Regie: Gore Verbinski, Drehbuch: Justin Haythe, Ted Elliott, Terry Rossio, Musik: Hans Zimmer
Darsteller: Johnny Depp, Armie Hammer, Tom Wilkinson,
William Fichtner, James Badge Dale, Ruth Wilson, Helena Bonham Carter, Barry
Pepper, Bryant Prince, Mason Cook, James Frain, Leon Rippy, Saginaw Grant,
Joaquín Cosio, JD Cullum, Harry Treadaway, Lew Temple, W. Earl Brown, Stephen
Root, Randy Oglesby, Gil Birmingham, Travis Hammer
Rotten Tomatoes: 31% (4,9); weltweites Einspielergebnis:
$260,5 Mio.
FSK: 12, Dauer: 149 Minuten
Im Jahr 1869 kehrt John Reid (Armie Hammer,
"The Social Network") voller Idealismus und Tatendrang nach vielen
Jahren nach Texas zurück, wo er als neuer Staatsanwalt in seinem Heimatort
Colby tätig werden soll. Colby profitiert gerade vom Bau der Eisenbahn, der von
dem mächtigen Geschäftsmann Latham Cole (Tom Wilkinson, "Duplicity")
vorangetrieben wird. Um zu zeigen, daß im vormaligen Wilden Westen nun Gesetz
und Ordnung herrschen, hat Cole eigens per Zug den kannibalistisch
veranlagten Banditen Butch Cavendish (William Fichtner, "The Dark Knight") nach Colby bringen lassen, um ihn dort publikumswirksam
verurteilen und aufhängen zu lassen. Doch Butch gelingt die Flucht, die
Texas Rangers nehmen die Verfolgung auf. Anführer der Rangers ist Johns älterer
Bruder Dan (James Badge Dale, "Shame"), der Butch lieber direkt
erschießen als vor Gericht bringen will. Um das zu verhindern, begleitet Dan
die Ordnungshüter kurzerhand – und gerät mit ihnen in einen Hinterhalt. Als er wieder
zu Bewußtsein kommt, wird John von einem leicht durchgeknallten Comanchen namens Tonto (Johnny Depp, "The Tourist") begrüßt, der aus sehr
persönlichen Gründen ebenfalls hinter Butch Cavendish her ist ...
Kritik:
Es dürfte nicht allzu viele Filme geben, die eine ähnlich
holprige Vorgeschichte hatten (und dann tatsächlich fertiggestellt wurden) wie
"Lone Ranger" vom eigentlich bewährten "Fluch der
Karibik"-Team Gore Verbinski (Regie), Jerry Bruckheimer (Produktion), Ted
Elliott / Terry Rossio (Drehbuch), Hans Zimmer (Musik) und Johnny Depp
(Hauptrolle). Noch bevor die Dreharbeiten begannen, wurde das Projekt 2011 von
Disney vorübergehend auf Eis gelegt, weil man Zweifel am kommerziellen Potential hatte und
das geplante Budget von $250 Mio. nicht finanzieren wollte. Das ist soweit
nicht so ungewöhnlich und sogar nachvollziehbar, daß die Geschichte in aller
Öffentlichkeit ausdiskutiert wurde, sollte jedoch lange nachwirken. Ab diesem
Moment schleppte die Adaption einer in den USA populären Westernreihe, die als Radioproduktion
begann und als TV-Serie samt Kinofilm (dessen Kenntnis einige Gags noch etwas witziger macht) zu Ruhm gelangte, das Etikett "potentieller
Megaflop" mit sich herum. Als das Budget um 20 bis
30 Millionen US-Dollar reduziert werden konnten, nahm das Herzensprojekt von
Johnny Depp (der auch als Produzent beteiligt ist) endlich Fahrt auf. Die
Negativschlagzeilen wurde es allerdings einfach nicht mehr los. Ein
Crewmitglied starb während der Dreharbeiten bei einem tragischen Unfall, Depp
wurde von verschiedenen Seiten dafür kritisiert, daß er als Weißer einen amerikanischen Ureinwohner spiele (obwohl Depp entfernte indianische Vorfahren hat und vor Drehbeginn die
ausdrückliche Genehmigung der Comanchen einholte), außerdem wurde befürchtet,
daß Tonto entgegen der Vorlage zur eigentlichen Hauptfigur gemacht werde. Daß
sowohl Depp als auch Bruckheimer in der Zwischenzeit kommerzielle Flops fabrizierten
("Dark Shadows" und "Rum Diary" respektive "Prince of Persia", "G-Force" und "Duell der
Magier"), ließ den Druck nicht geringer werden. Und so kam es,
wie es wohl kommen mußte. Beim US-Start waren sich die Kritiker einig, daß
"Lone Ranger" einfach schlecht sei. Depps wiederholte Verkörperung
einer durchgeknallten Figur á la Jack Sparrow nerve inzwischen, der Film sei
außerdem viel zu lang. Kurzum: ein Flop. Eine selbsterfüllende Prophezeiung. Da
kann es nicht verwundern, daß die Einspielergebnisse hinter den
Erwartungen des Studios zurückblieben, selbst international – wo Depp einer der
zugkräftigsten Stars überhaupt ist – war da nicht mehr viel gutzumachen. Und
das ist verdammt schade, denn "Lone Ranger" entpuppt sich als zwar
mit einigen Schwächen behafteter, aber durchaus unterhaltsamer Spätwestern, der
wider Erwarten sogar ein bißchen zum Nachdenken anregt und in Deutschland übrigens im
Schnitt deutlich bessere Rezensionen erhielt als in den USA.
Die Crux bei Filmen, die ein ehemals populäres, inzwischen aber nahezu ausgestorbenes Genre wiederbeleben wollen, ist es seit
jeher, jenen schmalen Grat zu finden zwischen der selbstbewußten Spielerei mit
altbekannten Motiven und der einfallslosen Kopie der großen Vorbilder. Bei
"Fluch der Karibik" haben Verbinski, Depp und Co. das wunderbar
hinbekommen, bei "Lone Ranger" zwar nicht ganz so gut, aber immer
noch akzeptabel. Daß "Fluch der Karibik" das große Vorbild dieses
Films war, ist generell unübersehbar. Hier wie dort wird versucht, eine
ausgewogene Mischung aus Humor und Ernsthaftigkeit zu präsentieren und diese
mit charismatischen Schauspielern, spektakulären Spezialeffekten und einer
nicht zu komplizierten, aber fesselnden Story zu kombinieren, die an die Glanzzeiten des
jeweiligen Genres zurückerinnert. "Lone Ranger" geht dabei sehr
gewissenhaft vor, wie bereits in den als Prolog und Epilog dienenden Szenen ersichtlich ist, in denen der inzwischen uralte Tonto einem kleinen Jungen seine
Geschichte und die des Lone Rangers erzählt. Als der als Cowboy verkleidete Junge zu
Beginn von Tonto erschreckt wird, zieht er nämlich kurzentschlossen seine
Spielzeugpistole und schießt mehrmals auf den alten Indianer – eine clevere
Anspielung auf die aus heutiger Sicht rassistische Schwarzweiß-Malerei so vieler alter US-Western mit "guten" Cowboys und "bösen" Indianern. Und ganz am Ende, während bereits der Abspann
läuft, wandert Tonto auf das berühmte Monument Valley zu, das zig
Western als Kulisse diente und einen entsprechenden Wiedererkennungswert
besitzt. Eine schöne, durchdachte Klammer für einen Film, der für einen
Sommer-Blockbuster einen erstaunlich ungeschönten Blick auf die amerikanische
Vergangenheit wirft und doch zugleich die Meisterwerke des Westerns ehrt.
Stilistisch allerdings – teilweise auch inhaltlich –
erinnert "Lone Ranger" eigentlich eher an die Italowestern eines
Sergio Leone ("Für eine Handvoll Dollar"). Das fängt mit der
klassischen Story über die fiesen, skrupellosen und geldgierigen Eisenbahn-Magnaten an und endet
mit dem erdigen, ja sogar schmutzigen Look, auf den sogar mittels Details wie
dunkel verfärbter Fingernägel und Zähne geachtet wurde. Allerdings dummerweise
nicht durchgehend, denn ausgerechnet Co-Hauptdarsteller Armie Hammer hat ein dermaßen
perfekte, perlweiße Zähne, daß es beinahe blendet. Mit viel gutem Willen mag
man das damit erklären, daß er gerade aus New York kommt, wo vermutlich bereits
im 19. Jahrhundert viel stärker auf die Zahnhygiene geachtet wurde als im wilden und
vor allem dreckigen Westen – aber daß damals jemand mit *solchen* Zähnen
rumlief, wage ich dennoch zu bezweifeln. Angesichts der sonstigen Sorgfalt bei
der Rekonstruktion eines einigermaßen authentischen, in leicht ausgewaschenen Farben gefilmten
Western-Looks ist dieser kleine Anachromismus schon etwas ärgerlich – genau wie
eine Szene, in der John und Tonto einer Bordellbesitzerin drohen wollen, indem
sie Verstöße gegen die Gesundheitsvorschriften anprangern, die weniger nach dem 19. als nach dem 21. Jahrhundert klingen ...
Letztlich sind das aber natürlich nur Schönheitsfehler, die
über weite Strecken von den Stärken von "Lone Ranger" locker
überstrahlt werden. Sehr erfreulich ist beispielsweise, daß Johnny Depp
keineswegs den Film dominiert, sondern mit dem relativen Newcomer Armie Hammer
ein sehr amüsantes und vollkommen gleichberechtigtes Duo abgibt. Daß Depp die
humoristischen Vorzüge einer solchen Figur wunderbar ausspielen kann, ist nur
zu bekannt (wer davon, wie die US-Kritiker, inzwischen genug hat, der sollte
einen weiten Bogen um diesen Western machen), aber auch Hammer offenbart nach
"Spieglein Spieglein" erneut ein beachtliches komisches Talent und
ein gutes Timing in den nicht seltenen Slapstick-Szenen. Auch ihr
wunderliches Pferd "Silver" paßt sich hervorragend in dieses seltsame
Gespann ein. Trotz der zahlreich eingestreuten humoristischen Szenen erzählt "Lone Ranger"
seine Geschichte aber erstaunlich ernsthaft und scheut auch vor (wenngleich disneytypisch natürlich nur angedeuteten) heftigen Szenen bis hin zu einem
Massaker an Indianern nicht zurück – das wird manchen Zuschauern auf der Suche nach
leichter Unterhaltung wohl nicht ganz so gut gefallen, ich finde es jedoch sehr
erfrischend. Auch sind die Actionsequenzen bis zum großen Finale relativ
spärlich gesät. Leider wird die so gewonnene Zeit jedoch weder für eine
überdurchschnittlich gelungene Figurenzeichnung jenseits der beiden
Protagonisten verwendet noch für eine ausgeklügelte Story, sondern vor allem
für die erwähnten Humoreinlagen. Nicht daß ich gegen diese etwas einzuwenden
hätte, aber Handlung und Nebenfiguren – wie Johns Jugendliebe Rebecca (Ruth
Wilson, "Anna Karenina", TV-Reihe "Luther") oder die Bordellbesitzerin Red
(Helena Bonham Carter, "Sweeney Todd") – hätten definitiv deutlich
mehr Sorgfalt vertragen.
Womit wir auch schon beim Grund dafür wären, warum
"Lone Ranger" zwar absolut passables Sommerkino ist, aber eben doch
kein Highlight wie "Fluch der Karibik": Es gibt drei erhebliche
Schwächen. Die erste ist die zugrundeliegende Geschichte, womit wir wieder beim bereits angesprochenen schmalen Grat zwischen Hommage und Kopie wären. Die
altbekannte Story von den bösen Eisenbahn-Geschäftsleuten, die das
Militär kaufen und zugunsten des eigenen Reichtums alle und alles verraten und
verkaufen, hat schlicht und ergreifend einen Bart, der länger ist als die der
ZZ Top-Mitglieder zusammengenommen. Das vor allem, weil sie nicht im mindesten
variiert wird und zugleich mangels wirklich überzeugender Bösewichte auch nicht
ansatzweise an die großen Vorbilder á la "Spiel mir das Lied vom Tod"
herankommt. Tom Wilkinson spielt seine Rolle zwar mit gewohnter Souveränität
und angemessener Arroganz, als hassenswerter Überbösewicht taugt dieser Latham
Cole aber kaum. Und der zweite Fiesling der Geschichte, Butch Cavendish, könnte
mit seinen kannibalistischen Tendenzen diesen Platz zwar theoretisch locker
einnehmen, leider wird das jedoch dadurch verhindert, daß seinem Darsteller
William Fichtner zu wenig Szenen zur Verfügung gestellt werden, um das
Potential seiner Figur auszuspielen – zumal er sich immer wieder von John und
Tonto überrumpeln lassen muß. Das zweite große Manko ist die fehlende Balance
zwischen Komik und Ernst. Wo "Fluch der Karibik" eine nahezu perfekte
Mischung aus diesen beiden Elementen gefunden hat, versagt "Lone
Ranger" ziemlich. Ein bißchen steht dem Film in dieser Hinsicht seine
eigene Ambition im Weg, denn dadurch, daß die ernsthaften Szenen (aufgrund der
US-Historie) wesentlich schwermütiger ausfallen als bei der Piratengeschichte,
ist der Kontrast zwischen ihnen und den humorigen Buddy-Szenen zwischen John
und Tonto einfach zu stark – zumal die Wechsel immer wieder sehr abrupt
vonstatten gehen. Auf diese Weise findet "Lone Ranger" nie einen natürlich wirkenden Rhythmus, sondern wirkt eher wie zwei ziemlich
unterschiedliche Filme, die gewaltsam in einen gepreßt wurden.
Die letzte große Schwäche schließlich ist die mit Abstand
überflüssigste, denn vor dem großen Finale gibt es etwa eine halbe Stunde, die
man im Grunde genommen hätte streichen können und sollen. Diese Zeit
wird fast komplett zum pingeligen Aufdröseln der nun wirklich nicht übermäßig
komplizierten Hintergründe der Story verwendet. Das langweilt tierisch, da man
als halbwegs aufmerksamer Zuschauer zu diesem Zeitpunkt längst all das
durchschaut hat, was einem nun noch einmal haarklein erläutert wird. Das Ganze
hätte man locker in fünf Minuten komprimieren können, dann hätte "Lone
Ranger" mit gut 120 Minuten genau die richtige Länge gehabt.
Glücklicherweise erhält man für dieses wirklich ärgerliche Zwischenspiel
umgehend eine Entschädigung in Form des Showdowns. Dieser entpuppt sich als
(stilistisch stark an das "Fluch der Karibik 2"-Finale erinnernde)
turbulente und virtuos choreographierte Eisenbahn-Verfolgungsjagd zu den mitreißenden Klängen von Gioachino
Rossinis berühmter "Wilhelm Tell"-Ouvertüre
in einer gelungenen Variation durch Filmkomponist Hans Zimmer und Geoff
Zanelli. Ein herrlicher Schlußpunkt für einen etwas holprigen, aber definitiv
sehenswerten Sommerfilm.
Fazit: "Lone Ranger" ist ein nostalgischer
Spätwestern, der launige Buddykomödien-Elemente mit einer für einen
Disney-Sommerfilm phasenweise erstaunlich ernsthaften Aufarbeitung der dunklen
Vergangenheit der USA kombiniert. Diese Mischung läuft etwas unrund, dank der
gut harmonierenden Hauptdarsteller und der tadellosen Schauwerte hält sich der
Mißmut darüber aber in Grenzen.
Wertung: Gute 7 Punkte.
Bei Gefallen an meinem Blog würde ich mich über die Unterstützung von "Der Kinogänger" mittels etwaiger amazon.de-Bestellungen über einen der Links oder das amazon-Suchfeld in der rechten Spalte freuen.
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