Regie: Darren Aronofsky, Drehbuch: Ari Handel und Darren
Aronofsky, Musik: Clint Mansell
Darsteller: Russell Crowe, Jennifer Connelly, Ray Winstone,
Emma Watson, Logan Lerman, Sir Anthony Hopkins, Douglas Booth, Nick Nolte,
Kevin Durand, Marton Csokas, Mark Margolis, Madison
Davenport, Leo McHugh Carroll, Dakota Goyo
FSK: 12, Dauer: 138 Minuten.
Noah (Russell Crowe, "Robin Hood"), Nachkomme
Adams in zehnter Generation, lebt mit seiner Frau Naameh (Jennifer Connelly,
"Little Children") und den drei Kindern ein genügsames,
gottgefälliges Leben im Einklang mit der Natur. Ganz anders halten es die
Nachfahren Kains unter ihrem König Tubal-Kain (Ray Winstone, "Hugo Cabret"), die sündig leben und die Erde ausbeuten, bis alle Ressourcen
erschöpft sind und sich die Menschen erst Recht gnadenlos gegenseitig
an die Kehle gehen. Eines Nachts erhält Noah eine offensichtlich gottgesandte
Vision, die ihm den Untergang der Welt durch eine Sintflut vorhersagt. Auf der
Reise mit seiner Familie zu seinem Großvater Methusalem (Sir Anthony Hopkins,
"Ich sehe den Mann Deiner Träume"), den Noah um Rat fragen will, finden sie ein verletztes
Mädchen namens Ila. Sie ist die einzige Überlebende eines Massakers an ihrem
Stamm, weshalb Noah sie in seine Familie aufnimmt. Dank Methusalems Weisheit
erkennt Noah, daß er mit Hilfe einiger gefallener Engel eine gewaltige Arche
bauen soll, in der die Tierwelt die Sintflut überleben soll. Doch als nach
etlichen Jahren schließlich die Fertigstellung der Arche naht – die Kinder Shem (Douglas
Booth, TV-Miniserie "Die Säulen der Erde"), Ham (Logan Lerman,
"Die drei Musketiere") und die quasi adoptierte Ila (Emma Watson, "My Week with Marilyn") sind inzwischen erwachsen, Nesthäkchen Japhet (Leo McHugh
Carroll) befindet sich an der Schwelle zum Teenageralter – kommen nicht nur wie durch ein
Wunder die unterschiedlichsten Tiere in Zweierpaaren von nah und fern, um Unterschlupf zu suchen. Nein, auch der selbstherrliche
Tubal-Kain und seine verwahrlosten Untertanen verlangen Einlaß – wenn es denn
sein muß, mit Gewalt …
Kritik:
Bibelverfilmungen waren eigentlich immer sehr beliebt. Bereits
zu Stummfilmzeiten strömte das meist gläubige Publikum in Scharen in epochale
Werke wie D.W. Griffiths "Intoleranz" (in dem grandiosen 200
Minuten-Epos aus dem Jahr 1916 basierte allerdings nur eine von vier Episoden
auf der Bibel) oder in "Die zehn Gebote" (1923) und "König der Könige"
(1927), jeweils von Cecil B. DeMille. Nach dem Zweiten Weltkrieg entdeckte die
Filmbranche sowohl in den USA als auch in Europa (vor allem in Italien) die
Möglichkeit, der aufkommenden Konkurrenz durch das Fernsehen durch biblische
Monumentalfilme in modernster Cinemascope-Breitwandoptik die Stirn zu bieten,
was in Hollywood zu Klassikern wie Henry Kosters "Das Gewand" (1953),
Cecil B. DeMilles opulentem Remake seines 33 Jahre zuvor verfilmten "Die zehn
Gebote", King Vidors "Salomon und die Königin von Saba" (1959),
George Stevens' "Die größte Geschichte aller Zeiten" (1963) oder John
Hustons "Die Bibel" (1966) führte. Doch da die einzelnen Filme sich
in Sachen Größe und Massenszenen immer weiter zu übertrumpfen versuchten und
somit entsprechend teuer wurden, das Publikum der Bibelgeschichten irgendwann aber
müde zu werden begann, rechneten sich Monumentalfilme ab Ende der 1960er
Jahre einfach nicht mehr, stattdessen übernahm das "New Hollywood" mit seinen von unverbrauchten Talenten wie Martin Scorsese inszenierten grimmigen, in der Realität verwurzelten und günstig zu produzierenden Werken das Regime. Seitdem nahm sich vorrangig das Fernsehen jener Geschichten
aus der Bibel an, mit denen es einst auf Distanz gehalten werden sollte. Nur gelegentlich
fanden (in der Regel recht kontroverse) Bibelverfilmungen noch ihren Weg ins Kino, die aber
wie Martin Scorseses "Die letzte Versuchung Christi" (1988) oder Mel
Gibsons Megahit "Die Passion Christi" (2004) weniger auf Opulenz als
auf die Kraft ihrer Erzählungen vertrauten. Doch nun, ab dem Jahr 2014, steht eine
Welle neuer Bibelfilme ins Haus, wie es sie seit den 1960er Jahren nicht mehr
gab. Den Anfang machte in den Vereinigten Staaten Christopher Spencers "Son of God" –
eigentlich nur ein Zusammenschnitt der von Kritikern für ihre biedere
Inszenierung eher gescholtenen TV-Miniserie "Die Bibel", die dem History
Channel ein Jahr zuvor ein gigantisches Publikum einbrachte; doch auch im Kino wollten
Millionen von Amerikanern die Erzählung über das Leben Jesu noch einmal sehen.
"Noah" vom eigentlichen Kunstfilmer Darren Aronofsky ("Black Swan", "The Wrestler") ist nun der erste "richtige"
Vertreter dieser neuen Bibelfilm-Welle, der bereits Ende 2014 Sir Ridley Scotts
"Exodus" folgt, weitere Projekte wie Ang Lees "Gods and
Kings", ein kontroverser Jesus-Film von Paul Verhoeven ("Starship
Troopers") oder eine "David und Goliath"-Adaption sind in
Planung. Hoffentlich werden sie besser als "Noah".
Bei Kritiken zu Filmen über religiöse Themen halte ich es
für fair, wenn der Leser zumindest eine ungefähre Ahnung davon bekommt, wie es
der Autor mit der Religion hält. In meinem Fall läßt sich klar sagen, daß ich
mit jeglichen institutionalisierten Religionen sehr wenig anfangen kann –
dennoch finde ich den Themenkomplex "Glaube und Religion" faszinierend und sehe seit jeher gerne Bibelfilme (weil in der Bibel
einfach einige interessante Geschichten stehen), aber auch generell Werke,
die sich mit dem religiösen Umfeld befassen (z.B.
"Glaubensfrage" oder "Luther"). Da es mir letztlich vor
allem um eine gute Story geht, sind mir Abweichungen von der Bibel – die vielen
Strenggläubigen ein Graus zu sein scheinen – vollkommen egal, solange sie
dramaturgisch funktionieren. Darren Aronofsky, ein erklärter Atheist, nimmt
sich bei "Noah" einige künstlerische Freiheiten, was jedoch auch daran liegt, daß die entsprechende Bibelpassage im Alten Testament recht
spärlich beschrieben ist. Von Gläubigen besonders kritisiert werden die als
"Steinmonster" dargestellten Gefallenen Engel oder auch Wächter, die
wohl Aronofskys Version der biblischen Nephilim (was je nach Übersetzung
"Riese" heißen kann) sein sollen – und mir ganz gut gefallen.
Erstens sind sie optisch recht beeindruckend, zweitens machen sie das
Riesenunternehmen des Archenbaus nachvollziehbar und drittens passen sie einfach
gut in die ersten zwei Drittel des Films.
Diese ersten eineinhalb Stunden sind generell ziemlich gelungen: Zwar
ist die von Aronofsky auch in Interviews vertretene These von Noah als
"erstem Umweltschützer der Menschheit" zu Beginn etwas
sehr aufdringlich präsentiert; aber bereits nach wenigen Minuten wird dieser
Wesenszug Noahs auf ein angenehmes Maß zurückgeschraubt, wodurch er – natürlich auch dank Russell Crowes souveräner Vorstellung – nicht zu
belehrend rüberkommt und insgesamt sympathisch wirkt. Die Handlung um Noahs
Visionen und die Wanderung mit seiner Familie zu dem Berg, an dem Methusalem
wohnt, entwickelt sich zunächst recht gemächlich, wodurch wir die Protagonisten
und die karge Welt, in der sie leben, näher kennenlernen können. Leider legt
Aronofsky dabei aber entgegen seiner sonstigen Filme mit Ausnahme Noahs erstaunlich wenig Wert auf eine komplexe
Figurenzeichnung, selbst dessen Frau Naameh bleibt einem ziemlich fremd – und
Jennifer Connelly, die bereits im OSCAR-Gewinner "A Beautiful Mind"
als Russell Crowes Frau zu sehen war, ist schauspielerisch deutlich
unterbeschäftigt. Noahs inzwischen erwachsene Kinder entwickeln leider auch nicht
viel mehr Profil. Logan Lerman und Emma Watson (die bereits in "Vielleicht lieber morgen" gemeinsam agierten) haben wenigstens ein paar gute
Szenen, Douglas Booth bleibt so unscheinbar, daß sein Fehlen auch nicht weiter
auffallen würde. Auf diverse, durch die Bibel vorgegebene logische Probleme der Erzählung geht Aronofsky übrigens gar nicht erst ein. Die Nahrungsversorgung der Tiere beispielsweise bleibt schleierhaft, denn es wird zwar gezeigt, wie sie in eine Art Tiefschlaf versetzt werden, aber über Monate hinweg könnten sie natürlich trotzdem nicht (alle) überleben. Und um die bei nur zwei Exemplaren je Art unvermeidliche Inzucht-Problematik macht die Story erst Recht einen ganz weiten Bogen, was aber vermutlich auch klüger ist ...
Durch die Ankunft eines Antagonisten in Person von
Tubal-Kain gegen Ende des Archenbaus nimmt die Story dann deutlich an Fahrt
auf. Auch diese Änderung gegenüber der Bibel macht also erzählerisch Sinn,
wenngleich die starke Gut-Böse-Abgrenzung alles andere als subtil ist – aber
das ließ sich wohl nicht vermeiden, schließlich muß Gottes Strafe ja ihren
Grund haben ... Das Hereinbrechen der Sintflut ist optisch durchaus
beeindruckend in Szene gesetzt, auch wenn die nachträgliche 3D-Konvertierung
(die bezeichnenderweise nur außerhalb Nordamerikas zum Einsatz kommt) wie erwartet nur wenig Eindruck schinden kann. Ein paar inszenatorische
Raffinessen offenbaren Aronofskys Fähigkeiten als Regisseur, aber man kann sich dennoch des
Gefühls nicht ganz erwehren, daß sein Talent für einen Film wie diesen – den auch
Roland Emmerich problemlos hätte drehen können – letztlich verschwendet ist.
Die größte Abweichung zur Bibel präsentiert Aronofsky im
letzten Drittel: Sie findet auf der Arche statt, als die Sintflut bereits ihren Lauf genommen hat, und zeigt einen schwerwiegenden moralischen und auch
Glaubens-Konflikt Noahs, der scheinbar von Gott vor eine noch größere Prüfung
gestellt wird als es der Bau der Arche war – und daran zu verzweifeln droht. Da
dieser finale Akt von "Noah" mangels Bibelvorlage der überraschendste
ist, will ich nicht zu sehr ins Detail gehen, muß aber klar konstatieren:
Mich hat er überhaupt nicht überzeugt. Dabei kann ich die Idee, Noah in eine
Glaubenskrise zu stürzen und mit seiner widerspenstigen Familie erkennbar allegorisch angelegte gesellschaftsphilosophische
Diskussionen zu führen, absolut nachvollziehen und heiße sie
grundsätzlich gut. Doch die Umsetzung krankt vor allem daran, daß es dieser
Handlungsentwicklung an Glaubwürdigkeit mangelt. Die bloße Anwesenheit eines
bestimmten "Katalysators" (den ich nicht spoilern will) ist
schlichtweg an den Haaren herbeigezogen, die Reden und Taten von Noah und auch
Teilen seiner Familie sind zu extrem (was den Schauspielern immerhin spät doch noch die Möglichkeit einbringt, zumindest ein wenig ihres Könnens zu zeigen) und widersprechen teilweise sogar ihrer
vorherigen (dürftigen) Charakterisierung. Als Folge treten die eigentlichen
moralischen Fragen in den Hintergrund, dazu ist diese arg esoterisch
wirkende Angelegenheit auch noch unnötig in die Länge gezogen und mir
entsprechend immer stärker auf die Nerven gegangen. Man hätte den Film problemlos
nach einer normalen Spielfilmlänge von etwa 100 Minuten beenden können – dann
wäre es ein inhaltlich zwar unspektakulärer, aber gefälliger Bibel-Katastrophenfilm
gewesen, den man gerne anschaut und anschließend schnell wieder vergißt.
Dadurch, daß Aronofsky unbedingt noch das gewisse Etwas einbringen will, das
seinen Ruf als Kunstfilmer unterstreicht, wird "Noah" in meinen Augen
zu einer überambitionierten Enttäuschung. Selbst die Musik von
Aronofskys Stamm-Komponisten Clint Mansell, der z.B. dessen (ebenfalls bereits mehr als nur esoterisch angehauchten) "The
Fountain" zu einem echten Erlebnis machte, paßt sich der
ernüchternden Mittelmäßigkeit des Films an.
Wer genauere Informationen über die Abweichungen von
"Noah" zur Bibel sucht, dem kann ich den Text "The 'Noah' Movie Controversies: Questions and Answers" von Steven D. Greydanus empfehlen.
Fazit: "Noah" ist eine lange Zeit gefällige
Bibelverfilmung, die eindrucksvolle Bilder liefert, aber im letzten Drittel,
als sie – deutlich von der Vorlage abweichend – einen zusätzlichen,
moral-philosophischen Handlungsstrang einführt, am eigenen Anspruch und vor
allem an den wenig nachvollziehbaren Aktionen der Charaktere erstickt.
Wertung: 5,5 Punkte.
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