Regie und Drehbuch: Ethan und Joel Coen, Musik: Carter
Burwell
Darsteller: Josh Brolin, Tommy Lee Jones, Javier Bardem,
Kelly Macdonald, Woody Harrelson, Garret Dillahunt, Tess Harper, Stephen Root,
Barry Corbin, Beth Grant, Rodger Boyce
Rotten Tomatoes: 93% (8,8); weltweites Einspielergebnis:
$171,6 Mio.
FSK: 16, Dauer: 122 Minuten.
Texas, 1980: Der abgehalfterte Vietnam-Veteran Llewelyn Moss (Josh Brolin,
"True Grit") stößt während eines Jagdausflugs in der Wüste auf die
Überreste eines Massakers: Offensichtlich ging ein Drogendeal ganz gewaltig
schief, nun sind alle tot und sowohl Drogen als auch das dafür bestimmte Geld
(immerhin zwei Millionen Dollar) liegen herrenlos in der Gegend herum. Llewelyn
läßt sich nicht zweimal bitten und nimmt das Geld einfach mit. Damit sorgt er
jedoch dafür, daß schon bald ein Mann auf seine Spur angesetzt wird, den
niemand gerne im Nacken haben will (schon wegen seiner Frisur): Anton Chigurh
(Javier Bardem, "Skyfall"), Beruf: Killer. Lieblingswaffe: Ein
Luftdruck-Schlachtschußapparat. Dem routinierten, lakonischen Sheriff Ed Tom Bell
(Tommy Lee Jones, "Lincoln") steht eine ganze Menge Arbeit bevor
...
Kritik:
Manchmal ist das Leben als Filmfan
schon seltsam. Da feiert man über viele Jahre hinweg oft von der breiten Masse
verkannte Meisterwerke des skurrilen Humors wie "The Big Lebowski",
"Fargo", "Miller's Crossing", "O Brother, Where Art
Thou?" oder "Barton Fink" ab und amüsiert sich auch bei weniger
anspruchsvollen Werken wie "Burn After Reading", "Hudsucker –
Der große Sprung" oder "Ein (un)möglicher Härtefall" noch
prächtig – und wenn die brillanten Brüder Ethan und Joel Coen dann endlich bei
den OSCARs abräumen, dann wird man ausgerechnet mit diesem Film nicht so richtig
warm. Genau so geht es mir mit "No Country for Old Men", der Verfilmung
eines Romans von Cormac McCarthy, deren Story und Erzählstil
eigentlich genau meinen Geschmack treffen müßten. Und doch sehe ich vor allem
die verpaßten Gelegenheiten.
"No Country for Old Men" ist auf jeden Fall ein ungewöhnlicher, ein seltsamer Film, selbst für die Verhältnisse der Gebrüder Coen. Schon der Einstieg ist gewöhnungsbedürftig. Natürlich ist man von früheren Coen-Werken exzessive Gewaltdarstellungen gewöhnt; nur sind die sonst meist dermaßen lustvoll übertrieben und oft schwarzhumorig inszeniert, daß man sie kaum ernstnehmen kann. In "No Country for Old Men" ist das anders. Hier sind die Gewaltausbrüche zwischen zahllosen betont trägen, langen Einstellungen meist kurz, aber dafür umso brutaler ausgefallen. Das ist gerade zu Beginn schockierend und nichts für schwache Nerven, später belassen es die Coens dafür öfters bei schmerzhaften Andeutungen.
Nach diesem anstrengenden Auftakt nimmt der Film vorübergehend deutlich an Fahrt auf, der Mittelteil von "No Country for Old Men" ist mit Sicherheit das Konventionellste an diesem Film. Was keineswegs negativ gemeint ist. Llewelyns eigentlich ziemlich gut durchdachte Flucht und seine Verfolgung durch Chigurh sowie einige andere Parteien ist häufig minimalistisch und fast ohne musikalische Untermalung, aber absolut mitreißend in Szene gesetzt – und auch der für die Coens typische skurrile, oft boshafte Humor wird dezent eingesetzt (wobei ich nicht weiß, inwiefern der bereits in der Roman-Vorlage vorhanden ist). Die an sich recht simple Story und ihr Verlauf erinnern in dieser Phase ein wenig an frühere Coen-Werke wie "Fargo" und von der grimmigen Atmosphäre her vor allem "Blood Simple", werden jedoch durch die von den Coens gewohnte Detailverliebtheit und die intelligenten Dialoge mit gelegentlichen philosophischen Anflügen aufgewertet. Ein großes Lob hat sich dabei auch Roger Deakins verdient, dessen OSCAR-nominierte, vor allem zu Beginn traumhafte Kameraarbeit einen ganz entscheidenden Beitrag zur Kreation einer düsteren Südstaatenatmosphäre leistet.
Doch dann mündet dieser insgesamt sehr gelungene zweite Akt
nicht etwa in den erwarteten klassischen Showdown – nein, stattdessen wird dem
staunenden Publikum vor einem langen Epilog ein so antiklimaktisches Finale
präsentiert, daß man im ersten Moment nicht sicher ist, ob man das nun für einen
Geniestreich oder für eine Frechheit halten soll. Natürlich ist es schwierig,
ohne Spoiler über diesen letzten Akt von "No Country for Old Men" zu
schreiben, aber Fakt ist: Er ist kontrovers. Und obwohl ich die Abkehr von
althergebrachten Konventionen normalerweise sehr schätze, kann ich mich in
diesem Fall nicht so recht damit anfreunden. Auch wenn sie letztlich
durchaus konsequent ist, funktioniert diese (Nicht-)Auflösung für mich einfach
nicht. Das liegt gar nicht mal so sehr an einigen offenbleibenden Fragen, die
ja viele Zuschauer überhaupt nicht leiden können. Nach meinem Empfinden ist es
eher so, daß das Ende stilistisch nicht richtig zum vorherigen Geschehen paßt.
Etwas zwiespältig fällt auch meine Beurteilung der Schauspieler aus, beziehungsweise des Einsatzes der Schauspieler durch das Regieduo. Josh Brolin ist zweifellos ein Highlight des Films, die Rolle des windigen Llewellyn bedeutete für ihn den absolut verdienten Durchbruch in Hollywood. Javier Bardem wurde für seine Schurkenrolle sogar mit dem OSCAR als Bester Nebendarsteller belohnt. Natürlich hat der spanische Star diese Auszeichnung schon lange verdient, allerdings ist es hier weniger seine schauspielerische Leistung, die beeindruckt, als vor allem die ungeheure Intensität und Ausstrahlung, die er dem kaltblütigen Killer Chigurh verleiht. Viel Raum für wirkliches Schauspiel läßt diese Figur nicht zu (auch im Vergleich zu Bardems ähnlicher Rolle in "Skyfall"), aber Bardem sorgt dafür, daß sie im Story-Kontext perfekt funktioniert und sich ins tief Gedächtnis einprägt. Tommy Lee Jones überzeugt als Sheriff Bell ebenfalls, doch zwei andere wichtige Nebendarsteller sind leider hoffnungslos unterfordert: Kelly Macdonald ("Anna Karenina") als Llewelyns Frau Carla Jean und Woody Harrelson ("7 Psychos") als Carson Wells, eine Art Söldner, der hinter Chigurh her ist. Vermutlich sind diese beiden Rollen im Buch wesentlich prägnanter, im Film dagegen sind sie zwar interessant genug, daß man gerne mehr von ihnen sehen würde; so, wie sie eingesetzt werden, wirkt aber vor allem Harrelsons (zweifellos cooler) Kurzauftritt dramaturgisch ziemlich überflüssig. Den meisten Zuschauern scheint das egal zu sein, aber für mich sorgen die genannten Kritikpunkte dafür, daß ich "No Country for Old Men" auch nach der Zweitsichtung für einen der schwächeren Coen-Filme halte – auch wenn einige deshalb vermutlich an meinem Filmsachverstand zweifeln werden ...
Fazit: "No Country for Old Men" ist ein zynischer, sorgfältig inszenierter und gut gespielter Thriller ohne echte Identifikationsfiguren, der seine grimmige Geschichte recht gemächlich und ohne große Schnörkel erzählt und vor allem im Finale selbstbewußt auf die Erwartungshaltung des Publikums pfeift. Keine ganz einfache Kost.
Wertung: 6,5 Punkte.
Etwas zwiespältig fällt auch meine Beurteilung der Schauspieler aus, beziehungsweise des Einsatzes der Schauspieler durch das Regieduo. Josh Brolin ist zweifellos ein Highlight des Films, die Rolle des windigen Llewellyn bedeutete für ihn den absolut verdienten Durchbruch in Hollywood. Javier Bardem wurde für seine Schurkenrolle sogar mit dem OSCAR als Bester Nebendarsteller belohnt. Natürlich hat der spanische Star diese Auszeichnung schon lange verdient, allerdings ist es hier weniger seine schauspielerische Leistung, die beeindruckt, als vor allem die ungeheure Intensität und Ausstrahlung, die er dem kaltblütigen Killer Chigurh verleiht. Viel Raum für wirkliches Schauspiel läßt diese Figur nicht zu (auch im Vergleich zu Bardems ähnlicher Rolle in "Skyfall"), aber Bardem sorgt dafür, daß sie im Story-Kontext perfekt funktioniert und sich ins tief Gedächtnis einprägt. Tommy Lee Jones überzeugt als Sheriff Bell ebenfalls, doch zwei andere wichtige Nebendarsteller sind leider hoffnungslos unterfordert: Kelly Macdonald ("Anna Karenina") als Llewelyns Frau Carla Jean und Woody Harrelson ("7 Psychos") als Carson Wells, eine Art Söldner, der hinter Chigurh her ist. Vermutlich sind diese beiden Rollen im Buch wesentlich prägnanter, im Film dagegen sind sie zwar interessant genug, daß man gerne mehr von ihnen sehen würde; so, wie sie eingesetzt werden, wirkt aber vor allem Harrelsons (zweifellos cooler) Kurzauftritt dramaturgisch ziemlich überflüssig. Den meisten Zuschauern scheint das egal zu sein, aber für mich sorgen die genannten Kritikpunkte dafür, daß ich "No Country for Old Men" auch nach der Zweitsichtung für einen der schwächeren Coen-Filme halte – auch wenn einige deshalb vermutlich an meinem Filmsachverstand zweifeln werden ...
Fazit: "No Country for Old Men" ist ein zynischer, sorgfältig inszenierter und gut gespielter Thriller ohne echte Identifikationsfiguren, der seine grimmige Geschichte recht gemächlich und ohne große Schnörkel erzählt und vor allem im Finale selbstbewußt auf die Erwartungshaltung des Publikums pfeift. Keine ganz einfache Kost.
Wertung: 6,5 Punkte.
Ich stimme dir bei dieser Kritik in wirklich allen Bereichen zu.
AntwortenLöschenIch fand es dabei faszinierend wie der Film fast vollständig ohne Musik ausgekommen ist! Für mich persönlich hat der Film dadurch eine tolle Atmosphäre gehabt.
Aber auch ich fande manche Rollen einfach überflüssig und habe mich besonders bei Woody (den ich toll finde) ständig gefragt: Was hat er da jetzt eigentlich gemacht?
Mit dem Ende war ich überhaupt nicht zufrieden. Ich bin ein Fan von Enden die das ein oder andere noch offen lassen und auf die Interpretation der Zuschauer angewiesen sind, aber hier war es doch etwas zu viel des Ganzen!
Tolle Kritik und Liebe Grüße!