Regie und Drehbuch: Paul W.S. Anderson, Musik: tomandandy
Darsteller: Milla Jovovich, Michelle Rodriguez, Sienna
Guillory, Johann Urb, Li Bingbing, Shawn Roberts, Boris Kodjoe, Kevin Durand,
Robin Kasyanov, Ofilio Portillo, Oded Fehr, Colin Salmon, Aryana Engineer, Mika
Nakashima
Direkt im Anschluß an die Geschehnisse in "Resident
Evil: Afterlife" setzt die Handlung wieder ein und Alice (Milla Jovovich, "Die drei Musketiere")
wird von ihrer gehirngewaschenen Freundin Jill Valentine (Sienna Guillory, "Eragon", "Tintenherz") und ihren
Truppen gefangengenommen. Verfrachtet in einen gigantischen unterseeischen Testkomplex
der Umbrella Corporation, kann sich Alice dank der unerwarteten Hilfe von
Umbrella-Chef Albert Wesker (Shawn Roberts) zwar befreien; doch ist
es so gut wie unmöglich, alleine den Weg durch den von unzähligen Zombies und
Schlimmerem bevölkerten und von der Künstlichen Intelligenz "Red
Queen" gesteuerten Komplex zu finden. Deshalb schickt ihr Wesker einen
Eingreiftrupp um Leon S. Kennedy (Johann Urb) und Alices Freund Luther (Boris
Kodjoe, "Surrogates") entgegen ...
Kritik:
Paul W.S. Andersons "Resident Evil"-Reihe ist wohl
eine der seltsamsten der Filmgeschichte. Kritiker mögen keinen der bisherigen
fünf Filme, viele Anhänger der kultigen Videospiel-Vorlage hassen Andersons vor
allem zu Beginn sehr freie Adaption ob der generell geringen Ähnlichkeit und
ganz speziell der erheblichen Abweichungen zur Spiele-Story
leidenschaftlich. Dennoch wurden die "Resident Evil"-Filme von
Fortsetzung zu Fortsetzung kommerziell erfolgreicher (bezogen auf das weltweite
Kino-Einspielergebnis). Der fünfte Teil namens "Retribution" wird zwar
vermutlich erstmals einen leichten Rückgang zu verzeichnen haben, spielt aber immer noch locker
genügend Geld ein, um einen sechsten Film zu garantieren.
Wie läßt sich das erklären? Der wohl wichtigste Erfolgsfaktor ist
die Qualität der Action, die Anderson und sein Team konsequent liefern. Die
Story war von Anfang kaum mehr als ein bloßes Alibi und Verbindungsstück
zwischen den zahllosen, oft grandios choreographierten Kampfsequenzen.
Allerdings ist sie gerade noch interessant genug, daß man als Zuschauer
wissen will, wie die Geschichte weitergeht – tatkräftig unterstützt wird dieser
Impuls natürlich durch die fiesen, eher für TV-Serien typischen Cliffhanger, mit
denen jeder Film beendet wird. Dazu kommen die schillernden Charaktere: Allen
voran selbstverständlich die von Milla Jovovich so vortrefflich verkörperte
sexy Kampfamazone Alice, doch auch die teilweise aus den Spielen übernommenen
Nebenfiguren funktionieren trotz fast vollständig fehlender Charakterzeichnung
erstaunlich gut. Da mögen sich eingefleischte Anhänger der Spielereihe noch so sehr
darüber aufregen, daß Andersons Version dieser Figuren nicht den
Spielecharakteren entspreche – für Gelegenheitsspieler wie mich ("Resident
Evil 4" ist der einzige Teil, den ich bislang gespielt habe) sind solch innerhalb des "Resident Evil"-Universums
bekannte Namen wie Jill Valentine oder Leon S. Kennedy ein netter Bonus
und wirken sogar ein klein wenig identifikationsstiftend.
Auffällig ist, daß die von Paul W.S. Anderson selbst
inszenierten Teile der Filmreihe am besten funktionieren. Nach seinem
trashigen, aber sehr atmosphärischen und horrorlastigen ersten Teil
übernahm für die erste Fortsetzung "Apocalypse" Alexander Witt das Ruder
und lieferte einen seelenlosen Actionstreifen ab, der die größten Stärken des
Vorgängers viel zu sehr in den Hintergrund rückte: Alice und die Zombies. Mit
"Extinction" unter der Leitung des B-Movie-erfahrenen "Highlander"-Regisseurs
Russell Mulcahy ging es wieder ein bißchen aufwärts, doch erst als Anderson für
"Afterlife" wieder vom Produzenten und
Drehbuch-Autor zusätzlich zum Regisseur aufstieg, fand die Reihe zurück zu
alter Stärke. Maßgeblich befördert wurde dies durch den erstmaligen Einsatz der 3D-Technik, die
außer James Cameron kaum einer in Hollywood so gut beherrscht wie Anderson, und
die das Actionspektakel auf eine ganz neue visuelle Ebene hievte. Leider
blieb die klischeehafte Handlung eine große Schwäche, doch daraus hat Anderson
gelernt: Bei "Resident Evil: Retribution" ist er nun endlich so konsequent, die
Story auf ein absolutes Mindestmaß zu beschränken und stattdessen in der
großartigen Inszenierung der 3D-Kampfszenen zu schwelgen. Für die
Horrorelemente, die im Originalfilm noch so gut funktionierten, ist da allerdings
abgesehen von einigen für Anderson seit "Event Horizon" so typischen übertriebenen Soundeffekten kaum noch Platz, die Reihe
hat sich ab Teil 2 ganz eindeutig in die Actionrichtung gewandt. Das ist durchaus ein kleines bißchen mit "The Expendables 2" vergleichbar, jedoch mit dem Unterschied, daß "Resident Evil: Retribution" die bessere Action zu bieten hat, wohingegen Stallone und Co. mit viel mehr und besserem Humor punkten.
Vor allem das rasant geschnittene erste Filmdrittel von "Retribution" ist aber wirklich grandios.
Beginnend mit dem in Zeitlupe und rückwärts präsentierten Prolog (nach dem
Vorspann gibt es die Sequenz noch einmal in "normal") und
kulminierend in einem harten Fight zwischen der mit einer Pistole und einer
Kette bewaffneten Alice und einer ganzen Horde von Zombies in einem schmalen,
klinisch steril wirkenden weißen Gang. Auf die Gefahr hin, daß mir maßlose
Übertreibung vorgeworfen wird: Ich behaupte, daß dieses brutale
Aufeinandertreffen eine der gelungensten Kampfszenen in der Geschichte des Actionkinos außerhalb
Asiens ist. Die Choreographie ist atemberaubend, die Inszenierung samt
Zeitlupeneffekten ungemein stylish, durch den gekonnten 3D-Einsatz wirkt es
wunderbar plastisch (und für diejenigen, die finden, 3D sei nur dann gut, wenn
ein paar Gegenstände Richtung Leinwand fliegen: Ja, das passiert auch ...)
und der erbarmungslos antreibende Soundtrack des Elektronikduos tomandandy verleiht dem Ganzen
den letzten Schliff. Wunderbar. Übrigens erzählt Alice zu Beginn ziemlich
ausführlich die Ereignisse der ersten Filme nach, weshalb auch Neueinsteiger
keine größeren Probleme haben dürften, der, nunja, "Handlung" zu
folgen. Auch angesichts des Comebacks zahlreicher bekannter Gesichter aus den Vorgängern ist es
aber naturgemäß von Vorteil, wenn man diese bereits gesehen hat.
Leider erweist sich die Spannungskurve von "Retribution" als nicht ideal: Während es bereits im ersten Akt die beschriebenen
großartigen Action-Höhepunkte gibt, können die restlichen 60 Minuten damit einfach nicht mithalten und plätschern bis zum gelungenen Showdown eher vor sich hin. Natürlich kommt es auch weiterhin zu mehr als soliden Ballereien und Martial Arts-Einlagen und die CGI-Effekte wissen zu gefallen; zudem gibt es dank der Einbindung des "Las Plagas"-Parasiten aus dem
Spiel "Resident Evil 4" weit intelligentere Monster als nur die
obligatorischen T-Virus-Zombies. Aber dummerweise fehlen echte
Highlights. Zwischendurch verläßt Anderson sogar vorübergehend den tugendhaften Pfad der
Handlungsverweigerung, um einen stark an "Aliens – Die Rückkehr"
erinnernden Erzählstrang um das Klon-Kind Becky (Aryana Engineer, "Orphan –
Das Waisenkind"), das Alice für seine Mutter hält, einzubinden.
Theoretisch kein schlechter Einfall, aber weil Anderson nicht einmal ansatzweise
über die erzählerischen Qualitäten eines James Cameron verfügt, funktioniert das
mehr schlecht als recht und ist eigentlich schlicht überflüssig.
Ein unvermeidlicher Nebeneffekt der vollen Konzentration auf
die Action ist logischerweise auch die bereits erwähnte extrem kümmerliche
Charakterzeichnung. Das ist schade, da die neuen Figuren durchaus interessant
sind – vor allem von dem von Kevin Durand ("Robin Hood") in bester Badass-Manier verkörperten Barry Burton hätte ich
gerne mehr gesehen, er kann hier sogar mehr glänzen als die
bekannteren, aber ziemlich blaß bleibenden Spielefiguren Leon S. Kennedy (Johann
Urb, "2012") und Ada Wong (Li Bingbing, "Forbidden Kingdom"). Und auch mit den in Klonform zurückkehrenden
Überbleibseln der vorangegangenen Filme (darunter Michelle Rodriguez als Rain
und Colin Salmon als "One" aus dem ersten Teil sowie Oded Fehr als
Carlos aus dem zweiten und dritten) hätte man deutlich mehr anfangen können.
Fazit: "Resident Evil: Retribution" ist
noch stärker als bereits der direkte Vorgänger "Afterlife" ein
Paradebeispiel für den Begriff "style over substance". Wer also nach einem
spektakulär inszenierten Actionstreifen ohne tieferen Sinn sucht, der wird hier
fündig. Alle anderen sollten einen sehr weiten Bogen um diesen Film machen.
Wertung: Dank des tollen ersten Filmdrittels noch knapp 7,5
Punkte.
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