Regie: Christopher Nolan, Drehbuch: Jonathan und Christopher
Nolan, Musik: Hans Zimmer
Darsteller: Matthew McConaughey, Anne Hathaway, Jessica
Chastain, Sir Michael Caine, Matt Damon, David Gyasi, Wes Bentley, John
Lithgow, Casey Affleck, Topher Grace, Mackenzie Foy, Timothée Chalamet, David
Oyelowo, William Devane, Ellen Burstyn, Elyes Gabel, Josh Stewart, Bill Irwin
In der nicht allzu fernen Zukunft sind die natürlichen
Ressourcen der Erde nahezu erschöpft. Staubstürme überziehen den Planeten,
Getreide kann infolge großflächigen Mehltau-Befalls nicht mehr angebaut werden,
die gesamte Landwirtschaft konzentriert sich notgedrungen auf den Anbau von
Mais. Die Industriegesellschaft, wie wir sie kennen, existiert nicht mehr, auch
der begnadete Ingenieur und frühere Astronaut Cooper (Matthew McConaughey,
"Dallas Buyers Club") betätigt sich widerwillig als Farmer. Doch
eines Tages stoßen er und seine wißbegierige Tochter Murphy (Mackenzie Foy, "Conjuring – Die Heimsuchung") auf
ein seltsames Phänomen in ihrem Haus, das ihnen bestimmte Koordinaten zu
übermitteln scheint. Sie folgen ihnen und landen bei den Überresten der NASA,
die unter der Leitung von Dr. Brand (Sir Michael Caine, "Harry Brown") an
einem Geheimprojekt zur Umsiedlung der Menschheit durch ein plötzlich
aufgetauchtes Wurmloch in eine fremde Galaxie arbeitet. Und Cooper soll nun
gemeinsam mit Brands Tochter Amelia (Anne Hathaway, "Les Misérables"), den weiteren Astronauten Romilly (David Gyasi, "Cloud Atlas") und Doyle
(Wes Bentley, "Die Tribute von Panem – The Hunger Games") sowie den Robotern TARS (im Original gesprochen von Bill Irwin, "Das Mädchen aus dem Wasser") und
CASE (Josh Stewart, "Transcendence") durch das Wurmloch fliegen und einen passenden Planeten
finden …
Kritik:
Star-Regisseur Christopher Nolan hat es schon immer gerne
etwas anders gemacht als alle anderen. Das war schon bei seinem internationalen
Durchbruch mit dem bahnbrechenden, rückwärts erzählten Thriller
"Memento" so. Oder bei seiner "Dark Knight"-Trilogie,
in der er auf die Unzahl von fröhlich-bunten Superhelden-Filmen mit einer sehr
düsteren, geerdeten (und dabei ausnehmend guten sowie extrem erfolgreichen)
Batman-Interpretation antwortete. Es manifestiert sich außerdem darin, daß er im
Gegensatz zu so vielen Blockbuster-Regisseuren in Hollywood überhaupt nichts
von 3D hält, sondern stattdessen sogar ganz bewußt analoge Projektion und
IMAX-Kinos unterstützt (durch einen um zwei Tage vorgezogenen Start in den
US-Kinos). Und während es bei vielen heutigen Großproduktionen üblich ist, daß
sie mit einem Knall beginnen und mit einem Knall enden, zwischendurch aber
immer wieder mal mehr oder weniger stark ausgedehnte Leerlauf-Zeiten einstreuen,
läuft es bei "Interstellar" natürlich genau umgekehrt: Die Geschichte
beginnt sehr gemütlich, entwickelt dann im langen Mittelteil jene Stärken, die
man von einem Nolan-Film erwartet – und endet ziemlich zäh. Keine Frage: Das
Science Fiction-Epos, das eigentlich ein (für Nolan-Verhältnisse) ungewöhnlich emotionales Familiendrama
ist, polarisiert ganz besonders die Kritiker. Für mich zählt "Interstellar" zu den schwächeren Werken von Christopher Nolan, ist aber immer noch absolut
sehenswert.
Eigentlich ist es ja sehr löblich, daß Nolan zu Beginn viel
Zeit darauf verwendet, dem Publikum die im Film aktuelle und ziemlich trostlose
Situation des Planeten Erde und seiner Bewohner nahezubringen. Allerdings ist
das, was man präsentiert bekommt, nicht wirklich spektakulär. Vor allem optisch
unterscheidet sich das von dieser zukünftigen Erde Gezeigte bis auf
den allgegenwärtigen Staub kaum von der Gegenwart, auch das Verhalten der
Menschen hat sich nicht allzu sehr geändert. Zwar ist es interessant zu
erfahren und teilweise auch amüsant zu sehen, wie sich die USA (auf den Rest
der Welt wird nicht weiter eingegangen, angesichts der NASA-Mission dürfte
es aber keine großen Unterschiede geben) notgedrungen wieder in eine
Agrargesellschaft zurückverwandelt haben; zumal die berechtigte Kritik am verschwenderischen Umgang der Menschheit mit den natürlichen Ressourcen
der Erde mehr als offensichtlich ist. Aber um das dem Zuschauer begreiflich zu
machen, müßte man nun wirklich nicht 45 Minuten verbrauchen. So mancher andere
Film würde zu diesem Zeitpunkt bereits intensiv das Finale vorbereiten,
"Interstellar" fängt dann erst richtig an. Einige dieser frühen
Szenen erfahren am Ende des Films immerhin eine nachträgliche dramaturgische
Aufwertung, außerdem ist die Etablierung des innigen Verhältnisses zwischen
Cooper und seiner aufgeweckten Tochter Murphy – sowie deren Wut auf ihren Vater, als dieser die Familie für die Mission verläßt – wichtig für den Fortgang der Handlung. Dennoch:
Der Auftakt von "Interstellar" ist alles in allem kein cineastisches
Highlight.
Deutlich besser wird es, nachdem Cooper die Überreste der
NASA gefunden hat und seine Mission in unentdeckte Welten startet. Ab der
packend inszenierten Wurmloch-Passage zeigt Nolan, was er kann und nimmt den Zuschauer mit auf eine
faszinierende Reise ins Weltall und zu fremdartigen Planeten. Parallelen zu
früheren, thematisch verwandten Filmen wie Kubricks "2001: Odyssee im
Weltraum", Robert Zemeckis' "Contact" (kurioserweise ebenfalls
mit dem damals noch fast unbekannten McConaughey in einer größeren Rolle) oder
auch Danny Boyles "Sunshine" sind unverkennbar, doch behält
"Interstellar" stets eine gewisse Eigenständigkeit. Und obschon es
nur sporadische Actioneinlagen gibt, ist dieser Mittelteil mit der
verzweifelten, von zunehmender Treibstroffknappheit verschärften Suche nach
einem bewohnbaren Planeten für die Menschheit durchweg spannend gestaltet.
An der fesselnden Atmosphäre maßgeblich beteiligt ist Komponist Hans
Zimmer, dem früher gerne (und nicht ganz zu Unrecht) vorgeworfen wurde, er
würde sich in seinen Soundtracks gerne selbst zitieren. Darüber ist er
allerdings längst hinaus, wie er unter anderem mit seiner musikalischen
Untermalung von Nolans "Dark Knight"-Trilogie bewiesen hat, aber
auch mit den Scores zu "Black Hawk Down", "12 Years a Slave" oder "Man of Steel". Doch seine "Interstellar"-Kompositionen erreichen noch
einmal ein ganz neues Level. Die sphärischen, durch den prominenten
Orgeleinsatz beinahe sakralen Melodien begleiten diese Reise ins Unbekannte
kongenial und verströmen eine faszinierend fremdartige, außerirdische Aura. Das
ist nicht unbedingt Musik mit Ohrwurmfaktor wie einst bei
"Gladiator", aber sie paßt hervorragend zu der Geschichte von
Aufbruch und Entdeckung, die Christopher Nolan erzählt. Und durch die erwähnten
kurzen Actioneinlagen gibt es auch in der Musik genügend Abwechslung, um nicht
auf Dauer zu langweilen.
Dennoch sind die Actionszenen nicht uneingeschränkt positiv
zu werten, denn sie fügen sich leider nicht reibungslos in die Story ein.
Stattdessen wirken sie zumindest teilweise deutlich aufgesetzt, als wären sie aus dem Kalkül eingefügt worden, daß man dem durchschnittlichen
Blockbuster-Zuschauer nicht einen nahezu dreistündigen Science Fiction-Film ohne
rasante, aufregende Szenen vorsetzen könne. Die Umsetzung selbst ist, wie
nicht anders zu erwarten und für den gesamten Film geltend, technisch und
inszenatorisch tadellos (für die visuellen Effekte gab es einen OSCAR), die dramaturgische Notwendigkeit kann Nolan jedoch nicht
wirklich vermitteln. Gerade der Verlust eines ersten Crewmitglieds wirkt – so
spektakulär er anzusehen ist – ziemlich dämlich. Und so etwas ist man von
einem Nolan-Werk eigentlich nicht gewohnt. Die Handlungsentwicklung auf dem
zweiten besuchten Planeten kann man zwar psychologisch einigermaßen nachvollziehen, doch wirkt das
Ganze unnötig in die Länge gezogen. Auch die Schauspieler können in
"Interstellar" nicht so sehr glänzen, wie man das erwartet hatte. Die
beiden Hauptdarsteller McConaughey und Hathaway machen ihre Sache gut, bekommen aber
wenig Gelegenheit zum Glänzen. Ähnlich ergeht es den hochkarätigen
Nebendarstellern, lediglich Mackenzie Foy und Jessica Chastain ("Zero Dark Thirty") als junge
respektive erwachsene Murphy, die in Abwesenheit ihres Vaters selbst zu einer
leitenden NASA-Wissenschaftlerin wurde, haben einige starken Szenen. Insgesamt
ist es aber schon bezeichnend, daß es ausgerechnet die beiden Roboter TARS und
CASE sind – deren klobiges Design wohltuend an die Genreklassiker der 1970er Jahre
erinnert –, die mit ihren amüsanten Bemerkungen (TARS' Humorlevel ist zu Beginn auf
100% eingestellt …) noch am stärksten im Gedächtnis bleiben.
Bliebe noch das Finale, das ich eingangs als "ziemlich zäh"
eingestuft hatte. Sehr viel mehr kann ich dazu nicht schreiben, ohne zu viel
von der Handlung zu verraten, aber es ist wirklich so, daß mich die letzte
halbe Stunde phasenweise richtig gelangweilt hat. Einmal, weil sie erneut viel
zu ausgewalzt ist in dem Bemühen, all das haarklein zu zeigen, was man sich als
Zuschauer längst selbst zusammengereimt hat; aber auch deshalb, weil die
entscheidende Storywendung das Gebiet der realistischen Wissenschaft ziemlich weit hinter
sich läßt und eher märchenhaft wirkt (wenngleich Nolan eigens einen
wissenschaftlichen Berater angeheuert hat, der dafür sorgte, daß das meiste
zumindest theoretisch irgendwie möglich sein müßte …). Man muß eine recht
ausgeprägte Bereitschaft zur Akzeptanz phantasievoller, gar romantischer
Erklärungen mitbringen, um diese finale Auflösung nicht einigermaßen hanebüchen zu finden. Rührend,
aber hanebüchen.
Fazit: "Interstellar" ist ein philosophisches,
visuell wie akustisch faszinierendes Weltraum-Abenteuer, in dessen emotionalem Zentrum
eigentlich eine Vater-Tochter-Geschichte steht; die kann durchaus
überzeugen, unglücklicherweise sorgen aber die ansonsten unterentwickelte Figurenzeichnung
und einige allzu gezwungen wirkende Drehbuch-Schlenker für Minuspunkte.
Wertung: 7,5 Punkte.
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