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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Donnerstag, 4. April 2019

EIN GAUNER & GENTLEMAN (2018)

Originaltitel: The Old Man & the Gun
Regie und Drehbuch: David Lowery, Musik: Daniel Hart
Darsteller: Robert Redford, Casey Affleck, Sissy Spacek, Tika Sumpter, Danny Glover, Tom Waits, John David Washington, Isiah Whitlock Jr., Keith Carradine, Elisabeth Moss, Teagan Johnson, Ari Elizabeth Johnson
 Ein Gauner & Gentleman (2018) on IMDb Rotten Tomatoes: 93% (7,6); weltweites Einspielergebnis: $17,9 Mio.
FSK: 6, Dauer: 94 Minuten.

Texas, Anfang der 1980er Jahre: Forrest Tucker (Robert Redford, "Captain America 2"), Mitte 70, ist Bankräuber. Er raubt Banken gar nicht deshalb aus, weil er unbedingt das Geld bräuchte – es ist einfach seine Leidenschaft! Der gehen er und seine unwesentlich jüngeren Komplizen Teddy (Danny Glover, "Lethal Weapon") und Waller (Tom Waits, "7 Psychos") mit jahrelanger Routine ausgesucht unauffällig und höflich, gar freundlich nach, weshalb ihre Opfer ihnen meist nicht böse sind und die jeweilige Polizei die Altherren-Gangster nicht wirklich ernstnimmt. Bis zufällig – und ohne es währenddessen überhaupt mitzubekommen – in Dallas Polizist John Hunt (Casey Affleck, "Manchester by the Sea") mit seinem kleinen Sohn in einen der Überfälle gerät. Während sich seine Kollegen eher über ihn lustig machen, recherchiert Hunt und findet bald heraus, daß die Bande seit Jahren in mehreren Bundesstaaten unterwegs ist und bereits Dutzende solcher Raubzüge durchgeführt hat, ohne daß irgendjemand erkannte, daß es sich um die gleichen Täter handelte. Als Hunt mit seinen Erkenntnissen an die Öffentlichkeit geht, bekommen Forrest – der sich frisch in die verwitwete Farmerin Jewel (Sissy Spacek, "Carrie") verliebt hat –, Teddy und Waller deutlich mehr Aufmerksamkeit, als ihnen lieb ist …

Kritik:
Robert Redford ist eine Kinolegende. Das ist keine Übertreibung, sondern die reine Wahrheit. In seiner fast 60-jährigen Karriere als Schauspieler, Regisseur, Produzent und Festivalveranstalter spielte Redford die Hauptrolle in unsterblichen Klassikern wie "Zwei Banditen" (auch unter dem Originaltitel "Butch Cassidy and the Sundance Kid" bekannt), "Der Clou", "Die drei Tage des Condor", "Die Unbestechlichen", "Der Unbeugsame" oder "Jenseits von Afrika", er inszenierte anspruchsvolle und erfolgreiche Filme wie "Eine ganz normale Familie", "Quiz Show" oder "Der Pferdeflüsterer" und er hob mit dem seit 1984 jährlich im Januar stattfindenden Sundance Film Festival in Utah eines der einflußreichsten Independent-Filmfestivals aus der Taufe. Daß der OSCAR-Gewinner (1981 als Regisseur von "Eine ganz normale Familie" – als Schauspieler war er nur für "Der Clou" nominiert) bekannt gab, im Alter von 82 Jahren mit der leichten Komödie "Ein Gauner & Gentleman" zumindest als Schauspieler seine Karriere zu beenden (auch wenn er sich ein Hintertürchen für eine Rückkehr offenhielt), ist also ohne Übertreibung eine Zäsur für ein Hollywood, in dem Redford mehr als ein halbes Jahrhundert lang eine prägende Figur war. Mit dem auf realen Geschehnissen basierenden "Ein Gauner & Gentleman" von David Lowery ("Elliot, der Drache") erhält Robert Redford zwar nicht den grandiosen Abschied, den er sich verdient hätte, aber zumindest einen zufriedenstellenden, in dem er noch einmal seinen ganzen spitzbübischen Charme ausspielen kann und nebenbei an seine legendären Gauner-Rollen in "Zwei Banditen" und "Der Clou" erinnert.

"Ein Gauner & Gentleman" ist mit Sicherheit einer der entspanntesten Filme, die in den letzten Jahren die Leinwand erobert haben. Regisseur und Drehbuch-Autor Lowery hat offensichtlich kaum größere Ambitionen als das Publikum anständig zu unterhalten und Redford eine Bühne für seine unverändert beeindruckende Leinwandpräsenz zu bieten. Oder anders formuliert: Das Erzähltempo ist sehr gemächlich und auch die komödiantischen Elemente sind eher verhalten eingesetzt und verleiten das Publikum zwar des Öfteren zum amüsierten Schmunzeln, rufen aber kaum einmal einen herzhaften Lacher hervor. Das ist völlig in Ordnung, sofern man nicht mehr erwartet. Eine gute Idee war es eindeutig, Redford mit OSCAR-Gewinner Casey Affleck als Detective Hunt einen Mann gegenüberzustellen, der es schauspielerisch mit der Legende aufnehmen kann und dessen Figur wohl sogar etwas feiner gezeichnet ist als Forrest Tucker selbst. Denn obwohl wir nach und nach mehr über den Bankräuber und seine Vergangenheit erfahren, taucht das Drehbuch keinesfalls tief in sein Wesen, seinen Charakter ein – er ist ein Mann, der das, was er tut, aufrichtig liebt, und dem es wichtiger ist, sein Leben zu genießen und voll auszukosten, als sich ständig an die Regeln zu halten. Die Konsequenzen für sein Tun nimmt er dabei billigend in Kauf. John Hunt hingegen ist gerade 40 geworden und steckt bereits in einer etwas verfrühten, jedoch handfesten Midlife-Crisis. Beruflich hat er seinen Idealismus längst verloren, der Job als Polizist ermüdet ihn inzwischen in erster Linie und so hangelt er sich desillusioniert von einem belanglosen Arbeitstag zum nächsten. Zwar sorgt die Familie mit seiner ihn stets unterstützenden Frau Maureen (Tika Sumpter, "Ride Along") und den beiden Kindern nach Feierabend für ein bißchen Entspannung, trotzdem denkt er sehr ernsthaft über einen Berufswechsel nach – bis er Tucker begegnet, dessen ungewöhnlicher Fall regelrecht vitalisierend auf Hunt wirkt. Nebenbei bemerkt: Daß Hunt Anfang der 1980er Jahre in Texas mit einer schwarzen Frau verheiratet ist, aber weder sie noch ihre gemischtrassigen Kinder auch nur ansatzweise mit rassistischen Vorurteilen konfrontiert werden, wirkt nicht ganz glaubwürdig und läßt vermuten, daß damit in erster Linie eine diversere Besetzung ermöglicht werden sollte – aber inhaltlich stört es nicht weiter und prinzipiell ist der Versuch selbstredend lobenswert, Vorurteilen entgegenzuwirken, indem man beispielsweise eine gemischtrassige Beziehung als so vollkommen selbstverständlich zeigt, wie sie es sein sollte, jedoch in allzu vielen Gebieten unserer Welt immer noch nicht ist.

Der regelmäßige Perspektivwechsel zwischen Tucker und Hunt sorgt jedenfalls für ein wenig Spannung und Amusement, wobei sich das allerdings trotzdem in Grenzen hält. Lowery geht es erkennbar in erster Linie um die Charaktere und nicht so sehr um die Handlung, weshalb sowohl Hunts Ermittlungen als auch Tuckers Überfälle und die Planungen dafür verhältnismäßig wenig Raum einnehmen und ziemlich oberflächlich skizziert werden. Vermutlich eine bewußte Entscheidung, denn Tuckers Überfälle an sich sind nunmal nicht übermäßig originell, weshalb man Vergleichbares schon oft in Filmen und TV-Serien gesehen hat; da besteht in der Tat keine große Notwendigkeit, das einmal mehr breitzuwalzen. Gerade deshalb ist es schade, daß die Figuren nicht mehr Tiefe entwickeln. Tuckers behutsame Romanze mit Jewel ist nett gemacht und überzeugend gespielt (allerdings stört in der deutschen Synchronfassung ein viel zu später Wechsel zum Duzen), wohingegen seine Beziehung zu seinen Freunden und Komplizen kaum eine Rolle spielt. Das ist umso bedauerlicher, als man für Teddy und Waller mit Danny Glover und dem hauptberuflichen Kultmusiker Tom Waits zwei spielstarke Charakterköpfe angeheuert hat, mit denen man deutlich mehr hätte anfangen können. So sorgen sie ebenfalls für ein paar Schmunzler, haben ansonsten aber wenig zu tun. Andere namhafte Darsteller wie John David Washington ("BlacKkKlansman") oder Elisabeth Moss (TV-Serie "The Handmaid's Tale") haben kaum mehr als Cameos. Die 1980er Jahre-Atmosphäre fängt David Lowery dafür gekonnt ein – ein paar gut ausgewählte Songs (z.B. die auf dem Soundtrack enthaltenen "Lola" von The Kinks und "30 Century Man" von Scott Walker) helfen, doch vor allem optisch wirkt der gewollt grobkörnig gefilmte "Ein Gauner & Gentleman", als wäre er wirklich vor fast 40 Jahren gedreht worden. Der Score von Daniel Hart ("A Ghost Story") hätte allerdings etwas lebhafter ausfallen dürfen, wenngleich die von ihm ausgehenden Easy Listening-Vibes fraglos gut zur entspannten Tonalität eines Films passen, der letztlich vor allem von der charismatischen Präsenz seiner von Robert Redford angeführten Stars lebt.

Fazit: "Ein Gauner & Gentleman" ist eine gemächlich erzählte, gänzlich unaufgeregte Komödie mit entspanntem Humor, die ihre amüsante Geschichte eher beiläufig erzählt und sich umso mehr auf das Können ihrer gut aufgelegten Stars verläßt. Nett.

Wertung: Gut 6,5 Punkte.


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