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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Donnerstag, 18. Januar 2018

GREATEST SHOWMAN (2017)

Regie: Michael Gracey, Drehbuch: Jenny Bicks, Bill Condon, Musik: John Debney und Joseph Trapanese (Score) sowie Justin Paul und Benj Pasek (Songs)
Darsteller: Hugh Jackman, Michelle Williams, Zac Efron, Zendaya, Rebecca Ferguson, Keala Settle, Sam Humphrey, Eric Anderson, Byron Jennings, Austyn Johnson, Fredric Lehne, Gayle Rankin, Cameron Seely, Paul Sparks, Shuler Hensley, Yahya Abdul-Mateen II
Greatest Showman
(2017) on IMDb Rotten Tomatoes: 57% (6,0); weltweites Einspielergebnis: $441,0 Mio.
FSK: 6, Dauer: 105 Minuten.

Um 1820 wächst Phineas Taylor Barnum als Sohn eines armen, alleinerziehenden Schneiders auf, dem er assistiert. So lernt er auch die etwa gleichaltrige Charity kennen, als sein Vater bei ihrem wohlhabenden Vater Mr. Hallett (Fredric Lehne, "Zero Dark Thirty") Maß nimmt. Phineas, von den meisten nur "P. T." genannt, und Charity verstehen sich auf Anhieb und sie ignorieren Mr. Halletts Verbot, sich zu treffen. Jahre später hat der erwachsene P. T. (Hugh Jackman, "Prisoners") als Mitarbeiter einer Handelsgesellschaft ein verläßliches Einkommen, das es ihm und Charity (Michelle Williams, "Manchester by the Sea") ermöglicht, zu heiraten. Doch P. T. träumt von Höherem als einem simplen, monotonen Angestelltenjob – und Charity unterstützt ihn bei seinen Ambitionen. Also erwirbt P. T. ein altes Museumsgebäude in New York, das er zu einem Wachsfigurenkabinett umgestaltet – in Europa der neueste Schrei, doch in den USA lockt das wenige Zuschauer an. Erst ein Hinweis seiner beiden Töchter bringt P. T. auf die entscheidende Idee: Er heuert "ungewöhnliche" Menschen an – darunter den kleinwüchsigen Charles (Sam Humphrey), die bärtige Sängerin Lettie (Keala Settle) und die afroamerikanische Trapezkünstlerin Anne (Zendaya, "Spider-Man: Homecoming") – und bindet sie in eine grandios präsentierte und mit vielen Übertreibungen arbeitende Kuriositäten-Show ein. Das Publikum ist gleichermaßen angewidert wie begeistert, die Show wird ein Sensationserfolg – die gehobene Gesellschaft und die Kritiker rümpfen jedoch nur die Nase über "Barnum's Circus". Also heuert P. T. den erfolgreichen, von seiner Arbeit gelangweilten Theaterautor Phillip Carlyle (Zac Efron, "Bad Neighbors") an, um noch atemberaubendere Shows zu kreieren …

Kritik:
Die große Zeit der Musicals ist bekanntlich eine Weile her – während der "Goldenen Ära" im streng hierarchischen Studiosystem zwischen 1930er und 1960er Jahren zählten Musicals zu den beliebtesten Genres, speziell nach der Etablierung des farbenfrohen Technicolor-Standards in den 1950er Jahren lockten Werke wie "Ein Amerikaner in Paris", "Singin' in the Rain", "West Side Story", "Mary Poppins", "The Sound of Music" oder "My Fair Lady" mit Stars wie Fred Astaire, Ginger Rogers, Audrey Hepburn, Gene Kelly oder Judy Garland Zuschauer in Scharen in die Lichtspielhäuser. Bereits damals basierten aber viele Kino-Musicals auf Theatervorlagen, die am Broadway oder in London Erfolge feierten – Original-Musicals mit neuen Songs waren klar in der Unterzahl. Heutzutage kommen selten mehr als ein oder zwei Musicals pro Jahr in die Kinos und die allermeisten von ihnen sind Adaptionen. Das letzte große Original-Musical im klassischen Sinne vor "Greatest Showman" war, abgesehen von einer Ausnahme, tatsächlich Baz Luhrmanns wunderbarer "Moulin Rouge!" aus dem Jahr 2001 – und selbst dieses OSCAR-prämierte Meisterwerk, das zu meinen absoluten Lieblingsfilmen zählt, greift "nur" auf bekannte (Pop- und Rock-)Songs zurück, wenngleich diese höchst einfallsreich variiert und an die Story angepaßt wurden. Anschließend gab es erfolgreiche Bühnenadaptionen wie "Chicago" (2002), "Sweeney Todd" (2007), "Hairspray" (2007), "Les Misérables" (2012) oder "Into the Woods" (2014), moderne, von Popsongs vorangetriebene Werke wie "Mamma Mia!" (2008, ABBA) oder "Across the Universe" (2007, The Beatles) sowie diverse musicallastige Animationsfilme ("Die Eiskönigin", "Coco"). Aber keine Original-Musicals im klassischen Sinne. Erst 2016 folgte mit dem sechsfach OSCAR-prämierten, betont nostalgisch inszenierten Jazz-Musical "La La Land" oben erwähnte Ausnahme, die mit von Justin Hurwitz komponierten Musikstücken begeisterte. Die Texte dazu steuerten Benj Pasek und Justin Paul bei – dieses Duo zeichnet nun komplett für die Songs in "Greatest Showman" verantwortlich, einem Musical, das vor allem mit seiner aufwendigen Aufmachung überzeugt und das Herz am rechten Fleck hat, inhaltlich allerdings einige Schwächen aufweist.

Offensichtlichstes Vorbild des vom australischen Regiedebütanten Michael Gracey inszenierten "Greatest Showman" ist stilistisch und inhaltlich "Moulin Rouge!" – beide spielen in etwa zur gleichen Zeit ("Greatest Showman" um 1850, "Moulin Rouge!" im Jahr 1900), beide widmen sich dem Künstlermilieu, beide verwenden Songs, die erkennbar nicht in das Setting passen (auch wenn "Moulin Rouge!" sie, wie erwähnt, so stark verfremdet, daß es zumindest teilweise gar nicht so sehr auffällt). Wenn man sich ein solches mit Recht kultiges Vorbild sucht, dann bedeutet das aber natürlich auch, daß man sich selbst eine sehr, sehr hohe Meßlatte setzt. Und in diesem Fall ist das eine Meßlatte, die "Greatest Showman" in den meisten Belangen leider reißt. Dabei sind ausgerechnet die eigens geschriebenen Lieder – deren Verwendung ja eigentlich lobenswert und mutig ist – ein gewichtiger Teil des Problems. Denn wo sich "Moulin Rouge!" ein Best of aus mehreren Jahrzehnten der Rock- und Popmusik zusammensuchen und dann ebenso künstlerisch wie innovativ und in hohem Maße effektiv verfremden konnte, sind die neuen Popsongs in "Greatest Showman" zwar allesamt gefällig geraten, ein paar sogar richtig gut – für echte Begeisterung sorgen sie aber kaum. Das liegt auch daran, daß sie alle ziemlich ähnlich und auch recht generisch klingen, dabei allesamt überproduziert sind und zudem noch zu offensichtlich im Studio nachsynchronisiert – das sorgt dafür, daß die durchaus sehenswert choreographierten und gut gesungenen Lieder ihre Natürlichkeit verlieren und dem gesamten Film eine Künstlichkeit verleihen, die mit Sicherheit nicht geplant war. Gerade wenn man solch exzellente Sänger wie Hugh Jackman, Zac Efron, Loren Allred (als "Gesangsdouble" der von Rebecca Ferguson verkörperten schwedischen Sängerin Jenny Lind, deren USA-Tour Barnum später in seinem stetigen Bemühen um Anerkennung durch die Eliten organisiert), Zendaya, Michelle Williams und Broadway-Star Keala Settle im Ensemble hat, ist das nicht nur höchst überflüssig, sondern tendentiell sogar kontraproduktiv!

Doch auch inhaltlich gibt es recht viel zu bemängeln. So lobenswert beispielsweise die offensiv vorgetragene Toleranz-Botschaft ist, so plakativ wirkt sie – gerade angesichts der historischen Realität. Ein Biopic ist "Greatest Showman" nämlich nicht, das damals wie heute in Teilen ziemlich kontroverse Leben und Wirken P. T. Barnums dient lediglich als lose Vorlage für eine Nummernrevue, bei der die Lieder weniger der Handlung dienen als vielmehr sich die Story eher mühsam von Musicaleinlage zu Musicaleinlage hangelt. Zumindest erliegt das Drehbuch von Jenny Bicks ("Rio 2") und dem genreerfahrenen Bill Condon ("Chicago") nicht der Versuchung, aus Phineas Taylor Barnum einen eindimensionalen Helden der Toleranz und Weltoffenheit zu machen. Stattdessen wird er als eine durchaus ambivalente Figur gezeichnet, die zwar im Kern unzweifelhaft ein guter Mensch ist, aber doch einige Fehler hat – allen voran seine unstillbare Gefallsucht und der Hang zu Abkürzungen, für die er auch zu gesetzeswidrigen Mitteln greift. Für Hugh Jackman ist diese Widersprüchlichkeit natürlich ein gefundenes Fressen, so kann er sein Können nicht nur als Sänger (er startete seine Karriere in seiner Heimat Australien ja als Musical-Darsteller), sondern auch als Schauspieler beweisen. In der Tat ist sein P. T. Barnum die mit Abstand spannendste Figur des Films, ein charismatisches Schlitzohr mit einer tiefen Sehnsucht nach Liebe und Anerkennung. Die erhält sogar einen eigenen (aber frei erfundenen) Nebenhandlungsstrang, denn trotz seiner Liebe zu Charity und den beiden Töchtern droht P. T. der "schwedischen Nachtigall" Jenny Lind zu verfallen, für die er den Zirkus ebenso wie seine Familie vernachlässigt. Doch obwohl dieser Storyschlenker Barnum etwas mehr Tiefe verleiht und zu einer größeren Fallhöhe des Protagonisten führt, empfinde ich ihn eher als störend; er ist zu vorhersehbar und unspektakulär präsentiert und bringt den Film letztendlich nicht wirklich weiter.

Die Zeit hätte man besser nutzen sollen, indem man die Zirkusartisten viel stärker in den Mittelpunkt rückt – dann würde auch die Toleranz-Botschaft noch größere Überzeugungskraft entwickeln. Bedauerlicherweise werden Barnums Schützlinge jedoch die meiste Zeit über zu reinen Nebendarstellern degradiert, über die man, wenn man genauer darüber nachdenkt, kaum etwas Substantielles erfährt. Nur Anne schneidet etwas besser ab, weil sich zwischen ihr und Autor Phillip tiefere Gefühle entwickeln, zudem darf die bärtige Lettie zumindest als (glänzende) Interpretin des zentralen, mit einem Golden Globe prämierten Songs "This Is Me" glänzen, der von dem selbstbewußten Ausbruch eines Außenseiters aus seiner vermeintlich gesellschaftlich vorherbestimmten Rolle handelt. Auch wenn das Thema insgesamt, wie erwähnt, allzu plakativ und gleichzeitig hinsichtlich der Einbeziehung der Artisten nicht konsequent genug vorgetragen wird, muß ich doch zugeben: Es ist fraglos sehr schön zu beobachten, wie gerade in unserer vermutlich nicht nur gefühlt immer zynischer und populistischer werdenden Gesellschaft ein so selbstbewußt humanistischer Film wie "Greatest Showman" sich trotz (nicht unberechtigter) mediokrer Rezensionen zu einem unerwarteten weltweiten Publikumserfolg mausert. Und bei allen inhaltlichen Kritikpunkten steht eines außer Frage: Die in aufwendige Kulissen plazierten Musical-Einlagen sind hochgradig unterhaltsam in Szene gesetzt und lassen gemeinsam mit der sympathischen Besetzung (in der Michelle Williams leider etwas unterbeschäftigt ist) über viele Schwächen hinwegsehen. Mit "Moulin Rouge!" kann "Greatest Showman" zwar auch hier nicht ganz mithalten, da es im direkten Vergleich an musikalischer Phantasie, an Emotionalität und am Mut zum Stilbruch mangelt – sehenswert sind die "Greatest Showman"-Bemühungen jedoch allemal. Mein Favorit ist übrigens weder "This Is Me" noch der mitreißende Ensemble-Song "The Greatest Show" oder Jenny Linds episches "Never Enough", sondern das von Hugh Jackman und Zac Efron schwungvolle vorgetragene Duett "The Other Side", in dem sich Phillip von P. T. zur Mitwirkung an seinem Zirkus überreden läßt. Diese vergleichsweise intime, aber fabelhafte Einlage zeigt, wie gut "Greatest Showman" eigentlich hätte werden können.

Fazit: "Greatest Showman" ist ein unterhaltsames, die ziemlich frei nacherzählte Geschichte des US-Zirkuspioniers P. T. Barnum als sympathisches Vehikel für eine Botschaft der Toleranz verwendendes Musical, das inhaltlich aber arg oberflächlich geraten ist und auch sonst einige Schwächen offenbart.

Wertung: Knapp 7 Punkte.


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