Originaltitel: Extraction 2
Regie: Sam Hargrave,
Drehbuch: Joe Russo, Musik: Alex Belcher und Henry Jackman
Darsteller: Chris
Hemsworth, Golshifteh Farahani, Adam Bessa, Tornike Gogrichiani,
Tinatin Dalakishvili, Andro Japaridze, Tornike Bziava, Mariami und
Marta Kovziashvili, Dato Bakhtadze, Daniel Bernhardt, Legan
Saginashvili, Sam Hargrave, Idris Elba, Olga Kurylenko
Irgendwie hat der
australische Ex-Elitesoldat und Söldner Tyler Rake (Chris "Thor"
Hemsworth) seinen Sturz von einer Brücke in Dhaka trotz mehrerer
Schuß- und Stichwunden im Körper tatsächlich überlebt, jedoch
ist er von den Erlebnissen bei der Befreiung des Jungen Ovi schwer
gezeichnet. Wochenlang lag er im Koma, anschließend war monatelange
Reha nötig, damit er körperlich wieder halbwegs in Form kam –
mental ist und bleibt der immer noch vom Krebstod seines kleinen
Sohns Traumatisierte sowieso ziemlich labil. Da kommt es gerade
recht, als ein mysteriöser Mann (Idris Elba, "Pacific Rim")
bei jener österreichischen Berghütte auftaucht, in der Tyler neun
Monate nach Dhaka lebt, und ihm einen neuen Auftrag anbietet: Ketevan
(Tinatin Dalakishvili, "Rebellion der Magier"), die Schwester von Tylers Ex-Frau Mia (Olga
Kurylenko, "Oblivion"), wird mit ihren beiden Kindern in einem georgischen
Gefängnis festgehalten, in dem ihr Gatte Davit (Tornike Bziava)
inhaftiert ist, der mit seinem Bruder Zurab (Tornike
Gogrichiani) der mächtigste Kriminelle in Georgien mit seiner eigenen
kleinen Privatarmee ist. Tyler willigt ein, Ketevan und die Kinder zu
befreien, und macht sich gemeinsam mit seiner Partnerin Nik
(Golshifteh Farahani, "Pirates of the Caribbean: Salazars Rache"), deren Bruder Yaz (Adam Bessa, "Mosul") und einem
professionellen Söldner-Team auf den Weg nach Georgien. Die
Befreiung glückt nach hartem Kampf, doch durch eine undichte Stelle
findet der rachsüchtige Zurab heraus, daß sich Tyler, Ketevan und
Co. anschließend in Wien aufhalten ...
Kritik:
Seit die großen
(und in geringerem Ausmaß auch die kleinen) Streamingdienste
zunehmend eigene Filme produzieren und viel Geld dafür ausgeben, um
Stars vor und hinter der Kamera an sich zu binden, sind sie auch bei
den Preisverleihungen wie den OSCARs immer erfolgreicher geworden.
Dennoch hat sicherlich nicht nur Quentin Tarantino das Gefühl, daß
reine Streaming-Filme (auch wenn sie manchmal eine kurze
Alibi-Kinoauswertung bekommen) irgendwie nicht so richtig ins
kollektive Gedächtnis der Filmfans und -branche einzugehen scheinen.
Natürlich läßt sich das nicht wirklich quantifizieren und bleibt
letztlich eine anekdotische Beobachtung, doch selbst über erst wenige
Jahre alte Hochkaräter und OSCAR-Gewinner bzw. -Nominees wie Scorseses "The
Irishman", Cuaróns "Roma" oder "CODA"
scheint inzwischen kaum noch jemand zu sprechen – ganz zu schweigen von den zahllosen sündteuren, jedoch zumeist mediokren Actionfilme á la "Red Notice", "The Gray Man" oder "The Tomorrow War". Einer der
Streaming-Filme, die nach meinem Eindruck noch zu den populärsten
und relativ "langlebigen" zählen, ist der ziemlich geradlinige Netflix-Actionreißer
"Tyler Rake: Extraction" aus dem Jahr 2020 mit Marvel-Star
Chris Hemsworth. Sicherlich kein Meisterwerk, aber gut gemachte
Genre-Unterhaltung auf gehobenem Niveau und mit einem überzeugenden
Hauptdarsteller. Da das nicht nur ich so empfinde, war schnell klar,
daß eine Fortsetzung folgen würde und drei Jahre später wurde diese
wiederum bei Netflix veröffentlicht. Diesmal mit noch besseren
Kritiken und ebenfalls vielen Zuschauern – und das ist durchaus
verdient, denn "Tyler Rake: Extraction 2" legt in vielen
Bereichen qualitativ noch einmal zu und ist insgesamt fraglos
ein besserer Film als das Original. Allerdings muß ich zugeben, daß
ich das der Fortsetzung dennoch minimal vorziehe, weil Tyler Rakes
erster Einsatz mich mit der melancholischen Atmosphäre emotional
mehr packte als der deutlich optimistischere zweite Teil.
Die
Produktionskosten von "Tyler Rake 2" sind bislang zwar
nicht bekannt, es scheint jedoch offensichtlich, daß sie höher
liegen als die rund $65 Mio. des ersten Teils. Jedenfalls wirkt der
Film eindeutig teurer und einfach "größer": Es gibt mehr
Schauplätze, mehr wichtige Figuren und noch ausgefeiltere
Actionszenen. Unter denen sticht vor allem eine 21-minütige Sequenz
hervor, die scheinbar ohne Schnitte (ein paar wenige gab es in
Wirklichkeit schon, aber die sind nicht zu bemerken) Tylers
Eindringen in den georgischen Knast und den folgenden, auf einem
fahrenden Zug endenden Ausbruch zeigt. Bereits der Vorgänger hatte
eine ähnliche, jedoch "nur" 12-minütige Sequenz zu
bieten, aber die im zweiten Teil fällt noch
atemberaubender aus, zumal rund 400 (!) Statisten miteinbezogen
wurden. Generell wirkt die Action in "Tyler Rake 2" einfach
größer als im eher intim gefilmten Vorgänger, es kracht und
explodiert phasenweise an allen Ecken und Enden, wenn beispielsweise in Wien
Rakes Team, Zurabs Privatarmee und die österreichische Polizei
aufeinandertreffen. Auch die Mischung aus brutalen Nahkampfszenen,
Schießereien und Verfolgungsjagden ist sehr gut gelungen und braucht sich
kaum hinter dem derzeitigen Genre-Dominator "John Wick" zu
verstecken.
Ein
bedeutender Unterschied zum ersten "Tyler Rake"
ist, daß der Titelheld diesmal nicht mehr fast von Beginn an als
einsamer Wolf (plus hilfsbedürftigem Schützling) unterwegs ist,
sondern ein ganzes, professionelles Team um sich hat. Bereits aus dem
ersten Teil kennen wir Tylers loyale, von Golshifteh Farahani
sympathisch verkörperte Partnerin Nik, die wieder ihren meist
gutgelaunten Bruder Yaz an der Seite hat (der im ersten Teil nur kurz auftrat). Die drei bilden ein gut
funktionierendes Kern-Team, das sich um Tylers Ex-Schwägerin Ketevan
und die beiden Kinder kümmert. Auch durch diese bekommt Tyler etwas
mehr Profil, zumal er durch Ketevans zwischen seiner Liebe zur Mutter
und der Loyalität zu seinem Onkel Zurab schwankenden Teenager-Sohn
Sandro an den eigenen verstorbenen Sohn erinnert wird. Insgesamt
funktioniert der Team-Ansatz von "Tyler Rake 2" jedenfalls
gut, auch wenn es letztlich Geschmackssache ist, ob man ihn
favorisiert oder den im Genre eigentlich populäreren "Einer gegen
alle"-Ansatz des Vorgängers. Ein paar objektive Kritikpunkte am
wiederum von Sam Hargrave nach einem Drehbuch von Joe Russo
("Avengers: Endgame") inszenierten zweiten Teil gibt es
aber auch. So ist der Film zwar nur rund fünf Minuten länger als
Teil 1, wirkt für die im Kern recht dünne Story jedoch trotzdem
phasenweise ein wenig zu lang. Zudem gibt es ein paar kleinere
Story-Schnitzer – wie die Rolle der österreichischen Polizei, die
in Wien zunächst schnell eingreift, dann aber vom Film
irgendwann komplett vergessen wird – und auch wenn das wiederum
Geschmackssache sein mag: Bangladesh ist in meinen Augen als Setting
einfach reizvoller als Georgien und vor allem Österreich. Auch
scheint die Timeline von "Tyler Rake 2" nicht ganz mit dem
Vorgänger zu harmonieren, denn dort hat Tyler acht Monate
nach den Hauptereignissen seinen Schützling Ovi besucht (zumindest
wurde das stark impliziert), was nicht wirklich zu seiner zu Beginn
von Teil 2 gezeigten Reha und dem Untertauchen in
Österreich (bis neun Monate nach den Hauptereignissen von Teil 1 die
eigentliche Handlung beginnt) passen will. Aber das sind
Kleinigkeiten und alles in allem ist "Tyler Rake: Extraction 2"
ein wirklich guter Actionfilm geworden, auch wenn ich persönlich die
melancholische Atmosphäre des Originals ein wenig vermisse. Ein
dritter Teil befindet sich bereits in Vorbereitung.
Fazit:
"Tyler Rake: Extraction 2" ist ein guter Actionfilm, der
mit mehr Schauplätzen, einem richtigen Team und noch raffinierteren
Actionsequenzen überzeugt, dabei allerdings einen Tick zu lang
geraten ist und nicht ganz so stimmungsvoll daherkommt wie der Vorgänger.
Wertung:
7,5 Punkte.
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