Regie: Nisha Ganatra, Drehbuch: Mindy Kaling, Musik: Lesley
Barber
Darsteller: Emma Thompson, Mindy Kaling, John Lithgow, Hugh
Dancy, Denis O'Hare, Reid Scott, Paul Walter Hauser, Amy Ryan, Ike Barinholtz,
Marc Kudisch, Megalyn Echikunwoke, Annaleigh Ashford, Halston Sage, Bill Maher,
Seth Meyers, Jake Tapper
Rotten Tomatoes: 80% (6,8); weltweites Einspielergebnis:
$22,4 Mio.
FSK: 0, Dauer: 103 Minuten.
Die Britin Katherine Newbury (Emma Thompson, "Saving Mr. Banks") ist mit ihrer Late Night-Sendung seit vielen Jahren eine
Institution im US-amerikanischen Fernsehen, als einzige Frau im von (weißen)
Männern dominierten Geschäft jedoch auch eine Ausnahme. Die Quoten der Show gehen
allerdings seit Jahren zurück, weil die sich stets ziemlich elitär
gebende Katherine sich weigert, mit der Zeit zu gehen, sich den sozialen Medien
zu widmen oder Youtuber statt intellektueller Autoren als Gäste einzuladen. So
kommt es vermutlich nur für Katherine wirklich überraschend, als die neue
Senderchefin Caroline Morton (Amy Ryan, "Gone Baby Gone") ihr
eröffnet, daß sie nach der laufenden Staffel als Moderatorin abgelöst werden soll.
Katherine ist zunächst schockiert, entscheidet dann aber auf Anraten ihres Ehegatten Walter (John Lithgow, "Planet der Affen: Prevolution"), um ihren Job zu kämpfen. Dafür müssen naturgemäß
bessere Quoten her und dafür muß dringend die zu altbackene und in ihrer
Routine festgefahrene Show umgekrempelt werden. Wie praktisch, daß gerade die
völlig unerfahrene, aber enthusiastische Molly Patel (Mindy Kaling,
"Ocean's 8") als Autorin eingestellt wurde – zwar war sie eigentlich
nur als Quotenfrau vorgesehen, doch mit ihrem Außenseiterblick bringt sie trotz anfänglichen Widerstands ihrer neuen Kollegen schnell einige kluge Ideen ein …
Kritik:
In den USA ist das Geschäft mit Late Night Shows im
Fernsehen seit Jahrzehnten erfolgreich, in der Trump-Ära haben speziell die
politischeren unter ihnen (wie Stephen Colbert oder John Oliver) gar
erheblich an Bedeutung gewonnen. In Deutschland hingegen hat sich das Konzept
bekanntlich nie richtig durchgesetzt, einzig Harald Schmidt konnte sich mit
einem (zumindest zu Beginn) klar an US-Ikone David Letterman orientierten
Konzept viele Jahre lang halten, ist inzwischen aber auch schon seit einiger Zeit im
TV-Ruhestand. Deutschland ist also sicherlich nicht das einfachste Pflaster für
einen Hollywood-Film, der im Umfeld einer US-Late Night Show spielt. Dies
spiegelt sich in den Besucherzahlen der von der kanadischen Regisseurin Nisha
Ganatra ("Wedding Bells") inszenierten sowie von der comedyerfahrenen
Hauptdarstellerin und Koproduzentin Mindy Kaling geschriebenen Komödie
bedauerlicherweise wieder (wobei die in den USA selbst auch
nicht viel besser waren). Dabei kann man "Late Night" sehr wohl auch
ohne eigene Late Night Show-Erfahrungen schätzen und genießen als einen zwar
nicht allzu tief unter die Oberfläche eindringenden, jedoch gut geschriebenen,
noch besser gespielten und einfach ungemein unterhaltsamen Film. Wer sich mit den amerikanischen Late Night Shows aber ein bißchen auskennt (die Show
von Jimmy Fallon lief zwischenzeitlich täglich beim Free-TV-Sender One,
außerdem kann man viele Ausschnitte der verschiedensten Shows legal und
kostenlos bei YouTube anschauen), der bekommt sicherlich noch ein bißchen mehr
geboten, zumal es sogar ein paar Kurzauftritte bekannter Moderatoren gibt.
Witzigerweise gibt es sogar einige Parallelen zwischen der
von Emma Thompson verkörperten Katherine Newbury und Harald Schmidt (speziell
zu seiner ARD-Zeit): Beide geben sich elitär und setzen
lieber auf Gäste aus dem Kunstbereich, die (zu ihrem Fachbereich) wirklich
etwas zu sagen haben, als auf hippe aktuelle Social Media-Stars, die die jungen
Zuschauer anlocken. Auch, daß Katherine außerhalb der Show den Kontakt zu
Mitarbeitern weitestgehend meidet, erinnert frappierend an Schmidt, der ja
nie ein Hehl daraus gemacht hat, daß er strikt zwischen Arbeit und
Privatleben trennt und selbst zu langjährigen engen Mitarbeitern privat ein ziemlich distanziertes Verhältnis wahrt. Gut, bei Katherine Newbury wird das Ganze
noch etwas mehr auf die Spitze getrieben (sie kennt ihre Autoren nicht mal beim
Namen, sondern numeriert sie einfach durch), aber die Ähnlichkeiten zwischen
Newbury und Schmidt sind nicht zu übersehen und bieten so gesehen deutschen
Zuschauern sogar einen speziellen, wenn auch eher kleinen
humoristischen Mehrwert. Mit der indischstämmigen Molly gibt es zudem eine sympathische
Identifikationsfigur für das Publikum, da sie als fachfremder Fan durch pures
Glück und gutes Timing als Außenseiterin in das eingeschworene Autorenteam
kommt und wir zusammen mit ihr lernen müssen, was zu beachten ist. Daß sie einzige Autorin ist und außerdem die einzige Nicht-Weiße, dürfte so
unrealistisch übrigens nicht sein – zwar kenne ich natürlich nicht den Autorenstab jeder
US-Late Night Show, aber die dortige männliche Dominanz ist
eigentlich bekannt und auch in der artverwandten Behind the Scenes-Comedyserie
"30 Rock" (auch wenn es da um eine Comedyshow á la "Saturday
Night Live" geht) gibt es neben Protagonistin Liz ausschließlich männliche und überwiegend weiße
Autoren. Katherine als Host ist da sogar der Realität voraus, denn erst ab September 2019 moderiert mit der kanadischen YouTuberin Lilly Singh erstmals eine Frau eine
Late Night Show auf einem der großen Networks (auf dem
spätestmöglichen Sendeplatz) …
Aber Realitätsnähe hin oder her, noch wichtiger ist natürlich die Frage: Ist
"Late Night" witzig? Glücklicherweise lautet die Antwort darauf: Na,
und ob! Mindy Kaling ist zwar in erster Linie als Komikerin und Schauspielerin
bekannt, hat aber durch die Comedy-Serien "The Office (US)" und "The
Mindy Project" reichlich Erfahrung als Drehbuch-Autorin gesammelt, von der sie in
ihrem Kinodebüt (in dieser Funktion) zehrt. Und tatsächlich macht "Late
Night" durchgehend Laune mit zahlreichen guten Gags, ohne dabei zu
Schenkelklopfer-Humor abzurutschen. Was sogar noch besser ist: "Late
Night" ist keineswegs eine reine Gagparade oder eine Satire (wie
seinerzeit in Deutschland Helmut Dietls "Late Show" mit Harald Schmidt
in der Hauptrolle), sondern hat eine recht vielseitige, überlegt aufgebaute
Handlung voller Figuren, die sich "echt" anfühlen. Kaling entzieht sich
dabei geschickt der Vorhersehbarkeitsfalle, denn obwohl speziell zu Beginn
einige Klischees ausgespielt werden, zeigt sich bei den meisten davon im Laufe
der gut eineinhalb Stunden, daß es keineswegs so einfach ist, wie es zunächst
scheint. Ob es um Mollys romantische Episoden geht – zwischen ihr und ihrem
Autorenkollegen Tom (Reid Scott, "Venom") funkt es –, politische und
gesellschaftliche Anspielungen oder auch nur Katherines Showgäste: Beinahe
ausnahmslos offenbart sich eine zweite, häufig überraschende Ebene, die man so
nicht erwartet hätte – besonders gefühlvoll ist der Handlungsstrang um
Katherine und ihren deutlich älteren, an Parkinson erkrankten Ehemann Walter
gestaltet.
Wenn ich überhaupt etwas an "Late Night" zu
kritisieren habe, dann ist es, daß sich Kalings Drehbuch nicht so richtig an
die heißeren Eisen mit aktuellem Bezug herantraut. Themen wie
Gleichberechtigung respektive Diskriminierung (sowohl hinsichtlich der Hautfarbe
als auch Alter und Geschlecht), aber auch generell die politische und
gesellschaftliche Spaltung der USA in der Trump-Ära werden zwar – ähnlich
wie in der Politikkomödie "Long Shot" – angeschnitten, aber das
erschöpft sich jeweils meist in einer einzigen, zwangsläufig ziemlich
oberflächlichen Szene, nach der ohne größere Umschweife zum nächsten Thema
übergegangen wird. Da hätte Kaling definitiv mehr herausholen, sich mehr trauen
können, aber vermutlich wollte sie nicht riskieren, daß sich diese Komödie zu schwer anfühlt. Ob das die richtige Entscheidung war, darüber kann man
sicher streiten, nichts zu diskutieren gibt es allerdings über die Qualität der
Besetzung – die ist enorm hoch. Emma Thompson beweist wieder einmal,
welch großartige Schauspielerin sie ist und welche Naturgewalt sie auf der
großen Leinwand sein kann, wobei diese Katherine Newbury eine perfekte Rolle
für sie ist, in der sie Selbstbewußtsein, Arroganz, Witz, aber auch
Verunsicherung und Verletzlichkeit zeigen kann. Letzteres kommt vor allem in
den Szenen mit John Lithgow als ihr Ehemann zum Tragen, der nicht viele Szenen
hat (fast alle mit Katherine oder Molly), sich in diesen aber rasch ins
Herz der Zuschauer spielt. Lob haben sich auch Denis O'Hare ("Michael Clayton") als Katherines
schicksalsergebener Showrunner Brad und Hugh Dancy ("In guten Händen") als der schnöselige Monolog-Autor Charlie verdient, während Comedian Ike Barinholtz
("Suicide Squad") als ständig grinsender, etwas dümmlicher
Brachialkomiker und möglicher Nachfolger von Katherine namens Daniel Tennant
gekonnt eine Art Antagonist des Films verkörpert.
Fazit: "Late Night" ist eine sehr
unterhaltsame, durchdacht konstruierte und glänzend gespielte Showbiz-Komödie, die
aber gern noch etwas mehr Kanten und Mut zur Unbequemlichkeit hätte zeigen
dürfen.
Wertung: 8 Punkte.
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