Originaltitel: The Thin Man
Regie: W.S. Van Dyke, Drehbuch: Albert Hackett, Frances
Goodrich, Musik: Dr. William Axt
Darsteller:
William Powell, Myrna Loy, Skippy, Maureen O'Sullivan, Nat Pendleton, Porter Hall, Minna
Gombell, Henry Wadsworth, William Henry, Cesar Romero, Natalie
Moorhead, Edward Ellis
FSK: 12, Dauer: 93 Minuten.
Der elegante und wortgewandte, vielleicht etwas zu sehr dem
Alkoholgenuß zugeneigte frühere Privatdetektiv Nick Charles (William Powell,
"Mein Mann Godfrey", "Der große Ziegfeld") kann sich
wahrlich nicht über sein Leben beklagen – immerhin hat er vor einigen Jahren die reiche, wunderschöne und schlagfertige Erbin Nora (Myrna Loy, "Mitternachtsspitzen")
geehelicht und führt seitdem ein ziemlich perfektes Leben im Kreise der High
Society von San Francisco. Bei einem Besuch in der Weihnachtszeit in New York
bittet ihn allerdings Dorothy Wynant (Mia Farrows Mutter Maureen O'Sullivan,
"Stolz und Vorurteil") um Hilfe, denn ihr Vater – ein früherer
Mandant von Nick – ist spurlos verschwunden. Nach anfänglichem Zögern sagt Nick
zu und nimmt die Ermittlungen auf, was Nora von der Seitenlinie mit
amüsierter Faszination verfolgt. Schon bald wird die Sache aber ziemlich
ernst, denn Wynants frühere Sekretärin wird ermordet aufgefunden …
Kritik:
Es ist natürlich altersabhängig, aber nach meinen
Erfahrungen haben die meisten Menschen heutzutage nur über jene Filme, die ab
1975 gedreht wurden, einen ziemlich guten Überblick (also mehr oder weniger
seit Beginn des Blockbuster-Kinos mit "Der weiße Hai" und "Krieg
der Sterne"). Zwar gibt es selbstredend einige Klassiker aus der Zeit davor,
die viele kennen, doch im Grunde genommen ist das Wissen besonders über die legendenumwobene "Goldene Ära Hollywoods" (die bis Anfang der 1960er Jahre andauerte)
sehr lückenhaft; mehr als die Namen einiger Superstars – Katharine Hepburn,
Cary Grant, Errol Flynn, Bette Davis, Charles Chaplin – fällt dazu vielen nicht
ein. Selbst absolute Publikumslieblinge ihrer Zeit sind weitgehend in
Vergessenheit geraten und ein Paradebeispiel dafür ist das wunderbare Leinwandpaar William Powell und Myrna Loy. Die beiden
gutaussehenden und umwerfend charmanten Schauspieler harmonierten so perfekt
vor der Kamera, daß sie ingesamt 14 gemeinsame Filme drehten, die auch noch ausnahmslos sehenswert geraten sind (ich kann vor allem
"Liebling, du hast dich verändert" und "Doppelhochzeit"
empfehlen). Alleine sechs der Auftritte entfallen auf die
"Der dünne Mann"-Reihe, deren Auftakt zu meinen persönlichen Favoriten zählt. "Der dünne Mann" ist die Adaption eines
Romans des berühmten Hardboiled-Autors Dashiell Hammett und wirkt entsprechend
wie eine leichtfüßige, humorvolle und optimistische Variation seiner grimmigen
Noir-Geschichten, von denen "Die Spur des Falken" auch dank der kongenialen
Verfilmung von John Huston den größten Ruhm erntete.
Während der zentrale Kriminalfall in den Fortsetzungen
zunehmend in den Hintergrund rückt, spielt er hier noch eine große Rolle und
ist in der Tat ziemlich interessant und wendungsreich erdacht (weshalb ich
wegen Spoilergefahr auch nicht weiter darauf eingehen möchte) – wenn auch
nicht auf allerhöchstem Niveau. Dennoch sind Nicks Ermittlungen nicht der Grund
für den großen Erfolg von "Der dünne Mann". Der läßt sich ziemlich
genau identifizieren: Es sind die ständigen Frotzeleien, Neckereien und
liebevollen Rededuelle zwischen Nick und Nora. Heutige Zuschauer mag das
verwundern, denn diese Figurenkonstellation ist quasi seit Jahrzehnten ein Standard
in der Film- wie auch der TV-Serienwelt (zuletzt u.a. erfolgreich in "Castle"
und "The Mentalist" umgesetzt). Damals war das jedoch eine absolute
Novität, denn "Der dünne Mann" startete diesen Trend! Nicht ohne
Grund ist im englischen Sprachraum die Verwendung des Namenspaars "Nick
und Nora" bis heute ein geflügeltes Wort, bei dem fast jeder weiß, was gemeint
ist; filmische Anspielungen wie bei der Komödie "Nick & Norah –
Soundtrack einer Nacht" gibt es selbstredend ebenso in großer Zahl.
Bemerkenswert ist auch das von "Der dünne Mann" vermittelte
Frauenbild, denn zu dieser Zeit war eine Figur wie Nora Charles – die nicht nur
ein schönes Männeranhängsel ist, sondern eine selbstbewußte, intelligente und
ihrem Ehemann in jeder Beziehung mindestens ebenbürtige Partnerin – eine
absolute Seltenheit auf der großen Leinwand.
Entscheidend für die Beliebtheit von "Der dünne
Mann" und seinen Fortsetzungen sind jedoch nicht in erster Linie diese
neuen, das Genre auf lange Zeit prägenden Elemente, sondern die Art ihrer
Umsetzung. Und das bedeutet vor allem: William Powell und Myrna Loy spielen ihre
Rollen umwerfend sympathisch, gleichzeitig voller Leidenschaft und sagenhafter
Lässigkeit; mit Verve und sichtlicher Spielfreude veredeln sie die sowieso erstklassigen, augenzwinkernden Dialoge aus der Feder von Dashiell
Hammett respektive der beiden Drehbuch-Autoren Hackett und Goodrich. Beispiele
gefällig? Nora: "Wieviel Martinis hast du eigentlich schon gekippt?"
Nick: "Och, kaum der Rede wert – das ist erst mein sechster." Nora:
"Na gut, dann bringen Sie mir auch noch fünf Martinis und stellen Sie sie
alle hier nebeneinander hin ..." Oder Nicks gespielt entrüsteter Ausruf am
Ende der Geschichte: "Meine Güte, was bist du für ein Weib! Ich liefere
dir drei Morde, und du bist immer noch nicht zufrieden!" Und als würden
Nick und Nora das Publikum nicht bereits mit einem Übermaß an Charisma verwöhnen,
gibt es auch noch den dritten Hauptdarsteller der Reihe: Asta (hier und in den
ersten beiden Fortsetzungen gespielt von Skippy, einem der beliebtesten
Filmhunde der 1930er Jahre, der u.a. auch in den Cary
Grant-Screwball-Comedys "Leoparden küßt man nicht" und "Die
schreckliche Wahrheit" mitwirkte), ein verspielter Drahthaar-Foxterrier,
der Herrchen und Frauchen bei ihren Abenteuern mal mehr, mal weniger
hilfreich zur Seite steht und dabei so putzig ist, daß man ihn einfach nur
knuddeln will! Kurzum: "Der dünne Mann", der für vier OSCARs
nominiert wurde (Bester Film, Powell als Hauptdarsteller, W.S. Van Dyke als
Regisseur sowie Frances Goodrich und Albert Hackett für ihr adaptiertes Drehbuch), ist eine
zauberhafte Krimikomödie, die sich dank des zentralen Ehepaares Nick
und Nora sogar von den meisten der wirklich zahlreichen sehr guten
Komödien jener Dekade abhebt – auch wenn das Erzähltempo für heutige
Sehgewohnheiten ein wenig langsam wirken mag.
Fazit: "Der dünne Mann" ist eine vor Charme
geradezu berstende Kriminalkomödie mit einem interessanten Fall, geistreich-schlagfertigen
Dialogen sowie (inklusive Hund) drei umwerfenden Hauptdarstellern.
Wertung: 9 Punkte.
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