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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Donnerstag, 13. November 2014

INTERSTELLAR (2014)

Regie: Christopher Nolan, Drehbuch: Jonathan und Christopher Nolan, Musik: Hans Zimmer
Darsteller: Matthew McConaughey, Anne Hathaway, Jessica Chastain, Sir Michael Caine, Matt Damon, David Gyasi, Wes Bentley, John Lithgow, Casey Affleck, Topher Grace, Mackenzie Foy, Timothée Chalamet, David Oyelowo, William Devane, Ellen Burstyn, Elyes Gabel, Josh Stewart, Bill Irwin
Interstellar
(2014) on IMDb Rotten Tomatoes: 72% (7,1); weltweites Einspielergebnis: $677,5 Mio.
 FSK: 12, Dauer: 169 Minuten.
In der nicht allzu fernen Zukunft sind die natürlichen Ressourcen der Erde nahezu erschöpft. Staubstürme überziehen den Planeten, Getreide kann infolge großflächigen Mehltau-Befalls nicht mehr angebaut werden, die gesamte Landwirtschaft konzentriert sich notgedrungen auf den Anbau von Mais. Die Industriegesellschaft, wie wir sie kennen, existiert nicht mehr, auch der begnadete Ingenieur und frühere Astronaut Cooper (Matthew McConaughey, "Dallas Buyers Club") betätigt sich widerwillig als Farmer. Doch eines Tages stoßen er und seine wißbegierige Tochter Murphy (Mackenzie Foy, "Conjuring – Die Heimsuchung") auf ein seltsames Phänomen in ihrem Haus, das ihnen bestimmte Koordinaten zu übermitteln scheint. Sie folgen ihnen und landen bei den Überresten der NASA, die unter der Leitung von Dr. Brand (Sir Michael Caine, "Harry Brown") an einem Geheimprojekt zur Umsiedlung der Menschheit durch ein plötzlich aufgetauchtes Wurmloch in eine fremde Galaxie arbeitet. Und Cooper soll nun gemeinsam mit Brands Tochter Amelia (Anne Hathaway, "Les Misérables"), den weiteren Astronauten Romilly (David Gyasi, "Cloud Atlas") und Doyle (Wes Bentley, "Die Tribute von Panem – The Hunger Games") sowie den Robotern TARS (im Original gesprochen von Bill Irwin, "Das Mädchen aus dem Wasser") und CASE (Josh Stewart, "Transcendence") durch das Wurmloch fliegen und einen passenden Planeten finden …

Kritik:
Star-Regisseur Christopher Nolan hat es schon immer gerne etwas anders gemacht als alle anderen. Das war schon bei seinem internationalen Durchbruch mit dem bahnbrechenden, rückwärts erzählten Thriller "Memento" so. Oder bei seiner "Dark Knight"-Trilogie, in der er auf die Unzahl von fröhlich-bunten Superhelden-Filmen mit einer sehr düsteren, geerdeten (und dabei ausnehmend guten sowie extrem erfolgreichen) Batman-Interpretation antwortete. Es manifestiert sich außerdem darin, daß er im Gegensatz zu so vielen Blockbuster-Regisseuren in Hollywood überhaupt nichts von 3D hält, sondern stattdessen sogar ganz bewußt analoge Projektion und IMAX-Kinos unterstützt (durch einen um zwei Tage vorgezogenen Start in den US-Kinos). Und während es bei vielen heutigen Großproduktionen üblich ist, daß sie mit einem Knall beginnen und mit einem Knall enden, zwischendurch aber immer wieder mal mehr oder weniger stark ausgedehnte Leerlauf-Zeiten einstreuen, läuft es bei "Interstellar" natürlich genau umgekehrt: Die Geschichte beginnt sehr gemütlich, entwickelt dann im langen Mittelteil jene Stärken, die man von einem Nolan-Film erwartet – und endet ziemlich zäh. Keine Frage: Das Science Fiction-Epos, das eigentlich ein (für Nolan-Verhältnisse) ungewöhnlich emotionales Familiendrama ist, polarisiert ganz besonders die Kritiker. Für mich hlt "Interstellar" zu den schwächeren Werken von Christopher Nolan, ist aber immer noch absolut sehenswert.

Eigentlich ist es ja sehr löblich, daß Nolan zu Beginn viel Zeit darauf verwendet, dem Publikum die im Film aktuelle und ziemlich trostlose Situation des Planeten Erde und seiner Bewohner nahezubringen. Allerdings ist das, was man präsentiert bekommt, nicht wirklich spektakulär. Vor allem optisch unterscheidet sich das von dieser zukünftigen Erde Gezeigte bis auf den allgegenwärtigen Staub kaum von der Gegenwart, auch das Verhalten der Menschen hat sich nicht allzu sehr geändert. Zwar ist es interessant zu erfahren und teilweise auch amüsant zu sehen, wie sich die USA (auf den Rest der Welt wird nicht weiter eingegangen, angesichts der NASA-Mission dürfte es aber keine großen Unterschiede geben) notgedrungen wieder in eine Agrargesellschaft zurückverwandelt haben; zumal die berechtigte Kritik am verschwenderischen Umgang der Menschheit mit den natürlichen Ressourcen der Erde mehr als offensichtlich ist. Aber um das dem Zuschauer begreiflich zu machen, müßte man nun wirklich nicht 45 Minuten verbrauchen. So mancher andere Film würde zu diesem Zeitpunkt bereits intensiv das Finale vorbereiten, "Interstellar" fängt dann erst richtig an. Einige dieser frühen Szenen erfahren am Ende des Films immerhin eine nachträgliche dramaturgische Aufwertung, außerdem ist die Etablierung des innigen Verhältnisses zwischen Cooper und seiner aufgeweckten Tochter Murphy – sowie deren Wut auf ihren Vater, als dieser die Familie für die Mission verläßt – wichtig für den Fortgang der Handlung. Dennoch: Der Auftakt von "Interstellar" ist alles in allem kein cineastisches Highlight.

Deutlich besser wird es, nachdem Cooper die Überreste der NASA gefunden hat und seine Mission in unentdeckte Welten startet. Ab der packend inszenierten Wurmloch-Passage zeigt Nolan, was er kann und nimmt den Zuschauer mit auf eine faszinierende Reise ins Weltall und zu fremdartigen Planeten. Parallelen zu früheren, thematisch verwandten Filmen wie Kubricks "2001: Odyssee im Weltraum", Robert Zemeckis' "Contact" (kurioserweise ebenfalls mit dem damals noch fast unbekannten McConaughey in einer größeren Rolle) oder auch Danny Boyles "Sunshine" sind unverkennbar, doch behält "Interstellar" stets eine gewisse Eigenständigkeit. Und obschon es nur sporadische Actioneinlagen gibt, ist dieser Mittelteil mit der verzweifelten, von zunehmender Treibstroffknappheit verschärften Suche nach einem bewohnbaren Planeten für die Menschheit durchweg spannend gestaltet. An der fesselnden Atmosphäre maßgeblich beteiligt ist Komponist Hans Zimmer, dem früher gerne (und nicht ganz zu Unrecht) vorgeworfen wurde, er würde sich in seinen Soundtracks gerne selbst zitieren. Darüber ist er allerdings längst hinaus, wie er unter anderem mit seiner musikalischen Untermalung von Nolans "Dark Knight"-Trilogie bewiesen hat, aber auch mit den Scores zu "Black Hawk Down", "12 Years a Slave" oder "Man of Steel". Doch seine "Interstellar"-Kompositionen erreichen noch einmal ein ganz neues Level. Die sphärischen, durch den prominenten Orgeleinsatz beinahe sakralen Melodien begleiten diese Reise ins Unbekannte kongenial und verströmen eine faszinierend fremdartige, außerirdische Aura. Das ist nicht unbedingt Musik mit Ohrwurmfaktor wie einst bei "Gladiator", aber sie paßt hervorragend zu der Geschichte von Aufbruch und Entdeckung, die Christopher Nolan erzählt. Und durch die erwähnten kurzen Actioneinlagen gibt es auch in der Musik genügend Abwechslung, um nicht auf Dauer zu langweilen.

Dennoch sind die Actionszenen nicht uneingeschränkt positiv zu werten, denn sie fügen sich leider nicht reibungslos in die Story ein. Stattdessen wirken sie zumindest teilweise deutlich aufgesetzt, als wären sie aus dem Kalkül eingefügt worden, daß man dem durchschnittlichen Blockbuster-Zuschauer nicht einen nahezu dreistündigen Science Fiction-Film ohne rasante, aufregende Szenen vorsetzen könne. Die Umsetzung selbst ist, wie nicht anders zu erwarten und für den gesamten Film geltend, technisch und inszenatorisch tadellos (für die visuellen Effekte gab es einen OSCAR), die dramaturgische Notwendigkeit kann Nolan jedoch nicht wirklich vermitteln. Gerade der Verlust eines ersten Crewmitglieds wirkt – so spektakulär er anzusehen ist – ziemlich dämlich. Und so etwas ist man von einem Nolan-Werk eigentlich nicht gewohnt. Die Handlungsentwicklung auf dem zweiten besuchten Planeten kann man zwar psychologisch einigermaßen nachvollziehen, doch wirkt das Ganze unnötig in die Länge gezogen. Auch die Schauspieler können in "Interstellar" nicht so sehr glänzen, wie man das erwartet hatte. Die beiden Hauptdarsteller McConaughey und Hathaway machen ihre Sache gut, bekommen aber wenig Gelegenheit zum Glänzen. Ähnlich ergeht es den hochkarätigen Nebendarstellern, lediglich Mackenzie Foy und Jessica Chastain ("Zero Dark Thirty") als junge respektive erwachsene Murphy, die in Abwesenheit ihres Vaters selbst zu einer leitenden NASA-Wissenschaftlerin wurde, haben einige starken Szenen. Insgesamt ist es aber schon bezeichnend, daß es ausgerechnet die beiden Roboter TARS und CASE sind – deren klobiges Design wohltuend an die Genreklassiker der 1970er Jahre erinnert –, die mit ihren amüsanten Bemerkungen (TARS' Humorlevel ist zu Beginn auf 100% eingestellt …) noch am stärksten im Gedächtnis bleiben.

Bliebe noch das Finale, das ich eingangs als "ziemlich zäh" eingestuft hatte. Sehr viel mehr kann ich dazu nicht schreiben, ohne zu viel von der Handlung zu verraten, aber es ist wirklich so, daß mich die letzte halbe Stunde phasenweise richtig gelangweilt hat. Einmal, weil sie erneut viel zu ausgewalzt ist in dem Bemühen, all das haarklein zu zeigen, was man sich als Zuschauer längst selbst zusammengereimt hat; aber auch deshalb, weil die entscheidende Storywendung das Gebiet der realistischen Wissenschaft ziemlich weit hinter sich läßt und eher märchenhaft wirkt (wenngleich Nolan eigens einen wissenschaftlichen Berater angeheuert hat, der dafür sorgte, daß das meiste zumindest theoretisch irgendwie möglich sein müßte …). Man muß eine recht ausgeprägte Bereitschaft zur Akzeptanz phantasievoller, gar romantischer Erklärungen mitbringen, um diese finale Auflösung nicht einigermaßen hanebüchen zu finden. Rührend, aber hanebüchen.

Fazit: "Interstellar" ist ein philosophisches, visuell wie akustisch faszinierendes Weltraum-Abenteuer, in dessen emotionalem Zentrum eigentlich eine Vater-Tochter-Geschichte steht; die kann durchaus überzeugen, unglücklicherweise sorgen aber die ansonsten unterentwickelte Figurenzeichnung und einige allzu gezwungen wirkende Drehbuch-Schlenker für Minuspunkte.

Wertung: 7,5 Punkte.


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