Regie: Mike
Flanagan, Drehbuch: Jeff Howard und Mike Flanagan, Musik: The Newton Brothers
Darsteller: Brenton Thwaites, Karen Gillan, Rory Cochrane,
Katee Sackhoff, Miguel Sandoval, Garrett Ryan, Annalise Basso
FSK: 16, Dauer: 103 Minuten.
Als Kinder mußten Tim (Garrett Ryan, "Insidious: Chapter 2") und Kaylie Russell (Annalise Basso, TV-Serie "The Red
Road") mitansehen, wie ihr von einem bösartigen Geist besessener Vater
Alan (Rory Cochrane, "Argo", TV-Serie "CSI: Miami") ihre Mutter Marie
(Katee Sackhoff, "Riddick") ermordete. Anschließend wollte er auch
seine Kinder töten, doch Tim konnte ihm zuvorkommen. Die Polizei hielt von dieser
Beschreibung des Tathergangs nicht wirklich viel und steckte Tim in eine
psychiatrische Anstalt. Elf Jahre später wird der nun erwachsene Tim (Brenton Thwaites,
"Maleficent") als geheilt entlassen, er selbst glaubt inzwischen, daß
der Geist seiner kindlichen Einbildungskraft entsprang. Diese Überzeugung
wird jedoch erschüttert, als die nun für ein Auktionshaus tätige Kaylie
(Karen Gillan, "Guardians of the Galaxy") ihm nach seiner Rückkehr
enthüllt, daß sie jüngst jenen antiken Spiegel aufgetrieben hat, der ihrer Überzeugung
nach den blutrünstigen Geist beherbergt. Wie Tim es ihr nach den schrecklichen
Geschehnissen jener Nacht vor elf Jahren versprochen hatte, fordert sie ihn
auf, gemeinsam mit ihr den Tod ihrer Eltern zu rächen und den Geist für alle
Zeiten in die Hölle zu schicken …
Kritik:
Wenn es um die Frage geht, was einen guten Horrorfilm
ausmacht, dann scheiden sich die Geister. Während es die einen am liebsten
möglichst blutig wollen wie in den guten alten Slasher-Filmen der 1970er und
1980er Jahre ("Halloween", "Freitag der 13.",
"Nightmare – Mörderische Träume"), den italienischen Gialli ("Blutige
Seide", "Profondo Rosso", "Tenebrae") oder der noch einmal
deutlich brutaleren Folgegeneration nach der Jahrtausendwende ("Saw",
"Hostel"), bevorzugen andere subtilen Grusel, wie ihn etwa die stimmungsvollen
Gothic Horror-Klassiker der britischen Hammer Studios ("Dracula" mit
Christopher Lee, "Frankensteins Fluch", "Die Frau in Schwarz"), die Edgar Allan
Poe-Adaptionen von Roger Corman ("Die Verfluchten", "Satanas –
Das Schloß der blutigen Bestie", "Das Pendel des Todes") oder
unzählige Geister- und Dämonengeschichten aus aller Herren Länder ("Das
Omen", "The Fog – Nebel des Grauens", "Der Exorzist",
"Ring") bieten. Während die einen eine Achterbahnfahrt der Gefühle samt
zahlreicher Schockmomente erwarten, legen die anderen Wert auf sorgfältig
aufgebaute Atmosphäre, die es nicht nötig hat, auf die umstrittenen "Jump
Scares" zu setzen, um ihr Publikum zu wohligem Grusel zu verleiten. Ich
selbst bin ein erklärter Anhänger des Genres und kann fast allen Spielarten
etwas abgewinnen (abgesehen von ultrabrutalen Torture Porn-Werken), solange sie
nur gut gemacht sind. Dennoch entscheide ich mich bei der Wahl zwischen einem
Horror- und einem Gruselfilm eigentlich immer für letzteren. Deshalb habe ich
mir auch von dem in den USA recht wohlwollend rezensierten "Oculus" viel
versprochen, der eigentlich alle Zutaten für einen gelungenen Gruselfilm mit
sich bringt. Doch nach einem vielversprechenden Auftakt entwickelt sich der
(nach dem weitgehend unbekannten "Absentia" aus dem Jahr 2011) zweite
Langfilm des US-Regisseurs Mike Flanagan zu einer beträchtlichen
Enttäuschung.
Das Kernproblem von "Oculus" liegt vermutlich in
seiner Herkunft begründet. Denn es handelt sich um eine Spielfilm-Version des
Kurzfilms "Oculus: Chapter 3 – The Man with the Plan", den Flanagan
bereits 2006 realisierte. Nun habe ich selbst diesen halbstündigen Kurzfilm
nicht gesehen, mir aber sagen lassen, daß er ziemlich gut funktioniert. Das
kann ich mir vorstellen, denn, wie gesagt: Die Elemente für einen guten Gruselfilm
sind ja alle da. Nur werden sie in dieser 100-minütigen Version unnötig in die
Länge gezogen und verwässert. Dazu trägt die Erzählstruktur mit ihren zwei
unterschiedlichen zeitlichen Ebenen bei, denn Flanagan wechselt immer wieder
zwischen der Gegenwart mit den erwachsenen Geisterjägern Tim und Kaylie und der
Vergangenheit, in der sie noch Kinder waren und erstmals auf den tödlichen
Geist trafen. Grundsätzlich ist das kein verkehrtes Konzept, und wie so vieles
bei "Oculus" funktioniert es eingangs ziemlich gut. Durch die
bedächtige Erzählweise wird gekonnt Stimmung aufgebaut, es ist zudem recht spannend,
die Puzzlestücke zusammenzusetzen und die zunächst eher ominösen Taten vor
allem der erwachsenen Kaylie durch die Schrecknisse der Vergangenheit zu
erklären. Doch Flanagan begeht den Fehler, dieses Puzzle zu früh aufzulösen.
Bereits nach etwa einer halben Stunde kann man sich selbst
zusammenreimen, was damals geschah, entsprechend werden die übertrieben ausführlichen Rückblenden ab
diesem Zeitpunkt immer bedeutungsloser und lösen irgendwann nur noch Langeweile
aus.
Durchweg positiv hervorheben muß man jedoch die schauspielerischen
Leistungen in beiden Zeitebenen. Rory Cochrane beeindruckt als zunehmend psychopathisch auftretender Vater (und macht dabei eine
bessere Figur als etwa Ryan Reynolds 2005 in einer sehr ähnlichen Rolle in
"Amityville Horror"), Katee Sackhoff erleidet ihre seelischen und körperlichen Qualen als Alans
Ehefrau ebenso überzeugend, auch die beiden Kinderdarsteller machen ihre Sache
gut. Und in der Gegenwart geben Brenton Thwaites und Karen Gillan ein
harmonisches Geschwisterpaar ab, wobei es vor allem der (in der
Originalfassung) ihre Dialoge in einem beeindruckenden Sprechtempo absolut
sauber vortragenden Ex-"Doctor Who"-Companion Gillan hervorragend gelingt, ihre zwischen Todesangst und
grimmiger Entschlossenheit schwankende Figur sehr glaubwürdig auf die Leinwand zu
bringen. Aber das ist eben nicht genug für einen guten Film. In dieser Hinsicht
ist es ein wenig bezeichnend, daß Thwaites ein wenig so aussieht wie Jared
Padalecki in den früheren Staffeln der Mystery-Serie "Supernatural",
denn "Oculus" wirkt wie eine Doppelfolge der beliebten
TV-Serie – allerdings eine schwächere. Die letztlich schlichte Geisterstory ist
einfach nicht kinoreif, dafür müßte das Drehbuch deutlich besser sein.
Selbst die Hoffnung auf wenigstens ein gelungenes,
vielleicht gar überraschendes Finale wird bitter enttäuscht, stattdessen läuft
alles genau so ab, wie man es erwarten durfte/mußte. Allzu viele gelungene Schockmomente
gibt es ob dieser Vorhersehbarkeit auch nicht, insofern kann es kaum
verwundern, daß diese durch hemmungslos übertriebene Soundeffekte respektive
Filmmusik künstlich überhöht werden – manche mögen sowas, für mich ist es bei
Gruselfilmen ein absolutes "No-Go". Mindestens ebenso schlimm ist das
Verhalten sämtlicher Charaktere. In beiden Zeitlinien überwiegen (zugegeben:
nicht ganz genre-untypisch) unlogische bis dumme Handlungen, auch als
Hundehalter sind die Russells absolute Versager. Die in der Theorie
vielversprechenden psychologischen Elemente durch die Frage, ob sich Tim und
Kaylie nicht doch alles nur einbilden, werden viel zu halbherzig angegangen und
sind in dieser Form einfach überflüssig. Und je näher das Finale rückt, desto
unsinniger wird das Geschehen durch den wenig originellen Kniff, daß der
(optisch übrigens gelungen umgesetzte) "Spiegel-Geist" die Menschen
sowieso manipulieren und lenken kann, weshalb sich sämtliche noch so raffinierte Vorsichtsmaßnahmen (die anfangs noch Hoffnung auf ein tatsächlich mal schlaues Vorgehen der Protagonisten dieses Gruselfilms machen)
vorhersehbarerweise als vollkommen nutzlos erweisen. Und solche Ungereimtheiten
sind in dieser geballten Form nicht mehr einfach nur ärgerlich, sondern ein
absoluter Stimmungstöter.
Fazit: "Oculus" ist ein gut gespielter
Gruselfilm, dem es gelingt, eine schaurige Atmosphäre aufzubauen – leider
sorgt die trotz im Ansatz interessanter psychologischer Elemente bis zum Schluß
klischeebehaftete und viel zu aufgeblasene Story auf Dauer für gepflegte
Langeweile, die nur durch die übertrieben aufdringliche Klangkulisse
durchbrochen wird.
Wertung: 4 Punkte.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen