Regie: Adam McKay, Drehbuch: Charles Randolph und Adam
McKay, Musik: Nicholas Britell
Darsteller: Steve Carell, Christian Bale, Ryan Gosling, Brad
Pitt, Finn Wittrock, John Magaro, Marisa Tomei, Jeremy Strong, Rafe Spall,
Hamish Linklater, Adepero Oduye, Melissa Leo, Tracy Letts, Byron Mann, Karen
Gillan, Max Greenfield, Billy Magnussen, Al Sapienza, Tony Bentley, Margot
Robbie, Selena Gomez, Anthony Bourdain
FSK: 6, Dauer: 131 Minuten.
Im Jahr 2005 ist der amerikanische Immobilienmarkt in
voller Blüte: Makler, Banken und Fonds verdienen sich eine goldene Nase, das
Investment scheint angesichts Top-Bonitätsnoten von den Ratingagenturen
bombensicher. Nur der erfolgreiche New Yorker Hedgefonds-Manager Dr. Michael
Burry (Christian Bale, "American Hustle") – ein exzentrisches Mathegenie mit einem Glasauge,
Doktortitel in Medizin und einer ausgeprägten Vorliebe für Heavy Metal – schaut
genau hin und ist sich sicher, daß der Immobilienmarkt als Folge viel
zu vieler ungesicherter Hypotheken innerhalb weniger Jahre kollabieren wird.
Also bringt er einige Großbanken dazu, spekulative Finanzinstrumente zu
kreieren, mit denen er insgesamt 1,3 Milliarden US-Dollar gegen den
Immobilienmarkt wetten – in der Fachsprache: ihn shorten – kann. Die Banken
sind dazu gerne bereit, handelt es sich aus ihrer Sicht doch im Grunde genommen
um geschenktes Geld. Als sich Dr. Burrys Vorgehen herumspricht, lachen zwar die
meisten nur über ihn, einige überprüfen seine Berechnungen jedoch und kommen zu
einem ähnlichen Schluß. Vor allem der zynische Idealist Mark Baum (Steve
Carell, "Date Night") – ebenfalls ein Investmentbanker, der seinen
Job aber aus tiefstem Herzen haßt – sieht in einer solchen Wette gegen das
System die Gelegenheit, allen zu beweisen, wie kaputt und korrupt große
Teile der Branche geworden sind …
Kritik:
Es ist schwierig, "The Big Short" einem bestimmten
Genre zuzuordnen. Natürlich ist es von der Thematik her ein Wirtschaftsfilm,
aber es ist auch eine Satire, die das Zustandekommen der weltweiten
Wirtschafts- und Finanzkrise ab 2007 durch das Platzen der Hypotheken-Blase überspitzt schildert; es ist ebenso ein Drama,
das das Totalversagen des Systems im Bereich der Hypothekenfinanzierung offenlegt;
und es ist eine Komödie, weil der Komödienspezialist Adam McKay ("Anchorman",
"Ricky Bobby") als Regisseur und Co-Autor der Schwere des Themas zum
Trotz viel zum Lachen eingebaut hat. Letztlich trifft es wohl
"Tragikomödie" am besten. Kein Zweifel besteht jedoch daran, daß
"The Big Short" ein hervorragender Film ist, der einen erstaunlich
genauen und verständlichen Blick auf eine Thematik wirft, die so kompliziert
ist, daß sie selbst die handelnden Akteure nicht immer verstehen. Natürlich ist
es keine Doku, sondern ein Hollywood-Film, der primär unterhalten will; und
selbstverständlich ist eine gewisse Simplifizierung unvermeidlich, schließlich
wird die Entstehung dieser Krise (fast) nur aus dem Blickwinkel einiger
vorausschauender Insider (die damit ironischerweise zugleich Außenseiter waren) gezeigt und die Schuldfrage wird etwas zu bequem beantwortet. Dennoch: Wer nicht Wirtschaft studiert hat und dennoch verstehen will,
wie die globale Wirtschaftskrise entstehen konnte, der wird das durch diesen
Film (oder natürlich das zugrundeliegende Sachbuch von Michael Lewis) am
ehesten erreichen.
Auch wenn der Film es sich, wie gesagt, mit der zwar nur
impliziten, aber doch unverkennbaren Schuldzuweisung an die korrupten Akteure des
Systems etwas zu einfach macht (immerhin wird zugleich aber schon angedeutet,
daß es auch nicht die allerschlaueste Idee ist, sich ohne Rücklagen und
geregeltes Einkommen auf Kredit ein Haus zu kaufen – oder fünf!),
enthält sich Regisseur McKay hinsichtlich seiner Protagonisten weitgehend einer
Wertung. Stattdessen beschränkt er sich klugerweise vorwiegend auf eine rein
beobachtende Perspektive und läßt die Figuren sowie die – teils wahrlich
haarsträubenden – Entwicklungen für sich sprechen. Das ist schlau, weil er so
aus den Fondsmanagern weder Helden noch Schurken macht, sondern sie trotz der
vielen Handlungsstränge ihre eigenen Persönlichkeiten entwickeln läßt: Ryan
Gosling ("Drive") als arroganter Banker der Deutschen Bank (der
nebenbei als Erzähler fungiert und die einzelnen, sich kaum einmal kreuzenden
Handlungsstränge miteinander verknüpft) entspricht am stärksten dem "Bad
Banker"-Klischee, sein Antrieb ist allein die Gier. Steve Carell
ist am ehesten der Held der Geschichte als jähzorniger Idealist, der in dieser
speziellen Finanzwette gegen den Markt die große Chance sieht, das aus seiner Sicht
betrügerische und amoralische Bankensystem bloßzustellen und seine eigenen
Fondskunden sogar noch davon profitieren zu lassen. Finn Wittrock
("Unbroken") und John Magaro ("Carol") sind die jungen,
sympathischen Aufsteiger, die die Chance auf den Deal ihres Lebens sehen, aber
durch ihren Quasi-Mentor, einen desillusionierten Ex-Banker (Brad Pitt,
"Moneyball"), auch die gesamtgesellschaftlichen Konsequenzen des
Ganzen erkennen (womit am Rande auch die moralische Fragwürdigkeit des vollkommen legalen Vorgehens der Protagonisten thematisiert wird, das man aber natürlich in Relation zum Versagen des gesamten Systems setzen muß). Und der OSCAR-nominierte Christian Bale ist das
exzentrische, leicht autistische Mathegenie, das
einfach nur das tut, was es am besten kann – rechnen. Mit allen kann man sich
durchaus identifizieren, man kann ihre Beweggründe nachvollziehen, auch wenn
die von Goslings Figur kaum ehrenhaft sind. Zu der Verbindung mit dem Publikum
trägt zudem bei, daß sich die Figuren immer wieder direkt an die Zuschauer
wenden und dabei pfiffigerweise sogar schon mal auf die künstlerischen Freiheiten
des (später mit einem Academy Award prämierten) Drehbuchs hinweisen!
Durch die sehr amüsanten inszenatorischen Tricks und die
temporeich präsentierte Handlung überspielt "The Big Short" gekonnt das
Fehlen eines echten Hauptdarstellers (erst scheint es Bale zu sein, dann eher
Carell) und die geringe Verzahnung zwischen den einzelnen Strängen,
die besonders angesichts der häufigen Wechsel normalerweise den Erzählfluß stören
könnte. Stark gemacht ist auch der Umgang mit den unzähligen Fachbegriffen.
"The Big Short" scheut deren Verwendung nicht, erklärt sie meist aber verständlich und greift bei besonders wichtigen Begriffen sogar auf die
Hilfe von Promis zurück, die sie anschaulich erklären – wobei man sich durchaus
fragen darf, wer sich wirklich auf wirtschaftstheoretische
Erläuterungen konzentrieren kann, wenn diese von der durch ihre Hauptrolle in
Scorseses "The Wolf of Wall Street" mit der Thematik vertrauten Margot
Robbie vorgetragen werden … nackt im Schaumbad liegend! Aber ernsthaft: Bei der Vielzahl an Fachbegriffen und Abkürzungen und dem hohen
Dialog-Tempo ist es den Erklärungen zum Trotz mit Sicherheit von Vorteil,
wenn man gewisse Kenntnisse der Finanzwelt mitbringt. Das mag das
Zuschauerpotential einengen, es sorgt aber eben auch dafür, daß "The Big
Short" eine sehr gelungene und bei allem "Es ist doch nicht zu
fassen"-(Galgen-)Humor scharfsichtige Analyse der teils unfaßbaren,
fast schon inzestuösen Zustände im (nur?) damaligen Hypotheken-Wesen und der
gesamten Finanzwelt gelingt.
Denn so wie Oliver Stone in seinem Genreklassiker "Wall
Street" im Jahr 1987 penibel die (betrügerischen) Methoden mancher Broker
vorführte, so offenbart "The Big Short" das wahrlich erschreckende
(aufgrund des Versagens der Kontrollinstanzen aber sogar mehr oder weniger legale) Zusammenspiel aus Ignoranz, Gier,
Dummheit und Korruption zwischen Fonds, Politik, Banken, Ratingagenturen – hier repräsentiert durch die OSCAR-Gewinnerin Melissa Leo ("The Fighter"), die
als Georgia Hale wegen einer Augenerkankung passenderweise (auch wenn es wenig
subtil ist) kaum etwas erkennen kann … – und sogar der Börsenaufsicht
(vetreten durch "Guardians of the Galaxy"-Darstellerin Karen Gillan).
Wie es zu Beginn des Films so treffend gesagt wird: Alles, was Dr. Burry
(übrigens der einzige echte Name der Film-Protagonisten; die übrigen basieren
zwar klar auf realen Vorbildern, haben aber dennoch fiktive Namen) tun mußte,
um das Platzen der Hypotheken-Blase hervorzusehen, war es, sich die öffentlich zugänglichen Dokumente genau anzuschauen. Zugegeben: Das
sind unendlich viele und extrem trockene Seiten voller Zahlenreihen, also nicht
gerade leichte Lektüre. Dennoch, daß er offensichtlich der einzige war, der sie
sich genau ansah, sagt wohl mehr über das komplette Systemversagen in dieser Frage aus als alles andere. Würde der gute alte Bausparkassen-Direktor
George Bailey (James Stewart) aus Frank Capras Weihnachts-Klassiker "Ist das Leben nicht schön?" (der immer noch bekannteste Hollywood-Film, der
sich explizit mit Hypotheken befaßt) das sehen, könnte ihn vermutlich selbst
sein Schutzengel Clarence nicht mehr vom Suizid abhalten …
Fazit: Der stark besetzte "The Big Short" ist mit Sicherheit
einer der besten Wirtschaftsfilme aller Zeiten, der Drama und Humor gekonnt
unter einen Hut bringt und es sogar schafft, Laien tiefere Einsichten in die
Entstehung dieser speziellen Wirtschaftskrise zu vermitteln.
Wertung: 8,5 Punkte.
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