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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Dienstag, 26. Mai 2020

DAS ZEITRÄTSEL (2018)

Originaltitel: A Wrinkle in Time
Regie: Ava DuVernay, Drehbuch: Jennifer Lee und Jeff Stockwell, Musik: Ramin Djawadi
Darsteller: Storm Reid, Levi Miller, Deric McCabe, Oprah Winfrey, Reese Witherspoon, Mindy Kaling, Chris Pine, Gugu Mbatha-Raw, Zach Galifianakis, Michael Peña, André Holland, David Oyelowo (Stimme), Rowan Blanchard, Bellamy Young, Tim Kang
Das Zeiträtsel (2018) on IMDb Rotten Tomatoes: 42% (5,3); weltweites Einspielergebnis: $132,7 Mio.
FSK: 6, Dauer: 110 Minuten.
Eine Woche, nachdem sich der visionäre Wissenschaftler Dr. Alex Murry (Chris Pine, "Star Trek") bei einem Vortrag mit der Behauptung lächerlich machte, der Mensch könne allein mit Gedankenkraft durch das gesamte Universum reisen, verschwand er spurlos. Auch vier Jahre später hat die Polizei keine Anhaltspunkte für seinen Verbleib gefunden, die meisten Menschen gehen daher davon aus, daß Dr. Murry tot ist. Seine Frau und Projektpartnerin Kate (Gugu Mbatha-Raw, "Odd Thomas") glaubt das nicht, ebenso wenig ihre seit dem Verschwinden des Vaters verschlossene und mißtrauische Teenager-Tochter Meg (Storm Reid, "Der Unsichtbare") und ihr brillanter, jedoch etwas sonderbarer kleiner Bruder Charles Wallace (Deric McCabe). Eines Tages tauchen drei merkwürdige Frauen mit phantastischen Kräften bei den Murrys auf: Mrs. Welche (Oprah Winfrey, "Die Farbe Lila"), Mrs. Soundso (Reese Witherspoon, "Inherent Vice") und Mrs. Wer (Mindy Kaling, "Late Night"). Sie behaupten, daß Dr. Murry tatsächlich durch das Universum gereist ist, aber den Weg zurück nicht mehr findet. Gemeinsam mit den drei Damen machen sich Meg, Charles Wallace und Megs hilfsbereiter Schulfreund Calvin (Levi Miller, "Better Watch Out") auf den Weg durch Raum und Zeit, um Dr. Murry von Camazotz zu retten – Heimat der Dunkelheit, die das ganze Universum bedroht …

Kritik:
Disney wird häufig vorgeworfen, nicht mehr wirklich an Kreativität und frischen Idee interessiert zu sein, sondern sich vorzugsweise auf Real-Neuverfilmungen eigener Zeichentrickklassiker, Adaptionen von Disneyworld-Themenpark-Attraktionen ("Fluch der Karibik"), Fortsetzungen und zugekaufte Franchises (Marvel Cinematic Universe, Star Wars) zu konzentrieren. Ein Vorwurf, der zweifellos nicht aus der Luft gegriffen ist, denn die Anzahl der wirklich neuen, originellen Disney-Filme hält sich seit Jahren in sehr engen Grenzen. Teil der Wahrheit ist aber auch, daß die weltweiten Zuschauerzahlen und Einspielergebnisse den Studiobossen kaum einen Grund dafür liefern, ihre Strategie zu verändern – immerhin dominiert Disney die Filmbranche derzeit nach Belieben, seit der Übernahme von Fox gehören sieben der zehn (nicht inflationsbereinigt) erfolgreichsten Filme aller Zeiten zu Disney, in den globalen Top 10 des Jahres 2019 waren es sogar acht (mit Warners "Joker" und Sonys "Jumanji: The Next Level" als Ausnahmen). Und versucht man sich doch einmal an etwas Neuem wie bei den Buchadaptionen "John Carter" und "BFG – Big Friendly Giant", resultiert das allzu oft in einem kommerziellen Flop. Ein gutes Beispiel dafür ist "Das Zeiträtsel", denn obwohl die Verfilmung des beliebten Jugendromans "Die Zeitfalte" von Madeleine L'Engle mit einer gefeierten Regisseurin, einer beeindruckenden Besetzung und einem stattlichen Budget von $100-130 Mio. aufwartet und von entsprechend hohen Erwartungen begleitet wurde, ging das phantastische Abenteuer aufgrund schlechter Kritiken und enttäuschter Buchfans an den Kinokassen unter und konnte gerade eben seine Produktionskosten wieder einspielen. Jedoch ist diese Abfuhr für "Das Zeiträtsel" keineswegs unverdient, denn wenngleich "Selma"-Regisseurin Ava DuVernay – die hiermit zur ersten nicht-weißen Regisseurin wurde, die einen Film mit dreistelligem Millionen-Budget drehen durfte – die Geschichte recht gefällig inszeniert hat, fehlt dem Film einfach das Besondere und viel zu oft langweilt er sogar.

Viele Mängel von "Das Zeiträtsel" lassen sich auf das Drehbuch zurückführen. Dessen Autoren Jeff Stockwell ("Brücke nach Terabithia") – der nur den ersten Entwurf verfaßte – und Jennifer Lee ("Die Eiskönigin") haben sich nicht nur in vielen Punkten deutlich von der populären Vorlage gelöst (was die extrem schlechte IMDb-Bewertung erklärt, da Tausende empörte Buchfans den Film mit 1er-Bewertungen abstraften), sondern offensichtliche Probleme beim Erschaffen einer stringenten, logischen Handlung und glaubwürdiger Figuren. So wirken lediglich Meg und Calvin einigermaßen lebensecht, während beispielsweise die drei mysteriösen Damen – die sowieso nur im Mittelteil eine größere Rolle spielen – eher wie Comedy-Stereotype wirken (Mrs. Wer spricht beispielsweise nur in Zitaten). Auch bei Megs Vater fällt es nicht leicht, ihn und seine Motivation nachzuvollziehen und die (später von David Oyelowo aus "Der Butler" gesprochene) Dunkelheit erwirbt als Bösewicht der Story viel zu wenig Profil, um wirklich ernstgenommen zu werden. So kann sich keine richtige Bindung des Publikums zu den Charakteren entwickeln, zumal es auch keinen überzeugenden Spannungsbogen gibt und das Timing oft zu wünschen übrig läßt. Angesichts des erwiesenen Talents von Ava DuVernay ist es in der Tat besonders überraschend, wie viele Szenen es gibt, die, obwohl sie sowieso wenig Aufregendes zeigen, viel zu lang ausgespielt werden, bis sie nur noch ermüden.

Hinzu kommt, daß die Handlung trotz ihrer nicht uninteressanten Prämisse im Verlauf immer dünner und unausgegorener wird und niemals dazu kommt, einen richtigen Flow zu entwickeln. Zweifellos gibt es einige nette Szenen und Kurzauftritte beliebter Schauspieler wie "Hangover"-Star Zach Galifianakis oder Michael Peña ("Ant-Man") und die traditionellen Disney-Jugendfilm-Botschaften ("Liebe besiegt alles", "Familie und Freunde müssen zusammenhalten", "Liebe dich selbst und akzeptiere deine Fehler") werden routiniert, wenn auch ziemlich uninspiriert vermittelt. Und es ist auch nicht so, daß "Das Zeiträtsel" einem auf die Nerven gehen würde. Vielmehr ist der Film so mittelmäßig und plätschert so weitgehend ereignislos zu überwiegend austauschbaren Popsongs vor sich hin, daß der Funke gar nicht zum Publikum überspringen kann. Zumindest visuell gibt es ein paar Highlights, speziell das "Tessern" durch Zeit und Raum ist optisch schön dargestellt und auch die Gestaltung der fremden Welten, die Meg und ihre Freunde besuchen, kann sich sehen lassen (dem bewährten Drehort Neuseeland sei Dank). Gleichzeitig erreichen die Computereffekte nicht immer höchstes Niveau, Reese Witherspoons Transformation in eine Art fliegenden Mantarochen kann zum Beispiel nur bedingt überzeugen. Trotzdem zählt die Optik zu den Stärken von "Das Zeiträtsel", was ebenso für die betont divers besetzten namhaften Darsteller gilt – wobei den stärksten Eindruck die beiden sympathischen Jungschauspieler Storm Reid und Levi Miller hinterlassen, wogegen die Stars eher unterfordert sind. Letzten Endes ist "Das Zeiträtsel" ein bemerkenswert belangloses Jugendabenteuer, das nicht wirklich stört, aber eben nie auch nur ansatzweise begeistern kann.

Fazit: "Das Zeiträtsel" ist ein mediokres Familien-Fantasyabenteuer, das mit zwei engagierten Jungdarstellern und einer netten Optik punktet, aber aufgrund einer sehr dünnen Handlung mit wenig glaubwürdigen Figuren das versammelte Talent vor und hinter der Kamera vergeudet.

Wertung: 5,5 Punkte.


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2 Kommentare:

  1. So ähnliche Ansichten habe ich über diesen Film schon öfter gelesen. Den muss ich wohl wirklich nicht sehen...
    Dein schön zu lesender Text veranschaulicht das Seh-Erlebnis sehr detailliert und anschaulich!

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    1. Danke fürs Lob. Ohne Kino-Zwangspause und kostenlose sechs Monate Disney+ hätte ich mir den wahrscheinlich auch nie angeschaut ...

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