Originaltitel:
The Old Man & the Gun
Regie und Drehbuch: David Lowery, Musik: Daniel Hart
Darsteller:
Robert Redford, Casey Affleck, Sissy Spacek, Tika
Sumpter, Danny Glover, Tom Waits, John David Washington, Isiah Whitlock Jr., Keith Carradine, Elisabeth
Moss, Teagan Johnson, Ari Elizabeth Johnson
FSK: 6, Dauer: 94 Minuten.
Texas, Anfang der 1980er Jahre: Forrest Tucker (Robert
Redford, "Captain America 2"), Mitte 70, ist Bankräuber. Er raubt
Banken gar nicht deshalb aus, weil er unbedingt das Geld bräuchte – es ist
einfach seine Leidenschaft! Der gehen er und seine unwesentlich jüngeren
Komplizen Teddy (Danny Glover, "Lethal Weapon") und Waller (Tom
Waits, "7 Psychos") mit jahrelanger Routine ausgesucht
unauffällig und höflich, gar freundlich nach, weshalb ihre Opfer ihnen meist nicht böse sind und die jeweilige Polizei die Altherren-Gangster
nicht wirklich ernstnimmt. Bis zufällig – und ohne es währenddessen überhaupt
mitzubekommen – in Dallas Polizist John Hunt (Casey Affleck,
"Manchester by the Sea") mit seinem kleinen Sohn in einen der Überfälle gerät. Während sich seine Kollegen eher über ihn lustig machen,
recherchiert Hunt und findet bald heraus, daß die Bande seit Jahren in
mehreren Bundesstaaten unterwegs ist und bereits Dutzende solcher Raubzüge durchgeführt
hat, ohne daß irgendjemand erkannte, daß es sich um die gleichen Täter
handelte. Als Hunt mit seinen Erkenntnissen an die Öffentlichkeit geht,
bekommen Forrest – der sich frisch in die verwitwete Farmerin Jewel
(Sissy Spacek, "Carrie") verliebt hat –, Teddy und Waller deutlich
mehr Aufmerksamkeit, als ihnen lieb ist …
Kritik:
Robert Redford ist eine Kinolegende. Das ist keine Übertreibung,
sondern die reine Wahrheit. In seiner fast 60-jährigen Karriere als
Schauspieler, Regisseur, Produzent und Festivalveranstalter spielte Redford die
Hauptrolle in unsterblichen Klassikern wie "Zwei Banditen" (auch unter dem Originaltitel
"Butch Cassidy and the Sundance Kid" bekannt), "Der Clou", "Die drei Tage des Condor",
"Die Unbestechlichen", "Der Unbeugsame" oder "Jenseits
von Afrika", er inszenierte anspruchsvolle und erfolgreiche Filme wie "Eine
ganz normale Familie", "Quiz Show" oder "Der
Pferdeflüsterer" und er hob mit dem seit 1984 jährlich im Januar stattfindenden
Sundance Film Festival in Utah eines der einflußreichsten
Independent-Filmfestivals aus der Taufe. Daß der OSCAR-Gewinner (1981 als
Regisseur von "Eine ganz normale Familie" – als Schauspieler war er
nur für "Der Clou" nominiert) bekannt gab, im Alter von 82 Jahren
mit der leichten Komödie "Ein Gauner & Gentleman" zumindest als
Schauspieler seine Karriere zu beenden (auch wenn er sich ein Hintertürchen für
eine Rückkehr offenhielt), ist also ohne Übertreibung eine Zäsur für ein
Hollywood, in dem Redford mehr als ein halbes Jahrhundert lang eine prägende Figur war. Mit dem auf realen Geschehnissen basierenden "Ein
Gauner & Gentleman" von David Lowery ("Elliot, der Drache")
erhält Robert Redford zwar nicht den grandiosen Abschied, den er sich verdient hätte, aber zumindest einen zufriedenstellenden, in dem er noch einmal seinen ganzen
spitzbübischen Charme ausspielen kann und nebenbei an seine legendären Gauner-Rollen in "Zwei Banditen" und "Der Clou" erinnert.
"Ein Gauner & Gentleman" ist mit Sicherheit
einer der entspanntesten Filme, die in den letzten Jahren die Leinwand
erobert haben. Regisseur und Drehbuch-Autor Lowery hat offensichtlich kaum
größere Ambitionen als das Publikum anständig zu unterhalten und Redford
eine Bühne für seine unverändert beeindruckende Leinwandpräsenz zu bieten.
Oder anders formuliert: Das Erzähltempo ist sehr gemächlich und auch die
komödiantischen Elemente sind eher verhalten eingesetzt und verleiten das
Publikum zwar des Öfteren zum amüsierten Schmunzeln, rufen aber kaum einmal einen
herzhaften Lacher hervor. Das ist völlig in Ordnung, sofern man nicht mehr
erwartet. Eine gute Idee war es eindeutig, Redford mit OSCAR-Gewinner Casey
Affleck als Detective Hunt einen Mann gegenüberzustellen, der es
schauspielerisch mit der Legende aufnehmen kann und dessen Figur wohl
sogar etwas feiner gezeichnet ist als Forrest Tucker selbst. Denn obwohl wir
nach und nach mehr über den Bankräuber und seine Vergangenheit erfahren,
taucht das Drehbuch keinesfalls tief in sein Wesen, seinen Charakter ein – er
ist ein Mann, der das, was er tut, aufrichtig liebt, und dem es wichtiger ist, sein Leben
zu genießen und voll auszukosten, als sich ständig an die Regeln zu halten. Die
Konsequenzen für sein Tun nimmt er dabei billigend in Kauf. John Hunt hingegen
ist gerade 40 geworden und steckt bereits in einer etwas verfrühten, jedoch
handfesten Midlife-Crisis. Beruflich hat er seinen Idealismus längst verloren,
der Job als Polizist ermüdet ihn inzwischen in erster Linie und so hangelt er
sich desillusioniert von einem belanglosen Arbeitstag zum
nächsten. Zwar sorgt die Familie mit seiner ihn stets unterstützenden Frau Maureen
(Tika Sumpter, "Ride Along") und den beiden Kindern nach Feierabend
für ein bißchen Entspannung, trotzdem denkt er sehr ernsthaft über einen Berufswechsel nach
– bis er Tucker begegnet, dessen ungewöhnlicher Fall regelrecht vitalisierend
auf Hunt wirkt. Nebenbei bemerkt: Daß Hunt Anfang der 1980er Jahre in Texas mit
einer schwarzen Frau verheiratet ist, aber weder sie noch ihre gemischtrassigen
Kinder auch nur ansatzweise mit rassistischen Vorurteilen konfrontiert werden,
wirkt nicht ganz glaubwürdig und läßt vermuten, daß damit in erster Linie eine
diversere Besetzung ermöglicht werden sollte – aber inhaltlich stört es nicht
weiter und prinzipiell ist der Versuch selbstredend lobenswert, Vorurteilen
entgegenzuwirken, indem man beispielsweise eine gemischtrassige Beziehung als so vollkommen selbstverständlich zeigt, wie sie es sein sollte, jedoch in
allzu vielen Gebieten unserer Welt immer noch nicht ist.
Der regelmäßige Perspektivwechsel zwischen Tucker und Hunt
sorgt jedenfalls für ein wenig Spannung und Amusement, wobei sich das allerdings trotzdem
in Grenzen hält. Lowery geht es erkennbar in erster Linie um die Charaktere und
nicht so sehr um die Handlung, weshalb sowohl Hunts Ermittlungen als auch
Tuckers Überfälle und die Planungen dafür verhältnismäßig wenig Raum einnehmen
und ziemlich oberflächlich skizziert werden. Vermutlich eine bewußte Entscheidung,
denn Tuckers Überfälle an sich sind nunmal nicht übermäßig originell, weshalb
man Vergleichbares schon oft in Filmen und TV-Serien gesehen hat; da besteht in
der Tat keine große Notwendigkeit, das einmal mehr breitzuwalzen. Gerade
deshalb ist es schade, daß die Figuren nicht mehr Tiefe entwickeln.
Tuckers behutsame Romanze mit Jewel ist nett gemacht und überzeugend
gespielt (allerdings stört in der deutschen Synchronfassung ein viel zu später
Wechsel zum Duzen), wohingegen seine Beziehung zu seinen Freunden
und Komplizen kaum eine Rolle spielt. Das ist umso bedauerlicher, als man für
Teddy und Waller mit Danny Glover und dem hauptberuflichen Kultmusiker Tom
Waits zwei spielstarke Charakterköpfe angeheuert hat, mit denen man deutlich
mehr hätte anfangen können. So sorgen sie ebenfalls für ein paar Schmunzler, haben
ansonsten aber wenig zu tun. Andere namhafte Darsteller wie John David Washington ("BlacKkKlansman") oder Elisabeth Moss (TV-Serie "The Handmaid's Tale") haben kaum mehr als Cameos. Die 1980er Jahre-Atmosphäre fängt David
Lowery dafür gekonnt ein – ein paar gut ausgewählte Songs (z.B. die auf dem Soundtrack enthaltenen "Lola" von The Kinks und "30 Century Man" von Scott Walker) helfen, doch vor
allem optisch wirkt der gewollt grobkörnig gefilmte "Ein Gauner &
Gentleman", als wäre er wirklich vor fast 40 Jahren gedreht worden. Der Score von Daniel Hart ("A Ghost Story") hätte allerdings etwas lebhafter ausfallen dürfen, wenngleich die von ihm ausgehenden Easy
Listening-Vibes fraglos gut zur entspannten Tonalität eines Films passen, der
letztlich vor allem von der charismatischen Präsenz seiner von Robert Redford
angeführten Stars lebt.
Fazit: "Ein Gauner & Gentleman" ist
eine gemächlich erzählte, gänzlich unaufgeregte Komödie mit entspanntem
Humor, die ihre amüsante Geschichte eher beiläufig erzählt und sich umso mehr
auf das Können ihrer gut aufgelegten Stars verläßt. Nett.
Wertung: Gut 6,5 Punkte.
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