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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Dienstag, 7. Juli 2020

Nachruf: Ennio Morricone (1928-2020)

Es gibt nicht viele Filmkomponisten, deren Name auch den meisten Menschen geläufig ist, die sich nicht einigermaßen intensiv mit der Welt des Kinos auseinandersetzen. Vermutlich sind es genau zwei: John Williams und Ennio Morricone. Beide haben unter anderem gemein, daß sie ein phantastisches Gespür für extrem einprägsame Melodien haben und bis in sehr hohes Alter sehr aktiv waren respektive sind. Morricone ging beispielsweise noch 2019, mit 90, mit einem Orchester auf Tournee und ließ sich vom begeisterten Publikum feiern - gestern verstarb er in einem römischen Krankenhaus an den Folgen eines Sturzes und so hat die Filmwelt eine ihrer größten Ikonen verloren.

Ennio Morricone, der seit 1960 zu vermutlich über 500 Filmen die Musik komponierte (wie viele genau es sind, weiß wohl niemand), ist nicht nur wegen seines unglaublichen Arbeitseifers und seines gewaltigen Talents eine prägende Figur des Kinos, sondern auch deshalb, weil er die Art, Film und Musik zu kombinieren, geradezu auf den Kopf stellte. War es bis dahin üblich, daß zuerst gedreht wurde und dann ein Komponist die passende Musik zum Geschehen auf der Leinwand schuf, drehten Morricone und sein kongenialer Partner und Schulfreund Sergio Leone diese Vorgehensweise um: Speziell zu Leones großen Italo-Western komponierte Ennio Morricone auf Grundlage des Drehbuches die Musik und erst dann wurde der Film gedreht - womit Regisseur und Schauspieler ihre Arbeit an Morricones legendären Melodien ausrichteten und somit eine stärkere Symbiose zwischen Musik und Film erreicht wurde, als das bis dahin vorstellbar schien. Zugegeben, diese Vorgehensweise hat sich nicht als Standard durchgesetzt, dafür ist der Aufwand einfach zu groß - doch es gibt Filmemacher wie James Gunn (in den "Guardians of the Galaxy"-Filmen), die Leones und Morricones Vorbild gezielt nacheifern. Ein Innovator war Morricone auch deshalb, weil er beim Komponieren gern zu eher ungewöhnlichen Instrumenten griff (Mundharmonika, Maultrommel, besonders mochte er auch die Oboe) und außerdem bloße Geräusche auf eine Art und Weise integrierte, die man bis dahin nicht kannte - bestes Beispiel dafür ist die legendäre Eröffnungssequenz von Leones "Spiel mir das Lied vom Tod" mit dem klickenden Telegraphen, der summenden Fliege und dem äußerst markant quietschenden Windrad. Und auch sein Hang zu eigentlich minimalistischen, aber trotzdem unglaublich einprägsamen und mit kleineren Variationen ständig wiederholten Melodien ist ein klares Kennzeichen Morricones.

Am erfolgreichsten war mit Sicherheit Morricones Zusammenarbeit mit Sergio Leone - dessen "Dollar-Trilogie" ("Für eine Handvoll Dollar", "Für ein paar Dollar mehr" und "Zwei glorreiche Halunken") wäre ohne Morricones musikalische Begleitung ebenso undenkbar wie sein Opus magnum "Es war einmal in Amerika". Doch auch zahllose weitere (meist deutlich schwächere) Spaghetti-Western bereicherten Morricones Melodien, ebenso viele italienische Abenteuerfilme, Krimis und Gangsterfilme. Zudem komponierte er für zahlreiche europäische Produktionen (z.B. Bertoluccis "1900" oder "Ein Käfig voller Narren") und ab Mitte der 1970er Jahre verstärkt für Hollywood-Werke wie "Tage des Himmes", "Das Ding aus einer anderen Welt", "Mission" oder "Die Unbestechlichen". Bei den OSCARs ging Ennio Morricone trotz mehrerer Nominierungen ("Tage des Himmels", "Mission", "Die Unbestechlichen", "Bugsy", "Der Zauber von Malèna") lange leer aus und mußte sich zunächst mit dem Goldjungen für sein Lebenswerk im Jahr 2007 begnügen - erst 2016 gewann er für Quentin Tarantinos "The Hateful 8" einen regulären OSCAR (dazu kommen u.a. drei Golden Globes, sechs BAFTAs, zwei Grammys und zwei Europäische Filmpreise, darunter einer fürs Lebenswerk).

Die legendärsten sowie meine persönlichen Lieblings-Stücke von Ennio Morricone:
- "Cockeye's Song" aus "Es war einmal in Amerika"
- "C'era una volta il West" aus "Spiel mir das Lied vom Tod"
- "L'uomo dell'armonica" aus "Spiel mir das Lied vom Tod"
- "L'estasi dell'oro" aus "Zwei glorreiche Halunken"
- "Il Buono, il Brutto, il Cattivo" aus "Zwei glorreiche Halunken"
- "Per qualche Dollaro in più" aus "Für ein paar Dollar mehr"
- "Gabriel's Oboe" aus "Mission"
- "Il Clan dei Siciliani" aus "Der Clan der Sizilianer"
- "La Donna della Domenica" aus "Die Sonntagsfrau"
- "Addio a Palermo" aus "Der Aufstieg des Paten"
- "Il mio nome è Nessuno" aus "Mein Name ist Nobody"
- "La Califfa" aus "La Califfa"
- "Inseguimento e fuga" aus "Revolver - Die perfekte Erpressung"
- "Tema d'Amore" aus "Der Coup"
- "Viaggio con Anita" aus "Reise mit Anita"
- "Il vizietto" aus "Ein Käfig voller Narren"
- "Dimenticare Palermo" aus "Palermo vergessen"
- "Il vento il grido" aus "Der Profi"
- "Romanzo" aus "1900"

Am 6. Juli 2020 verstarb Ennio Morricone im Alter von 91 Jahren in seiner Geburtsstadt Rom. R.I.P. Embed from Getty Images

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