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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Dienstag, 10. Juli 2018

Klassiker-Rezension: DER DÜNNE MANN (1934)

Originaltitel: The Thin Man
Regie: W.S. Van Dyke, Drehbuch: Albert Hackett, Frances Goodrich, Musik: Dr. William Axt
Darsteller: William Powell, Myrna Loy, Skippy, Maureen O'Sullivan, Nat Pendleton, Porter Hall, Minna Gombell, Henry Wadsworth, William Henry, Cesar Romero, Natalie Moorhead, Edward Ellis
Der dünne Mann
(1934) on IMDb Rotten Tomatoes: 98% (8,8); weltweites Einspielergebnis: $1,4 Mio.
FSK: 12, Dauer: 93 Minuten.
Der elegante und wortgewandte, vielleicht etwas zu sehr dem Alkoholgenuß zugeneigte frühere Privatdetektiv Nick Charles (William Powell, "Mein Mann Godfrey", "Der große Ziegfeld") kann sich wahrlich nicht über sein Leben beklagen immerhin hat er vor einigen Jahren die reiche, wunderschöne und schlagfertige Erbin Nora (Myrna Loy, "Mitternachtsspitzen") geehelicht und führt seitdem ein ziemlich perfektes Leben im Kreise der High Society von San Francisco. Bei einem Besuch in der Weihnachtszeit in New York bittet ihn allerdings Dorothy Wynant (Mia Farrows Mutter Maureen O'Sullivan, "Stolz und Vorurteil") um Hilfe, denn ihr Vater – ein früherer Mandant von Nick – ist spurlos verschwunden. Nach anfänglichem Zögern sagt Nick zu und nimmt die Ermittlungen auf, was Nora von der Seitenlinie mit amüsierter Faszination verfolgt. Schon bald wird die Sache aber ziemlich ernst, denn Wynants frühere Sekretärin wird ermordet aufgefunden …

Kritik:
Es ist natürlich altersabhängig, aber nach meinen Erfahrungen haben die meisten Menschen heutzutage nur über jene Filme, die ab 1975 gedreht wurden, einen ziemlich guten Überblick (also mehr oder weniger seit Beginn des Blockbuster-Kinos mit "Der weiße Hai" und "Krieg der Sterne"). Zwar gibt es selbstredend einige Klassiker aus der Zeit davor, die viele kennen, doch im Grunde genommen ist das Wissen besonders über die legendenumwobene "Goldene Ära Hollywoods" (die bis Anfang der 1960er Jahre andauerte) sehr lückenhaft; mehr als die Namen einiger Superstars – Katharine Hepburn, Cary Grant, Errol Flynn, Bette Davis, Charles Chaplin – fällt dazu vielen nicht ein. Selbst absolute Publikumslieblinge ihrer Zeit sind weitgehend in Vergessenheit geraten und ein Paradebeispiel dafür ist das wunderbare Leinwandpaar William Powell und Myrna Loy. Die beiden gutaussehenden und umwerfend charmanten Schauspieler harmonierten so perfekt vor der Kamera, daß sie ingesamt 14 gemeinsame Filme drehten, die auch noch ausnahmslos sehenswert geraten sind (ich kann vor allem "Liebling, du hast dich verändert" und "Doppelhochzeit" empfehlen). Alleine sechs der Auftritte entfallen auf die "Der dünne Mann"-Reihe, deren Auftakt zu meinen persönlichen Favoriten zählt. "Der dünne Mann" ist die Adaption eines Romans des berühmten Hardboiled-Autors Dashiell Hammett und wirkt entsprechend wie eine leichtfüßige, humorvolle und optimistische Variation seiner grimmigen Noir-Geschichten, von denen "Die Spur des Falken" auch dank der kongenialen Verfilmung von John Huston den größten Ruhm erntete.

Während der zentrale Kriminalfall in den Fortsetzungen zunehmend in den Hintergrund rückt, spielt er hier noch eine große Rolle und ist in der Tat ziemlich interessant und wendungsreich erdacht (weshalb ich wegen Spoilergefahr auch nicht weiter darauf eingehen möchte) – wenn auch nicht auf allerhöchstem Niveau. Dennoch sind Nicks Ermittlungen nicht der Grund für den großen Erfolg von "Der dünne Mann". Der läßt sich ziemlich genau identifizieren: Es sind die ständigen Frotzeleien, Neckereien und liebevollen Rededuelle zwischen Nick und Nora. Heutige Zuschauer mag das verwundern, denn diese Figurenkonstellation ist quasi seit Jahrzehnten ein Standard in der Film- wie auch der TV-Serienwelt (zuletzt u.a. erfolgreich in "Castle" und "The Mentalist" umgesetzt). Damals war das jedoch eine absolute Novität, denn "Der dünne Mann" startete diesen Trend! Nicht ohne Grund ist im englischen Sprachraum die Verwendung des Namenspaars "Nick und Nora" bis heute ein geflügeltes Wort, bei dem fast jeder weiß, was gemeint ist; filmische Anspielungen wie bei der Komödie "Nick & Norah – Soundtrack einer Nacht" gibt es selbstredend ebenso in großer Zahl. Bemerkenswert ist auch das von "Der dünne Mann" vermittelte Frauenbild, denn zu dieser Zeit war eine Figur wie Nora Charles – die nicht nur ein schönes Männeranhängsel ist, sondern eine selbstbewußte, intelligente und ihrem Ehemann in jeder Beziehung mindestens ebenbürtige Partnerin – eine absolute Seltenheit auf der großen Leinwand.

Entscheidend für die Beliebtheit von "Der dünne Mann" und seinen Fortsetzungen sind jedoch nicht in erster Linie diese neuen, das Genre auf lange Zeit prägenden Elemente, sondern die Art ihrer Umsetzung. Und das bedeutet vor allem: William Powell und Myrna Loy spielen ihre Rollen umwerfend sympathisch, gleichzeitig voller Leidenschaft und sagenhafter Lässigkeit; mit Verve und sichtlicher Spielfreude veredeln sie die sowieso erstklassigen, augenzwinkernden Dialoge aus der Feder von Dashiell Hammett respektive der beiden Drehbuch-Autoren Hackett und Goodrich. Beispiele gefällig? Nora: "Wieviel Martinis hast du eigentlich schon gekippt?" Nick: "Och, kaum der Rede wert – das ist erst mein sechster." Nora: "Na gut, dann bringen Sie mir auch noch fünf Martinis und stellen Sie sie alle hier nebeneinander hin ..." Oder Nicks gespielt entrüsteter Ausruf am Ende der Geschichte: "Meine Güte, was bist du für ein Weib! Ich liefere dir drei Morde, und du bist immer noch nicht zufrieden!" Und als würden Nick und Nora das Publikum nicht bereits mit einem Übermaß an Charisma verwöhnen, gibt es auch noch den dritten Hauptdarsteller der Reihe: Asta (hier und in den ersten beiden Fortsetzungen gespielt von Skippy, einem der beliebtesten Filmhunde der 1930er Jahre, der u.a. auch in den Cary Grant-Screwball-Comedys "Leoparden küßt man nicht" und "Die schreckliche Wahrheit" mitwirkte), ein verspielter Drahthaar-Foxterrier, der Herrchen und Frauchen bei ihren Abenteuern mal mehr, mal weniger hilfreich zur Seite steht und dabei so putzig ist, daß man ihn einfach nur knuddeln will! Kurzum: "Der dünne Mann", der für vier OSCARs nominiert wurde (Bester Film, Powell als Hauptdarsteller, W.S. Van Dyke als Regisseur sowie Frances Goodrich und Albert Hackett für ihr adaptiertes Drehbuch), ist eine zauberhafte Krimikomödie, die sich dank des zentralen Ehepaares Nick und Nora sogar von den meisten der wirklich zahlreichen sehr guten Komödien jener Dekade abhebt – auch wenn das Erzähltempo für heutige Sehgewohnheiten ein wenig langsam wirken mag.

Fazit: "Der dünne Mann" ist eine vor Charme geradezu berstende Kriminalkomödie mit einem interessanten Fall, geistreich-schlagfertigen Dialogen sowie (inklusive Hund) drei umwerfenden Hauptdarstellern.

Wertung: 9 Punkte.


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