Regie und Drehbuch: Christopher McQuarrie, Musik: Joe
Kraemer
Darsteller: Tom Cruise, Rosamund Pike, Robert Duvall, David
Oyelowo, Richard Jenkins, Jai Courtney, Werner Herzog, Alexia Fast, Joseph
Sikora, Josh Helman, Vladimir Sizov, Michael Raymond-James, Nicole Forester, Lee Child
Pittsburgh, Pennsylvania: Ein Mann (Jai Courtney, "Unbroken") fährt in ein Parkhaus,
steigt in einer oberen, menschenleeren Etage aus, zieht ein Parkticket, packt
dann in aller Ruhe ein Scharfschützengewehr aus, legt sich bereit und nimmt nacheinander
mehrere Menschen ins Visier. Schließlich eröffnet er das Feuer: sechs Schüsse, fünf Tote.
Wenig später stürmt die Polizei unter Leitung von Detective Emerson (David
Oyelowo, "Planet der Affen: Prevolution") die Wohnung des aufgrund
eines hinterlassenen Fingerabdrucks Tatverdächtigen und nimmt ihn fest. Aber es
ist nicht der Täter, den die Polizei verhaftet, sondern ein Mann namens Barr
(Joseph Sikora), ein ehemaliger Scharfschütze des US-Militärs. Barr verweigert
die Aussage, seine einzige Forderung: Holt Jack Reacher. Das erweist sich
jedoch als überflüssig, denn der geheimnisvolle ehemalige Militärpolizist wendet sich von sich aus an die Polizei, nachdem er
in den Nachrichten von Barrs angeblicher Tat erfahren hat. Nur zögerlich läßt
er sich von Barrs Anwältin Helen Rodin (Rosamund Pike, "Barney's Version")
als Ermittler anheuern, doch schon bald stößt er auf Ungereimtheiten, die den
Ehrgeiz des notorischen Einzelgängers wecken ...
Kritik:
Die Fans von Lee Childs erfolgreicher Roman-Reihe um den hochintelligenten, kampferprobten Ex-Militärpolizisten Jack Reacher waren nicht unbedingt begeistert, als
der Drehbuch-Autor und Regisseur Christopher McQuarrie ("Operation
Walküre", Autor von "Die üblichen Verdächtigen") ausgerechnet
den eher schmächtigen Tom Cruise für die Titelrolle verpflichtete – schließlich
wird Reacher in den Büchern als bulliger Hüne geschildert. Child selbst, der im
Film übrigens eine kleine Gastrolle als Polizist hat, gab dieser ungewöhnlichen
Besetzung allerdings seinen Segen, da es seiner Ansicht nach sowieso unmöglich
wäre, einen guten Schauspieler zu finden, der dem Buch-Reacher optisch
nahekäme. Für diejenigen, die Childs Romane nicht kennen, ist diese Diskussion natürlich unerheblich, denn daß Cruise einen Action-Helden überzeugend verkörpern
kann, hat er in der "Mission: Impossible"-Reihe zur Genüge bewiesen.
Und auch als "Jack Reacher" macht er eine gute Figur, wenngleich sich
seine Darstellung streng genommen nicht allzu sehr von der des IMF-Agenten Ethan Hunt
unterscheidet.
Generell läßt sich sagen, daß "Jack Reacher" ein echtes Alleinstellungsmerkmal fehlt, das gewisse Etwas. Christopher McQuarrie hat
anhand der Buchvorlage einen grundsoliden Thriller mit sehr ansehnlichen
Action-Sequenzen, einem recht charismatischen Helden, teuflischen Bösewichten,
einer schönen weiblichen Hauptfigur, die sogar etwas mehr sein darf als nur "eye
candy", und einigen markanten Nebendarstellern geschaffen. Aber unterm Strich fehlt
eben das Besondere. Zumindest nach der beklemmend realistisch inszenierten
Eröffnungssequenz im Parkhaus. Die Intensität dieses morbiden Auftakts erreicht
die Geschichte anschließend nicht mehr annähernd. Sie hält zwar durchaus ein
paar Überraschungen parat, insgesamt ist der grobe Handlungsverlauf für
Krimi-Kenner aber ziemlich gut antizipierbar. Außerdem wirkt gerade im Kontrast zum Prolog der von McQuarrie immer wieder eingestreute Humor eher
irritierend. "Jack Reacher" würde besser funktionieren, wäre er
durchgehend als grimmiger Thriller konzipiert. Gegen ein paar knackige Oneliner
des Protagonisten ist nichts einzuwenden, aber hier gibt es eindeutig zu viele humorvolle
Szenen, zu viele schlagfertige Repliken Reachers, ja sogar Sequenzen nahe am
Slapstick. Für sich genommen sind etliche dieser Gags sogar richtig gut, aber
insgesamt passen sie zumindest in dieser Häufung einfach nicht in die düstere
Story hinein.
Trotz einer Länge von gut 130 Minuten bleibt zudem die
Figurenzeichnung arg skizzenhaft. Warum Jack Reacher als Romanfigur so populär
ist, läßt sich anhand dieses Films jedenfalls kaum nachvollziehen. Hier wirkt
er eher wie ein beliebiger, wenn auch von Cruise routiniert gespielter
Actionheld. Von David Oyelowo als leitendem Detective würde man
gerne mehr sehen, doch ebenso wie Rosamund Pike als Anwältin, die gegen ihren
eigenen Vater, den Staatsanwalt Alex Rodin (Richard Jenkins, "The Cabin in the Woods", "Killing Them Softly"), antritt, erhält er leider nur wenig Spielraum. Da es zwischen
Pike und Cruise außerdem so überhaupt nicht knistert, ist es auf jeden Fall von
Vorteil, daß das Drehbuch keine echte Romanze zwischen Reacher und Helen
vorsieht. Mehr Glück haben neben Altstar Robert Duvall ("Der Pate"), der erst spät, aber
eindrucksvoll als Schießstandbesitzer die Bühne betritt, die beiden
Hauptschurken. Der australische Newcomer Jai Courtney macht als grimmiger
Scharfschütze eine gute Figur, die denkwürdigste Rolle des Films hat
jedoch der deutsche Kultregisseur Werner Herzog ("Aguirre, der Zorn Gottes",
"Fitzcarraldo") als sein Boß "The Zec" inne. McQuarrie ist dabei klug
genug, Herzog in dessen wenigen Auftritten einerseits schauspielerisch nicht zu
überfordern, ihn andererseits jedoch so mysteriös in Szene zu setzen und mit
perfiden Dialogzeilen auszustatten, daß sein markanter Sprechstil (der durch
seine vielfach ausgezeichneten Dokumentarfilme berühmt-berüchtigt geworden
ist) voll zur Geltung kommt. Wenn man im Wörterbuch nach dem englischen Begriff
"creepy" sucht, dann findet man bei dem entsprechenden Artikel
zur Illustration vermutlich ein Bild von Werner Herzog als The Zec ...
Bezüglich der Action stechen zwei Sequenzen aus "Jack
Reacher" klar hervor: eine wilde Autoverfolgungsjagd und der finale Shootout
auf einer nächtlichen Baustelle. Die lange, von dem gelungenen Action-Score des
bisher vor allem im TV-Bereich beschäftigten Komponisten Joe Kraemer untermalte
Verfolgungsjagd (bei der Cruise sich übrigens nicht von einem Stuntman ersetzen
ließ) ist zwar nicht überragend innovativ, aber so rasant in Szene gesetzt, daß
sie richtig Freude macht und nach dem beklemmenden Prolog das zweite Highlight
des Films bildet. Das große Finale kann leider nicht ganz so sehr überzeugen.
Deutliche Anleihen bei ähnlichen Sequenzen aus Michael Mann-Filmen wie "Heat"
oder "Miami Vice" sind zwar unverkennbar, doch erreicht McQuarries
Choreographie und Inszenierung des Shootouts nicht Mann-Qualität. Der Showdown
steht gewissermaßen stellvertretend für den gesamten Film: Er ist routiniert
und handwerklich grundsolide, aber letztlich nicht spektakulär oder raffiniert
genug, um lange im Gedächtnis zu bleiben.
Vom produzierenden Studio Paramount und von Tom Cruise
selbst wurde "Jack Reacher" ganz bewußt als Beginn eines neuen
Franchises konzipiert, doch ob es wirklich dazu kommen wird, ist derzeit noch
nicht abzusehen. Die Einspielergebnisse des Films sind zwar weit davon entfernt,
als kommerzieller Mißerfolg eingestuft zu werden, aber ein echter Hit ist
"Jack Reacher" auch nicht. Angesichts des für eine
Hollywood-Großproduktion recht bescheidenen Budgets von geschätzt $65 Mio. sollten
die Chancen für eine Fortsetzung eigentlich dennoch gut stehen, allerdings wurde das inoffiziell als Bedingung dafür ausgegebene Ziel eines weltweiten Einspielergebnisses von $250 Mio. nicht ganz erreicht. Letztlich wird es wohl auch davon abhängen, wie stark Cruise auf einen weiteren Reacher-Film drängt. Nachtrag vom Mai 2015: Nun ist es offiziell: "Jack Reacher 2" wird produziert.
Fazit: "Jack Reacher" ist ein sehr
ordentlicher Action-Thriller mit einer guten Besetzung, der aber zu stark
zwischen Humor und grimmigem Realismus schwankt, um wie aus einem Guß zu
wirken. Genrefans sollten sich dennoch gut unterhalten fühlen.
Wertung: 7 Punkte.
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