Regie: Ben Affleck, Drehbuch: Chris Terrio, Musik: Alexandre
Desplat
Darsteller: Ben Affleck, Alan Arkin, John Goodman, Bryan
Cranston, Victor Garber, Tate Donovan, Clea DuVall, Rory Cochrane, Kerry Bishé,
Scoot McNairy, Christopher Denham, Kyle Chandler, Željko Ivanek, Titus
Welliver, Bob Gunton, Philip Baker Hall, Richard Kind, Keith Szarabajka, Sheila
Vand, Chris Messina, Taylor Schilling, Omid Abtahi, Adrienne
Barbeau, Aidan Sussman, Tom Lenk, Michael Parks
Als im Iran 1979 nach mehr als zwei Jahrzehnten unter der
diktatorischen Herrschaft des Schah Pahlavi die Islamische Revolution
ausbricht, flieht der gestürzte und todkranke Schah außer Landes und erhält
Asyl in den Vereinigten Staaten. Als Konsequenz stürmen die aufgebrachten Massen in Teheran die
US-amerikanische Botschaft und nehmen Dutzende Diplomaten als Geiseln, um die
Auslieferung des ob seiner Verschwendungssucht und Brutalität verhassten ehemaligen Herrschers zu erzwingen. Sechs
Botschaftsangehörige, deren Arbeitsstelle sich am Rand des Gebäudekomplexes
befindet, können entkommen und erhalten heimlich Zuflicht in der kanadischen
Botschaft. In den USA wird beschlossen, sie dort zu belassen und abzuwarten.
Doch als sich nach Monaten die Lage dramatisch zuspitzt und zudem die iranischen
Revolutionsgarden durch die Rekonstruktion geschredderter Akten kurz davor
stehen, von der Existenz und Identität der sechs Flüchtigen zu erfahren, wird der erfahrene, auf Rettungsaktionen
spezialisierte CIA-Agent Tony Mendez (Ben Affleck, "To the Wonder") beauftragt, sie aus dem Land
herauszuholen. Gelingen soll dies mit einem scheinbar aberwitzigen Plan: Unter
dem Deckmantel, Drehorte für eine große Hollywood-Produktion zu
sichten, will Tony als vorgeblicher Brite nach Teheran reisen und die
Botschaftsangehörigen mit kanadischen Pässen als seine Filmcrew durch die
Kontrollen am Flughafen in die Freiheit schleusen ...
Kritik:
Manchmal schreibt die Realität Geschichten, die zu verfassen
sich kein Hollywood-Autor je trauen würde. Die "Operation Argo", die
von US-Präsident Bill Clinton 1997 freigegeben und später sowohl von dem
Journalisten Joshuah Bearman (für das Magazin "Wired": "The Great Escape") als auch von Antonio Mendez selbst in Buchform niedergeschrieben
wurde, ist ein Paradebeispiel für diese Binsenweisheit. Ben Affleck nimmt die
bereits unwahrscheinlichen historischen Ereignisse in seiner dritten
Regiearbeit nach "Gone Baby Gone" und "The Town" als Basis
für einen dank einiger dramatischer Zuspitzungen hochspannenden Thriller im
Stil der 1970er Jahre. Und hat damit den Gewinner des OSCARs für den besten Film des Jahres 2012 geschaffen.
Bereits die ersten Szenen nach dem Prolog, in dem von
einer Erzählerin kurz die historischen Hintergründe erläutert werden, zeigen die
bemerkenswerte Aktualität des Stoffes auf: Die Bilder von der Belagerung und schließlich der
Stürmung der amerikanischen Botschaft in Teheran erinnern fatal an die
Ereignisse aus dem September 2012, als in Libyen die US-Botschaft dem Erdoben
gleichgemacht und der Botschafter getötet wurde. Diese Parallelität, die Affleck durch die Einbindung historischer TV-Berichte
zusätzlich verstärkt, ist beklemmend und unterstreicht die Brisanz der
Situation der sechs ihrer Rettung harrenden Flüchtigen, die sich in der kanadischen
Botschaft verstecken. Sehr viel tiefer geht Ben Affleck hinsichtlich der politischen
Dimension seines Films zwar nicht, der sich vorrangig als Thriller und weniger als Politdrama sieht; die unprätentiöse, weitgehend wertneutrale
Art der Darstellung, die verdeutlicht, daß die Wut der Iraner nach rund 25 Jahren
brutaler, von den USA und Großbritannien gestützter Schreckensherrschaft
verständlich ist, ohne dabei die Vergeltungstaten der Revolutionsgarden auch nur ansatzweise zu verharmlosen, ist aber ausgesprochen wohltuend.
Da sich die Handlung von "Argo" auf drei
Hauptstränge aufteilt – die politische Diskussion und grobe Vorbereitung der
Mission, die konkrete Planung in Hollywood sowie die Lage der sechs Flüchtigen
in Teheran –, fungiert Ben Affleck als einziger Hauptdarsteller und Bindeglied
zwischen den verschiedenen Schauplätzen. Diese Aufgabe meistert er sehr gut,
wenngleich die Rolle des eher stoischen CIA-Agenten nicht gerade eine
schauspielerische Meisterleistung von ihm erfordert. Er verkörpert Tony Mendez
jedoch charismatisch und sorgt damit für die nötige Zuschauerbindung. Die zahlreichen
übrigen Personen, die im Film eine bedeutende Rolle spielen, bekommen weit
weniger Leinwandpräsenz und können deshalb nur als Nebenrollen bezeichnet
werden. Entsprechend hat Affleck keine ganz großen Hollywood-Stars gecastet,
sondern setzt auf eine illustre Riege namhafter Charakterdarsteller, denen es
gelingt, selbst in wenigen Minuten prägnante Figuren zu erschaffen, die trotz einer wahren Flut an Namen und Gesichtern dem Publikum gut in Erinnerung bleiben
(beim Hollywood Film Festival gab es folgerichtig eine Auszeichnung für das
Beste Ensemble). Eigentlich ist es unfair, einzelne Darsteller aus dieser
wunderbar harmonierenden Besetzung herauszugreifen, dennoch möchte ich Bryan
Cranston (TV-Serie "Breaking Bad", "Drive") als Tonys
Vorgesetzten bei der CIA und Victor Garber ("Titanic", TV-Serie
"Alias – Die Agentin") als mutigen kanadischen Botschafter hervorheben, da
sie etwas mehr Zeit und Raum zum Glänzen bekommen als der große Rest.
Mit seiner Inszenierung der Thriller-Sequenzen beweist Ben
Affleck, daß er als Regisseur sogar noch mehr auf dem Kasten hat als als Schauspieler. Generell ist es beeindruckend, wie authentisch er (natürlich
unter tatkräftiger Mithilfe des Kameramannes sowie der Kostüm- und Setdesignabteilungen) den
grobkörnigen 1970er Jahre-Look aus thematisch vergleichbaren und von Affleck
ausdrücklich als Inspirationsquelle benannten New Hollywood-Filmen wie
"Die Unbestechlichen" oder "Die drei Tage des Condor" rekonstruiert. Selbst Alexandre Desplats eleganter Soundtrack erinnert übrigens an die damaligen
Klassiker. Doch wie es Affleck gelingt, die Spannungsschraube bei den gut getimten
Höhepunkten, vor allem beim Finale auf dem Teheraner Flughafen, immer noch ein
Stückchen weiter anzuziehen, ist wahrlich meisterhaft und muß sich kaum hinter
Vergleichbarem von Regisseuren wie Sydney Pollack, Alan J. Pakula oder selbst
dem "Master of Suspense" Alfred Hitchcock verstecken. Zwar geht diese
Hochspannung ein wenig auf Kosten der Glaubwürdigkeit, denn die dramaturgischen
Freiheiten, die sich das pointierte Drehbuch des eher unbekannten Chris Terrio
nimmt, sind unverkennbar. Man kann sicher argumentieren, daß etwas weniger
"Rettung in letzter Sekunde"-Momente auch gereicht hätten, aber in
Sachen Spannung reizen Terrio und Affleck das Szenario definitiv aus.
Zur zwischenzeitlichen Entspannung dient die
Hollywood-Storyline, in der Alan Arkin ("Little Miss Sunshine") als
fiktiver gealterter Starproduzent Lester Siegel und John Goodman ("The Artist") als realer, 1969 für seine bahnbrechende Arbeit an "Planet der Affen"
mit einem Ehren-OSCAR ausgezeichneter Makeup-Künstler John Chambers für
zahlreiche Lacher sorgen. In diesen Momenten funktioniert "Argo" auch
als treffsichere und selbstironische Hollywood-Parodie, wenn etwa Chambers,
nachdem ihm der Plan erklärt wurde, (aus dem Gedächtnis zitiert) fragt: "Sie
wollen also Chef spielen?" Tony stimmt zu. "Aber nicht
arbeiten"? Wiederum nickt Tony. "Dann passen Sie perfekt nach
Hollywood." Und vielleicht ist es Zufall, vielleicht aber auch ein
genialer Insidergag, daß Affleck diesen Produzenten, der mit einer scheinbar
unlösbaren Aufgabe betraut wird, ausgerechnet mit Alan Arkin besetzt hat, der
1970 in Mike Nichols' bitterböser Militärsatire "Catch-22" die
Hauptrolle eines Bomberpiloten im Zweiten Weltkrieg mit einem im Kern ganz
ähnlichen Problem gespielt hat (wer weder den Film noch Joseph Hellers Romanvorlage kennt: "Catch-22" ist im Rahmen der Handlung der Name einer
Regel, die in etwa besagt, daß man nur dann vom Kriegseinsatz entbunden werden kann,
wenn man verrückt ist; wer jedoch beim Arzt beantragt, sich nach einer
Geisteskrankheit untersuchen zu lassen, um nach Hause geschickt zu werden, der kann
nicht verrückt sein; denn wenn er verrückt wäre, dann würde er nicht
beantragen, aus dem Militärdienst zu entlassen werden ...).
Während des Abspannes werden übrigens echte Fotos der historischen Ereignisse sowie der zentralen Personen ihrer Darstellung im Film gegenübergestellt (und belegen noch einmal die hervorragende Arbeit der Casting-Abteilung), zudem erzählt der damalige US-Präsident Jimmy Carter in einigen Sätzen, wie er die Krise erlebt hat.
Während des Abspannes werden übrigens echte Fotos der historischen Ereignisse sowie der zentralen Personen ihrer Darstellung im Film gegenübergestellt (und belegen noch einmal die hervorragende Arbeit der Casting-Abteilung), zudem erzählt der damalige US-Präsident Jimmy Carter in einigen Sätzen, wie er die Krise erlebt hat.
Fazit: "Argo" erzählt auf ebenso spannende
wie unterhaltsame Art und Weise eine schier unglaubliche Rettungsmission aus dem Iran
des Jahres 1979. Gekonnt inszeniert, hervorragend besetzt, clever konstruiert
und mit vielen intelligenten Dialogen gewürzt, läßt Regisseur und Hauptdarsteller Ben Affleck das gute alte Spannungskino der
1970er Jahre für 120 Minuten wiederauferstehen.
Wertung: 8,5 Punkte.
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