Regie: Richard Linklater, Drehbuch: Julie Delpy, Ethan Hawke
und Richard Linklater, Musik: Graham Reynolds
Darsteller: Julie Delpy, Ethan Hawke, Walter Lassally, Xenia
Kalogeropoulou, Athina Rachel Tsangari, Panos Koronis, Ariane Labed, Yiannis
Papadopoulos, Seamus Davey-Fitzpatrick, Jennifer Prior, Charlotte Prior
Neun Jahre, nachdem Schriftsteller Jesse (Ethan Hawke) in
Paris sein Flugzeug verpaßt hat, sind er und Celine (Julie Delpy) ein Paar
und haben Zwillingstöchter. Auf Einladung von Jesses Verleger Patrick (der für
"Alexis Sorbas" OSCAR-prämierte Kameramann Walter Lassally in seinem
Schauspieldebüt im reifen Alter von 86 Jahren!) haben sie den Sommer gemeinsam mit einigen Freunden Patricks und Jesses
13-jährigem Sohn aus erster Ehe Hank (Seamus Davey-Fitzpatrick, "Moonrise Kingdom") auf einer sonnigen griechischen Insel verbracht. Doch nun ist
Hank wieder in die USA geflogen, was Jesse darüber nachsinnen läßt, wieviel
von der Kindheit seines Sohnes er verpaßt hat, da er mit seiner neuen Familie
in Frankreich lebt und mit Hank fast nur dessen jährliche Sommerferien
verbringen kann. Celine, die von ihrer oft fruchtlosen Arbeit für gemeinnützige
Institutionen inzwischen sehr desillusioniert ist und ein lukratives Angebot für
einen Job im Umfeld der französischen Regierung hat, befürchtet sofort, daß
Jesses Überlegungen darauf hinauslaufen werden, daß sie und die Kinder mit ihm
in die USA ziehen sollen ...
Kritik:
Regisseur Richard Linklater ("School of Rock"),
Julie Delpy und Ethan Hawke behalten ihren Rhythmus bei: Neun Jahre nach
"Before Sunrise" kam die Fortsetzung "Before Sunset" in die
Kinos, weitere neun Jahre später steht nun "Before Midnight" ins
Haus. Wieder befinden sich die beiden zentralen Figuren Celine und Jesse an
einem neuen Punkt in ihrem Leben, aber immer noch beschäftigen sie sich im Film
größtenteils mit Reden. Es ist, dank der zutiefst authentischen Charaktere, wie
ein Wiedersehen mit alten Freunden, die man lange nicht mehr gesehen, aber sehr
vermißt hat. Das ging offenbar selbst den professionellen Kritikern so, die
"Before Midnight" mit Lobeshymnen geradezu überschattet haben.
Tatsächlich kann der Film das qualitative Niveau seiner Vorgänger halten, hat
aber etwas von seiner Magie verloren – was wohlgemerkt so gewollt ist, da nach
den beiden hochromantischen Vorgängern in diesem dritten Teil der Reihe schonungslos gezeigt
wird, wie sich der jahrelange Alltagsstreß auf die Liebe auswirkt.
Formal ist "Before Midnight" etwas konventioneller
ausgefallen als vor allem der direkte Vorgänger "Before Sunset".
Dieses Mal gibt es wieder eine klassische (wenn auch relativ unspektakuläre)
Filmmusik, auch der Zweipersonenstück-Charakter wird deutlich
aufgeweicht und kommt eigentlich erst im letzten Drittel wieder so richtig
zum Tragen. Das zweite Drittel (das erste umfaßt Jesses Abschied von Hank und
die anschließende Autofahrt zurück zu Patricks Haus) wird dagegen dominiert von einem
großen Abendessen mit Patrick, einigen griechischen Freunden sowie dem
etwa 20-jährigen Enkelsohn des Gastgebers und dessen hübscher Freundin. Und das erweist sich als
ein äußerst geschickter Kniff, um nahtlos an die emotionalen Diskussionen der
beiden vorherigen Filme anknüpfen zu können, ohne sich zu wiederholen. Denn
durch die Erweiterung des Personenkreises kommen nun die Ansichten gleich dreier
Generationen zu den verschiedenen Themen zum Tragen, was zu interessanten
Einsichten und liebevollen Sticheleien führt, ohne je die heitere Stimmung zu
verlieren (auch wenn die Spannungen zwischen Celine und Jesse bereits leicht
durchscheinen). Die Politik spielt dabei dieses Mal leider nur am Rande eine
Rolle, was angesichts Celines Angebot, für die Hollande-Regierung zu arbeiten,
und des Settings in Griechenland sehr schade ist. Stattdessen dominiert Zwischenmenschliches
die Gespräche, in denen die einzelnen Personen ihre Meinung zum Wesen von Liebe
und Ehe, vor allem aber auch über das Rollenverständnis der Geschlechter
kundtun. Dank der erneut sehr guten und feinfühligen Dialoge und der
sympathischen Darsteller macht es einfach Spaß, bei diesem gesprächsreichen
Abendessen zuzuschauen.
Im letzten Filmdrittel geht die heitere Atmosphäre dann
jedoch allzu schnell und abrupt verloren. Eigentlich sollen Celine und Jesse in
einem Hotelzimmer, das ihre Freunde für sie gebucht und bezahlt haben, zum
ersten Mal seit ewigen Zeiten eine romantische Nacht zu zweit verbringen – doch
stattdessen brechen die offenbar schon lange schwelenden Konflikte in ihrer Beziehung endgültig aus, die durch Jesses
Überlegungen über die Teilhabe am Leben seines Sohnes bereits dicht unter die
Oberfläche getrieben waren. Aus der beinahe magischen Liebe, deren Entstehung
man als Zuschauer in "Before Sunrise" und "Before Sunset" hautnah miterleben durfte, ist eine ganz normale Beziehung geworden, die
vollkommen realitätsgetreu durch den Alltag immer wieder auf die Probe gestellt
wird. Das nun darzustellen, ist nur konsequent, auch wenn für meinen Geschmack
etwas zu viel auf einmal in diesen heftigen Streit hineingepackt wird, der auch
noch aus einem absolut nichtigen Anlaß ausbricht (was zugegebenermaßen so
unrealistisch nicht ist). Dennoch fällt es ohne Frage schwer, dem vermeintlichen Traumpaar
minutenlang dabei zuzuhören, wie es sich streitet und gegenseitig mit bitteren Vorwürfen überzieht.
Bemerkenswert ist allerdings, daß Julie Delpy und Ethan Hawke im Streit ebenso
wunderbar harmonieren wie im romantischen Werben umeinander. Ihre zutiefst uneitle
Darstellung der von ihnen mitgeschriebenen Figuren ist und bleibt ein absolutes
Highlight.
Wahrscheinlich haben jene Kritiker sogar recht, die sagen,
daß "Before Midnight" gerade wegen dieses letzten Aktes der beste und
wahrhaftigste Teil der Reihe ist – aber da ich generell kein Freund von
Streitereien bin, kann ich mir ehrlich gesagt auch im Kino Schöneres
vorstellen, als diesen zu folgen (auch wenn sie immer wieder durch ganz kurze Anflüge von
Humor leicht aufgelockert werden). Insofern erkenne ich die Qualität des Films neidlos an,
in meiner persönlichen Rangfolge liegt er jedoch deutlich hinter "Before
Sunset" und wohl auch knapp hinter "Before Sunrise". Dennoch
freue ich mich auf ein hoffentlich erneutes und dann wieder etwas harmonischeres Wiedersehen mit Celine und Jesse im
Jahr 2022 ...
Fazit: "Before Midnight" ist eine
bewundernswert konsequente und wiederum hervorragend geschriebene und gespielte
Fortführung der Liebesgeschichte von Celine und Jesse, deren desillusionierende
zweite Hälfte aber leicht depressiv machen kann.
Wertung: 8 Punkte.
Bei Gefallen an meinem Blog würde ich mich über die Unterstützung von "Der Kinogänger" mittels etwaiger amazon.de-Bestellungen über einen der entsprechenden Links freuen.
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