre ich an dieser Stelle lieber gleich:
Mir ist das schnurzpiepegal. Erstens, weil ich mich mit der Materie schlicht
und ergreifend nicht sonderlich gut auskenne, vor allem aber zweitens, weil für
mich in einem Spielfilm eventuelle Abweichungen von den Fakten aus
dramaturgischen Gründen absolut legitim sind. Zumindest, solange es sich nicht
um wirklich dämliche Fehler handelt, von denen mir hier trotz mancher leicht fragwürdiger Verhaltensweise der Figuren aber keine aufgefallen
sind (daß nicht bereits vor der Mission genau besprochen wird, was im ja nicht undenkbaren Fall eines
Verlusts der Verbindung zur Erde getan wird, ist merkwürdig, aber eine
Kleinigkeit). Daher bewerte ich das englischsprachige Debüt des chilenischen
Regisseurs Sebastián Cordero ("Cronicas") nach den gleichen
Kriterien wie alle anderen Spielfilme auch: Handlung, Figurenzeichnung, Dialoge, Technik,
Musik, Schauspieler. Und deshalb kann ich klar konstatieren: "Europa
Report" ist ein guter Film.
Viele Zuschauer sind ja
nicht sonderlich begeistert von "Found Footage"-Filmen (auch wenn die
Einspielergebnisse von Filmen wie "Paranormal Activity" anderes
besagen), aber bei "Europa Report" macht das Format zur Abwechslung tatsächlich Sinn
– sowohl erzählerisch als auch inhaltlich, außerdem gibt es kaum
Wackelkamera-Einsatz. Ein bißchen problematisch finde ich zwar, daß man sich
nicht auf einen chronologischen Ansatz verläßt, sondern immer wieder in der
Zeit hin und her springt. Auf diese Weise erfährt man beispielsweise ganz zu Beginn,
daß ein Mitglied der Crew relativ früh hopsgehen wird. Als man die entsprechende
Szene erst wesentlich später zu Gesicht bekommt, schmälert dieses Vorwissen die
Spannung natürlich erheblich. Davon abgesehen funktioniert die Erzählweise aber
meist gut, auch die vor allem im ersten Drittel häufig
dazwischengeschalteten rückblickenden Erklärungen des Bodenpersonals um die
Missionschefin Dr. Unger (Embeth Davidtz, "The Amazing Spider-Man")
fügen sich gut in die Handlung ein.
Grundsätzlich muß festgehalten
werden, daß in "Europa Report" im Vergleich zu typischen
Hollywood-Filmen bis kurz vor Schluß ziemlich wenig geschieht. Es wird
die lange Reise zum Jupiter-Mond geschildert, der zwangsläufige Lagerkoller,
die leichte Panik nach dem Ausfall der Kommunikation, aber auch die Faszination
von dieser Reise ins Unbekannte. Man könnte auch sagen: "Europa
Report" ist die meiste Zeit über ein bißchen wie die jeweilige erste
Hälfte von Sir Ridley Scotts "Alien" oder Danny Boyles "Sunshine"
– nur deutlich sachlicher und vor allem ohne deren heftigen Schwenk ins
Phantastische im weiteren Verlauf. Das ist für ungeduldige Naturen wohl nur schwer zu ertragen, aber wer sich auf diese Erzählweise einlassen kann, der wird mit einem faszinierenden Weltraum-Trip belohnt. Der Besatzung des Raumschiffs kommt das
Publikum dabei allerdings nur bedingt näher – sie bleibt einem zum Glück nicht
völlig fremd, aber man fiebert auch nicht so stark mit ihnen mit wie in
"Alien" oder "Sunshine". Das liegt vor allem daran, daß sie
so wunderbar, so schrecklich normal sind. Auf die typischen Rollenklischees
verzichtet "Europa Report", es gibt hier keinen klassischen Stinkstiefel,
keinen Charmebolzen, keine aufreizende Schönheit. Stattdessen lernt man nach und nach
sechs Astronauten und Wissenschaftler kennen, die ihren Job sehr ernst nehmen
und auch gut in ihm sind. Ja, das ist unspektakulär, aber es unterstreicht den
quasi-dokumentarischen Ansatz von Regisseur Cordero.
Hilfreich ist, daß die
Crew mit im Mainstream-Kino ziemlich unverbrauchten, aber talentierten
Schauspielern aus der ganzen Welt besetzt ist. Vor allem die Rumänin Anamaria Marinca, 2007
gefeierte Hauptdarstellerin von Cristian Mungius Cannes-Gewinner "4 Monate,
3 Wochen und 2 Tage", mausert sich zum emotionalen Zentrum der Geschichte,
aber auch der Schwede Michael Nyqvist ("Millennium"-Trilogie), der südafrikanische
"District 9"-Hauptdarsteller Sharlto Copley, der Hongkong-Chinese
Daniel Wu, die Polin Karolina Wydra ("Crazy, Stupid, Love.") und der
amerikanische Theater-Schauspieler Christian Camargo (der
"Kühllaster-Killer" in der ersten Staffel der TV-Serie
"Dexter") füllen ihre Rollen gut und ernsthaft aus.
Insgesamt gelingt es
"Europa Report" trotz der betont unspektakulären Machart, stets die
Spannung aufrechtzuerhalten – schließlich gibt es ja immer noch das große Rätselraten
um mögliches extraterrestrisches Leben auf dem Mond Europa.
Selbstverständlich werde ich an dieser Stelle nicht verraten, ob die
Astronauten bei ihrer von der sehr hörenswerten Musik von TV-Spezialist Bear
McCreary ("Battlestar Galactica", "The Walking Dead")
begleiteten Suche fündig werden, aber der Film wird auf jeden Fall zu einem
guten und weitgehend schlüssigen Ende gebracht. Zu diesem Ende führt allerdings
ein letztes Filmdrittel, das zwar das Tempo deutlich anzieht, dann aber doch
dramaturgisch etwas zu konventionell gestaltet ist, um völlig überzeugen zu
können. Zwar ist es absolut verständlich, daß Autor Philip Gelatt eine gewisse
Abweichung von seinem sonstigen Doku-Ansatz sucht, um die Handlung mit einem
Höhepunkt abschließen zu können – wie er das konkret umsetzt, ist zwar ganz akzeptabel, allerdings mit Sicherheit nicht der Weisheit allerletzter Schluß.
Fazit: "Europa Report" ist ein gelungener
Found Footage-Film, der in dokumentarischer Form konsequent nüchtern eine
fiktive Weltraummission schildert und dabei statt auf spektakuläre Action vor
allem auf Sachlichkeit, Realitätsnähe und gute Schauspieler setzt.
Wertung: 7,5 Punkte.
Wertung: 7,5 Punkte.
Sehe ich ganz genauso, ein klasse Film!
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